Protocol of the Session on August 16, 2000

Guten Tag, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 113. Plenarsitzung des Landtags Rheililand-Pfalz.

Zu Schriftführern berufe ich die Abgeordneten Petra Elsner und Angela Schneider-Forst, die auch die Rednerliste führt.

Entschuldigt ist für heute der Abgeordnete Dr. Georg Gölter.

Wir hatten in der jüngsten Zeit zwei runde Geburtstage, die zwei Kolleginnen feiern durften. Ich gratuliere den Kolleginnen Friederike Ebli und Ulla Brede-Hoffmann auch in Ihrem Namen ganz herzlich! (Beifall im Hause)

Zur Tagesordnung ist anzumerken, dass zu Punkt 1 zwei Anträge vorliegen, nämlich der gemeinsame Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und F.D.P... Handeln statt wegsehen- Null Toleranz gegen Gewalt" - Drucksache 13/6091 - sowie der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ,.Handeln statt

- wegschauen - Gegen Rechtsex-tremismus und Rassismus in

Rheinland-Pfalz" - Drucksache 13/6092 -. Gemäß § 66 Abs. 2 der Geschäftsordnung muss bei Einspruch mit Zweidrittel

mehrheit beschlossen werden, dass die Frist abgekürzt wird. Ich gehe davon aus, dass es keine Einwände gibt, diese Anträge gemeinsam zu behandeln. Das istder Fall.

Meine Damen und Herren, wenn es keine weiteren Einwände gegen die Tagesordnung gibt, dann stelle ich diese so fest.

Ich rufe die Punkte 1 und 2 der Tagesordnung auf:

AKTUELLE STUNDE

a) Gewaltprävention in Rheinland-Pfalzvor dem Hinter

grund aktueller extremistischer Gewalttaten auf Antrag der Fraktion der F.D.P. -Drucksache 13/6044

b) Rechtsextremistische Ausschreitungen in Rheinland-P1alz auf Antrag der Fraktion der SPD -Drucksache 13/6045

Hanc!eln statt wegsehen- Null Toleranz gegen Gewalt Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und F.D.P. -Drucksache 13/6091

Handeln statt wegschauen-Gegen R~chtsextremismus

und Rassismus in Rheinland-Pfalz -Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drucksache 13/6092

Für die antragstellende Fraktion spricht Herr Abgeordneter Joachim Mertes.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herre_n! Der erste Tagesordnungspunkt der ersten Plenarsitzung nach den Ferien hat die Überschrift.. Handeln statt wegsehen- Null Toleranz gegen Gewalt". Wir V.Jollen ein deutliches Zeichen gegen diejenigen setzen, die den zentralen Wert unseres menschlichen Zus-ammenlebens und unserer Verfassung durch Worte und Taten mit Füßen treten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, in Artikel 1 des Grundgesetzes heißt es:

.. Die Würde des Menschen ist unantastbar.". Es heißt: ,.die

Würde des Menschen". Es heißt nicht:.,die Würde der Deutschen", es heißt nicht: ,.die Würde des Mannes", es heißt nicht: ,.die Würde der Frau", es heißt einfach:.,des Men

schen" allgemein, und zwar die gleiche Würde für alle Menschen.

(Beifall im Hause)

Wer Menschen jagt, hetzt, verletzt, schlägt oder gar tötet, verletzt f-undamental die Grundsätze unseres menschlichen und demokratischen Zusammenlebens. Meine Damen und Herren, aus der gleichen Würde aller Menschen leitet sich der Grundsatz ab, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind.

Ein Blick in die Geschichte lohnt sich. Auch die Judenverfol

gung der Nationalsozialisten hat nicht- mit deren systematischen Ermordung begonnen, sondern damit, dass man ihnen die Gleichheit vor dem Gesetz abspricht... Die Gleichheit vor dem Gesetz in Abrede zu stellen, zielt heute wie damals da

rauf, eine Gruppe von Menschen zu Untermenschen zu erklären." Meine Damen und Herren, das ist ein Zitat aus der ,.Frankfurter Rundschau".

Die große Mehrheit in unserem Land lehnt Intoleranz und Gewalt ab. Aber dennoch gibt es Ausländerfeindlichkeit; Fremdenhass, Gewalt bis hin zum Mord.-Es kannsich keiner darauf-berufen, es sei das Massenelend durch eine lange Ar

beitslosigkeit als Nährboden vorhanden. Es gibt auch keine gesicherte Grundlage darüber, was die Ursachen sind.

Natürlich zählt Perspektivlosigkeit aufgrund fehlender Ausbildung und Arbeit dazu. r1.1eine Damen und Herren, aber es zählen auch Um.vissenheit, Dummheit und persönliche Gewaltbereitschaft dazu. Das muss auch gesagt yverden.

(Beifall im Hause)

Lassen Sie mich anfügen, gegen Dummheit und Unwissenheit kann man etwas tun. Damit kann man sich nicht entschuldi

gen, schon gar nicht, wenn man Deutscher ist.

