Protocol of the Session on December 3, 2015

Bei den Gerichtsvollziehern stapeln sich die unerledigten Vollstreckungsaufträge auf den Schreibtischen, weil Sie es versäumt haben, rechtzeitig entsprechenden Nachwuchs zu gewinnen. – So viel zum Thema „zügige Vollstreckung auf hohem Niveau“.

(Beifall von der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Rechtsausschuss musste nach Münster fahren, damit dem Justizminister einmal erläutert wird, was im Bereich „Asylverfahren“ im Vollzug falsch läuft. Dass Sie im Nachgang aktiv geworden sind, ist gut. Schlecht ist, dass Sie das nicht viel früher bei Ihren Verwaltungsgerichten erfahren haben.

Mein Fazit: Der Rechtsausschuss sollte dringend zu den massiv überlasteten Strafkammern der Landgerichte und in die Jugendarrestanstalten fahren – in der Hoffnung, dass der Minister dann auch in diesen Bereichen endlich aufwacht und handelt. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP – Zuruf von der SPD: Im Nachtragshaushalt sind bereits Stellen einge- richtet worden!)

Danke schön, Herr Kollege Wedel. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Hanses.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer schwierig, wenn ich nach Herrn Wedel sprechen muss, wieder herunterzukommen. Ich frage mich immer: Wer schreibt Ihnen dieses Feuerwerk der Halbwahrheiten eigentlich auf? Das ist unfassbar!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Zu- ruf von der SPD)

So ist es!

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir versuchen alle, wieder runterzukommen und uns sachlich mit dem Einzelplan 04 zu beschäftigen, dem Geschäftsbereich des Justizministeriums. Dieser Einzelplan vereinigt, wie Sie alle wissen, wie kein anderer unter einem Dach Prävention und Repression. Deshalb lohnt es sich, da noch einmal genauer hinzusehen.

Wir haben das im Rechtsausschuss in der Tat auch schon beraten: Bereits bei der Aufstellung dieses Einzelplans bin ich immer wieder über die einführenden Worte des Hauses im Erläuterungsband gestolpert, weil sie bereits die terroristischen Ereignisse in Paris, Kopenhagen und Tunesien in der ersten Hälfte dieses Jahres bezugnehmend erläutern.

Die Schlussfolgerungen, die das Justizministerium daraus zieht – die ziehen jetzt auch wir mit der Aufstellung des Haushaltes daraus –, sind mit den Ereignissen des Novembers dieses Jahres auf bedauerliche Weise noch dringlicher geworden.

Auch in diesem Haushaltsplan ziehen wir die Konsequenzen aus den steigenden Flüchtlingszahlen. Nach den bisherigen Erfahrungen können wir davon ausgehen, dass ca. die Hälfte der abgelehnten Asylanträge bei unseren Verwaltungsgerichten landen. Herr Wedel, es ist völliger Unfug, dass sich der Minister erst im Rechtsausschuss, der ein Verwaltungsgericht besuchte, ein Bild machen musste. Selbstverständlich ist der Minister jederzeit bestens über die Vorgänge an Verwaltungsgerichten informiert. Da brauchen Sie sich überhaupt keine Sorgen zu machen.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Wenn ich aber in anderen Bundesländern davon berichte, dass in diesem Haushaltansatz bereits 59 weitere Stellen für Verwaltungsrichterinnen und Veraltungsrichter vorgesehen waren und wir zusätzlich knapp 100 weitere Planstellen für Geschäftsstellen und im Servicebereich bekommen, dann schauen andere Bundesländer mit ein bisschen Neid, vielleicht aber auch mit ein bisschen Respekt darauf, dass wir die Stellen vorausschauend schaffen und nicht wie die Bundesregierung handeln, die dies beim BAMF an vielen Stellen viel zu spät macht; sie hat die Stellen, die hier längst erforderlich wären, noch immer nicht eingestellt.

(Beifall von Sven Wolf [SPD])

Ja, unsere Verwaltungsgerichte brauchen selbstverständlich Unterstützung, um die steigende Zahl der Verfahren bearbeiten zu können.

