Protocol of the Session on July 13, 2018

Wenn ich hier heute früh aber zu diesem Tagesordnungspunkt rede, will ich deutlich machen, worum es uns wirklich gehen muss. Im Antrag von CDU, SPD, FDP und Grünen zum Einsetzen eines Antisemitismusbeauftragten heißt es:

„Antisemitische Einstellungen drücken sich durch alltägliche Diskriminierungen von Jüdinnen und Juden aus. Zudem tritt neben dem Antisemitismus aus dem rechtsextremen Spektrum in den letzten Jahren immer deutlicher auch ein Antisemitismus zutage, der sich aus dem Nahostkonflikt speist. Unter dem Vorwand der Israelkritik werden bestehende Tabus gebrochen und Hemmschwellen für antisemitische Taten gesenkt. Diese Spirale gilt es nachhaltig zu durchbrechen. Der Landtag bekennt sich dazu, den Antisemitismus in all seinen Erscheinungsformen intensiv entgegenzutreten.“

Wenn wir das wirklich ernst meinen, ist es wichtig, Vorurteile aufzubrechen, vor allem auch durch Begegnung und gemeinsames Engagement.

Genau das ist das Ziel der Organisation JuMu. Die Abkürzung steht schließlich für junge „Juden und Muslime“. Dieses Projekt wird von der Landesregierung gefördert.

Die Korrektur auf den Internetseiten war in der Tat notwendig. Herr Minister Stamp, es wäre besser gewesen, wenn dort gleich die korrekte Information gestanden hätte. Ich glaube, da sind wir uns einig.

Aber die Gelder gehen eben nicht an den Zentralrat der Muslime, sondern an diese gGmbH, die JuMu

trägt. Junge Juden und junge Muslime machen gemeinsame Jugendarbeit.

Dazu gehört auch – das ist etwas, was uns allen wichtig ist –, gemeinsame Erinnerungsarbeit in dem Land zu betreiben, in dem sie zu Hause sein sollen und zu Hause sein wollen. Dazu gehört eine gemeinsame Kultur- und Sportarbeit.

Ja, der ZMD – der Zentralrat der Muslime – gehört zu den Gründern, und der Vorsitzende ist auch heute noch Beiratsmitglied, genauso übrigens wie zwei Rabbiner. Eigentlich diskreditiert die AfD hier alle jüdischen Gemeinden, die sich im Beirat von JuMu als Partner engagieren – auch die jüdische Gemeinde in Mönchengladbach, die ebenfalls zu den Partnern der JuMu gGmbH gehört.

Es geht Ihnen also eigentlich nicht um den Antisemitismus und die Bekämpfung des Antisemitismus – nein: Das ist mal wieder platte Propaganda.

Ob es sich um Projekte wie „Ibrahim trifft Abraham“, das schon seit Jahren erfolgreiche Abrahamsfest in Marl oder die Salaam-Schalom-Initiative handelt: Genau das sind die Ansätze, die wir unterstützen müssen.

Auch der kritische Blick der Community und der muslimischen Kreise auf sich selbst und das Nachhorchen, wo es da Antisemitismus gibt, sind wichtig. Genau diesen Blick müssen wir stärken; das unterstützen wir.

Überall dort arbeiten junge Juden und junge Muslime am friedlichen Zusammenleben und bekämpfen Antisemitismus und Islamophobie und genauso eine weiter aufkeimende Kirchenfeindlichkeit. Das ist nämlich die Melange, das ist der Cocktail, der hier bei der AfD immer mitschwingt und immer mitpräsentiert wird.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Deswegen bitte ich die Landesregierung ausdrücklich, auch diese Projekte der abrahamitischen Weltreligionen, die vor Ort so erfolgreich sind, wie das Abrahamsfest in Marl und andere Initiativen, die ähnlich aufgestellt sind, weiterhin zu fördern.

Und ich wünsche mir von der Landesregierung, statt solche Aktuellen Stunden abzuhalten, die Zeit sinnvoll damit zu füllen, dass wir hier über die Ergebnisse solcher Projekte miteinander beraten können und dass darüber berichtet wird. Das wäre gut investierte Zeit – im Gegensatz zu dieser Aktuellen Stunde.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Beer. – Der fraktionslose Abgeordnete Pretzell hat jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Kollegen! Es ist bedauerlich, dass diese Aktuelle Stunde zu diesem ernsten Thema insgesamt in einer etwas klamaukhaften Atmosphäre abgehalten wird.

Das liegt vielleicht daran, dass heute alle mit etwas völlig anderem beschäftigt sind als mit dem Thema der Debatte.

Bedauerlicherweise erleben wir auch, dass sich hier alle Redner wechselseitig beschimpfen, die schlimmeren Antisemiten zu sein.

(Zuruf von der CDU)

Ich unterstelle jetzt ganz einfach mal, dass es sich bei allen Rednern vor mir – ich denke, auch bei denen nach mir – nicht um Antisemiten handelt.

Wenn es aber tatsächlich darum geht, den Antisemitismus zu bekämpfen, sollten wir aufhören, uns wechselseitig genau das zu unterstellen; denn Antisemitismus ist ein bestehendes Phänomen. Aber ich denke, zumindest in diesem Haus können wir unterstellen, dass es sich, wenn überhaupt, um ein sehr untergeordnetes Randphänomen handelt, und zwar in allen Fraktionen.

Meine Damen und Herren, wenn man ein solches Projekt gegen Antisemitismus fördert, haben die Landesregierung und das zuständige Ministerium selbstverständlich die Aufgabe, sich die Träger genau anzusehen.