Anders als zum Ende der Weimarer Republik haben wir demokratischen Parteien versucht, bei allem Kampf um die Macht und die Positionen einen Konsens zu halten, dass politische Auseinandersetzungen nicht so geführt werden, dass Fremdenund Ausländerfeindlichkeit geweckt werden. Johannes Rau ruft uns zu: ,.Kein politisch Verantwortlicher darf der Versuchung nachgeben, aus fremdenfeindlichen Stimmungen Kapital zu schlagen. Der sorgfältige Umgang mit dem Wort gehört an die erste Stelle."

Wir haben 1999 in diesem Parlament eine Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft geführt, und der Stil dieser Debatte war von diesem Bestreben, sich dies nicht gegenseitig anzutun, gekennzeichnet. Ich habe in dieser Debatte von Tabus in einer Demokratie gesprochen. Das hat man vielleicht auch missverstanden. Aber ich meine, es muss ein Tabu ge

ben, Menschen wegen ihrer Rasse, ihrer Religion oder ihrer sozialen Herkunft zu demütigen oder Gewalt gegen sie auszuüben. Extremistisches Verhalten, Fremdenfeindlichkeit und Gewaltwerden nicht hingenommen, geduldet oder entschuldigt. Meine Damen und Herren, dies ist die Botschaft.

(Beifall im Hause) ·

Es fängt mit dem Witz über Minderheiten, Frauen, Türken

oder Bimbos, überall diejenigen, die es am Stammtisch gibt, an. Dann ist es nur noch eine Frage des Quantums an Alkohol, wann es in Naziliedern und anderen Taten endet. Deshalb ist jeder an sein~m Platz mit verantwortlich.

Einige haben es wahrgenommen. Schauen wir uns die Initiativen an. Ich nenne die "Rheinzeitung" ·mit einem Schwerpunkt in ihrer Berichterstattung. Ich nenne die "Bildzeitung".

Wenn sich jemand schüttelt, kann ich ihm nur sagen, er sollte einmal nachlesen, was ihre klare Position in der Frage über Fremdenfeindlichkeit angeht. Ich nenne die Adam Opel AG und- man muss es in diesem Landtag sagen- den FC Bayern, der in dieser Frage ebenfalls eine Kampagne gestartet hat.

Wir brauchen ein großes Aktionsbündnis aller, von Kirchen über Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Wir brauchen all dieje-. nigen, die bereit sind, Zivilcourage zu zeigen.

Meine Damen und Herren; Ministerpräsident Kurt Beck hat einen Vorschlag, nämlich den so genannten Mainzer Appell gemacht, in dem es daruin geht, dass sich alle zu ihrer Verantwortung bekennen und bereit sind, bereits beim kleinsten Vorkommnis Zivilcourage zu zeigen.

Sie werden sich nun fragen, weshalb wir in diesem Landtag nicht zu einem gemeinsamen Antrag kamen. ln Einzelheiten möchte ich das nicht sagen. Ich möchte allerdings sagen, historisch schäme ich mich als Parlamentarier, dass ich und auch andere unbedroht in diesem beschauli~hen Landtag, ohne die Gefahr, dass mir die Rechten sozusagen über den Weg laufen, dass mir oder auch meiner Familie Gefahr drohen würde, nicht in der Lage waren, alle einzubinden. Mögen die

jenigen, die sich nicht einbinden ließen, selbst überlegen, was das bedeutet. Ich muss einen gewissen Teil meiner Kritrik an den Vätern, die vor 1933 im Reichstag saßen, und ihrer mangelnden Standhaftigkeit zurücknehmen. Wir selbst sind gefragt.

(Beifall der SPD, der CDU und der F.D.P.)

Für die CDU-Fraktion erteile · ich Herrn Abgeordneten Schnabel das Wort.

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Alle Demokraten in Deutschland sind sich einig, dass Rechtsex-tremismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus in unserem Land nicht geduldet werden dürfen. Die übergroße Mehrheit lehnt Extremismus ab, dies generell, dabei sowohl von rechts als auch von links. Meine Damen und Herren, dieser breite Konsens darf jetzt nicht durch kleinliches Parteiengezänk geschädigt werden.

Die Ursachen für rechtsextremistische Gewalt sind vielfältig. Zweifelsohne haben wir festzustellen, dass in den neuim Ländern rechtsextremistische Tendenzen stärker als in den westlichen Ländern verbreitet sind. Meine Damen und Herren, dafür gibt es Erklärungen, die ich hier bestimmt nicht nennen muss.

Nach dem Verfassungsschutzbericht 1999 sind zwar die rechtsextremistischen Straftaten leicht rückläufig, jedoch sind die rechtsextremistisch motivierten Gewaltdelikte um über 5 % gestiegen. Auch bei uns in Rheinland-Pfalz gibt es eine solche besorgniserregende Entvvicklung; denn im ersten Halbjahr 2000 sind bereits 398 neüe Verfahren eingeleitet worden, was eine Erhöh.ung um 115 Straftaten bedeutet.