Aber der Weg zur Einhaltung der verfassungsgemäßen Schuldenbremse wird weiterhin kein leichter sein. Da geht es nicht nur um das Wünschenswerte, sondern auch um das Machbare.

Wie Ihre Vorschläge, die Vorschläge der Opposition, dazu aussehen, haben Sie bisher geheim gehalten. Dass Sie unseren Haushaltsanträgen nicht zustimmen können, ist ein Schlag ins Gesicht der Freien Straffälligenhilfe.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Dass Sie, liebe CDU, im Ausschuss ernsthaft nach einer Gegenfinanzierung gefragt haben, legt Ihre Haltung dazu offen.

Bitte richten Sie das allen Caritas-Geschäftsführern mit einem schönen Gruß von mir aus. Wenn hier investiert wird, lohnt sich jeder Euro. Jeder Tag, der ein Haftplatz vermieden wird, lohnt sich nicht nur für die betroffene Person selbst, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.

Wir bekennen uns zum Zweisäulenmodell, zur Straffälligenhilfe in der Justiz, an den Landgerichten, und zur Freien Straffälligenhilfe in der Freien Wohlfahrtspflege. Diese Bereiche bestehen nebeneinander, unterstützen sich gegenseitig und ergänzen sich.

Ich möchte jedoch unsere Haushaltsanträge noch schnell im Einzelnen nennen: 78.000 € mehr für die ehrenamtliche Arbeit der Freien Straffälligenhilfe, die Ehrenamtliche vernetzt, fortbildet und qualifiziert, 206.000 € mehr für die Förderung gemeinnütziger Arbeit derjenigen, die die sogenannten Sozialstunden vermittelt und betreut, 36.000 € mehr für Haftverkürzungsprojekte an freie Trägern, 128.000 € mehr für die Förderung der Täterarbeit, 98.000 € mehr für die Mitwirkung bei der Behandlung von Sexualstraftätern, 142.000 € mehr für die Förderung des Täter-Opfer-Ausgleichs und zarte 12.000 € mehr für die Maßnahmen des Übergangsmanagements im Jugendarrest.

(Beifall von den GRÜNEN)

Diese Erhöhungen mögen manch einem klein Erscheinen. Doch wir wissen längst, dass sich Prävention auch hier rechnet. Jeder Euro zahlt sich aus – nicht nur für die Gefangenen, sondern auch für die gesamte Gesellschaft.

Herr Kamieth, Ihre Darstellung, wie sich die Straftaten entwickelt haben, ist völlig schräg. Es ist gut, in einer Gesellschaft zu leben, in der es immer weniger Gewaltdelikte …

Ihre Redezeit.

… und immer weniger Verurteilungen gibt. Die Kapitaldelikte und Gewaltdelikte sind massiv zurückgegangen. Die Jugendkriminalität ist auf dem niedrigsten Stand seit 44 Jahren. Ihr Szenario hier ist völlig abstrus.

(Unruhe)

Ich komme zum Schluss: Die Opposition hat keine Strategie zum Haushalt. Ein Konzept ist leider nicht erkennbar.

Die CDU singt das Mantra der schwarzen Null und hat kein Konzept. Die FDP brabbelt sonst immer „Privat vor Staat“ vor sich hin; Herr Wedel hat im Rechtsausschuss geäußert, die Mittel seien viel zu niedrig. Ob das die neue FDP ist, bleibt noch geheim. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Nadja Lüders [SPD]: Das kann auch so blei- ben!)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schulz.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Zuschauerinnen und Zuschauer im

Stream! Und einer da oben – wunderbar –, herzlich willkommen!

Das Spardiktat, das die CDU hier vermisst, wollen wir vonseiten der Piratenfraktion nicht verfolgen. Das fordern wir auch nicht. Es ist zwar zutreffend, dass hier 150 Millionen € mehr ausgegeben als eingenommen werden. Nun ist die Justiz aber auch kein Wirtschaftsbetrieb; das muss man auch sehen.

Wir beraten heute den Haushalt des Justizministeriums, Einzelplan 04.

