Protocol of the Session on December 3, 2015

(Lachen von der CDU)

Ich weiß nicht, ob all das, was ich hier erzähle, so lustig ist. Ich finde es ein bisschen unpassend, an der Stelle zu lachen. – Hier hat man die Träger gewechselt. Man arbeitet jetzt mit Trägern aus der Behindertenbildung. Auch der Betreuungsschlüssel wird enorm geändert. Ich habe nachgefragt: Er soll in diesem Projekt jetzt eins zu vier betragen. Das sind gute Entwicklungen. Ich glaube auch, dass sie zu Lösungen führen können.

Das Problem an der Stelle ist halt nur: Es handelt sich um ein Projekt. Das heißt, es wird von den etlichen Tausend Betroffenen nur wenige Hundert berühren. Da, wo es dann wirklich funktioniert, müsste es in eine Maßnahme übergehen, die eigentlich zum Regelsortiment gehört. Das kann aber nicht passieren, weil auf Landesebene das Geld dafür nicht bereitgestellt wird. Die Landesebene kann das – wie mir vonseiten des Finanzsektors regelmäßig gesagt wird – aber auch gar nicht bereitstellen. Das gilt aber auch für die Bundesebene. Da ist die SPD in der Großen Koalition mit in der Regierung. Vom Bund wird das Geld also leider auch nicht zur Verfügung gestellt.

Das ist sehr ärgerlich, und das müssen Sie sich immer wieder ankreiden lassen. Wir müssen hier zu einer Änderung der Regelmaßnahmen kommen – und nicht zu einzelnen Projekten, so toll sie auch immer sein mögen. Sonst werden wir an der verfestigten Arbeitslosigkeit in NRW nichts ändern. Sie ist übrigens, wie Kollege Bischoff eben ausgeführt hat, hier in NRW – das ist völlig richtig – sehr heterogen verteilt.

Es wird dann immer mal Hotspots geben wie im Münsterland, wo, wie der Kollege Bischoff schon sagte, die Arbeitslosenquote zwischen 2 % und 4 % liegt. Es wird aber auch die Hotspots auf der anderen Seite geben – in Duisburg, Gelsenkirchen und Dortmund –, wo wir im Augenblick bei 12 % verfestigter Arbeitslosigkeit bzw. Langzeitarbeitslosigkeit liegen. Das wäre eine Änderung im System, die wir jetzt schon bräuchten.

Jetzt kommt noch hinzu, dass immer mehr Menschen – und das zu Recht – bei uns Schutz vor Krieg und Vertreibung suchen. Diese Menschen, die Geflüchteten, nehmen wir hier in Deutschland auf. Wenn ich mit den Menschen vor Ort rede, die da Hilfe leisten – egal, ob das bei Train of Hope, bei Projekten für Ankommende oder bei der Flüchtlingshilfe generell ist –, erlebe ich eine Aufnahme- bzw. Leistungsbereitschaft, die ihresgleichen sucht. Und da kippt die Stimmung auch nicht, sondern da wird weiter und gerne aufgenommen und gearbeitet. Das ist ein hervorragendes Zeichen.

Unsere Unterstützung kann aber nicht nur dahin gehen, dass die zu uns Geflüchteten hier erste Aufnahme finden und dass dies auch von der Gesellschaft gelebt wird, sondern wir müssen auch zusehen, dass wir Schwellen abbauen. Wir stellen uns da gerade selber gerade Beinchen, egal ob es diese unsinnige Vorrangprüfung ist, die wir immer noch haben, oder ob es sich um diverse Arbeitsverbote handelt, die teilweise bis zu 48 Monate dauern. Das sind vier Jahre!

Sprechen Sie einmal mit dem Jobcenter, mit der Bundesagentur für Arbeit. Da wird Ihnen ein Arbeitsvermittler sagen: Wenn Sie erst mal vier oder fünf Jahre aus Ihrer eigentlichen Profession heraus sind, können Sie gleich anfangen, einen neuen Job zu erlernen. Dann ist die Qualifikation eigentlich nicht mehr vorhanden. – Und wir nehmen diesen Menschen, die zu uns flüchten, hier die Chance, eine solche Qualifikation zu leben. Das können wir ändern. Auf Bundesebene müssen wir das ganz dringend ändern.

