Protocol of the Session on September 30, 2015

Die weiter folgenden Ausführungen werde ich uns an dieser Stelle besser vorenthalten.

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

Ich mahne aber, dass wir uns besser mit der Sache, mit konkreten Lösungskonzepten für unsere Jungen, die mittlerweile gänzlich ins Hintertreffen zu geraten drohen, auseinandersetzen und alle weiteren Hirnkonstruktionen hintenanstellen mögen.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, die Große Anfrage ist in Teilen hilfreich, Missstände vergegenwärtigt zu bekommen. Beispielsweise ist schwarz auf weiß zu lesen, dass Jugendliche männlichen Geschlechts über 15 Jahre drei- bis viermal so häufig wie gleichaltrige Mädchen infolge eines Suizids oder aufgrund einer tödlichen Verletzung aus dem Leben scheiden. Hier schrillen bei mir als Politikerin und als Mutter von drei Kindern sämtliche Alarmglocken. Ich glaube nicht, dass die Maßnahmen, die die Landesregierung dagegen ins Feld führt, ausreichen.

An vielen Stellen müssen wir aber auch in den allerschönsten Wortgirlanden lesen, welch segensreiche Wirkungen beispielsweise Landesprogramme wie „Kein Abschluss ohne Anschluss“ haben oder vor allem, dass sie ja von Anfang an gendersensibel aufgesetzt worden seien.

Unter dem Strich sage ich jedoch: Der Ton macht die Musik. – Und da hören wir leider sehr viele schiefe Töne, beispielsweise von einer Landeshochschulministerin, die demokratisch gewählte Organe wie Verwaltungsräte von Studentenwerken – nein, wir müssen ja jetzt „Studierendenwerke“ sagen – verpflichten will, so oft zu wählen, bis die Frauenquote erreicht ist.

Oder: Wir haben eine rot-grüne Koalition, die auf unsere Initiative hin zwar per gemeinsamen Antrag aller Fraktionen den Boys’Day analog zum schon sehr erfolgreichen Girls’Day aufwerten will, aber mit welchem Ergebnis? – Im Landtag fand nun weder eine Veranstaltung zum Girls’Day noch zum Boys’Day statt. Dafür feiern wir den Weltmädchentag. Die Jungs bleiben dabei auf der Strecke.

Hier läuft etwas schief. Hier wird keine geschlechtersensible Politik gemacht. Die FDP wird nicht müde, dies auch in Zukunft weiter kritisch anzusprechen und zu hinterfragen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der FDP und Walter Kern [CDU])

Vielen Dank, Frau Schneider. Kommen Sie noch mal ans Pult, Frau Schneider. Es gibt eine Zwischenintervention, angemeldet von der Piratenfraktion, von Herrn Dr. Paul. – Der hat sich jetzt schon aufgeschaltet und kann auch schon seine 1:30 nutzen. Bitte schön, Herr Dr. Paul.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kollegin, ich kann Ihre Einwände durchaus verstehen, dass sich dort Dinge im Diskurs befinden. Aber Herrn Kutschera als Referenz zu nehmen, ist keine gute Idee. Er wäre gerne Richard Dawkins. Er ist quasi der deutsche Richard Dawkins für Arme und predigt eine sehr mechanistische biologistische Philosophie. Die Biologie ist nicht unsere einzige Determinante. Das nur als Hinweis. – Vielen Dank.

Lieber Herr Dr. Paul, ich finde es sehr schade, dass Sie mit meiner erwähnten Quelle nicht ganz einverstanden sind. Das trifft sich ganz gut, ich bin mit Ihren auch nicht immer einverstanden. Insofern sind wir hier quitt.

Aber wichtig ist doch ganz einfach, dass wir jetzt bei allem Schreien nach Frauenförderung, nach Mädchenförderung unsere Jungs nicht außen vor lassen, dass dieses Gender-Mainstreaming zwar ganz hübsch ist, aber, bitte schön, auch mit Blick auf die

Jungs, und dass wir diese Jungs, die zunehmend Bildungsverlierer sind,

(Zuruf von Josefine Paul [GRÜNE])

die zunehmend Probleme mit ihrer Gesundheit haben, auch unterstützen und nicht aus den Augen verlieren. – Danke schön.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Frau Schneider. – Nun spricht für die Piratenfraktion Herr Kollege Olejak.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Liebes Publikum im Saal und am Stream zu Hause! Geschlechterkriege sind hier gerade von Frau Schneider ins Rennen geworfen worden. Die Verbalität nahm auch in Form eines gewissen aggressiven Tonfalls zu.

Das ist genau schon wieder einer der Punkte, wo ich sage: Wir als Piraten nehmen sowohl die Anfrage als auch die Antwort auf die Große Anfrage als weiteren Baustein in dieser gesamten Debatte, wie man insgesamt eine bipolare, gesellschaftlichhierarchische Geschlechtsqualifikationssystematik – so irre ist diese Definition – einfach mal überwinden kann.

Diese geschlechterbezogene Pädagogik – biologisch, psychosexuell, psychosozial, all dies –: Letztlich geht es doch uns in der Politik auch darum, Mittel und Wege zu finden und zu eröffnen, dass wir die geschlechterspezifischen Rollenstereotype überwinden und nicht noch stärker verfestigen; letztlich.

Wir als Piraten gehen sogar noch einen Schritt weiter und sagen: Das Erziehungs- und Bildungsziel muss es sein, tatsächlich eine Egalität der Geschlechterdemokratie für alle psychosexuellen Individuen dieser Welt hinzubekommen. Ich stehe hier zwar als Kerl, aber ich könnte auch irgendwas anderes sein. Mir ist es egal, was ich bin – ich sehe mich selber einfach nur als menschliches Wesen.

Wie gesagt, danke ich für Ihre Große Anfrage und möchte mich auch ganz herzlich für die Antwort bedanken. So weit von mir. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Olejak. – Für die Landesregierung hat nun Frau Ministerin Steffens das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eines vorab, Frau Schneider: Ein Herr Kutschera, dessen Forschungsschwerpunkte die Symbioseerforschung mit

epiphytischen Bakterien als Photosymbionten oder die Phylogenese mehrzelliger Algen sind, ist nicht derjenige, der leitgebend und sinnstiftend ist bezüglich der Ausrichtung unserer Kinder- und Jugendpolitik in diesem Land.

(Zuruf von Susanne Schneider [FDP])

Ich glaube, das ist auch gut so, weil die Forschungsschwerpunkte klar und deutlich erkennen lassen, welch Geistes Kind das ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, zu der Großen Anfrage möchte ich wie folgt Stellung nehmen: Mit der Großen Anfrage 14 der Fraktion der CDU wurde nach der Berücksichtigung insbesondere der speziellen Interessen von Jungen in einer Vielzahl pädagogischer und sonstiger Kontexte gefragt. Mit der Antwort der Landesregierung wird klar und deutlich: In NRW ist der geschlechterdifferenzierte Blick auf Kinder und Jugendliche in vielen Bereichen Standard.

Herr Kern, Sie beklagen, dass an vielen Stellen in der Antwort erst einmal mit „Gender“ geantwortet wird und auf Gender-Expertisen verwiesen wird. Es ist doch klar, dass Gender als das Analyseinstrument dann auch die entsprechenden jungen- oder mädchenspezifischen Konzepte zur Folge hat. Sie haben ja auch eben bei den Redebeiträgen einiger der Vorrednerinnen intensiv genickt, als die Beispiele für Nordrhein-Westfalen gebracht wurden. Ihre nonverbalen Äußerungen waren da zustimmender als Ihre verbalen. Ich will aber trotzdem einige Aspekte hervorheben und auf den einen oder anderen Punkt von Ihnen kurz eingehen.

In der Kinder- und Jugendhilfe ist die Partizipation von Mädchen und Jungen für uns in allen Bereichen selbstverständlich. Sie haben das ein Stück weit eben angemahnt.

Ich will aber kurz noch einmal in der Historie zurückgreifen, Herr Kern; denn als Sie noch mit in der Regierung waren, haben Sie ja selber die Landesinitiative Jungenarbeit NRW vonseiten des Kabinetts mit vorangebracht. Diese Landesinitiative ist in der jetzigen Legislaturperiode komplett mit dem Personal verstetigt worden und übergegangen in die Fachstelle Gender, in der genau diese Jungenexpertise neben der Mädchenexpertise mit dem Genderblick versucht, in allen Bereichen, die unsere Kinder und Jugendlichen betreffen, draufzugucken:

Welche Maßnahmen sind perspektivisch notwendig? Sie wissen ja auch, dass mit der LAG Jungenarbeit und der Fachstelle Gender gemeinsam genau diese Bereiche – weil Sie beklagt haben, dass die Partizipation, die Beteiligung nicht ausreichend sei – in dem Maße wirklich stattfinden.

Sie wissen aber auch, dass natürlich schon in den Kindertageseinrichtungen geschlechtersensible Pädagogik als Querschnittsthema strukturell sowie konzeptionell verankert ist in den Bildungsgrundsät

zen „Mehr Chancen durch Bildung von Anfang an – Grundsätze zur Bildungsförderung für Kinder von 0 bis 10 Jahren in Kindertageseinrichtungen und Schulen im Primarbereich in Nordrhein-Westfalen“. Also ist durchgängig in allen diesen Bereichen letztendlich die jungenspezifische wie mädchenspezifische Blickrichtung auch verankert.

Im Vergleich zu anderen Bundesländern gelten wir in Nordrhein-Westfalen in der Jungenarbeit, was die Frage der Berücksichtigung von Geschlecht und sexueller Identität betrifft, als bestens aufgestellt. Frau Paul hat ja auch gerade bezogen auf die Jungen und Mädchen der LSBTTI-Community darauf hingewiesen, wie gerade hier die jungenspezifischen Ansätze durchgängig vorhanden sind.

In den Schulen – auch das ist klar – ist der geschlechterdifferenzierte Blickwinkel ein wesentlicher Aspekt der individuellen Förderung. Das einzelne Mädchen und der einzelne Junge werden gemäß der eigenen Persönlichkeits-, Lern- und Lebenslage mit in den Blick genommen.

Frau Schneider, wenn Sie sagen, dass die Sprachentwicklung der Mädchen in der von Ihnen genannten Erhebung prozentual gesehen als nicht so defizitär benannt wird, ist das an der Stelle auch normal, weil Mädchen in der Sprachentwicklung in dem Alter sehr viel schneller als Jungen sind. Jungen hinken selbst mit der besten Förderung zeitlich einfach etwas hinterher.

Insgesamt kann die Landesregierung bilanzierend festhalten, dass die Jungen- und die Mädchenarbeit bzw. eine geschlechterbewusste Pädagogik in pädagogischen Strukturen und Konzepten der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch darüber hinaus gut verankert sind. Das heißt nicht, dass wir die Diskussion an vielen Stellen nicht auch noch gemeinsam nach vorne führen müssen.

Herr Kern, Sie haben gerade auch Themenbereiche angesprochen, die eher im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales mitdiskutiert werden sollten. Da wird es auch eine spannende Diskussion im Hinblick darauf geben, wie das Präventionsgesetz umgesetzt werden soll und welche settingorientierten Angebote und Maßnahmen hier geschlechterdifferenziert nach vorne gebracht werden sollen.

Wenn wir uns zahlreiche Bereiche in der Gesundheitsförderung angucken – egal ob es der Suchtbereich, der ADHS-Bereich oder der Bereich Adipositas ist –, erkennen wir aber, dass es in allen diesen Bereichen sehr viele jungenspezifische Angebote gibt. Gerade den Sport als Beispiel für eine fehlende Jungenförderung zu bezeichnen, ist auch etwas gewagt; denn gerade der Fußball – das ist der größte Bereich – ist leider immer noch eine Jungendomäne.

In vielen Punkten besteht also noch Luft nach oben. Insgesamt sind wir in Nordrhein-Westfalen aber sehr gut aufgestellt. – Danke.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin Steffens. – Da mir keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, schließe ich die Aussprache und stelle fest, dass damit die Große Anfrage 14 der Fraktion der CDU erledigt ist.

Tagesordnungspunkt

9 Weichen für ein sicheres Nordrhein-Westfalen

mit einer handlungsfähigen Polizei jetzt verantwortungsvoll stellen – Unverzüglich jährlich 300 weitere Polizeianwärterstellen schaffen

Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/9788

Ich darf die Aussprache eröffnen und für die FDPFraktion Herrn Kollegen Witzel das Wort erteilen. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist die feste Auffassung der FDP-Landtagsfraktion, dass wir ohne eine dauerhafte strukturelle Erhöhung der polizeilichen Ausbildungskapazität bei Kommissaranwärtern große Besetzungsprobleme bekommen werden. Dann wird in den nächsten Jahren der erforderliche Nachersatz nicht gelingen. Die Folge mangelnder Einstellungspolitik ist ein faktischer Stellenabbau, der perspektivisch – je nach berechnetem Szenario – zwischen 1.500 und 4.000 Stellen liegen wird. Ist das vertretbar?