Die Umsetzung der Rechtsstaatsgarantie unseres Staates ist eine der tragenden Säulen unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Deswegen erkennen wir grundsätzlich den Willen der Landesregierung an, die Rechtsstaatsgarantie und damit auch den Justizgewährungsanspruch der Bürgerinnen und Bürger in diesem unserem Land zu erfüllen.

Dennoch ist es nachgerade erschreckend, dass auch im Vergleich zum Haushaltsvorjahr der allgemeine Richterinnen- und Richterstellenaufwuchs äußerst gering bleibt und dem seit Jahren – auch schon im vergangenen Jahr – vonseiten des Deutschen Richterbunds allein in Nordrhein-Westfalen genannten Fehlen von 460 Richterinnen und Richtern allein bei den Amtsgerichten um rund 10 % abgeholfen wird.

Noch überstiegen wird das durch den Bedarf an Richterinnen und Richtern bei den Landgerichten. Selbstverständlich nicht zu vergessen sind auch –

ich greife Ihre Umschreibung gern auf, beziehe diese allerdings nicht auf die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher – die Staatsanwälte. Die saufen auch ab. Auch da fehlt es erheblich an Arbeit und Investitionen seitens der Landesregierung.

Auch heute müssen wir leider sagen, dass es 700 bis 800 zusätzlicher Richterstellen in NordrheinWestfalen bedarf, um eine straffe Verfahrensführung zu gewährleisten und die Rechtsstaatsgarantie ernsthaft einzulösen. Auch heute wie schon im auslaufenden Jahr sind wir mit dem Entwurf des Einzelplans 04 hiervon weit entfernt.

Auch im Bereich „Besoldung und Versorgung“ – ich erwähnte das bereits an anderer Stelle – beklagen wir Piraten die Untätigkeit der Landesregierung mit Blick auf den Vergleich von Tarifbeschäftigten mit verbeamteten Beschäftigten in der Justiz.

Da hilft es auch nicht weiter und darf über das vorgenannte nicht hinwegtäuschen, wenn Justizminister Kutschaty jetzt eine strafgerichtliche Task Force gegen den IS und die Salafisten kreiert, womit den Menschen im Lande vermittelt werden soll, dass die Justiz infolge konsequenter Strafverfolgung in der Lage sei, gemeinsam mit dem Innenminister dieses Landes Sicherheit zu gewähren. Das mag auf den Präventionsgedanken zutreffen, vielleicht auch auf die Islamwissenschaftler, die jetzt eingestellt werden sollen, nicht aber im Falle von ideologisch oder religiös motivierten Gewaltverbrechern und Tätern terroristischer Vereinigungen, derer man wahrscheinlich ohne Weiteres auch nicht in Nordrhein-Westfalen habhaft werden kann.

(Sven Wolf [SPD]: Aber wenn man sie findet, müssen sie auch angeklagt werden!)

Besonders peinlich wird es dann aus meiner Sicht, wenn sich der Justizminister unseres Landes mit dem Innenminister aufschwingt, rechtsextreme Hetze im Internet jetzt effektiv bekämpfen zu wollen, wie vor einigen Tagen sehr gehaltvoll in Pressemitteilungen erklärt.

Insbesondere die Hetze des rechtsextremen braunen Mobs ist eine seit Jahren bekannte Konstante und keineswegs erst jetzt ein Phänomen infolge der riesigen Zuwanderung von Flüchtlingen und Asylbewerbern,

(Nadja Lüders [SPD]: Das haben Sie nicht verstanden, Herr Schulz!)

und vor allem ist es gewachsen, auch durch das Internet und in sozialen und durch soziale Netzwerke. Hiergegen fehlt mir persönlich im Einzelplan 04 der erforderliche Ansatz im Bereich der Staatsanwaltschaften und Gerichte hinsichtlich dieses neuen Aspektes.

Dazu muss ich noch sagen, es hätte schon im Vorgriff auf diese Aspekte im Hinblick auf die Kompetenzerweiterung der Zentralstelle für Cyberkriminalität einer erheblichen Personalverstärkung bedurft,