Protocol of the Session on September 13, 2012

Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer außerhalb des produzierenden Gewerbes haben heute keine festen Schichten mehr, sondern Gleichzeitregelungen oder noch flexiblere Möglichkeiten, über ihre Arbeitszeit zu bestimmen. Diese Berufsgruppen können die anfallende Arbeit erledigen, wann immer sie das wollen. Das führte aber bislang dazu, dass diesem Personenkreis der Freistellungsanspruch vorenthalten war. Denn hier konnte man immer sagen, dass sie die mandatsbezogenen Tätigkeiten außerhalb ihrer Arbeitszeit unternahmen. Denn sie haben keine fest umrissene Arbeitszeit. Hier setzt der Gesetzentwurf in angemessener Form an. Durch die vorgeschlagenen Änderungen kommt dieser Personenkreis nunmehr auch in den Genuss des Freistellungsanspruchs und der Verdienstausfallentschädigung.

Daneben wird auch die Entsendung von Ratsmitgliedern in Drittorganisationen eindeutig mandatsbezogen geregelt, was in vielen Fällen endlich die notwendige Klarheit schafft.

Die Einführung des kommunalpolitischen Bildungsurlaubs in Höhe von acht Tagen je Wahlperiode begrüßen wir ausdrücklich. Auch die CDU-Landtagsfraktion hofft, dass hierdurch die Qualifikation der Ratsmitglieder in den teilweise hochkomplexen Fragen steigt. Hierdurch dürfte erreichbar sein, dass alle Ratsmitglieder sicher mitdiskutieren und auch selbst die Tragweite ihrer Entscheidungen nachvollziehen können. – So weit, so gut.

Dem Gesetzentwurf – Stand: Ausschuss für Kommunalpolitik – können wir daher zustimmen. Nun kommen Sie aber nach der Anhörung und nach dem Tagen des Fachausschusses mit einem Änderungsantrag um die Ecke, der die Regelung noch einmal gehörig verändert und ausweitet. Denn durch die ersatzlose Streichung von § 45 Abs. 1 Satz 2 entfällt die bisher notwendige individuelle Ermittlung der regelmäßigen Arbeitszeit – egal, ob Haustätigkeit, Selbstständiger oder Freiberufler. Sie öffnen mit dieser Regelung pauschal Tür und Tor. Diese Vorgehensweise finde ich, ehrlich gesagt, befremdlich. Nach der Anhörung, nach der Fachausschusssitzung mit einem so folgenschweren Punkt zu kommen, erfordert eine neue Anhörung der Verbände und der Betroffenen.

(Zuruf von Martin Börschel [SPD])

Außerdem befürchte ich, dass die jetzt in unnötiger Eile gefundene Formulierung im Gesetzestext nicht klar genug ist, um Ihrer Intention der Ausweitung der Arbeitszeitberücksichtigung zu entsprechen. Von daher sind für mich Klagen vorprogrammiert. Schade, dass Sie nicht den Anspruch haben, das richtig gut machen zu wollen.

Außerdem habe ich gemeinsam mit einigen Kämmerern, mit denen ich noch gestern telefoniert habe, die Befürchtung, Entschädigungsansprüche könnten so steigen, dass nicht nur die Stadtkassen weiter ächzen,

(Das Ende der Redezeit wird angezeigt.)

sondern an der einen oder anderen Stelle auch aus ehrenamtlichen Ratsmitgliedern semiprofessionell bezahlte Politiker werden könnten.

Sie achten auf die Redezeit?

Andererseits – damit komme ich zum Schluss – erleichtert dieser Verzicht auf Bürokratie und auf die individuelle Ermittlung möglicherweise genau den Schub an professionellem Input in unsere Räte, den wir uns alle wünschen.

Aus diesem Grund enthalten wir uns hinsichtlich Ihres Änderungsantrags, stimmen aber Ihrem grundsätzlichen Gesetzentwurf zu. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Kuper. Bei Jungfernreden ist das Präsidium immer etwas großzügiger. Aber demnächst werden wir uns früher räuspern, wenn die Redezeit überschritten ist. – Als Nächster für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Herr Kollege Krüger.

Meine Damen und Herren! Frau Präsidentin! Das überschrittene Zeitkontingent werden wir wieder herausholen, keine Sorge. Ich werde mich kurz fassen. Im Wesentlichen stimme ich mit den Ausführungen meiner Vorredner, Herrn Börschel und Herrn Kuper, überein, mit einer kleinen Ausnahme, die Ihren Hinweis, Herr Kuper, zum Änderungsantrag und daraus resultierend die Frage: „Wie geht man damit um?“ betrifft.

Wir haben nicht nur mit den Spitzenverbänden, sondern auch mit Menschen gesprochen, die in den Rathäusern entsprechende Nachweise zu prüfen haben. Wir haben uns sagen lassen, dass die Prüfung bei Hausarbeit hinsichtlich einer regelmäßigen Arbeitszeit unheimlich zeitaufwendig und in der Regel zu erheblichen Problemen führt. Man hat uns nachdrücklich gebeten, das aufzugeben. Dem sind wir nachgekommen.

Lassen Sie mich eines sagen: Ich habe diesen Gesetzentwurf gerne und mit Spaß gelesen. Ich sage das als jemand, der noch vor gut sechs Monaten in der Kommunalpolitik verankert war und diesen Spagat zwischen Beruf einerseits und Ehrenamt andererseits jeden Tag auszuhalten hatte. Insofern ist es gut – zu den einzelnen Punkten ist gerade schon etwas gesagt worden –, dass hier entsprechende Regelungen getroffen worden sind, um Arbeitnehmern, aber auch Menschen in Hausarbeit und Selbstständigen die Möglichkeit zu geben, sich stärker in die Kommunalpolitik einzubringen.

Ich stimme dem gerne zu und hoffe auch, dass der Schwarm der Piraten der großen Mehrheit folgen wird. – Vielen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Krüger. – Für die Fraktion der FDP hat Herr Kollege Dr. Stamp das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Dieses Gesetz zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes mag für manche Beobachter vielleicht nur eine Petitesse sein, aber es ist für viele, die kommunal tätig sind, von ganz elementarer Bedeutung. Wir haben bei uns in der Fraktion viele – ich habe das bei der ersten Lesung gesagt; das ist ja bei vielen Kollegen in den anderen Fraktionen auch so –, die diese kommunalpolitische Erfahrung selber gemacht haben.

Ich persönlich habe die Erfahrung mit dieser Gleitzeitregelung auch machen müssen und habe gemerkt, was das für mich persönlich für ein Handicap gewesen ist im Vergleich zu den Kolleginnen und Kollegen im Rat, die in einer Nine-to-five-Anstellung gewesen sind. Ich habe damals 75 km entfernt vom Bonner Rat gearbeitet mit einer Kernarbeitszeit die

auf lediglich zwei Stunden beschränkt war. Von daher können Sie sich vorstellen, dass jegliches Engagement, das irgendwie in die Gleitzeit fiel, für mich sehr schwer auszuüben war.

(Martin Börschel [SPD]: Landesgeschäftsstelle!)

Nein, es war nicht die Landesgeschäftsstelle. Es war eine politische Stiftung, die im Übrigen damit deutlich restriktiver umgegangen ist, als das die Ihnen nahestehende politische Stiftung tut.

Ich glaube, insgesamt schaffen wir hier Erleichterungen. Das ist einmal die Besserstellung bei der Gleitzeit. Sie rechnen bei der Gleitzeit nicht eins zu eins um, sondern zu 50 %. Ich denke, auch das ist ein weiser Vorschlag, den wir hier unterbreiten. Wir haben die Klarstellung bei der Entsendung in die Gremien, und wir befreien viele Kolleginnen und Kollegen vor Ort in den Räten von den bürokratischen Nachweispflichten, was die Hausarbeitsentschädigung angeht.

Dadurch werden wir potenziell mehr Bürgerinnen und Bürger dazu bewegen können, sich kommunalpolitisch zu engagieren. Es ist ein wesentliches Ziel, das auch den Piraten wichtig sein müsste, dass sich möglichst viele aus völlig unterschiedlichen Berufen engagieren können. Deswegen fände ich es schön, wenn auch Sie sich einen Ruck geben könnten – die CDU hat sich auch einen Ruck gegeben – und wir ein gemeinsames Signal aus Düsseldorf an unsere kommunale Basis senden könnten.

In diesem Sinne freue ich mich, dass wir zu einer breiten Mehrheit kommen. Unsere Kommunalen, wir alle können das gut gebrauchen. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Piraten Herr Kollege Herrmann.

Verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Notwendigkeit, das kommunale Ehrenamt zu stärken, ist schon seit Langem gegeben. Der vorliegende Gesetzentwurf ist seit fünf Jahren oder noch länger in Bearbeitung. Die ersten Ansätze dazu – das haben wir an den Protokollen gesehen – sind schon viel älter. Für diese Zeitspanne erscheint uns das Ergebnis etwas dünn. Es sind aber sehr viele wichtige Regelungen getroffen worden.

Die positiven Stellungnahmen zum vorliegenden Gesetzentwurf und die in den Gutachten verlautbarte hohe Anerkennung der Arbeit der über 20.000 Ehrenamtler der kommunalen Gremien in NRW bezeugen eindrucksvoll, dass die kommunale Selbstverwaltung vom Engagement der ehrenamtlich Tätigen lebt. Ohne das freiwillige Engagement der

Bürger und Bürgerinnen würde das Rückgrat unserer Demokratie brechen.

Wir Piraten wollen, dass es weiterhin möglich ist, dass sich interessierte Bürger ehrenamtlich engagieren, ohne im Berufsleben Nachteile zu haben. Die Arbeit in den Räten, Kreistagen, Aufsichtsräten und Bezirksvertretungen ist zeitlich und qualitativ aufwendig. Dazu begrüßen wir die Möglichkeit von Zeitgutschriften und die anderen Ansätze, die im Gesetz vorgesehen sind, um auch Menschen mit flexibleren Arbeitsverhältnissen, in Gleitzeit usw. ein ehrenamtliches Engagement zu ermöglichen.

Auch die gesetzliche Festschreibung der Möglichkeit, an acht Tagen in der Wahlperiode an Fortbildungen teilzunehmen, begrüßen wir. Meine Fraktionskollegin Monika Pieper hat allerdings bereits in der ersten Lesung darauf aufmerksam gemacht hat, dass zwei Tage im Jahr nicht ausreichen werden. Unsere Ratsvertreter müssen gut ausgebildet sein, vor allem im Hinblick auf die zunehmende Komplexität der Aufgaben in den Kommunen.

Obwohl wir den Gesetzentwurf durchaus positiv bewerten, sehen wir ein gravierendes Problem: Wer soll es bezahlen? Damit meine ich vor allen Dingen die schon angesprochene Verdienstausfallentschädigung. Im Gesetzentwurf wird das Konnexitätsprinzip – ich werde noch lernen, es auszusprechen, es ist ein oft gebrauchter Begriff, wie wir ihn auch schon zum Kreisumlagegesetz gehört haben – ausdrücklich verneint. Das heißt, dem Land entstehen keinerlei Kosten, die Kommunen müssen voll für die Verdienstausfallentschädigungen aufkommen. Dabei wissen wir alle, dass viele Städte gar keine Mehrausgaben mehr bewältigen können und unter Nothaushaltsrecht stehen. Daher können wir dem Gesetz leider nicht zustimmen. Ich empfehle unserer Fraktion, sich bei der Abstimmung zu enthalten. Denn weitere Belastungen für die Kommunen müssen nach unserer Ansicht unbedingt vermieden werden.

Fazit: Wir begrüßen, dass mehr Menschen die Möglichkeit gegeben wird, für Mandatstätigkeiten von ihrer Arbeit freigestellt zu werden. Wir begrüßen den gesetzlich verankerten Anspruch auf Qualifizierungsmaßnahmen, aber wir wollen das kommunale Ehrenamt fördern und nicht kommunale Berufsmandatsträger. Wir stützen unsere Demokratie mehr, wenn wir dafür werben, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren, wenn wir ehrenamtliche Arbeit wertschätzen und die Wichtigkeit des kommunalen Ehrenamts auch gegenüber Arbeitgebern betonen.

Wir brauchen professionelle Strukturen in den Fraktionen, die die Arbeit der Mandatsträger unterstützen und ihnen das Engagement in der Kommune erleichtern. Das sind für mich Elemente einer echten Stärkung des kommunalen Ehrenamts. Wir nehmen gerne das Angebot des Kollegen Börschel an, einen gemeinsamen Dialog zu führen und an

den weiteren Aufgaben zu arbeiten. Wir wollen mitarbeiten, um das Ehrenamt und damit das offene und freie Engagement der Bürger für die Demokratie zu stützen und zu schützen. – Danke schön.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Herrmann. – Für die Landesregierung hat Herr Minister Jäger das Wort.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Präsidentin! Dass dieses Gesetz vorgelegt wird, ist gut, weil unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung, unser Gemeinwesen davon lebt, dass sich Bürgerinnen und Bürger an ihrer Gestaltung beteiligen, dass sie einen Teil ihrer Lebenszeit für das Gemeinwohl einsetzen – etwas, was früher sehr viel selbstverständlicher war als in der heutigen Zeit.

Die ehrenamtliche Tätigkeit in Kommunalparlamenten und Parteien, die ganz oft unter Verzicht auf berufliche Karriere oder Familienleben stattfindet, hat Respekt und Wertschätzung verdient, aber auch Rahmenbedingungen, Herr Herrmann, die diese Wahrnehmung in einer Demokratie überhaupt erst möglich macht. Demokratie kostet auch Geld. Deshalb müssen solche finanziellen Rahmenbedingungen geleistet werden, sei es von den Kommunen, sei es vom Land Nordrhein-Westfalen, sei es vom Bundestag für die dort tätigen Abgeordneten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das Gesetz soll es ermöglichen – darauf ist mehrfach eingegangen worden –, dass auch diejenigen, die unter heute durchaus üblichen Arbeitsbedingungen in Gleitzeit arbeiten, keinen Nachteil haben, aber auch keinen Bonus, wenn sie kommunalpolitisch tätig sind. Deshalb ist die Anrechnung der Arbeitszeit um die Hälfte, die in diese Gleitzeit hineinfällt, ein richtiger Ansatz, um gerade den Menschen in ihrer Arbeitsform, in ihrer Arbeitswelt zugleich die Wahrnehmung eines kommunalen Ehrenamtes zu ermöglichen.

Auf weitere Details dieses Gesetzentwurfs sind meine Vorredner bereits eingegangen. Mir ist noch einmal wichtig zu sagen: Das darf nicht der letzte Schritt gewesen sein. Wir müssen weiter am Ball bleiben, weil es noch ganz viele berufliche Rahmenbedingungen gibt, die in diesem Gesetzentwurf noch gar nicht geklärt werden konnten. Ich erinnere zum Beispiel daran, dass es immer noch Menschen gibt, die in Schichtarbeit tätig sind, dass Hausarbeit nichts ist, was an regelmäßige Arbeitszeiten gebunden ist, sondern durchaus auch flexible Organisationsformen zu Hause benötigt.

Von daher ist es gut, dass die regierungstragenden Fraktionen bereits in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt haben, eine Expertenkommission einzurichten,

die dieses Gesetz und die Rahmenbedingungen, unter denen Kommunalpolitiker und Kommunalpolitikerinnen in Nordrhein-Westfalen tätig sind, weiter untersuchen und gegebenenfalls verbessern. Für die kommunale Demokratie und die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger in Nordrhein-Westfalen ist es ein gutes Gesetz, das die Landesregierung begrüßt.

Im Übrigen begrüßt diese Landesregierung auch den Änderungsantrag, weil es, Herr Kuper, ein Kern von Anhörungen ist, dass man zuhört. Wenn etwas Besseres vorgeschlagen wird, sollte man in einem Gesetzgebungsverfahren in der Lage sein, es einfließen zu lassen. Das zumindest ist das Credo dieser Regierung und der sie tragenden Fraktionen. Herr Kuper, ich gebe es zu, das war nicht immer so. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)