Protocol of the Session on August 16, 2000

Nach dem Verfassungsschutzbericht 1999 sind zwar die rechtsextremistischen Straftaten leicht rückläufig, jedoch sind die rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte um über 5 % gestiegen. Auch bei uns in Rheinland-Pfalz gibt es eine solche besorgniserregende Entvvicklung; denn im ersten Halbjahr 2000 sind bereits 398 neüe Verfahren eingeleitet worden, was eine Erhöh.ung um 115 Straftaten bedeutet.

Meine Damen und Herren, all diejenigen, die einen Personalabbau im Bereich des Verfassungsschutzes forderten, müssten allein durch diese Zahlen eines Besseren belehrt werden:

(Beifall der CDU und der F.D.P.)

Wer den Verfassungsschutz schwächt, stärkt den Radikalismus. Der Aufruf aller Demokraten gegen Gewalt ist notwendiger denn je. Wir müssen die Bevölkerung gegen das rechtsextremistische Spektrum sensibilisieren und mobilisieren. Meine Damen und Herren, doch dies allein reicht nicht. Die

Wurzel dieses Problems liegt in unserer Gesellschaft. Wir

müssen extremistische Parolen und Fremdenfeindlichkeit ein

fach im Keim ersticken. Ich denke, Herr Kollege Mertes hat schon darauf hingewiesen, dies beginnt schon in der Familie.

Negative Aussagen vor dem Hintergrund von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit dürfen nicht bagatellisiert werden.

Joachim Fest, der kürzlich den Hildegard-Preis von der Landeszahnärztekammer verliehen bekam, hat in einer für mich sehr denkwürdigen Ausführung gesagt: Die rechten Schatten werden wieder etwas länger. - Er begründet dies historisch damit, dass derzeit eine Generation heranwächst, die in keiner Weise mit dem Nationalsozialismus in Berührung kam und deshalb auch eine völlig andere Beziehung hat, wie zum Beispiel die Kriegsgeneration oder die erste Nachkriegsgeneration.

Ich denke, wir wissen alle, dass viele, die derzeit diese~ Parolen nachlaufen, wirklich nicht wissen, was sie tun. Aber ich denke, dass dies auch in dem einen oder anderen Fall poli

-tisch motiviert ist. Deswegen meinen wir, es muss immerwie

der darauf hingewiesen werden. Wir dürfen aber andererseits dieses Thema "Rechtsextremismus" nicht dramatisieren.

Ich sage dies ganz bewusst. Die eine oder andere Äußerung im Ausland über Deutschland ist sicherlich wenig hilfreich und in dieser Form auch nicht begründet. Wir haben eine wehrhafte und gefestigte Demokratie, die durch einige rechte oder linke Spinner mit Sicherheit nicht wanken wird.

-Meine Damen und Herren, letztes Mittel gegen den Rechts

extremismus ist das Verbotder NPD. Gegner und Befüf'Norter

sind quer durch alle Parteien hindurch zu finden. Für mich stelltsich einfach die Frage, was es uns in unserer Demokratie gebracht hat, dass wir eine solche Partei über Jahre hinweg gewähren ließen. Ohne -die Arbeit des Verfassungsschutzes zu schmälern- er hat hervorragende Arbeit geleistet-, durch seine Kontrollen sind Gewalttaten nicht eingedämmt worden. Meine Damen und Herren, ein Skandal ist es jedoch, dass wir als Steuerzahler allein die NPD im vergangenen Jahr mit 1 Million DM alimentiert haben. ln diesem Schutzbereich hat sich die NPD zu einem logistischen Netzwerk entwickelt.

Entscheidender sind jedoch die Vorteile, die aus dem Parteienprivileg resultieren. So sind Versammlungen, Kundgebungen und Aufmärsche den nicht verbotenen Parteien kaum zu verwehren. Den Parteien sind in Artikel21 des Grundgesetzes

die Grenzen ihrer Freiheit aufgezeigt. Die NPD verletzt diese Bestimmung ständig. Ein Verbot wäre deshalb mehr als ein Symbol.

Der Staat muss den Rechtsextremisten mit einer ausreichenden polizeilichen Präsenz entg-egentreten. Ob dies in Rheinland-Pfalz immer per Fall sein kann, weiß ich derzeit nicht; denn wir wissen, dass im Bereich der Polizei immer wieder Kräfte in den verschiedensten Bereichen fehlen. Wir fordern die Landesregierung auf, weiterhin eine Sonderermittlungsgruppe gegen rechtsextremistische Straftäter einzusetzen und darüber hinaus ein polizeiliches Frühwarnsystem einzu

Bei den Staatsanwaltschaften müssten nach unserer Auffas

sung Spezialabteilungen zur Verfolgung von Gewalttaten

mit rassistischem oder fremdenfeindlichem Hintergrund gebildet werden. Anklageerhebungen und Verurteilungen müssen zum Geschehen so zeitnah wie möglich und verfahrensrechtlich zulässig erfolgen.

(Glocke des Präsidenten)

-Ich bin sofort fertig. Wir sind gegenüber rechtsextremer Gewalt nicht hilflos. Wir müssen uns nur gegen die Feinde der Demokratie zur Wehr setzen. Es kommt jetzt einfach darauf an, dass alle, die politisch und administrativ Verantwortung tragen, das Not'.r~endige mit Entschiedenheit umsetzen.

