Protocol of the Session on April 29, 2015

Ich rufe als Nächsten Herrn Nückel auf, der eine Frage für die FDP-Fraktion stellen möchte. Sie haben das Wort, Herr Nückel.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, bei unbekannten Künstlern und ihren Werken beziehen sich Verkaufsfördermaßnahmen ja selten nur auf ein einziges Kunstobjekt. Sie sind in der Regel Teil eines Sortiments, eines Katalogs oder einer Ausstellungskollektion, die eine Einzelkostenzurechnung für die Vermarktung geradezu unmöglich macht.

Deswegen meine Frage: Warum erkennen Sie trotz dieses Umstandes in Ihren Ausführungsbestimmungen weiterhin umfassende Verkaufsmaßnahmen nicht als Grund für die Nichtermittelbarkeit von Einzelkosten an, was ja ansonsten die erhoffte Pauschalbesteuerung ermöglichen würde?

Herr Nückel, Sie sprechen genau das an, was wir zusätzlich einbringen wollten. Es geht genau um diesen Punkt.

Bisher wird unterstellt – das ist sozusagen die Folge der neuen bundesgesetzlichen Regelung –: Was ein Galerist macht, ist mit 19 % umsatzsteuerpflichtig. Jetzt kommen die Ausnahmen. Eine Ausnahme ist, wenn ich einen Nachlass übernehme. Dann kann ich sagen: Ich weiß nicht, was das einzelne Bild, der einzelne Kunstgegenstand wert ist. – Problem: Das kommt nicht so häufig vor. Gerade bei kleineren Galeristen ist das nicht der große Teil des Geschäfts. Deswegen würden sie darunter leiden, wenn nur das rausgeht.

Zweiter Punkt. Es geht um Sammlungen. Da gilt dasselbe. Da kann man auch nicht bei jedem einzelnen Kunstgegenstand sagen, was er wert ist.

Diese Fälle sind seltener. Häufiger kommt genau das vor, was Sie beschreiben, dass man nämlich Kommissionen übernimmt und dass damit der Übernehmer, der Galerist, sofort auch die Verkaufsförderung macht. Das ist genau unser Argument gewesen, zu sagen: Nehmt das doch mit hinein. Das trifft dann viel mehr. Das erleichtert insgesamt. – Damit sind wir bisher nicht durchgedrungen.

Danke schön, Herr Minister. – Frau Schneider hat eine Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Die massive Steuererhöhung zulasten von Kunst und Kultur trifft nicht nur die Verkäufer von Exponaten, sondern auch deren Wertermittlung bei einer Vermietung. Vermietungen sind aber gerade ein wichtiger Weg für Kunsthändler, auch jungen und unbekannten Künstlern Bekanntheit zu verschaffen und Vertriebswege zu erschließen. Warum findet Ihre massive Steuererhöhung neben den Verkäufen auch bei der für die Nachwuchsförderung wichtigen Vermietung Anwendung?

Herr Minister, Sie haben das Wort.

Frau Schneider, Sie können immer wieder den Versuch unternehmen und mir persönlich unterstellen, ich behinderte die Galeristen und ich machte eine massive Steuererhöhung.

Wir sind ein Land unter 16 Ländern. In diesem Fall sind es wirklich einzelne Länder, auch wenn wir das größte Land sind, plus Bund. Das steht im Gesetz. Im Gesetz steht auch, dass die Vermietung da einzubeziehen ist. Insofern ist die Frage beantwortet, ohne dass Sie mir persönlich daraus irgendeinen Vorwurf machen können. Sie werden es trotzdem tun; ich kann mich nicht dagegen wehren.

Vielen Dank, Herr Minister. – Herr Lürbke hat eine Frage.

