Protocol of the Session on January 30, 2015

Sehr gerne.

Bitte schön.

Ich möchte nur fragen, ob Ihnen bekannt ist, dass sich am 18. Januar 2015 der Grünenchef Cem Özdemir eine Wiedereinführung der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung vorstellen konnte,

(Zuruf von Matthi Bolte [GRÜNE])

mit der Einschränkung, die Neuregelung müsse aber mit dem Grundgesetz vereinbar sein? – Also: Er kann sich das vorstellen. Ist Ihnen das bekannt? Ihr oberster Parteichef!

Bitte schön, Frau Kollegin.

(Zurufe von den GRÜNEN – Gegenrufe von der CDU)

Herr Golland, das war für mich nicht nachvollziehbar. Ich wäre darauf später noch im Zusammenhang damit eingegangen, wie Sie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts

(Zuruf von Gregor Golland [CDU])

ja, ich kenne das – und das Urteil des EuGH in Ihrem Redebeitrag vorhin interpretiert haben. Für uns sind diese Gerichtsurteile sehr eindeutig: dass sie die Vorratsdatenspeicherung anlasslos und massenhaft nicht zulassen. Wenn Daten von Kriminellen gespeichert werden – egal, wie Sie den Begriff definieren –, ist das für uns keine Vorratsdatenspeicherung. Deshalb brauchen wir dringend eine

konsequente Strafverfolgung von Kriminellen sowie Prävention.

Lassen Sie mich jetzt bitte fortfahren.

Wenn wir einmal andenken, was denn passieren würde, wenn Vorratsdatenspeicherung eingeführt würde: Glauben Sie, Herr Golland, denn wirklich, dass Terroristen sich dadurch von ihrem Tun abhalten lassen würden?

Unsere Antwort muss eine rechtsstaatliche sein. Sie muss die konsequente Strafverfolgung in den Vordergrund stellen und wirksame Prävention in allen Lebensbereichen durchdeklinieren.

Das ist für uns nicht nur das von Herrn Kollegen Wolf genannte Projekt „Wegweiser“, über das wir sehr froh sind und das übrigens schon vor den Attentaten von Paris von der Landesregierung in Angriff genommen wurde. Wir brauchen im Bereich des Terrorismus auch Forschung. Wir brauchen Prävention in der Jugendarbeit. Wir sollten uns sicherlich auch in der Justiz Radikalisierungsprozesse im Strafvollzug ansehen und viele andere Bereiche genauer betrachten. Ihr reflexhaftes Verhalten ist völlig daneben.

(Beifall von den GRÜNEN)

Herr Präsident, gestatten Sie mir noch ein paar kurze Worte an den Kollegen Orth. Ich darf noch „Herr Kollege“ sagen, denn er bleibt ja noch bis Dienstag. Als Westfälin kann ich auch feste Karneval feiern. Deshalb freue ich mich, dass wir am Dienstag im Rheinland feiern können.

Herr Orth, oder: Lieber Robert, ich möchte dir ganz herzlich danken für dein Engagement in den letzten 15 Jahren. Noch dienstältester Ausschussvorsitzender, 15 Jahre, vier Justizminister erlebt – das ist schon beeindruckend! Ich danke dir für die Arbeit und deine Neutralität. Ich war sehr beeindruckt, wie du in Israel die Delegation des Rechtsausschusses geleitet hast, und danke dir für die guten Gespräche und Begegnungen.

Im Rechtsausschuss hatte ich ja die Pressemitteilung der FDP ein bisschen kritisiert, weil sie von der „Idee der Freiheit“ sprach. Ich dachte: Für uns ist Freiheit mehr als eine fixe Idee. Dann habe ich mich aber noch eines Besseren belehren lassen, dass nämlich „Idee“ aus dem Griechischen kommt,

(Zuruf: Ah!)

im Grunde „das Urbild“ ist. In diesem Sinne möchte ich der FDP sagen: Wenn die FDP an dem Urbild der Freiheit festhalten will, dann können wir sicher noch mal darüber sprechen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Ich wünsche dir persönlich alles Gute, beruflich wie privat. Ich denke, wir sehen uns wieder. – Vielen Dank.

(Beifall von allen Fraktionen)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hanses. – Für die Fraktion der Piraten spricht der Kollege Schwerd.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr geehrten Damen und Herren auf der Tribüne und am Stream! Lassen Sie mich bitte zu Beginn einige Dinge klarstellen.