Es ist sehr ärgerlich, dass weiter daran festgehalten wird. Wir haben darauf – auch im Vorhinein – mehrfach hingewiesen. Es ist im Endeffekt nicht nur für die Menschen, die zu uns flüchten, eine schlimme Sache, sondern auch für unsere Gesellschaft. Wir berauben uns da einer Chance, die wir dringend nutzen sollten.

Es ist ja nicht so, dass wir in einer wachsenden Gesellschaft leben würden. Bis vor zwei Jahren wandelte hier noch das Gespenst des demografischen Wandels durch den Raum. Da wurde immer gesagt: Wir werden zwar immer älter, aber wir werden immer weniger, und immer weniger Menschen stehen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung.

Oh, meine Redezeit! Die Kollegin Brand möchte auch noch reden.

(Zuruf von der CDU: Hat keiner gemerkt!)

Man könnte zu diesem Thema noch ganz viel ausführen. Ich möchte dafür plädieren, dass wir hier die Schranken gerade für geflüchtete Menschen abbauen, dass wir die Menschen nicht gegeneinander ausspielen, sondern wirklich kreativ dafür sorgen, Menschen aufnehmen zu können. Das tut den Menschen, die zu uns flüchten, gut. Und es ist eine Chance für uns als Gesellschaft und als Volkswirtschaft. Diese Chance müssen wir wahrnehmen. Helfen Sie dabei, diese Hürden abzubauen. Schaffen Sie mehr Regelsysteme, um für die Menschen und die Gesellschaft etwas Vernünftiges bzw. etwas Sinnvolles zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Schmeltzer das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Kerkhoff, ich habe Ihrer Rede entnommen, dass Sie schon in der wirtschaftspolitischen Haushaltsdebatte, dass Sie aber auch noch in der umweltpolitischen Haushaltsdebatte waren.

Ich habe aber auch zur Kenntnis genommen, dass Sie zufrieden sind und es Ihnen reicht, wenn ich handele. Wenn Sie in den letzten Wochen zugehört hätten, hätten Sie festgestellt, dass ich handele. Sie müssen nur zuhören und zur Kenntnis nehmen, dann ist die Sache in Ordnung. Wir haben dann alles, was wir brauchen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, Nordrhein-Westfalen steht vor großen Herausforderungen. Viele Menschen kommen als Flüchtlinge, und sie werden auch bleiben. Chancengleichheit und sozialer Zusammenhalt sind für alle Menschen in unserem Land wichtig. Sie zu realisieren, ist unsere gemeinsame Aufgabe. Deshalb setzen wir im Einzelplan 11 deutliche Akzente in der Integrationspolitik, führen zugleich in der Arbeits- und Sozialpolitik bewährte Ansätze fort und stellen uns hier den neuen Herausforderungen.

Für die Integrationspolitik stehen 2016 Haushaltsmittel in Höhe von rund 44 Millionen € zur Verfügung. Neben der Fortführung der bewährten Förde

rung – das waren 24 Millionen € – werden wir in 2016 insgesamt 13,4 Millionen € für das neue Aktionsprogramm „KommAn-NRW“ bereitstellen, um die Kommunen dabei zu unterstützen, Flüchtlinge angemessen aufzunehmen, das Ehrenamt zu stärken und den Menschen, die zu uns kommen, eine erste soziale Orientierung und praktische Unterstützung zu geben.

Wir dürfen das Ehrenamt aber nicht überstrapazieren. Deshalb planen wir eine personelle Verstärkung in den kommunalen Integrationszentren, die ebenfalls eine wichtige Aufgabe bei der Integration von Flüchtlingen übernehmen. Die Koordinierung der anstehenden Angebote und Aufgaben sowie das dringend erforderliche Netzwerk müssen über die kommunalen Integrationszentren in allen Städten gewährleistet werden Des Weiteren stärken wir auch die Integrationsagenturen. Die Verbände der Freien Wohlfahrtpflege tragen mit ihren Migrationsfachdiensten erheblich zur guten Aufnahme und sozialen Eingliederung der Flüchtlinge bei.

Die Mittel für das Aktionsprogramm „KommAnNRW“ werden wir mit dem Projekt „Einwanderung gestalten – Integration fördern“ auf 4,4 Millionen € ergänzen. Es geht dabei um eine systematische Kooperation verschiedener kommunaler Einrichtungen und Behörden für eine gelingende Integration. Mit dem Antrag der Regierungsfraktionen werden wir strukturelle Voraussetzungen für ein modernes Einwanderungsmanagement schaffen.