Vielen Dank, Herr Präsident. – Sehr geehrter Herr Minister, der Bundesgesetzgeber hat in seiner Begründung des neu geschaffenen § 25a Umsatzsteuergesetz ausdrücklich formuliert – ich zitiere daraus –:

„Die Änderung soll... Nachteile ausgleichen, die dem gewerblichen Kunsthandel durch den Wegfall des ermäßigten Umsatzsteuersatzes... entstehen. Eine Schwächung des Kunststandorts … soll hierdurch vermieden werden.“

Daher die Frage: Wie möchten Sie als Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen dem berechtigten Anspruch dieser Gesetzesvorschrift mit der Vorgehensweise Ihrer Finanzverwaltung in der Praxis gerecht werden?

Ganz einfach, noch einmal: Ich kann mit meiner Finanzverwaltung nichts anderes machen als die Finanzverwaltungen der Ländern insgesamt in Absprache mit dem Bund. Die bisherige Umsetzung erfolgt, wie ich es beschrieben habe.

Wir möchten Folgendes ändern: Wenn die Europäische Kommission uns auf Anfrage des Bundes bestätigt, dass das französische Modell funktioniert, werden wir dafür sein, das französische Modell anzuwenden. Das ist die breiteste Auslegung. Solange das nicht geschehen ist, sind wir auch der Auffassung, dass wir das, was eben von Herrn Nückel angesprochen worden ist, tun sollten, nämlich die Kommission einbeziehen.

Was der Bundesgesetzgeber wollte, was er aber mit den Vorgaben aus dem Abteilungsleiterschreiben selbst einschränkt und interpretiert – wir wollten sie ausweiten –, ist mit dem, was uns vorliegt, nicht weiter anwendbar.

Vielen Dank, Herr Minister. – Als nächster Redner hat Herr Brockes eine Frage. Bitte schön.

Herr Minister, interessant ist, wie Sie eben den einen hier Klientelpolitik unterstellt haben und bei den anderen sagen, sie verträten und teilten nur die Sorgen der Betroffenen. Aber das ist nicht meine Frage.

Die weit überwiegende Zahl der kleinen Kunsthändler und Galeristen wird durch Ihre Bestimmungen von einer massiven Steuererhöhung getroffen. Umgekehrt gewähren Sie einen ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 % beim Direktverkauf von Werken durch den Künstler selbst. Meine Frage lautet deshalb: Welche sachlichen Differenzierungskriterien rechtfertigen im Einzelnen die Abweichungen zwischen einer nur 7%igen Besteuerung beim Atelierverkauf und einer vollen 19%igen Belastung beim Galerieverkauf?

Weil das die Rechtslage ist, weil in der Anlage zum Umsatzsteuergesetz der Verkauf von Kunstwerken mit 7 % belegt ist. Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt: Wenn Sie jetzt wieder sagen „durch Ihre Bestimmungen“, frage ich mich: Meinen Sie das in Einzahl oder in Mehrzahl? Denn es sind nicht meine, sondern es sind die Bestimmungen von Bund und Ländern. Es ist die Auslegung, die mir vorgegeben ist. Ich habe ja gesagt: Ich muss sie anwenden. Ich kann meinen Einfluss geltend machen, sie zu ändern. Das habe ich getan. Aber wir sind eines von 16 Ländern. Die Mehrheit auf der Ebene von Bund und Ländern hat es enger gesehen, solange nicht klar ist, dass der französische Weg von der Europäischen Kommission als möglich bewertet wird.

Das heißt, ich kann nur sagen: Die 7-%-Belastung des einzelnen Künstler ist ein Teil gewollter Kunst- und Kulturförderung. Es gibt auch Möglichkeiten, Betriebe zu fördern. Es gibt auch Fördermöglichkeiten jenseits der Steuerentlastung. Aber wir wollen es ja, wenn es möglich ist. Doch bislang sagt uns die vorhandene Auslegungsvorschrift, dass für Galeristen die Pauschalmarge nur in Einzelfällen gilt. Und die Erweiterung, die wir wollten, ist nicht zugestanden worden.

Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage kommt von Frau Kollegin Schmitz.

Vielen Dank. – Sehr geehrter Herr Minister, abgesehen von einigen prominenten Galeristen gibt es in der weit überwiegenden Mehrzahl kleinere Kunsthändler, die bei der fast drei Mal so hohen Besteuerung weder höhere Preise am Markt durchsetzen noch ihre eigene Marge reduzieren können. Etliche Händler sind gezwungen, die noch unbekannten Künstler bei ihren Verkaufspreisen zu drücken.

