Protocol of the Session on April 29, 2015

Sie haben einen neuen Fall bzw. ein neues Aktenzeichen für das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Vielleicht kalkulieren Sie sogar mit der Verfahrenslaufzeit, in der man nun munter Daten sammeln und nutzen kann. Aber die Wahrheit ist doch, liebe Kolleginnen und Kollegen: Schon heute fehlt bereits aufgrund der desolaten Personalpolitik der rotgrünen Landesregierung das Personal zur bereits erlaubten anlassbezogenen Überwachung konkreter Personen.

Wir brauchen daher in Nordrhein-Westfalen keine Vorratsdatenspeicherung, sondern mehr Sicherheit durch polizeiliche Sichtbarkeit. Wir brauchen keine unverhältnismäßige technische Überwachung, sondern personalstarke Sicherheitsbehörden.

Das müsste Auftrag dieser Landesregierung sein. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP und Josef Hovenjürgen [CDU])

Vielen Dank, Herr Kollege Lürbke. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank, Herr Präsident. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dem Grunde nach könnte man sich an dieser Stelle eigentlich ziemlich kurz fassen.

(Marc Lürbke [FDP]: Aber?)

Wir beurteilen in dieser Debatte nicht einen konkreten Gesetzentwurf der Bundesregierung, sondern Grundlagen dieser Debatte sind die vorgestellten Leitlinien.

Was konkret der Bundesgesetzgeber in einem künftigen Gesetzentwurf tatsächlich vorsehen und ob das mit den hohen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europäischen Gerichtshofes vereinbar sein wird – darüber können alle Seiten zurzeit nur spekulieren. Ich glaube, dass diese Entwicklung erst einmal abzuwarten ist und dass auf Grundlage eines Gesetzentwurfs konkret diskutiert werden sollte. Zurzeit ist aus meiner Sicht eine Entscheidung dieses Parlamentes überhaupt nicht angezeigt.

Aber, meine Damen und Herren, bei diesem bloßen Hinweis will ich es in dieser Debatte nicht belassen, sondern mir sind ein paar Aspekte auch heute wieder aufgefallen, die ich gern aufgreifen will.

Ich glaube, dass wir uns zum einen darüber einigen müssen, über welche Form bzw. über welches Modell einer Vorratsdatenspeicherung – Mindestspeicherdauer, Höchstspeicherdauer – wir überhaupt diskutieren. Eine Regelung der Art und Weise, mit der sich die Gerichte bereits beschäftigt haben, kann es nicht geben. Herr Körfges, da haben Sie völlig recht.

(Zustimmung von Hans-Willi Körfges [SPD])

Es kann kein Gesetz geben, das dem EuGH-Urteil oder dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts widerspricht. Regeln, die nicht mit unserer Verfassung vereinbar sind oder die gegen europäisches Recht verstoßen würden, können deshalb auch logischerweise nicht Gegenstand eines Gesetzes werden.

Ich habe in dieser Debatte das Gefühl, meine Damen und Herren, dass sowohl die Piraten als auch die FDP-Fraktion eher über den alten Stand diskutieren als über die jetzt vorgestellten Leitlinien, über die vieles hinweggegangen ist.

Zweitens möchte ich dafür werben, dass wir diese Debatte nicht oberflächlich führen, sondern von einem Schwarz-Weiß-Denken zwischen den einzelnen Fraktionen wegkommen und diese Debatte über eine Höchstspeicherdauer vor allem nicht ideologisch überhöhen sollten. Es ist falsch, diese Höchstspeicherfrist als ein Allheilmittel für die Sicherheitsbehörden darzustellen. Das ist sie nicht, und das kann sie auch niemals leisten. Aber es ist genauso falsch, sie unter allen Umständen und gleich in welcher Ausgestaltung zu verteufeln.

Ich halte es deshalb für richtig, dass wir eine differenzierte und sachliche Diskussion darüber führen, wie der Spagat geschafft werden kann, einen Ausgleich zwischen der Freiheit einerseits und der Sicherheit, insbesondere mit Blick auf die Opfer von schweren Straftaten, andererseits herzustellen und wie eine mögliche Regelung beides gewährleisten kann.

Diese Diskussion wollen die Piraten offensichtlich gar nicht führen, eine Diskussion darüber, eine Versachlichung innerhalb dieses Themas gar nicht erreichen, sonst gäbe es heute nicht wieder einmal eine direkte Abstimmung zu diesem Thema.

