Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer das Abhören des Kanzlerinnenhandys nicht verhindern kann, der braucht den Bürgern in diesem Land auch nicht weiszumachen, diese sensiblen Daten seien vor einem Abgreifen durch Hacker, seien vor einem Abgreifen durch Nachrichtendienste geschützt.
Meine Damen und Herren, wir Freien Demokraten haben am 26. Oktober 2015 im Bundespräsidium beschlossen, Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung zu erheben. Wir haben bereits einen Prozessbevollmächtigten ernannt. Zu dem Kreis der Beschwerdeführer zählen besonders die vom Gesetz massiv betroffenen Berufsgeheimnisträger wie Pfarrer, Seelsorger, Anwälte oder Journalisten. Also wir haben hier eine klare Haltung.
Doch auch Nordrhein-Westfalen muss in dieser Frage endlich eine klare Haltung beziehen. Ministerpräsidentin Kraft ist ja bei dem Thema weiter abgetaucht nach dem Motto: Lieber erst gar keine Position, als intern damit anzuecken. Bundesjustizminister Maas ist umgefallen nach dem Motto: Lieber das Amt behalten als die Haltung.
Und um Justizminister Kutschaty, der die Vorratsdatenspeicherung lange deutlich kritisierte, ist es leider auch still geworden.
Dabei muss sich Nordrhein-Westfalen endlich aktiv für einen Einspruch des Bundesrates einsetzen. Sollte das nicht gelingen, dann muss die Landesregierung eben das ihr vom Grundgesetz nach Art. 93 eingeräumte Klagerecht nutzen. Zeigen Sie endlich Haltung, meine Damen und Herren, und verteidigen
Sie die Grundrechte von 18 Millionen NRW-Bürgern aktiv gegen dieses offensichtlich verfassungswidrige Überwachungsgesetz! – Vielen Dank, meine Damen und Herren.
Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Kern das Wort.
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Saal und zu Hause! Herr Kollege Lürbke hat bereits die Bedenken gegen die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung deutlich gemacht. Das kann ich für uns Piraten nur unterstreichen. Wir haben zu diesem Thema einen eigenen Antrag eingebracht, der unsere Bedenken noch einmal stärker zum Ausdruck bringt.
Am 6. Oktober dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof ein wahrlich bemerkenswertes Urteil gefällt. Die Safe-Harbor-Entscheidung der EU-Kommission aus dem Jahr 2000 wurde für ungültig erklärt. Mit Safe Harbor hatte man allen Transfers personenbezogener Daten in die USA pauschal eine Erlaubnis erteilt, weil man lapidar gesagt hat, dass dort ein gleiches Datenschutzniveau wie in der EU herrsche.
Spätestens seit den Snowdon-Enthüllungen ist aber klar: Safe Harbor war immer schon eine Datenschutz-Fata-Morgana. Safe Harbor war nie dafür gedacht, Personendaten zu schützen, sondern den Wirtschaftsinteressen von multinationalen Konzernen und Sicherheitsfanatikern zu dienen.
Endlich haben die Richter in Luxemburg dem Datentransfer in die Hände der NSA eine Absage erteilt. Dem Datenschutzaktivisten Max Schrems, der dieses Urteil erzwang, möchte ich an dieser Stelle meinen ausdrücklichen Dank aussprechen.
Erstens. Endlich wird die EU-Grundrechtecharta ernst genommen. Denn viel zu oft werden die verbrieften Grundrechte in der EU ignoriert, gerade beim Thema Datenschutz.
Zweitens. Der EuGH nimmt ausdrücklich die nationalen Datenschutzbehörden und die Landesdatenschutzbehörden in die Pflicht. Bei vermuteten Grundrechtsverletzungen dürfen sie sich nicht einfach mit einem Verweis auf EU-Entscheidungen aus der Verantwortung stehlen. Sie sind jetzt aufgefordert, mit klaren Regeln zu Datentransfers für Rechtssicherheit zu sorgen. Das ist übrigens auch
Drittens. Die letzten Leugner müssen eingestehen, dass die USA kein sicherer Datenhafen sind. Die EuGH-Entscheidung ist endlich ein klares Signal pro Grundrechteschutz und gegen die Interessen der Sicherheitsesoteriker und Datensammelfetischisten.