Wie bewerten Sie die Auswirkungen Ihrer aktuellen Ausführbestimmungen speziell für die Vielzahl noch nicht etablierter junger Künstler und die damit einhergehende Verschlechterung der Nachwuchsförderung?

Ich mache keinen Hehl aus meiner Grundeinstellung, dass ich allen, die mir immer wieder erzählen, das Steuersystem sei zu kompliziert, entgegenhalte, dass der immer wiederkehrende Wunsch, Förderung über das Steuersystem zu machen, in Bezug auf ihre Wünsche nicht gerade zielgerichtet ist. Ich meine, dass man das – egal welche Förderung – nicht immer unbedingt dadurch lösen muss, dass dafür Sonderregelungen im Mehrwertsteuergesetz

oder sonstwo herhalten müssen. Darum geht es aber gar nicht. Es ist nun einmal so.

Deswegen habe ich eben gesagt: Gerade die jungen Künstler und die kleineren und jüngeren Galeristen sind stärker betroffen. Es ist nicht meine Steuererhöhung, sondern es ist die von der Europäischen Union vorgegebene, vom Bundesgesetzgeber umgesetzte und von Bund und Ländern gemeinschaftlich ausgelegte Gesetzgebung.

Ich sage noch einmal: Wenn es nach mir geht, möchte ich wissen, wie weit man die französische Regelung anwenden kann.

Zweitens: Warum schaffen wir nicht ein paar zusätzliche Tatbestände, die im Rahmen der Vorgaben der Europäischen Kommission liegen und die wir umsetzen können? – Dazu gehört beispielsweise der Kommissionskauf. Denn bei Galeristen ist es nicht üblich, nur ein einzelnes Werk zu kaufen, bzw. der Fall der Kommission kommt häufiger vor, sodass insgesamt die Mehrwertsteuerbelastung gesenkt würde.

Vielen Dank, Herr Minister. – Die nächste Frage kommt vom Herrn Kollegen Wedel.

Vielen Dank. – Herr Minister, Ende letzten Jahres und damit vor Ihrer Entscheidung hat der EU-Finanzkommissar in einer Stellungnahme die Zulässigkeit von steuerlichen Kompensationen für Kunstgegenstände in den EUMitgliedstaaten ausdrücklich bestätigt.

Aus welchen Gründen oder anderen Erkenntnissen heraus lehnen Sie die Anwendung der vom Gesetzgeber gewollten Pauschalmargenbesteuerung mit der Begründung ab, es gebe hierfür EU-rechtliche Unsicherheiten?

Weil es bereits 2012 ein Schreiben des Bundesfinanzministers gegeben hat, in dem er Fragen mit der Bitte um Klarstellung gestellt hat, und es damals eine Antwort der EU-Kommission gab, in der nicht pauschal gesagt worden ist: Das kann man so machen. Vielmehr könne die Anwendung nur erfolgen – so hieß es damals –, wenn die nicht konkret benannten Voraussetzungen im Einzelfall durch Fakten gestützt würden.

Dann hat die Kommission Beispiele genannt und gesagt, Beispiel könnte der Erwerb eines ganzen Hausstandes sein, bei dem der Versuch, für jedes einzelne Stück einen Preis zu ermitteln, nicht sinnvoll erscheine oder der Einkaufspreis ihrer Meinung nach nicht zu ermitteln sei.

Das heißt, genau diese Komplikation hat die Kommission in der Antwort sogar noch einmal unterstrichen. Damit ist es nicht möglich, pauschal zu sa

gen – so jedenfalls sehen es Bund und Länder –, dass das gilt. Deswegen halten wir die französische Auslegung für ziemlich wackelig. Aber wenn sie denn von der Kommission als eine statthafte bezeichnet würde, dann, finde ich, muss man aus Wettbewerbsgründen dafür eintreten, dass es nicht nur in Frankreich so ist.