Meine Damen und Herren, wer die Leitlinien des Bundes genau liest, der findet darin im Vergleich zu der bisherigen Diskussion eine völlig andere Konstruktion eines möglichen Gesetzes. Es ist bereits angesprochen worden: eine deutliche Verkürzung der Speicherfristen, eine Beschränkung auf

schwerste Straftaten, einen strengen, uneingeschränkten Richtervorbehalt, den Schutz von Berufsgeheimnisträgern. Herr Körfges hat es zu Recht

angesprochen: Auch das Gesetz muss darlegen, ob die Interpretation des EuGH-Urteils anlasslos richtig ist und wie das in einem Gesetzentwurf zu erfüllen sein könnte.

Ich sage es noch einmal, meine Damen und Herren: Es geht darum, einen Ausgleich zu schaffen…

Herr Minister, entschuldigen Sie bitte.

Herr Vizepräsident!

Würden Sie so freundlich sein und eine Zwischenfrage des Abgeordneten Herrmann zulassen?

Ja.

Bitte, Herr Herrmann.

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Meine Frage ist: Stimmen Sie mit mir darin überein, dass auch in den Leitlinien wieder steht, dass die Daten der gesamten Bevölkerung gespeichert werden sollen? Das ist doch genau der Aspekt, den das Bundesverfassungsgericht und auch der EuGH negiert haben und zu dem sie gesagt haben, dass das nicht sein darf. In den Leitlinien steht es aber wieder. Sehen Sie das auch so, dass das dort wieder steht?

Nein, das sehe ich nicht so. Denn erstens wird nicht die Bevölkerung gespeichert, sondern es werden Verkehrs- und Kommunikationsdaten gespeichert, und zweitens, Herr Herrmann, gibt es in der Fachwelt eine sehr differenzierte Diskussion darüber, wie das EuGH-Urteil in diesem Punkt zu interpretieren ist. Auch in der Fachwelt gibt es noch keine abgeschlossene Meinung dazu.

Meine Damen und Herren, es ist mir wichtig, noch einmal Folgendes zu erwähnen: Ich glaube, dass diese Leitlinien eine Chance darstellen, die unterschiedlichen Grundrechte, die in unserer Verfassung verankert sind, nämlich Datenschutz und Bürgerrechte auf der einen Seite, aber auch das Recht von Opfern von Straftaten auf Freiheit und körperliche Unversehrtheit, miteinander abzuwägen und möglicherweise miteinander zu verbinden. Die Chance zu dieser sachlichen Diskussion sollten wir alle wahrnehmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen zu diesem Tagesordnungspunkt liegen mir nicht vor. Ich schließe deshalb die Aussprache, und wir kommen zur Abstimmung.

Die antragstellende Piratenfraktion hat direkte Abstimmung und zugleich gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung zu diesem Antrag Drucksache 16/8450 beantragt.

Nach Absatz 2 dieses Paragrafen aus unserer Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten.

Bevor ich die Schriftführer bitte, mit dem Namensaufruf zu beginnen, darf ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, alle bitten, den Geräuschpegel möglichst niedrig zu halten, damit die Schriftführer Ihr Votum auch verstehen können. Ich kann nachvollziehen, dass das heute schwerfällt, nachdem in uns allen die Begeisterung über den gestrigen Sieg von Borussia Dortmund über Bayern München noch nachwirkt.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Aber wir müssen jetzt alle unsere Euphorie in den Griff bekommen, damit wir diese namentliche Abstimmung gut zu Ende führen.

Ich darf die Schriftführer nun bitten, mit dem Namensaufruf zu beginnen.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage 1])

Ich frage nun, ob jemand glaubt, er sei nicht erfasst worden, oder ob alle, die stimmberechtigt sind, jetzt auch abgestimmt haben. – Das ist so. Dann kann ich die Abstimmung schließen und die Schriftführer bitten, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben ein Abstimmungsergebnis, das ich Ihnen jetzt gerne bekanntgeben möchte. In der namentlichen Abstimmung zum Antrag Drucksache 16/8450 haben 222 Abgeordnete ihre Stimme abgegeben. Mit Ja haben 35 Abgeordnete, mit Nein haben 187 Abgeordnete gestimmt. Es hat keine Stimmenthaltung gegeben. Damit ist der Antrag Drucksache 16/8450 abgelehnt.

Wir kommen weiterhin zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/8564. Wer diesem Entschließungsantrag seine Zustimmung geben möchte, den bitte

ich um das Handzeichen. – Das sind die FDPFraktion und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – SPD, Bündnis 90/Die Grünen und die CDU. Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist auch der Entschließungsantrag der Fraktion der FDP mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt.

Ich rufe auf:

6 Gesetz zur Stärkung des Regionalverbands

Ruhr

Gesetzentwurf der Landesregierung Drucksache 16/6866

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kommunalpolitik Drucksache 16/8464

Entschließungsantrag der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/8543

zweite Lesung

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Eiskirch das Wort.