Aber – und jetzt komme ich auf die nationale Ebene zu sprechen – die Freude über die höchstrichterliche Stärkung europäischer Grundrechte war leider nur von kurzer Dauer. Keine zehn Tage später hat die Große Koalition in Berlin die Vorratsdatenspeicherung wieder eingeführt. Damit tragen Christ- und Sozialdemokraten in Berlin gemeinsam die Verantwortung für die Wiedereinführung und dafür, dass hier ein Datenschutzgrundrecht zu Grabe getragen wird. Gleichzeitig – das ist das Kuriose – bejubeln sie die Verteidigung eben jenes Grundrechtes durch den EuGH. Man weiß gar nicht mehr, ob man das exzessive Widersprüchlichkeit, kollektive Schizophrenie oder einfach nur maßlose Verlogenheit nennen soll.
CDU und SPD haben mit ihrer Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung einmal wieder großes Theater aufgeführt. Damit stellen sie wahrscheinlich sogar David Copperfield in den Schatten. Er hat bekanntlich nur einen Panzer vor der Chinesischen Mauer verschwinden lassen. Bei Ihnen im Bundestag lösen Sie ganze Grundrechte in Luft auf.
Wir Piraten werden auch weiterhin Ihre miesen Zaubertricks aufdecken. Ich bin auch gespannt, genau wie der Kollege Lürbke, wie sich der Bundesrat morgen entscheiden wird. Der Landtag SchleswigHolstein hat sich auf Antrag der dortigen Piratenfraktion dafür entschieden, ebenfalls dem Antrag des Landes Thüringen beizutreten und die Anrufung des Vermittlungsausschusses gegen dieses grundrechtsvernichtende Gesetz zu verlangen. Ich kann nur an die Landesregierung appellieren, sich diesem Antrag ebenfalls anzuschließen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Diskussion über die Mindestspeicherdauer führen wir jetzt zum siebten Mal in den letzten zwei Jahren in diesem Parlament, im Übrigen immer mit dem gleichen Versuch, einen Keil zwischen die regierungstragenden Fraktionen oder in die SPD zu treiben.
Es ist doch ein offenes Geheimnis, dass es sowohl zwischen den diese Regierung tragenden Fraktionen, aber auch innerhalb der großen Volkspartei SPD unterschiedliche Meinungen zu diesem Thema gibt, im Übrigen auch innerhalb unserer eigenen SPD-Landtagsfraktion.
Ebenso, glaube ich zumindest, ist die kritische Haltung des Justizministers aus Nordrhein-Westfalen bekannt, der in verschiedenen Wortbeiträgen hier im Plenum, aber auch im Rechtsausschuss immer klargemacht hat, dass eine verfassungskonforme Regelung höchsten Maßstäben genügen muss – eine Auffassung übrigens, die auch strikte Befürworter einer Mindestspeicherdauer ausdrücklich teilen, ebenso diejenigen, die es verfolgt haben.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass ein Mitgliederbegehren innerhalb der SPD zur Vorratsdatenspeicherung nach dem SPD-Konvent im Juni dieses Jahres mit knapp 10.000 Unterzeichnern nicht ausreichend Befürworter gefunden hat.
Aber diese insgesamt breite, transparente, öffentliche Diskussion innerhalb meiner, unserer Partei als auch in den Medien macht gerade deutlich, wie ernst die SPD sowohl die Befürworter als auch die Kritiker einer Mindestspeicherdauer nimmt.
Unser Fraktionsvorsitzender Norbert Römer hat in unserer Plenardebatte hier am 25. Juni dazu einen hervorragenden Debattenbeitrag geliefert, an den ich mich übrigens persönlich sehr gut erinnere und an den ich Sie alle auch erinnern möchte. Ihm ist es in seiner Rede nämlich gelungen, die notwendige Abwägung von Sicherheit und Freiheit deutlich zu machen und den Ausgleich herzustellen zwischen dem Interesse, unsere Verantwortung für den Staat zu übernehmen, dabei aber auch Missbrauchspotenziale nicht zu übersehen.
Norbert Römer hat überzeugend darlegen können, wie es der SPD gelungen ist, rechte Überwachungsfantasien abzulehnen, kritische Meinungen innerhalb der Partei ernst zu nehmen und das vorrangige Ziel zu verfolgen, wonach Sicherheit der größtmöglichen Freiheit aller dienen muss. Wenn man die SPD-Landtagsfraktion und das Parlament beobachtet hat, weiß man auch, dass nach der Rede von Norbert Römer zahlreiche Kolleginnen und Kollegen der Fraktion zu diesem gegangen sind – zeitgleich –, um ihm für seine Rede, für die Ausgewogenheit seines Beitrages zu danken. Ich persönlich gehörte auch dazu.
