Protocol of the Session on May 28, 2020

Ihre Lösung hingegen lautet – und das haben Sie hier die ganze Zeit erzählt; deswegen war das auch nur das Coronamäntelchen, das Sie hier hingeworfen haben –: mehr Mieterschutz, also die Mietpreisbremse usw. Darüber sprechen wir seit Monaten, aber zumindest nach Meinung der Experten hat sich dieser Lösungsansatz als Trugschluss erwiesen und wird sich auch weiterhin als solcher erwiesen, weil es Unfug ist und an der Stelle selbst nach Ihren Darlegungen wirklich nicht schlüssig ist. Denn die Mietpreisbremse hat an der Stelle gar nichts verloren. Selbst nach Ihren Darlegungen hilft sie den Menschen an der Stelle nicht.

Noch ein ganz wichtiger Hinweis, der hier bisher zu kurz kam – ich glaube, nur die FDP hat das angesprochen –: Sie verkennen, wen es aktuell am härtesten auf dem Immobilienmarkt trifft. Wen trifft es denn aktuell? Wer könnte das sein, Herr Klocke? Kommen Sie darauf?

Vor dem Landtag hat vor knapp einer Woche eine Demonstration von Reisebüros stattgefunden. Reisebüros haben null Einkommen, und zwar eine ganze Weile, aber laufende Kosten. Sie hat man dort nicht gesehen. Wir waren dort. Unser Fraktionsvorsitzender hat eine Rede gehalten, die sehr gut ankam. Diese Belange sind uns wichtig.

Wer kommt noch infrage? Gaststättenbetreiber, Hotels – sie alle hatten null Einnahmen, aber laufende Kosten, und jetzt dürfen sie unter großen Einschränkungen wiedereröffnen. Darüber müssen Sie nachdenken. Das sind aktuell die wirklichen Probleme am Immobilienmarkt.

Also: Es geht hier wohl nicht um faktenbasierten Erkenntnisgewinn – das mag hier öfter der Fall sein –, sondern es geht eher darum, politisch erwünschte Nachrichten zu fabrizieren. Sie wollten einfach einen Vorwand kreieren, so wie ich gestern mit dem Gender-Gaga, um irgendwas zur Mieterschutzverordnung zu sagen.

Das lässt sich zusammenfassen als – erlauben Sie mir das; das muss ich einmal sagen dürfen – handwerklich schlecht gemacht und faktenfeindlich, liebe SPD.

Die finanziellen Sorgen und Nöte von Mietern und Vermietern im Nachgang zu Corona sind grundsätzlich unbedingt wichtig. Mit dem, was Sie hier erzählen, hat das jedoch nichts zu tun. Nicht nur für den Wohnungsmarkt, sondern für den gesamten Immobilienmarkt, sprich für Gewerbe, gilt: Wir müssen genauer hinschauen und behalten es im Auge. Aber Handwerk, Handel und Mittelstand werden von Ihnen leider allzu oft vergessen.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Scharrenbach.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Es wird in diesen Tagen viel Papier bedruckt, wenn es um Analysen und Bewertungen im Zusammenhang mit COVID-19 geht. Aber brauchen wir ernsthaft ein Papier, das bescheinigt, dass, wenn wir in eine Wirtschafts- und Finanzkrise hineinlaufen, Menschen Probleme haben, die Miete zu zahlen? Das brauchen wir doch nicht. Das wissen wir doch. Wir haben doch schon größere Krisen in diesem Land bewältigt – und offen gesagt hoffe ich, noch kleinere vor uns – als die, die wir derzeit durchmachen.

Wenn Menschen in Kurzarbeit gehen oder ihren Arbeitsplatz verlieren, dann sorgt dies für Unsicherheit am Markt, und Unsicherheit ist der Feind von vernünftigen und gesicherten Entscheidungen für die Zukunft.