Damit Integration gelingt, müssen die Flüchtlinge besonders schnell Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten. Darum haben wir schon in diesem Jahr mit Maßnahmen begonnen, die wir 2016 weiter ausbauen werden.

Als bisher einziges Bundesland, Herr Kerkhoff – so viel zu dem Thema „Wir handeln angeblich nicht“ –, bieten wir flächendeckend Hilfe an. In Kooperation mit der Regionaldirektion Nordrhein-Westfalen der Bundesagentur für Arbeit bieten wir Flüchtlingen mit guter Bleibeperspektive und Jobchance schon in den Ersteinrichtungen Beratung, Begleitung und Basissprachkurse an. Über 4 Millionen € aus ESFMitteln stellen wir für die Sprachkurse im Rahmen des Programms „Early Intervention NRW+“ zur Verfügung.

Zusätzlich erwähnen möchte ich noch die vom Kollegen Bischoff bereits angesprochenen „Integration Points“, in denen die dafür relevanten Behörden vor Ort zusammenarbeiten, um Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Demnächst gibt es das in ganz Nordrhein-Westfalen – als einzigem Bundesland in Deutschland, Herr Kollege Kerkhoff. So viel zu der Frage, wo wir handeln.

Unser Ansatz ist es nicht, neue Programme für Flüchtlinge aufzulegen und dafür bei bestehenden Programmen zu kürzen oder diese gar aufzugeben. Vielmehr geht es darum, wie Flüchtlinge von beste

henden Angeboten profitieren können. So stellen wir im Jahr 2016 insgesamt 127,5 Millionen € – davon 104,4 Millionen € ESF-Mittel und 23 Millionen € Kofinanzierungsmittel – zur Verfügung.

Bewährte Ansätze führen wir weiter. Wir unterstützen die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“. Herr Kollege Alda, wenn Sie Herrn Sommer – dem ich für die Erläuterungen, die er Ihnen gegeben hat, sehr dankbar bin – zugehört hätten, dann wüssten Sie auch, warum diese Systematik so ist, wie sie ist, nämlich dass die ESF-Finanzierung einem Modellprojekt gedient hat und keine Regelfinanzierung zulässt. Da wir uns aber unserer Verantwortung bewusst sind und da wir wissen, wie wichtig und richtig die Landesinitiative „Kein Abschluss ohne Anschluss“ ist, investieren wir diese Landesmittel. Deswegen ist es der richtige Ansatz. Die Erklärung von Herrn Sommer können Sie noch einmal nachlesen. Das kann ja nicht schaden.

Wir fördern weiter Ausbildungsvorhaben wie zum Beispiel die Verbundausbildung, die kooperative Ausbildung an Kohlestandorten und die Teilzeitberufsausbildung. Der Ausbildungskonsens in diesem Jahr – auch wenn nicht alles so erreicht wurde, wie vereinbart – zeigt ganz deutlich, dass die Zahl der Ausbildungsverträge seit Jahren erstmalig nicht zurückgegangen ist.

Besonders wichtig sind mir Projekte zur Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit wie zum Beispiel die öffentlich geförderte Beschäftigung, Erwerbslosenberatungsstellen und auch Arbeitslosenzentren. Denn Arbeit ist nicht allein Broterwerb, sondern gibt Menschen auch ihre Würde.

Gerade aktuell entstehen neue Arbeitsplätze im Bereich der Arbeit mit Flüchtlingen. Hier bieten sich Chancen auch für unsere Langzeitarbeitslosen, und es ist ein Feld für öffentlich geförderte Beschäftigung. Neben den Projekten in der Landesförderung müssen dafür natürlich auch Bundesprogramme geöffnet werden. Und wir brauchen weiterhin den Passiv-Aktiv-Transfer, auch wenn Bundesminister Schäuble, Herr Kerkhoff, ihn nicht will.

(Beifall von der SPD)

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, unser Ziel ist eine sozial gerechte und inklusive Gesellschaft. Dass diese ein Ziel ist, an dem wir kontinuierlich arbeiten müssen, hat sich im letzten Jahr an der Diskussion um den Heimkinderfonds II erfolgreich gezeigt. Landesregierung und Landtag haben die Errichtung der Stiftung „Anerkennung und Hilfe“ für Menschen, die als Kinder und Jugendliche in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe bzw. in stationären psychiatrischen Einrichtungen Unrecht und Leid erfahren haben, gemeinsam vorangetrieben. Vorsorglich haben wir im Haushalt 2016 hierfür insgesamt 5 Millionen € zur Verfügung gestellt.