Ich bedanke mich.

(Beifall der CDU, der SPD und der F.D.P.)

Für die F:D.P.-Fraktion erteile ich Herrn Abgeordneten Creutzmann das Wort.

Herrr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die F.D.P.-Fraktion hat nach der verabscheuungswürdigen Bluttat v~m DOsseidorf zu einem -Aktionsbündnis gegen Gewalt-aufgerufen. Zudem hat die F.D.P.-Fraktion eine Aktuelle

_ Stunde zu dem Thema "Gewaltprävention in Rheinland-Pfalz

vor dem Hintergrund aktueller ex-tremistischer Gewalttaten"

beantragt, weil wir meinen, dass sich der rheinland-pfälzische Landtag mit diesem Thema nicht nur befassen muss, sondern

er sollte auch ein Signal der Geschlossenheit aller demokratischen Kräfte in diesem Hause aussenden.

(Beifall der F.D.P., der SPD undderCDU)

Dass sich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN diesem Signal der Geschlossenheit nicht anschließen will, spricht für sich.

Jede extremistische Gewalttat, sei es gegen Personen, sei es gegen Sachen, verdient den- tiefsten Abscheu in unserer Gesellschaft und. kann nicht geduldet werden. Null Toleranz für Gewalttäter, ist das Gebot der Stunde. Die in unserer Gesell

schaft diskutierten Maßnahmen gegen rechte Gewalt müssen jedoch mit aller Entschiedenheit zu einem Aktionsbündnis gegen Gewalt ausgebaut werden. Entscheidend wird sein, ob dieses Aktionsbündnis nachhaltig - ich betone dies - in unse

rer Gesellschaft durchgeführt wird. Kurzatmige Aktionen, Aufgeregtheiten, Lippenbekenntnisse bringen uns im Kampf gegen den Extremismus nicht weiter.

(Beifall im Hause)

Jetzt ist ein breiter Konsens in unserer Gesellschaft gefordert, dass wir es nicht länger hinnehmen werden, dass extremistische Gewalttäter von rechts und links Unfrieden in unsere Gesellschaft hineintragen und den Ruf Deutschlands als tolerantes und humanes Land nachhaltig schädigen.

(Beifall der F.D.P., der SPD und derCDU)

Es muss die Zeit vorbei sein, in der man Extremismus mit Gleichgültigkeit und Desinteresse begegnet. Mit Mut, Entschiedenheit und Zivilcourage muss energisch gegen Gewalt und rechtsradikales Gedankengut eingeschritten werden. Handeln statt Wegsehen, muss das Leitbild in unserer Gesell

schaft werden. An diesem Leitbild müssen alle mitarbeiten, Vereine, Schulen, Hochschulen, Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitgeber. Je~er und jede Einzelne, alle gesellschaftlichen Gruppen und l~stitutionen sollen wiHkommen sein, sich an diesem Bündnis zu beteiligen.

Die Bundesregierung hat am 23. Mai 2000, am Tag der Verkündung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, ein Bündnis für Demokratie und Toleranz ins Leben gerufen. Wichtigstes Ziel des Bündnisses ist das entschiedene Eintreten für den Schutz und die Achtung demokratischer Re

geln, für den Respekt vor der Würde des Menschen, für Toleranz und Solidarität.

Die Botschaft, die von dieser Veranstaltung ausging, sollte lauten, ich zitiere:.. Unser Staat und unsere Gesellschaft, jeder Einzelne ist nicht bereit, undemokratisches, intolerantes, extremistisches und fremdenfeindliches Verhalten hinzunehmen, zu dulden odergar zu entschuldigen."

Bei dieser Au~aktveranstaltung am 23. Mai hat der Präsident der Akademie der Künste, der Schriftführer Konrad, unter anderem folgende Ausführung gemacht- ich zitiere-:.. Was ist Extremismus? Jede politische Bewegung, die aggressiv gegen Personen und Sachen sowie mit gezielten Hasstiraden auftritt. Extremismus ist Anzweiflung der Grundwerte der europäischen humanistischen Demokratie." - Das sind alles Zitate des Präsidenten-.. Kriterium des Extremismus sind physische und verbale Gewalt. Das wesentliche Moment besteht in der Verletzung der persönlichen und in Besonderheit der Menschenwürde. Erziehung zur Freiheit, das ist Erziehung zur Menschenwürde, Extremismus, das ist prinzipielle Verletzung der demokratischen Spielregeln. Ein wesentliches Moment der Gewalt ist deren Billigung oder Entschuldigung, Verschließen der Augen, Komplizenschaft, Bagatellisieren, Unaufmerksamkeit und Gleichgültigkeit. Das ist der Boden, auf dem Gewalt gedeiht."

(Beifall bei F.D.P. und SPD)

Deshalb ist es wichtig, dass wir alle, das h~ißt, jeder in unserer Gesellschaft, ganz gleich, an welcher Stelle er steht, Gewalt, weder von rechts noch von links, weder gegen Sachen noch gegen Personen, billigen und aktiv dagegen vorgehen.