Frau Müller-Witt, Sie haben vorhin völlig zu Recht bemerkt: Es gibt zwei grundsätzliche Formen von Antisemitismus, mit denen wir es im Wesentlichen zu tun haben, zum einen den in Deutschland schon ziemlich lange beheimateten, mit einer langen Tradition versehenen deutschen Antisemitismus, den Antisemitismus von Nazis und Neonazis.

Zum anderen haben wir eine neue Erscheinungsform von Antisemitismus, der eben auch muslimische Wurzeln hat.

Wenn Sie sagen, man kann nicht behaupten, dass der Zentralrat der Muslime durchgehend antisemitisch ist, haben Sie selbstverständlich recht. Aber dass es im Zentralrat der Muslime durchaus solche Problemstellungen gibt, ist, glaube ich, unbestritten, wie wir erkennen, wenn wir unsere Verfassungsschutzbehörden ernst nehmen.

Frau Müller-Witt, ich frage Sie: Nehmen wir an, wir hätten ein Jugendprojekt, das deutsche christliche oder auch atheistische Jugendliche mit jüdischen Jugendlichen zusammenbringt, und dort gäbe es unter den Trägerorganisationen auch Organisationen, die zumindest in kleinen Teilen Neonazis in ihren Reihen hätten. Wir würden ein solches Projekt umgehend stoppen, und zwar zu Recht. Genauso sensibel sollten wir beim muslimischen Antisemitismus agieren.

Das ist kein Vorwurf an die jüdischen Gemeinden, die dort die Zusammenarbeit bisher mitgetragen haben. Das ist nur ein Appell, diese Träger noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen und vielleicht im nächsten Jahr kritisch zu überprüfen und vielleicht auch zu einer anderen Einschätzung zu gelangen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der AfD)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Pretzell. – Für die Landesregierung spricht jetzt Herr Minister Dr. Stamp.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Pretzell, ich weiß nicht, ob Sie gedanklich noch in Straßburg waren oder die Debatte hier nicht verfolgt haben.

(Heiterkeit)

Ich meine, gerade zu all dem, was Sie hier vorgetragen haben, ist eben argumentativ alles Entsprechende gesagt worden.

Die Fraktion der AfD hat für heute diese Aktuelle Stunde zu einem Projekt beantragt, bei dem es um die Bekämpfung von Antisemitismus geht.

Aber offenbar hat sie es nicht beantragt, weil ihr die Antisemitismusprävention am Herzen liegt, sondern weil sie ein vielversprechendes Projekt und seinen Träger zu demontieren versucht und die Landesregierung als Förderer an den Pranger stellen will.

Mein Haus fördert aktuell das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“ der JuMu gGmbH, und dies aus gutem Grund.

Wir erinnern uns alle an die Aktuelle Stunde letzten Jahres hier im Landtag. Anlass waren die antijüdischen und antiisraelischen Umtriebe in Berlin. Die Entscheidung des US-Präsidenten, Jerusalem als israelische Hauptstadt anzuerkennen, war einigen Grund genug, israelische Flaggen zu verbrennen und antisemitische Parolen zu rufen.

Die Jüdische Gemeinde in Mülheim an der Ruhr sagte daraufhin wegen Sicherheitsbedenken eine öffentliche Feier zum Chanukka-Fest ab. Ich erinnere mich an die große Betroffenheit aller hier vertretenen Fraktionen und an die engagierte Debatte.

Der Landtag wollte in der damaligen Aktuellen Stunde im Dezember ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Kleine Anfragen aus den Fraktionen zu den Aktivitäten der Landesregierung gegen Antisemitismus folgten.

Ich kann dazu noch einmal sagen: Meine Damen und Herren, wir sind hier sehr aktiv. Ein Beispiel dafür ist

das Projekt „Vielfalt zum Anfassen: Schüler*innen gegen Antisemitismus“.

Warum wir die JuMu gGmbH bei der Umsetzung ihrer Ideen und ihres Engagements unterstützen, will ich gern noch einmal genauer erläutern. Erst einmal grundsätzlich:

Ihre Aussage, die Bundesregierung reduziere Fördergelder für den Zentralrat der Muslime in Deutschland zu 90 % wegen seiner Nähe zur Türkei, ist nicht zutreffend. Unter anderem wurden im Zuge der Flüchtlingssituation 2015 für die Förderung Sondermittel des Bundes bereitgestellt, die nun nicht mehr zur Verfügung stehen.

Auch das Land Nordrhein-Westfalen arbeitet seit Jahren mit dem ZMD zusammen, zum Beispiel im Qualifizierungsprojekt muslimische und alevitische Wohlfahrtspflege oder auch im Beirat für den islamischen Religionsunterricht.

Ganz abgesehen davon ist die JuMu aber auch eine eigenständige Organisation. Sie ist zwar auf Initiative des Zentralrats der Muslime in Deutschland ins Leben gerufen worden, ist aber keine Organisation des ZMD.

(Beifall von der FDP)

Sie ist ein Zusammenschluss muslimischer und jüdischer Partner – und das ist etwas, worüber wir uns ausdrücklich freuen. Diese Partner leisten nicht nur hervorragende Arbeit, sondern senden durch den interreligiösen Ansatz auch wichtige Signale in die Gesellschaft.

Allein die Vorstellung, dass mein Haus wissentlich Antisemiten die Antisemitismusprävention machen ließe, ist völlig abwegig.

Bei JuMu ist davon auszugehen, dass die beteiligten jüdischen Gemeinden daran kein Interesse haben können und diesen Zusammenschluss sofort verließen, sobald Antisemiten dort aktiv würden. Es gibt dafür bisher auch keinerlei Anhaltspunkte; schließlich ist JuMu schon in anderen Bundesländern aktiv.