An dieser Stelle möchte ich mich noch einmal ausdrücklich auch für Ihr fraktionsübergreifendes Enga

gement als Parlamentarier in dieser Sache bedanken.

Im Rahmen der Landesinitiative „NRW hält zusammen … für ein Leben ohne Armut und Ausgrenzung“ wollen wir allen Kommunen ermöglichen, sich an dem gemeinsamen Aufruf der Strukturfonds zur sozialräumlichen Armutsbekämpfung „Starke Quartiere – starke Menschen“ zu beteiligen.

Darüber hinaus haben wir – wie auch im Jahr 2015 – einen 4-Millionen-€- Ansatz, womit Vereine und Verbände konkrete kleine Maßnahmen vor Ort finanzieren können.

Der Härtefallfonds „Alle Kinder essen mit“ ist mit 1 Million € ausgestattet. Hiervon partizipieren jetzt auch Hortkinder.

Das bisherige Aktionsprogramm gegen Wohnungslosigkeit wurde noch präventiver ausgerichtet. Das Aktionsprogramm „Hilfe in Wohnungsnotfällen“, ausgestattet mit 1 Million €, wird ab dem 1. Januar 2016 in Kraft treten.

Die soziale Inklusion von Menschen mit Behinderungen bleibt auch 2016 von zentraler sozialpolitischer Bedeutung. Bewährte Förderungen und Ansätze in der Inklusion werden wir fortführen. Die Planungen für den Ausbau der Kompetenzzentren für Menschen mit Behinderungen sind so weit vorangebracht, dass sie im Jahr 2016 den Betrieb aufnehmen können. Das ist nicht nur am heutigen Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung eine sehr gute Nachricht, wie ich finde.

2015 haben wir die Förderung der Querschnittsaufgaben der Betreuungsvereine auf eine verbesserte Grundlage gestellt. 2016 stellen wir hierfür noch einmal zusätzliche Mittel in Höhe von 1 Million € zur Verfügung.

Auch 2016 erhalten die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege des Landes NRW für ihre Funktionen 6,1 Millionen €. Darüber hinaus erhalten sie natürlich noch die Erlöse aus der Zusatzlotterie Spiel 77.

Zur Sicherung der Mobilität behinderter Menschen stellt das Land im Rahmen der Erstattung der Beförderungskosten im öffentlichen Nahverkehr in Nordrhein-Westfalen rund 92 Millionen € zur Verfügung.

Ein wichtiges Anliegen ist mir aber auch die soziale Arbeit in den Schulen, die mit 47,7 Millionen € jährlich gefördert wird, um die Kommunen weiterhin dabei zu unterstützen, die Inanspruchnahme des Bildungs- und Teilhabepakets zu fördern.

Auch hier bleiben wir bei unserer Auffassung, Herr Alda, dass es sich dabei natürlich um eine originäre Bundesleistung handelt. Aber wir haben die Schulsozialarbeit gesichert. Sie können sich da auf den Kopf stellen. Ich hätte in den vergangen Jahren gesagt: „Wenden Sie sich an einen Ihrer Leute in

Berlin“; aber in Ermangelung von FDP-Bundestagsabgeordneten in Berlin können Sie das nicht. Nehmen Sie zur Kenntnis: Wir sind unserer Verantwortung gerecht geworden; der Bund hat das nicht getan. Sie dürfen dann nicht kritisieren, wenn wir in diesem Haushalt die Schulsozialarbeit finanzieren.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich zusammenfassen: Wir setzen starke neue Schwerpunkte bei der Integration, ohne die anderen Aufgaben zu vernachlässigen. NordrheinWestfalen hat nicht nur viel Erfahrung im Umgang mit Zuwanderung. Es hat auch einen gewaltigen Strukturwandel gestaltet und dabei ein besonderes Augenmerk auf soziale Gerechtigkeit und gleichberechtige Teilhabe aller Menschen gelegt.

Auf diese Erfahrung können wir aufbauen und voller Zuversicht in die Zukunft blicken. Der Haushalt 2016, wie er hier zur Beratung ansteht, bietet dafür eine gute Grundlage. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Milz.