Die Landesregierung Nordrhein-Westfalens hat bisher in allen Entscheidungen eines getan: Sie hat heute die Zielrichtung und den Grundstein für das Wirtschaften, Leben und Wohnen von morgen gelegt. Darauf zielen wir doch ab. Wir wollen die Unsicherheit beseitigen.

Deshalb war eine der ersten Entscheidungen, die wir im Zusammenhang mit den Einschränkungen getroffen haben, die durch COVID-19 nicht nur das Land Nordrhein-Westfalen, sondern die gesamte Bundesrepublik erfasst haben, dass wir ganz früh an alle Wohngeldstellen per Erlass verfügt haben: Da ihr mehr Wohngeldanträge bekommen werdet, bearbeitet die Wohngeldanträge zügig, bewilligt großzügig und seht zu, dass die Leute Geld haben, um ihre Miete zu bezahlen!

Das haben wir als Erstes getan, und zwar aus zwei Gründen: Im Wort „Vermieter“ steckt auch das Wort „Mieter“. Sie betrachten immer nur eine Seite. Aber auch der Vermieter muss zusehen, dass Strom, Gas und Wasser weiter bezahlt werden. Deshalb ist es richtiger, für einen stetigen Geldkreislauf zu sorgen,

statt, wie auf Bundesebene geschehen, einfach mal zu sagen: Dann setzen jetzt alle ihre Zahlungen aus, aber vom Vermieter erwarten wir, dass er weiterhin alle Rechnungen begleicht. Wenn der Vermieter auch nicht mehr zahlen kann, dann erhält er auch noch Soforthilfe.

Das war in den letzten Wochen auch noch so eine wunderbare Initiative. Das war ordnungspolitisch fehlerhaft. Sie müssen dafür Sorge tragen, dass Menschen ihren Verpflichtungen nachkommen können. Deswegen haben wir diese Entscheidung getroffen.

Die Wohnungspolitik der nordrhein-westfälischen Landesregierung ist ganzheitlich und hat vier Facetten.

Auf den angespannten Wohnungsmärkten haben wir ein echtes Angebotsproblem, weil das Angebot die Nachfrage nicht deckt. Das hat sich durch Corona nicht geändert. Diesem Wohnungsproblem begegnen wir mit der öffentlichen Wohnraumförderung. Da sind wir breit aufgestellt und haben zudem das Volumen auf nun 1,1 Milliarden Euro erhöht.

Wir haben die Nachhaltigkeit in die öffentliche Wohnraumförderung eingebracht. Themen wie ökologische Dämmstoffe, Bauen mit Holz, Energieeffizienz – all das steckt darin, weil wir eine Win-win-winSituation erzeugen wollen. Wir wollen Mietwohnhäuser, die nachhaltig sind. Wir wollen Mietwohnhäuser, die mietpreis- und belegungsgebunden sind, und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass Menschen mit geringen Zahlungskräftigkeiten am Markt Wohnraum finden. Das ist unsere sozialpolitische und wohnungspolitische Verantwortung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Hier widerspreche ich Ihnen ausdrücklich, Herr Abgeordneter Becker, aber das wird Sie nicht verwundern: Hier wird keine Mieterschutzverordnung durchgepeitscht. Es laufen Mieterschutzverordnungen am 30. Juni aus. Wenn ich Ihnen folgen würde, gäbe es am 1. Juli in diesem Land keinen Mieterschutz mehr. Das wollen wir als Landesregierung Nordrhein-Westfalen nicht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deswegen eine neue Mieterschutzverordnung, in der zum Schutz der Mieterinnen und Mieter in den angespannten Wohnungsmärkten neben der deutlichen Förderung für das Schaffen von mehr Wohnraum eben auch Eingriffe in die Preisbildung erfolgen, und zwar über die Kappungsgrenze, die bundesweit für drei Jahre 20 % beträgt. In Nordrhein-Westfalen wie in vielen anderen Ländern ist sie in dem Fall für 18 Städte für drei Jahre auf 15 % festgelegt worden. Wir reden über 5 %, die die Maßnahme des Landes ausmacht. In diesem Rahmen hat uns der Bundesgesetzgeber ermächtigt, bei der Gestaltung der Bestandsmietverträge mit Mieterinnen und Mietern einzugreifen.

