Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Abgeordneten nicht entscheiden können, welches Mitglied der Landesregierung auf eine Mündliche Anfrage antwortet. Gleichwohl halten wir es für notwendig, weil die jetzt zu behandelnde Anfrage direkt an den Ministerpräsidenten gerichtet ist, dass der Ministerpräsident zumindest bei dieser Beantwortung anwesend ist.
Ich beantrage daher für meine Fraktion nach Art. 45 der Landesverfassung bzw. § 65 unserer Geschäftsordnung, den Ministerpräsidenten zur Sitzung herbeizuzitieren.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir treten jetzt in die Fragestunde ein. Die Frage des Abgeordneten Christian Dahm
betreffend den Geschäftsbereich der Staatskanzlei liegt uns vor. § 94 unserer Geschäftsordnung sagt, dass jedes Mitglied des Landtags berechtigt ist, bis zu zwei kurze Fragen zur mündlichen Beantwortung an die Landesregierung zu richten, die in einer Fragestunde beantwortet werden. Ich gehe davon aus, dass das in dieser Fragestunde durch die Landesregierung geschieht. Die Teilnahme des Ministerpräsidenten an dieser Fragestunde ist in der Geschäftsordnung nicht vorgesehen. Die Frage wird durch die Landesregierung beantwortet,
(Beifall von der CDU – Zurufe: Lächerlich! Das ist ja unglaublich! Unverschämt! – Christian Dahm [SPD]: Es ist kein Aufklärungswille bei Ihnen vorhanden! So ist das! Hoch peinlich! – Monika Düker [GRÜNE]: Er wird allen Grund dafür haben! – Zuruf: Zu feige!)
Dann lasse ich über diesen Antrag von Herrn Kutschaty abstimmen. Wer diesem Antrag von Herrn Kutschaty und der SPD zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind SPD, Grüne und AfD.
Wer ist dagegen? – Das sind die CDU und die FDP. Wer enthält sich? – Das sind die drei fraktionslosen Abgeordneten.
Die Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Christina Schulze Föcking, hat am 7. Mai 2018 in einer persönlichen Erklärung über die Einstellung der Ermittlungen über den angeblichen Hackerangriff auf ihren privaten Fernseher berichtet. Damit korrigierte sie ihre bisherige Darstellung vom März 2018, ihre Familie sei Ziel eines kriminellen Eingriffs in die Privatsphäre geworden.
Ihre damalige Darstellung über die Ausspähung ihrer Privatsphäre, die der Regierungssprecher der Landesregierung aufgriff und verstärkte, war Grundlage einer fraktionsübergreifenden Solidaritätsadresse des Parlaments:
„Fraktionen des Landtags verurteilen massiven Eingriff in Privatsphäre der Abgeordneten Schulze Föcking.
Unbekannte Täter haben sich gestern offenbar Zugriff auf das W-LAN-Netzwerk im Privathaus der Familie Schulze Föcking verschafft und den daran angeschlossenen Fernseher manipuliert. Die Täter spielten eine Aufnahme der ersten Fragestunde des Landtags zu den Vorkommnissen im privaten landwirtschaftlichen Betrieb der Familie ab. Dazu erklären die Vorsitzenden der Fraktionen im Landtag Nordrhein-Westfalen:
Unsere Demokratie lebt von leidenschaftlichen Debatten und engagiertem Streit in der Sache – ob in den Parlamenten, in Diskussionsforen oder auf der Straße. Gerade bei emotionaleren Themen gehören besondere Formen des Protests oftmals dazu. Eine Grenze ist jedoch dann erreicht, wenn Beleidigungen, Drohungen oder gar Gewalt
zum Mittel der Auseinandersetzung werden. Diese Grenze wurde gestern Abend weit überschritten. Kollegin Schulze Föcking und ihre Familie sind Opfer einer massiven Verletzung ihrer Privatsphäre geworden. Das Vorgehen der Täter ist abstoßend. Wir verurteilen diesen Akt psychologischer Gewalt auf das Schärfste und versichern unserer Kollegin Schulze Föcking unsere Solidarität.“
Das Eingeständnis der Ministerin brüskiert nicht nur alle damals ihre Solidarität bekundenden Fraktionen, sondern belegt die Missachtung des Parlaments und seiner Rechte. Vor diesem Hintergrund stelle ich folgende Fragen:
1. Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?