Die nächste Frage kommt vom Herrn Kollegen Uhlenberg.

Herr Minister, der Kulturausschuss des Landtags hat sich mit dieser Problematik schon mehrmals beschäftigt. Meine Frage an Sie: Sind Ihre Position und Ihre Vorgehensweise in dieser Frage mit der Kultusministerin abgestimmt, und gibt es da eine nahtlose Übereinstimmung?

Wir haben natürlich bislang darüber informiert und haben gesagt, wie diese Einschätzung ist. Aber ich sage es noch einmal: Das ist kein Thema, das die Kulturministerin des Landes Nordrhein-Westfalen und der Finanzminister klären. Vielmehr nehmen die Umsatzsteuerreferenten von Bund und Ländern hier eine Auslegung vor, die dann von den Finanzministern – ich formuliere es jetzt mal so lasch – abgesegnet wird.

In dieser Runde hat es Diskussionen gegeben, und dort haben wir die Position vertreten, dass man, zumindest wenn es rechtsfest nur eine enge Auslegung gibt, wenigstens so weit wie möglich diese enge Auslegung vorsieht. Wir haben da auch keinen Konflikt. Es geht einfach darum, dass wir in Nordrhein-Westfalen kein eigenes Steuerrecht im Bereich der Umsatzsteuer für Galeristen machen können.

Die letzte Frage der heutigen Fragestunde stellt Herr Witzel.

Vielen Dank, Herr Präsident, für die Gelegenheit zu einer letzten Nachfrage. – Herr Finanzminister Dr. Walter-Borjans, Ihnen ist ein Problem großer Ernsthaftigkeit für die Betroffenen bekannt, nämlich für die Galeristen aufgrund der Rückwirkung. Viele Kunsthändler sind derzeit mit ihrem Jahresabschluss für 2014 befasst. Sie sind stark beunruhigt, da sie ab 01.01.2014 auf Basis der unverändert geltenden Bundesgesetze eine Pauschalmargenbesteuerung vorgenommen haben und erst rückwirkend am Jahresende 2014, nämlich im Dezember, von Ihnen erfahren haben, dass Sie diese gar nicht so anerkennen.

Deshalb frage ich Sie, Herr Finanzminister, zu dieser für viele Betroffene ganz aktuellen Fragestel

lung: Welche teils immensen Steuernachzahlungen oder rechtlichen Probleme erwachsen den betroffenen Kunsthändlern aus ihrer rückwirkenden Belastung, die sich aus rechtsstaatlichen Gründen eigentlich verbietet, im Dezember Verengungen vorzunehmen, nachdem Leute aufgrund der Bundesgesetzgebung bereits ein Jahr lang anders gehandelt haben?

Herr Witzel, von Ihnen wird unterstellt, dass es nur eine Bundesgesetzgebung gab, die den Eindruck erweckt hat, die Pauschalmarge gelte jetzt für alles, dass es keine Diskussionen gegeben hat und dass einem Internen, sozusagen einem Insider in der Galeristenszene nicht bekannt war, dass diese Diskussion bestanden hat.

Ich habe eben gesagt, die Anfrage des Bundesfinanzministeriums an die Kommission stammt bereits aus dem Jahr 2012. Es gab eine Antwort, und es gab Diskussionen. Somit war klar, dass nur eine enge Auslegung zulässig zu sein scheint, und deswegen kann sich niemand darauf berufen, dass er erst Ende 2014 erfahren habe, dass etwas anders sei. Demjenigen muss man sagen, dass er ein Stück weit gespielt hat und gesagt hat: Ich gehe einmal davon aus, und wenn es dann anders kommt, dann muss ich eben sagen, dass ihr mich alle überrascht habt. – Diesen Vorwurf kann ich niemandem ersparen.

Sollte es dazu führen, dass jemand in seiner Existenz belastet wird, wissen Sie wie ich, dass es Möglichkeiten gibt, die Zahlung zu strecken. Aber jetzt kann keiner sagen: Es war vorher völlig rechtssicher anders dargestellt. Es gab kein Risiko.