Wir reden über die Mietpreisbegrenzungsverordnung bei Neuverträgen. Das gilt aber nur für Gebäude, die vor 2014 gebaut worden sind. Danach gilt sie sowieso nicht – Bundesrecht.

Außerdem sprechen wir über die Kündigungssperrfristverordnung – bundesweite Gültigkeit und drei Jahre Schutz. Bei Eigenbedarfskündigung in Nordrhein-Westfalen beträgt dieser künftig fünf Jahre. Das ist sachgerecht.

Dann haben Sie die Umwandlungsverordnung erwähnt. Es gab in Nordrhein-Westfalen seit den 1990er-Jahren zwei Städte, die zwei Wohnviertel mit einer Milieuschutzsatzung belegt haben, und zwar Köln und Aachen. Keine weitere Stadt in NordrheinWestfalen hat davon Gebrauch gemacht. Selbst in diesen beiden Städten ist die Umwandlungsverordnung kaum oder gar nicht zur Anwendung gekommen. Sie wollen ein Recht, was keiner offenkundig haben will. Wofür wollen Sie dieses Recht? Wenn ein Recht nicht gebraucht wird, dann können Sie es auch aufgeben.

(Nadja Lüders [SPD]: Oah!)

Sie haben den größten Schutz immer noch über § 172 Baugesetzbuch, in dem alles geregelt ist, wenn es eine Milieuschutzsatzung gibt, wie vor Kurzem in Köln mit einem weiteren Wohnviertel beschlossen. Dafür brauchen Sie keine weitere Umwandlungsverordnung, und deshalb kann diese sachgerecht auslaufen. Genau das ist, Herr Abgeordneter Becker, entsprechend erfolgt.

Jetzt haben Sie mit Sorge nach dem Kündigungsstopp gefragt. Ich kann Ihnen aus tiefster Überzeugung sagen, dass ich keine Vermieterin und keinen Vermieter, der in der aktuellen Lage ein Mietverhältnis kündigt, kenne. Ich kenne keinen, ich kenne nicht einen, weil man das nämlich nicht tut. Das wissen die Vermieterinnen, und das wissen die Vermieter, weil sie froh sind, wenn sie Mieter haben, die bleiben.

(Nadja Lüders [SPD]: Dann können wir das ja auch abschaffen, weil man das nicht tut!)

Sie helfen ihnen mit Stundungen, sie setzen die Mieten aus. Ich weiß nicht, mit wem Sie in Ihren Städten und Gemeinden sprechen, aber das ist die Realität. Die Realität ist, dass selbst die größten börsennotierten Wohnungsunternehmen Eigenerklärungen abgegeben haben, ob das Vonovia ist, ob das LEG ist, und es wurden Erklärungen mit den großen wohnungswirtschaftlichen Verbänden, ob das Haus & Grund war, ob das der VdW oder der BFW ist, zusammen mit uns als Landesregierung abgegeben, um deutlich zu machen: Wir bieten gemeinsam als Wohnungswirtschaft all das, was wir können, und zwar Sicherheit in einer unsicheren Zeit.

Eines kommt noch hinzu, und das ist das, was Sie permanent verkennen: Wir haben in NordrheinWestfalen in 314 von 396 Städten und Gemeinden

ein Mietniveau, das unterhalb des Landesdurchschnitts liegt. Wir haben des Weiteren Entspannungstendenzen – ich weiß, dass Herr Ott mich gleich wieder angehen wird,

(Martin Börschel [SPD]: Deswegen sind Sie so aufgebracht!)

deshalb kann ich schon einmal vorgreifen – bei den Mietentwicklungen. Wenn Sie allein nach Düsseldorf sehen, nehmen Sie doch nur die Veröffentlichungen in den Zeitungen, beispielsweise „Rheinische Post“ vom 26. November 2019: Ein neuer Mietspiegel wurde vorgelegt. Haus & Grund und der Mieterverein haben ihn sogar gemeinsam vorgestellt.

(Jochen Ott [SPD]: Hört, hört!)

In dem neuen Mietspiegel für Düsseldorf haben Sie eine Gesamterhöhung der Miete, die unterhalb der Inflationsrate liegt. Natürlich führt mehr Wohnungsbau zu einer Verbreiterung des Angebots und damit zu einer Glättung von Mietentwicklungen. Das, meine Damen und Herren, ist der nachhaltigste Mieterschutz in Nordrhein-Westfalen, und der ist krisenfest. Das, was wir tun, muss krisenfest sein und nicht nur in der Krise fest. Deswegen hat die Landesregierung zahlreiche Maßnahmen ergriffen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Der gerade von der Ministerin angesprochene Abgeordnete Ott hat nun das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin immer Fan von leidenschaftlichen Debatten im Deutschen Bundestag mit Leuten wie Wehner und Strauß gewesen. Ich finde es eigentlich gut, wenn wir hier ein bisschen Stimmung in der Hütte haben, aber Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, Frau Ministerin.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Genau, deshalb meine ich ja, dass Sie keine Sorge zu haben brauchen.

Wohnungspolitik ist umfassend. Heute möchte ich aber nur über eine Säule sprechen, und zwar über den Mieterschutz. Wir müssen daher festhalten: Natürlich haben Sie die Pandemie missbraucht, um Mieterschutz abzubauen bzw. – man könnte es auch so formulieren – um ein klitzekleines Feigenblatt zu erhalten.

Sie haben eigentlich den kompletten Abbau des Mieterschutzes vorgehabt, das kann man im Koalitionsvertrag nachlesen. Durch die großen und Massenproteste im letzten Jahr, durch die Initiativen, die nicht nur vom Mieterbund, sondern von allen Wohlfahrtsverbänden – Katholiken, Evangelen waren

beteiligt – unterstützt wurden, haben Sie beigesteuert. Die CDU hat dann versucht, es irgendwie mit dem Koalitionspartner hinzubekommen. Man muss jedenfalls vermuten, dass ein Gutachten bestellt wurde, das das irgendwie gesichtswahrend möglich macht.

Ich halte das tatsächlich für eine politische Trickserei, die hier stattgefunden hat, weil dieses Gutachten einfach unhaltbar ist, wie uns die Experten aufgezeigt haben. Bei Ihnen fehlt selbst die Bereitschaft, dann mit den Experten wenigstens Auge in Auge darüber zu reden und den Mut zu haben, das auch zu besprechen. Sie haben das in merkwürdigen Telefonkonferenzen, in die die Hälfte nicht hereinkam, gemacht; Sie haben zu keinem Zeitpunkt versucht, mit den Experten auf Augenhöhe zu sprechen.

Das ist ein Hohn für die Menschen in unserem Land. Wenn die Menschen dann hören, was der Gutachter sagt, nämlich dass Mieten im Landesdurchschnitt kein Problem seien, ist das ein Schlag ins Gesicht der vielen Menschen in unserem Land, die real erleben, dass sie mehr als 30 %, mehr als 40 % ihres Einkommens für Miete ausgeben müssen. Das erleben sie konkret, und dann wird ihnen hier gesagt: Stimmt nicht. Der Gutachter sagt: Wir haben kein Mietproblem.

Aber wie die Lage wirklich ist, kann man nachlesen, wenn man sich den Bericht der NRW.BANK anschaut. Im Bericht der NRW.BANK steht – ich zitiere daraus mit Erlaubnis des Präsidenten –:

„Die Märkte haben sich nach Einschätzung der im Wohnungsmarktbarometer 2018 befragten Experten im ganzen Land weiter angespannt. Insbesondere die Lage in den preisgünstigen Mietmärkten ist so schwierig wie nie: …“

Weitere Zitate:

„Im Landesdurchschnitt sind die Mieten auch 2017 und 2018 weiter gestiegen.