Protocol of the Session on April 11, 2019

Wir haben vor dem Hintergrund gerungen, dass von deutschem Boden massenhaft Tod und Horror ausging, dass deutsche Armeen viel Leid angerichtet haben, dass deutsche Armeen mehrfach in einem Jahrhundert ihre Nachbarn mit Krieg überzogen.

Wir haben auch vor dem Hintergrund gerungen, dass es der Alliiertenarmee bedurfte, um uns in Deutschland vom Nationalsozialismus befreien zu lassen.

Wir haben auch gerungen vor dem Hintergrund tief empfundener Scham, wenn wir das Abschlachten von Millionen Menschen weltweit teilnahmslos am Rande stehend beobachten. Der Genozid in Ruanda jährt sich gerade zum 25. Mal.

Wir haben auch gerungen vor dem Hintergrund eines Krieges auf dem Balkan – eines Krieges wieder mitten in Europa. Gerhard Eppler hat es damals sehr treffend ausgedrückt. Er sagte: Es geht nicht um richtig oder falsch. Es geht um falsch oder falscher.

Natürlich macht es daher Sinn, wenn anhand von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft im Bildungsgang verständlich werden soll, dass auch sicherheitspolitische Themen in Bildungseinrichtungen nicht ausgespart werden dürfen.

Es war eine Bundesregierung, die Soldaten auf den Balkan geschickt hat. Es war eine Bundesregierung, die keine Truppen in den Irak geschickt hat. Es ist wertvoll zu erfahren, warum.

Es wäre unsinnig, nicht auf die Profis, die Jugendoffiziere, zurückzugreifen. Die paar, die wir haben, machen eine sehr gute und wertvolle politische Bildungsarbeit. Das tun sie seit 61 Jahren, wenn ich

richtig gerechnet habe, und das werden sie auch weiterhin machen.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Kein Soldat entscheidet einen Einsatz für sich selbst. Es ist der Auftrag der Politik, der umgesetzt wird; das muss jedem klar werden. Wenn unser demokratischer, freier Rechtsstaat Aufgaben für Soldaten vorsieht, muss der Staat auch hinter den ausführenden Personen stehen.

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

Er muss sie wertschätzen, und er muss über sie erzählen und sie erzählen lassen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Unsere Landtagsvizepräsidentin Carina Gödecke hat das in ihrer Rede am 22. Januar dieses Jahres beim Neujahrsempfang der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen sehr beeindruckend und unmissverständlich deutlich gemacht.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU und der FDP, wären Sie da gewesen, hätten Sie sich diese Rede einmal in Ruhe angehört, hätten Sie heute hier nicht viel gespielte Aufregung zeigen müssen.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zuruf von Bodo Löttgen [CDU])

Es ist zusätzlich sinnvoll, wenn man sich in einer Demokratie für eine Armee entschieden hat, diese nicht zu verstecken – nicht bei Paraden, die Raketen zeigen; so etwas machen andere Staaten, wir nicht.

Nein, es geht darum, den Menschen in Uniform nicht zu verstecken, den Bürger in Uniform weiter in der Öffentlichkeit und damit auch in unseren Bildungseinrichtungen sichtbar zu halten.

Ein Hinweis sei mir gestattet: Die Abschaffung der Wehrpflicht hat gerade zu diesem letzten Punkt der Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit – das gilt auch für die Beschäftigung der Familien mit einem Mitglied, das bei der Bundeswehr ist – nicht dazu beigetragen, dass eine festere, dauerhafte Verankerung der Streitkräfte in unserer Gesellschaft möglich ist.

(Beifall von der SPD)

Ein dritter Punkt: Die zukünftigen sicherheitspolitischen Herausforderungen in Europa werden vermutlich nicht mehr auf den üblichen Schlachtfeldern mit der Taktik des Gefechts der verbundenen Waffen im herkömmlichen Sinne zu finden sein, sondern vielmehr im Bereich der Überlebensfähigkeit jenseits einer durch Angriff möglicherweise kollabierenden Technik oder in der Cybersicherheit selbst.

Das sind völlig neue Aufgaben, die eine ganz andere Zusammenarbeit im zivil-militärischen Bereich bedeuten. Man sollte sich einmal die potenziellen Einflussnahmen auf Wahlen in den Medien durch auswärtige Staaten genau anschauen.

Die Zukunft unserer Sicherheit auch durch die Bundeswehr liegt in einer Vernetzung und Kooperationen mitten im zivilen Sektor und im Leben. Dieses Bewusstsein gilt es für uns alle zu entwickeln und wachzuhalten.

Übrigens, wo wir gerade so schön unter uns sind: Der Zustand der Bundeswehr ist in der Tat erschreckend.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Sie ist kleingespart worden. Sie hat verfehlte oder fehlende Reformen hinter sich. Sie hat teilweise einen Stillstand hinter sich.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Seit 2005 stellen Sie dort die entsprechenden Ministerinnen und Minister.

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU und der FDP)

Eine Aktuelle Stunde sollte sich damit beschäftigen, welche Folgen das für unsere Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen hat. Das wäre mal eine Frage.

(Zuruf von Josef Hovenjürgen [CDU])

Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege.

(Unruhe)

Für die Fraktion der Grünen hat nun die Abgeordnete Frau Beer das Wort.

(Anhaltende Unruhe – Glocke)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Abgeordnete! Ja, so was kommt von so was. Wenn man solche Aktuellen Stunden beantragt, darf man sich über ein solches Echo nicht wundern.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte gern die Ministerin Ina Scharrenbach zitieren. Sie hat gestern gesagt:

„Es ist schon bemerkenswert, dass man vonseiten der Oppositionsfraktion SPD versucht, die Problematik des Landes Berlin auf NordrheinWestfalen zu übertragen.“

(Heiterkeit von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Herr Reul hat gestern mehrfach betont: Was interessieren mich eigentlich andere Bundesländer?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Frau Scharrenbach und Herr Reul, sprechen Sie eigentlich nicht mit Ihren Fraktionen? Was soll diese Aktuelle Stunde?

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von Bodo Löttgen [CDU])

Das ist doch wirklich sehr bemerkenswert.

(Jochen Ott [SPD]: Wie sie es brauchen! – Zu- ruf von Helmut Seifen [AfD])

Das ist ein interessanter Punkt, den Sie hier aufmachen. Interessant ist auch, für was Sie Aktuelle Stunden beantragen.

Wir haben 2012 die Kooperationsvereinbarung mit der Bundeswehr in Nordrhein-Westfalen überarbeitet; das war auch dringend geboten. Thomas Krüger, Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung, sagte aktuell noch einmal: