Protocol of the Session on June 25, 2015

Ihre Forderung nach Transparenz in Punkt II.6 des Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, ist berechtigt, aber bereits in die Wege geleitet. Nicht zuletzt aufgrund der Forderung der FDP haben wir in der Obleuterunde am 4. Mai mit dem JM vereinbart, dass im Produkthaushalt 2016 nach EPOS für jede Vollzugsform die Haftplätze jeweils gesondert ausgewiesen werden sollen,

(Zuruf von Sven Wolf [SPD])

einschließlich der Differenzierung zwischen belegbaren und nicht belegbaren.

Ihre Berechnungen zu angeblich 715 fehlenden Hafträumen sind bislang nicht wirklich nachvollziehbar. Obwohl vorher vorausgesetzt wird, dass Gemeinschaftshafträume nur einzeln belegt werden sollen, wird der zusätzliche Bedarf anhand doppelt belegter Hafträume errechnet. Zwar werden nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Strafvollzugsgesetz Gefangene während der Ruhezeit in ihren Hafträumen alleine untergebracht; gemäß Satz 2 ist eine gemeinsame Unterbringung aber in den dort aufgeführten Fällen zulässig. Das haben Sie nicht berücksichtigt.

Ich stimme Ihnen zu, dass der Ausnahmefall der Nr. 3, wonach eine gemeinsame Unterbringung im Einzelfall zulässig sein soll, wenn dies aus zwingenden Gründen der Anstaltsorganisation vorübergehend erforderlich ist, heute nicht mehr Realität sein sollte. Sprich: Ohne einen in seiner Person lie

genden Grund sollte heute im geschlossenen Vollzug niemand mehr gegen seinen Willen gemeinsam untergebracht sein.

Für eine Ermittlung des wahren Bedarfs an Hafträumen wären daher zusätzlich notwendig die Anzahl der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 Strafvollzugsgesetz und der jeweils nach den weiteren Ziffern der Vorschrift gemeinsam Untergebrachten und insbesondere natürlich auch die Anzahl der Notgemeinschaften, die in einer RV aus dem Jahre 1976 als „jede Belegung eines Haftraums mit mehr Personen als zugelassen“ definiert wurden.

Ich muss indes auch feststellen, dass die seitens des Justizministeriums mitgeteilten Zahlen zur Belegung und Belegungsfähigkeit wegen der hohen Fluktuation im Vollzug stark divergieren und auch nicht alle Parameter enthalten, womit eine abschließende Vergleichbarkeit bzw. Bewertung nicht so leicht möglich ist.

Wenn Rot-Grün öffentlich als Reaktion auf den Antrag verlautbart, tatsächlich sei ein Puffer von rund 1.500 Haftplätzen vorhanden, und hinzufügt, jeder, der einen Einzelplatz haben will, würde einen bekommen, will ich das an belastbaren Zahlen überprüfen können. Dann aber bitte nicht nur mit Zahlen von Haftplätzen, sondern auch solchen von Hafträumen!

Meine Damen und Herren, aus Sicht der FDP liegt die Wahrheit in der Mitte. Der Strafvollzug in Nordrhein-Westfalen steht nicht vor dem Kollaps, aber die Lage ist auch nicht so entspannt, wie sie seitens Rot-Grün dargestellt wird, wenn die uns vorliegenden Zahlen aus den Vorlagen 16/723 und 16/2762 sowie aus dem Ausschussprotokoll 16/830, Seite 48, so richtig sind. 17.629 belegbare Haftplätze abzüglich des Haftplatzbedarfs im Frauenvollzug von 1.120 sowie der maximalen Differenz zwischen Jahresdurchschnitt und Jahreshöchstbelegung in Höhe von 900 ergibt als Zwischenergebnis 15.609, das heißt 319 Haftplätze mehr als grundsätzlich benötigt. Zieht man davon die 151 Haftplätze der JVA Büren sowie die aufgrund des Justizvollzugsmodernisierungsprogramms wegfallenden 168 Haftplätze ab, kommt als Ergebnis genau plus/minus null heraus.

Im Optimalfall könnte dies also, vorausgesetzt eine zutreffende Verteilung auf geschlossenen und offenen Jugend- und Erwachsenenvollzug, bedarfsgerecht sein, lässt aber keinen wirklichen Spielraum für den Abbau von Haftplätzen. Und ja, die anstehenden Sanierungs- und Neubauerfordernisse der Justizvollzugsanstalten müssen den schwierigen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten und der demografischen Entwicklung, die auch Auswirkungen auf den Strafvollzug haben wird, Rechnung tragen.

Ich hoffe, dass uns Minister Kutschaty hier bzw. im Ausschuss ein grobes Gesamtkonzept zu Sachstand, Prognose und Planung des Strafvollzugs vor

legen wird, das eine transparente Übersicht der aktuellen Belegungszahlen sowie der insgesamt vorhandenen und tatsächlich belegbaren Hafträume gibt. Ich freue mich auf die weiteren Beratungen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Wedel. – Für die Piratenfraktion hat das Wort nun Herr Schulz.

(Sigrid Beer [GRÜNE]: Herr Wedel guckt sich die Zahlen nicht an!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und im Stream!

(Zurufe von der FDP und den GRÜNEN)

Machen wir mal Folgendes: Ironie an! Der Antrag der CDU setzt sich mit einem der Lieblingsthemen der CDU im Rechtsausschuss, nämlich mit der Unterbringungssituation der Gefangenen,

(Dagmar Hanses [GRÜNE]: Das ist auch mein Lieblingsthema!)

hier speziell in Einzelhafträumen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Strafvollzugsgesetz, auseinander.

(Zuruf von Peter Biesenbach [CDU])

Ironie aus! Dementsprechend wird gefordert, die Landesregierung möge ein Konzept vorlegen, in dem aufgrund einer lückenlosen und transparenten Übersicht die aktuellen Belegungszahlen sowie die vorhandenen und tatsächlich belegbaren Hafträume abgebildet sind. Die Zurverfügungstellung ausreichender Einzelhaftplätze wird verlangt und auch der Nachweis darüber.

Die Sanierungen von Neubauten sollen den Arbeitsbedingungen der Beschäftigten gerecht werden und dem demografischen Wandel im Gefängnis Rechnung tragen. Mir persönlich ist nicht ganz klar, ob der demografische Wandel bei den Inhaftierten, die auch immer älter werden, oder bei den Beschäftigten gemeint ist. Aber das werden wir im Rechtsausschuss sicherlich abschließend klären können.

Außerdem wird transparente Kennzahlen- und Bedarfsermittlung verlangt. Da bin ich bei Ihnen, Herr Kollege Kamieth. Das sollte man in der Tat immer mal als Grundlage haben, damit man weiß, worüber man am Ende redet.

Ja, die Pläne der Landesregierung, JVA-Standorte in Duisburg-Hamborn, Coesfeld, Krefeld, Mönchengladbach und Dinslaken zu schließen, greifen Sie an, weil Sie davon ausgehen, dass zu wenige Hafträume vorhanden sind. Wir lesen, dass Sie von einer Unterdeckung sprechen. Das steht natürlich di

ametral der Äußerung vom Kollegen Wolf entgegen, der von durchschnittlich 1.500 freien Haftplätzen spricht.

Also greife ich die Diskussion um die Vorratsdatenspeicherung und auch die entsprechende Argumentation sowohl der CDU als auch der SPD auf, müssten wir eigentlich davon ausgehen, dass auch die durchschnittlich 1.500 freien Haftplätze demnächst voll sein werden. Von daher wäre es in der Tat verhängnisvoll, jetzt Hafträume abzubauen. Denn aufgrund der Vorratsdatenspeicherung versprechen sich die regierungstragenden Fraktionen in Berlin ein Mehr an Aufklärung bei der Verbrechensbekämpfung.

(Beifall von den PIRATEN)

Insofern wird es sehr interessant sein,

(Sven Wolf [SPD]: Sagen Sie mal etwas zur Sache!)

die weitere Entwicklung der Kriminalitätsstatistik oder insbesondere der Aufklärungsquoten und Verurteilungen zu verfolgen. Das werden wir dann nach der Sommerpause betrachten können, denn auch dieser Antrag wird im Rechtsausschuss erstmalig nach der Sommerpause behandelt werden können.

Ferner wird vorgetragen, die Strafvollzugsbediensteten seien an ihrer Leistungsgrenze. Das hört man immer wieder. Auch wenn man mit den sie vertretenden Verbänden spricht, hört man das immer wieder. Wir haben es auch schon oft genug thematisiert. Auch Justizminister Kutschaty hat es schon thematisiert. Es ist auch Gegenstand unserer Beratungen in den Haushaltsdebatten. Keine Frage, auch das sollten wir natürlich beleuchten.

Das Ganze sollten wir vor dem Hintergrund dieser Kennzahlen und in dem Zusammenhang natürlich auch EPOS beleuchten. Denn der Justizvollzug dient als Modellversuch für die Einführung von EPOS, und da bestünde die Chance, das Vorgehen der Landesregierung einmal zu überprüfen sowie gegebenenfalls für die Opposition, aber auch für die Landesregierung oder die regierungstragenden Fraktionen die Möglichkeit, steuernd einzuwirken.

All das wollen wir im Ausschuss einmal einer näheren Betrachtung unterziehen. Sie beziehen sich unter anderem auch auf Ihre Große Anfrage. Ich weiß nicht, ob noch beabsichtigt sein wird, zu dem Thema eine Anhörung durchzuführen.

Insgesamt werde ich meiner Fraktion selbstverständlich empfehlen, der Überweisung in den Ausschuss zuzustimmen. – Vielen herzlichen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Schulz. – Für die Landesregierung hat nun der Justizminister, Herr Kutschaty, das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich finde es gut und auch richtig und wichtig, dass wir über dieses wichtige Thema, ob wir genug Haftraumkapazitäten, Haftplatzkapazitäten in Nordrhein-Westfalen haben, auch hier im Landtag diskutieren und das sicherlich noch sehr intensiv im zuständigen Rechtsausschuss fortsetzen können.

Aber lassen Sie mich eins mit aller Deutlichkeit zurückweisen, lieber Herr Kollege Kamieth, und zwar, wir würden in diesem Bereich nicht mit der nötigen Transparenz arbeiten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Gerade das Justizressort hat sich bei der Einführung des neuen Rechnungswesens EPOS an die Spitze gesetzt. Wir haben, wie ich finde – ich hoffe, Sie vergessen das nicht –,

(Vereinzelt Beifall von der SPD – Martin Bör- schel [SPD]: Sehr gut!)

auch eine gemeinsame, alle Fraktionen übergreifende gute Verabredung zwischen den Rechtspolitikern und den Haushaltspolitikern in beiden Ausschüssen getroffen, wie wir beispielhaft für den Justizhaushalt genaue Daten festgelegt haben, was dem Parlament auch zur Verfügung gestellt wird. Ich finde es gut und richtig, dass wir es gemeinsam transparent nachvollziehen können.

Was die Haftraum- und Haftplatzkapazitäten anbelangt, machen wir uns schon seit einigen Jahren ernsthafte Gedanken. Was sieht die augenblickliche Situation aus?

Wir verzeichnen – das ist schon mehrfach gesagt worden – deutlich sinkende Gefangenenzahlen. In den letzten zehn Jahren waren es 2.000 und in den letzten fünf Jahren rund 1.000 Gefangene weniger. Wir haben einen deutlichen Rückgang bei der Verhängung von Freiheitsstrafe, auch von Freiheitsstrafe, die nicht zur Bewährung ausgesetzt wird. Das Gleiche läuft parallel bei der Anzahl der Untersuchungsgefangenen. Auch diese Zahl ist in den letzten Jahren deutlich rückläufig. Das kann man möglicherweise mit der demografischen Entwicklung erklären. Das ist ein Erklärungsansatz, aber es sind Fakten, die uns vorliegen.

Der andere Fakt ist: Wir haben eine bunte Vollzugsbaulandschaft in Nordrhein-Westfalen. Die älteste Anstalt stammt aus dem Jahr 1853. Das ist eine Anstalt, die uns im Augenblick baulich Probleme bereitet. Es ist aber längst nicht die einzige, die uns Probleme macht. Viel schwerer noch wiegen die Schwierigkeiten in in den 60er- und 70er-Jahren gebauten Anstalten, weil damals nicht auf Nachhaltigkeit und auf langfristiges Bauen gesetzt worden ist.

Wenn ich diese Entwicklung sehe – auf der einen Seite verlässlich prognostizierbare sinkende Gefangenenzahlen, auf der anderen Seite eine sehr mo

dernisierungsbedürftige Bausubstanz –, dann ist doch für mich eine Entscheidung klar: Wir brauchen weniger, aber bessere Haftplätze.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Genau das, meine Damen und Herren, gehen wir mit unserem Justizvollzugsmodernisierungspro