Vielen Dank, Herr Kollege Stotko, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie haben gerade von der notwendigen Abwägung zwischen Freiheit und Sicherheit gesprochen. Auf den letzteren Aspekt möchte ich gerne eingehen bzw. dazu meine Frage stellen: Wie viele schwere Straftaten sind durch die Vorratsdatenspeicherung aufgeklärt oder vielleicht gar verhindert worden zu den Zeiten, in denen sie schon gegolten hat? Vielleicht könnten Sie uns da ein bisschen erleuchten.
Also, wenn ich zur Exekutive gehören würde und mir eine Tabelle hätte geben lassen, dann könnte ich Ihnen etwas dazu sagen. Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil das auch keine Rolle spielt,
weil wir genau aus diesen Gründen ausdrücklich … Entweder möchten Sie die Antwort hören oder fragen Sie doch erst gar nicht! Ich versuche, Ihnen zu erklären, dass die SPD im Deutschen Bundestag dafür gesorgt hat, dass eine Evaluation nach zweieinhalb Jahren durchgeführt wird – genau zu diesem Thema – und wir hier im Parlament in der Rede von Norbert Römer und als SPD-Fraktion klargemacht haben: Wenn eine Evaluation genau das ergeben sollte, was Sie andeuten – dass in keinem Fall eine Straftat aufgeklärt oder verhindert wird –, dann sind wir auch der festen Auffassung, dass eine solche Mindestspeicherdauer keinen Sinn macht.
Ich will mir, zurückkehrend auf meine Rede, ersparen, mich länger dazu auszulassen, dass es in Ihrem Antrag, Herr Kollege Lürbke, heißt, die Landesregierung möge wahrnehmbar im Bundesrat Position beziehen. So fordern Sie es ja unter Ziffer 1. Das muss man nicht fordern, das tut die Landesregierung ja schon, nur nicht in Ihrem Sinne.
Ich könnte mich auch dazu auslassen, dass es nicht um den Einspruch gegen ein Gesetz geht, sondern dass nach Art. 77 GG zuerst das Anrufen des Vermittlungsausschusses erforderlich ist. Daher muss man Ihre Ziffer 2 schon deshalb ablehnen – ich mache jetzt kein Repetitorium; ich dachte, Kollege Wedel hätte Ihnen das mal erklärt, das macht er sonst immer im Rechtsausschuss; unterhalten Sie sich doch einmal miteinander! –, weil der Antrag nicht in Ordnung ist.
Ich könnte mich auch dazu auslassen, dass es gar nicht hilfreich ist, wenn man gemäß Ziffer 3 viele Klageführer sammelt. Es gibt ja prominente Mitglieder einer Partei, auf jeden Fall einer Partei, die ohnehin klagen. Wir müssen jetzt nicht noch mehrere wie die Landesregierung darum bitten, auch noch Klage zu erheben.
Deshalb glaube ich insgesamt, sehr geehrte Damen und Herren von der FDP-Fraktion: Wir verweisen ausdrücklich auf unsere Plenardebatte im Juni, die
Auch zum siebten Mal werden wir Ihren Antrag ablehnen. Jetzt, Herr Herrmann, kann ich es ganz kurz machen: Liebe Mitglieder der Piratenfraktion, mit Ihrem Antrag kann man ernsthaft kurzen Prozess machen. Die EuGH-Entscheidung zur Angemessenheit des Datenschutzniveaus, insbesondere in den USA, hat nichts, aber auch gar nichts mit den Verkehrsdaten von Telekommunikationsanbietern und damit auch überhaupt nichts mit der Vorratsdatenspeicherung zu tun.
(Nicolaus Kern [PIRATEN]: Sie haben der Rede des Kollegen nicht zugehört! – Frank Herrmann [PIRATEN]: Verstanden haben Sie es auch nicht!)
Deshalb darf man durchaus, auch wenn Ihnen das nicht passt, als Partei oder als Fraktion die Entscheidung des EuGH zur Stärkung der Verbraucherrechte lautstark beklatschen und begrüßen und trotzdem dann eine vermittelnde Haltung bei der Frage der Mindestspeicherdauer einnehmen. Ihr untauglicher Versuch einer Vermischung ist erkannt. Deshalb werden wir es da kurz machen und Ihren Antrag ablehnen. – Besten Dank.