2. Wie und wann wurde der Ministerpräsident durch Ministerin Schule Föcking über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der StA Köln informiert?
Die Landesregierung hat angekündigt, dass Herr Minister Lutz Lienenkämper die vorliegende Mündliche Anfrage beantworten wird. Der Minister hat nun das Wort.
„Aufgrund welcher Faktenlage hat Regierungssprecher Christian Wiermer am 16. März 2018 die Öffentlichkeit über vermeintliche Erkenntnisse von Ermittlern, die auf einen Hackerangriff auf die Familie Schulze Föcking hinweisen sollten, informiert?“
Der Staatskanzlei war und ist bekannt, dass Ministerin Christina Schulze Föcking Opfer von Schmähungen, Beleidigungen und Bedrohungen unterschiedlicher Art, vor allem in digitalen Netzwerken, geworden war.
Der Staatskanzlei war auch bekannt, dass Ministerin Christina Schulze Föcking Mitte März unmittelbar vor dem in Rede stehenden Sachverhalt am 15. März einer konkreten Bedrohung über die sozialen Medien ausgesetzt war, in der ihr ein, jetzt zitiere ich, „vielleicht auch qualvolles“ Ableben gewünscht wurde.
Am 16. März – einen Tag später – um 1:34 Uhr steuerte das Lagezentrum des Ministeriums des Innern eine sogenannte WE-Meldung – „WE“ gleich „Wichtiges Ereignis“ – mit dem Titel „Ausspähen von Daten bei MdL Schulze Föcking“ an die Staatskanzlei, das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz, das Ministerium der Justiz und an den Landtag. Darin wurde folgender Sachverhalt beschrieben – ich zitiere aus der WE-Meldung –:
„Unbekannte Tatverdächtige griffen auf bisher unbekannte Weise auf den Fernseher der Geschädigten im privaten Wohnhaus zu. Es wurde eine Aufnahme aus dem Landtag zu einer Fragestunde – hier erste Befragung der MdL in Bezug auf die Vorkommnisse im Schweinemastbetrieb ihres Mannes – abgespielt.
Unbekannte Tatverdächtige verschafften sich vermutlich über das WLAN-Netz des Hauses Zugriff auf das Netzwerk. Inwieweit auf Computer oder andere Kommunikationsgeräte, wie das Handy der Ministerin, in dem WLAN-Netz zugegriffen wurde, ist Gegenstand der Ermittlungen. Es wird nachberichtet.“
Zitatende aus dem WE-Bericht. – Insbesondere die darin enthaltene Möglichkeit, dass unbekannte Tatverdächtige auf Arbeitsgeräte wie den Computer oder das Mobiltelefon der Ministerin – mithin auf persönliche oder vertrauliche Daten – von außen zugegriffen haben könnten, erschien als schwerwiegender Verdacht.
Zur weiteren Sachverhaltsaufklärung im Zuge der andauernden Ermittlungen erkundigte sich der Regierungssprecher daher am frühen Morgen des 16. März beim Ministerium des Innern, ob und inwiefern dort zwischenzeitlich möglicherweise ein vertiefter Sachstand vorliege. Er erbat über den Sprecher eine vertiefte Sachverhaltsdarstellung samt möglicher neuer Erkenntnisse.
Um 9:51 Uhr übermittelte das Ministerium des Innern dem Regierungssprecher zunächst eine Korrespondenz zwischen dem Polizeipräsidium Düsseldorf – dort genauer der Direktion Gefahrenabwehr Einsatz – und dem Leiter des Ministerbüros im Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz vom 1. März, 9:12 Uhr, bzw. 15. März, 9:41 Uhr, worin die Polizei um Übermittlung von – Zitat – Drohschreiben oder Ähnliches zum Nachteil der Ministerin – Zitatende – gebeten hat.
Am 15. März wurde demnach vom Leiter des Ministerbüros folgende aktuelle Bedrohungsnachricht aus einem Massenger-Dienst übermittelt. Text: