Wie sich hinterher herausstellte – er sagte es auch –, war Minister Schneider mit seinem Ministerium hier verantwortlich. Herr Minister Schneider hat immer wieder betont, wie wichtig ihm das Thema „Hilfsfonds“ ist. Sein Handeln entsprach aber nie seinem Reden. Siehe dazu den Bericht über die Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2014:
„eingerichtete gemeinsame und künftig länderoffene Arbeitsgruppe und den Bund daher, Vorschläge zu unterbreiten, wie das erlittene Unrecht und Leid auch mithilfe von Anpassungen der Regelsysteme anerkannt werden kann …“
„die Jugend- und Familienministerkonferenz, ihre Erfahrungen in die Arbeitsgruppe einzubringen. Weiter bitten sie die Gesundheitsministerkonferenz, sich aktiv an dieser Arbeitsgruppe zu beteiligen.“
Nichts als leere Worthülsen! Das ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass dieses Thema auf die lange Bank geschoben werden soll. Man will keine Lösung. Hier hätte Minister Schneider beweisen können, dass NRW eine Vorreiterrolle übernimmt, so wie wir es jetzt in diesem Antrag beschließen.
In der Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Gesundheit und Soziales am 22. April 2015 hat er noch gesagt, er wolle 5 Millionen € im Nachtragshaushalt einstellen, und er wolle die Thematik nach Möglichkeit bis Ende dieses Jahres sehr ambitioniert abarbeiten. Wiederum ist nichts passiert. Weder sind die 5 Millionen € im Nachtragshaushalt eingestellt, noch ist der Zeitplan eingehalten.
Herr Prof. Starnitzke scheint mit seiner Aussage im Ausschuss recht zu haben: Das Land will sich nicht an einer Lösung beteiligen.
Ich kann Ihnen hier versichern: Die CDU-Fraktion wird bei den Beratungen zum Nachtragshaushalt die 5 Millionen € Landesanteil beantragen. Ich hoffe, dass alle bereit sind, diese Summe einzustellen. Die Kirchen haben ja ebenfalls ihre Beteiligung zugesagt. Hier können wir – alle Beteiligten – beweisen, dass uns an dem Schicksal der Betroffenen etwas liegt. Wir dürfen nicht länger nur über die Menschen reden und ihr Leid beklagen. Wir müssen endlich handeln und helfen!
Vielen Dank, Herr Burkert. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erteile ich Frau Kollegin GrochowiakSchmieding das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Vorgeschichte des Heimerziehungsfonds ist von meinen Vorrednern aus
Lassen Sie mich allerdings noch einmal Folgendes fokussieren: Vom Heimerziehungsfonds ausgeschlossen als Antragstellerinnen und Antragsteller und somit auch als Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger wurden Menschen mit Behinderung. Das ist mit nichts zu erklären und zu begründen – es sei denn, dass diese Menschen wissentlich und bei vollem Bewusstsein diskriminiert werden sollten; denn das Ausmaß des durch Gewalt und Missbrauch empfundenen Leids ist unabhängig davon, ob Menschen mit oder ohne Behinderung leben.
Daher ist der Beschluss, den wir heute fassen werden, richtig. Damit stellen wir das erlittene Unrecht, das Menschen mit Behinderung in Einrichtungen für Behinderte, in der Psychiatrie und in anderen Heimen erlitten haben, mit dem Leid der ehemaligen Heimkinder gleich. Auch sie sollen Entschädigung in Form von Rentenausgleichszahlungen oder Sachleistungen erhalten.
Nordrhein-Westfalen wird seinen Beitrag hierzu leisten, Herr Burkert, da bin ich mir ganz sicher. Es reicht aber nicht, dass Nordrhein-Westfalen dies allein tut, sondern das muss bundesweit geschehen, im Verbund mit den Kirchen und natürlich auch mit dem Bund und den anderen Ländern gemeinsam. Ich denke, dass Sie das auch wissen. Es reicht also nicht, wenn Nordrhein-Westfalen hier alleine handelt. Hier sind alle gefordert. Das Ganze muss jetzt schnell umgesetzt werden. Da sind wir einer Meinung, denke ich.
So weit, so gut, meine Damen und Herren. – Ich möchte die Gelegenheit aber auch nutzen, den Blick noch einmal auf die Gesellschaft zu richten, die derartiges Unrecht zulässt. Lassen Sie es mich einmal kurz skizzieren: Da kommen Kinder in eine Einrichtung der öffentlichen Hand oder der Kirche. Mitunter treffen sie dort auf Personal, das sie psychisch und physisch misshandelt oder gar sexuell missbraucht. Als Jugendliche müssen sie schuften bis zum Umfallen – ohne Lohn.
Heute wissen wir, dass dies keine Einzelfälle waren. Vielmehr geht die Zahl der Opfer in die Tausende. Und die Gesellschaft hat nichts bemerkt, hat nicht entsprechend gegengesteuert?
Werfen wir einen Blick in die heutige Zeit, mehrere Jahrzehnte später. Wie ist die Situation da? Menschen werden halb totgeprügelt; viele schauen zu. Gaffer behindern Rettungsdienste bei ihrer Arbeit; niemand jagt sie weg. Erst gestern haben wir von den Medien folgende Schlagzeilen präsentiert bekommen: Jeden Tag sterben in Deutschland zwei Kinder; totgeprügelt, gequält, verdurstet, verhungert. – Und wir alle haben nichts bemerkt? Sind wir
Was treibt Menschen dazu, andere zu quälen und zu demütigen? Ist es eine eigene repressive Erfahrung? Oder ist es einfach der Wille, Macht auszuüben und sich dabei gut zu fühlen?
Tatsächlich erleben wir anhand solcher Gewalttaten Auswüchse einer Gesellschaft. Immer noch werden auch bei uns Unterschiede und Verschiedenheiten allgemein als gut oder schlecht, als schwarz oder weiß beurteilt und bewertet. Menschen werden immer noch an den Rand der Gesellschaft gedrängt; sie werden diskriminiert. Gleichberechtigung, das Miteinander auf Augenhöhe, gelingt zumeist lediglich in der eigenen Peer Group. Individualismus, der nur auf Kosten anderer zu eigenem Wohlbefinden führt, ist schädlich für unsere Gesellschaft. Das müssen wir uns doch vor Augen führen.
Wir entscheiden heute einmütig, über alle Fraktionsgrenzen hinweg – und das finde ich wirklich erfreulich –, Menschen mit Behinderung, denen als Kindern oder Jugendlichen in Einrichtungen Unrecht geschehen ist, zu entschädigen. Das ist gut und das ist auch richtig.
Damit künftige Generationen nicht ähnliche Entscheidungen treffen müssen, lassen Sie uns ebenso einmütig an einer gleichberechtigten Teilhabe und Selbstbestimmung für alle auf einem Weg in eine wirklich tolerante, offene und verantwortungsbewusste Gesellschaft arbeiten. – Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit!
Vielen Dank, Frau Grochowiak-Schmieding. – Für die FDPFraktion erteile ich Herrn Kollegen Alda das Wort.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Wir sind uns in dieser wichtigen Problematik einig; das hat bereits die Zusammenarbeit der Referenten ergeben. Wir wollen mit einer fraktionsübergreifenden Initiative aus der Mitte heraus ein Zeichen setzen. Deswegen will ich gar nicht erst mit irgendwelchen Geschichten aus der Vergangenheit anfangen. Die interessieren mich nicht mehr. Ich habe den Blick im Zusammenhang mit dieser Gerechtigkeitsproblematik nach vorne gerichtet.
Wir wollen die Gleichstellung der in den Einrichtungen der Behindertenhilfe und der Psychiatrie in den Jahren 1949 bis 1990 – quasi ein halbes Menschenleben – misshandelten Kinder und Jugendlichen mit den ehemaligen Heimkindern in der Kinder- und Jugendhilfe erreichen.
auf den Weg gebracht. Die FDP hat während ihrer Regierungszeit im Bund die Umsetzung der Ergebnisse des runden Tisches zur Heimerziehung und die Einrichtung der Fonds unterstützt. Als Liberale erkennen wir erlittenes Unrecht an und wollen deshalb mit Hilfen und Entschädigungen zum Ausgleich beitragen.
Die Menschen, um die es hier geht, sind schon als Kinder Opfer eines systematischen und von Behörden zumindest tolerierten Zwangssystems geworden. Es handelt sich hierbei also nicht nur um rechtswidrige Übergriffe einzelner Erzieher. Deswegen haben die Opfer ein Recht auf Anerkennung und Entschädigung. Auch in Einrichtungen der Behindertenhilfe und Psychiatrie wurden Kinder und Jugendliche misshandelt. Eine klare Abgrenzung zu Einrichtungen der Jugendhilfe ist zudem kaum möglich.
Wir dürfen diese Opfer nicht ausgrenzen und alleine lassen. Wir wollen für sie eine vergleichbare Fondslösung wie bei der Heimerziehung erreichen. Das bedeutet eine Entschädigung und Kostenübernahme der therapeutischen Behandlungen für die Menschen, die noch heute unter den erlittenen Misshandlungen leiden.
Der Bund, die Kirchen und die einzelnen Länder haben ihre Beteiligung an einem Fonds zugesagt oder zumindest angekündigt. Leider ist die Mehrheit der Bundesländer hingegen bisher sehr zurückhaltend, wie es der Beschluss der Arbeits- und Sozialministerkonferenz zeigt. Herr Minister Kutschaty, ich möchte Sie bitten, mit Ihren Kollegen darüber zu sprechen, dass dort mehr Druck gemacht wird. Dazu ist der Arbeits- und Sozialausschuss bereits Ende letzten Jahres aktiv geworden. Wir haben im Namen aller Fraktionen die Ausschüsse aller anderen Landtage angeschrieben.
Wir wollen mit unserem gemeinsamen Antrag jetzt ein weiteres Zeichen setzen. Nordrhein-Westfalen soll gegenüber den anderen Bundesländern eine Vorreiterrolle übernehmen, die Verhandlungen vorantreiben und seinen Länderanteil an einem Fonds konkret zusagen, damit wir endlich zu einer Lösung kommen.
Die FDP-Fraktion wird gleich natürlich mit Ja stimmen, damit wir zu einem geschlossenen Votum kommen. – Danke sehr.
Vielen Dank, Herr Kollege Alda. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Sommer das Wort.
Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen hier im Saal! Sehr geehrte Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream! Die Rede von Günter Garbrecht hat mich
sehr berührt. Ich möchte ihm dafür auch von hier aus noch einmal herzlich danken. In dieser Form könnte ich das gar nicht schildern.
Das in den letzten 76 Jahren erlittene Unrecht und das erlittene Leid werden für uns nicht nachvollziehbar sein, egal wie sehr wir versuchen, uns da hineinzudenken, wenn mit den Menschen sprechen. Es bleibt doch immer ein Stück weit unvorstellbar.
Selbstverständlich können wir das erlittene Leid nicht mit Geld wiedergutmachen; darin sind wir uns auch einig. Aber wir müssen ein gemeinschaftliches Zeichen setzen – mit allen Bundesländern, mit beiden christlichen Kirchen und natürlich dem Bund –, dass wir dieses Leid anerkennen. Dieses Zeichen muss schnell erfolgen. Wir müssen dieses Zeichen von hier aus als Erste setzen. Die Landesregierung muss es dann weitertragen. Ich glaube, dass die Landesregierung das auch tun wird.
Wir müssen denjenigen, die hier auf Zeit spielen, zu verstehen geben, dass dies keine Vorgehensweise sein kann. Derjenige, der hier auf Zeit spielt, lässt die Betroffenen ihr Leid ein weiteres Mal durchleiden. Das ist quasi legitimierte Gewalt, und das darf nicht passieren. Deshalb finde ich es hervorragend, wie wir in der Sache zusammenstehen; Rudi Alda hat das gerade auch noch einmal betont.
Daher möchte ich jedwede Parteipolitik außen vor lassen. Darum geht es nicht. Das Leid, das den Menschen angetan worden ist, ist zu groß, als dass damit parteipolitisch irgendetwas betrieben werden könnte. Deshalb hoffe ich, dass wir wie bisher weiter daran arbeiten, alles zügig hinzubekommen, und dass wir dazu keine einzelnen Anträge zur Einstellung eines Haushaltstitels brauchen, sondern dass wir das Ganze gemeinschaftlich verabschieden werden.
Das ist mein Aufruf an alle. Wir haben bisher so gearbeitet; lassen Sie uns das weiterhin tun. Nur so werden wir einem Ziel näherkommen, das zumindest ein wenig Anerkennung und Gerechtigkeit im Nachhinein bringen kann. – Vielen Dank!.
Vielen Dank, Herr Kollege Sommer. – Für die Landesregierung erteile ich in Vertretung von Herrn Minister Schneider Herrn Minister Kutschaty das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landesregierung unterstützt diesen Antrag ausdrücklich. Das sage ich nicht nur in Stellvertretung für Herrn Kollegen Schneider, sondern ich betone auch in meiner Eigenschaft als Justizminister sehr deutlich, dass die Menschen, denen in psychiatrischen Einrichtungen oder in Heimen der Behindertenhilfe Unrecht zugefügt wurde, Hilfe und Unterstützung