Immer wenn wir von Vorratsdatenspeicherung sprechen, meinen wir die anlasslose, massenhafte Speicherung von Kommunikationsdaten, eine unbegründete Speicherung von persönlichen Informationen über Millionen von Menschen. Das steckt schon im Wortbestandteil „Vorrat“. Damit ist eine Speicherung im Voraus und auf Halde gemeint, die man später womöglich gar nicht mehr braucht. Ein datenschutzrechtlicher Albtraum!

Übrigens: Daran ändert auch die Verwendung irgendwelcher euphemistischen Narrative wie „Mindestspeicherung“ nichts.

Dem gegenüber steht die anlassbezogene Datenspeicherung, nämlich wenn man in Verdachts- oder Ermittlungsfällen ganz gezielt Daten von bestimmten Verdächtigen sammelt. Das ist ein ganz anderes Vorgehen. Das wird selbstverständlich so angewendet. Aus gutem Grund gehört das zur üblichen Polizeiarbeit. Aus genauso gutem Grund wird jeder einzelne dieser Fälle von einem Richter geprüft. Hiergegen wendet sich absolut niemand.

Einen schönen Gruß an dieser Stelle an Herrn Stotko! Die Verwendung von Extrempositionen, die man dann dem Gegner unterstellt, ist der älteste und auch der dümmste rhetorische Trick, den man verwenden kann, um sich mit Argumenten nicht auseinandersetzen zu müssen.

(Beifall von den PIRATEN)

In dieser Debatte jedenfalls gehen diese beiden Arten von Datenspeicherung munter und wild durcheinander. Das eine wird mit dem anderen begründet. Die absichtsvolle Vermischung von diesen beiden Punkten sollten Sie den Rednern in dieser Debatte nicht durchgehen lassen.

Verwerflich ist auch die Instrumentalisierung der Opfer der Anschläge von Paris, die wir erleben, um Vorratsdatenspeicherung zu rechtfertigen. Das ist schändlich, und wir weisen dieses Ansinnen zurück.

(Beifall von den PIRATEN)

Genauso schändlich übrigens ist die Instrumentalisierung von Kindesmissbrauchsopfern, Herr

Golland.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Korrekt!)

Wie wir wissen, gibt es in Frankreich seit 2011 eine weitreichende, flächendeckende, massenhafte

zwölfmonatige Vorratsdatenspeicherung. Ganz of

fensichtlich hat sie keinen Beitrag zur Verhinderung solcher Taten geleistet. Mehr noch: Die Täter waren zuvor polizeibekannt. Dazu braucht es keine Vorratsdatenspeicherung. Das funktioniert effektiver mit zielgerichteter polizeilicher Arbeit. Auch der norwegische Attentäter Anders Breivik war polizeibekannt und stand bereits unter Überwachung.

Die Vorratsdatenspeicherung hat mit beiden Fällen rein gar nichts zu tun. Womöglich wäre es sinnvoller gewesen, die polizeiliche Überwachung von bekannten Tätern zu intensivieren, anstatt die Ressourcen für massenhafte Vorratsdatenspeicherung zu verwenden

(Beifall von den GRÜNEN)

und sich in trügerischer Sicherheit zu wähnen. – Der beste Datenschutz ist immer noch, so wenig Daten wie möglich zu sammeln. Datenschutz erhöht unser aller Sicherheit.

Bisherige Versuche auf bundesdeutscher oder europäischer Ebene, eine anlasslose Vorratsdatenspeicherung einzuführen, sind an verfassungsrechtlichen Bedenken gescheitert. Die Richter rügen nämlich genau das, was eine Vorratsdatenspeicherung ausmacht: die massenhafte Überwachung und der fehlende Anlassbezug. Nach ihrer Einschätzung verstoßen gerade diese Punkte gegen unsere Grundrechte. Wie soll denn unter diesen Voraussetzungen überhaupt eine Vorratsdatenspeicherung verfassungsgemäß ausgestaltet werden?

Aber selbst wenn das gelingen würde: Ist es wirklich so, dass man jede technisch mögliche Maßnahme auch durchführen muss, ungeachtet ihrer schädlichen Nebenwirkungen für informationelle Selbstbestimmung, Pressefreiheit, Meinungs- und Versammlungsfreiheit, die Vertraulichkeit des Wortes zum Beispiel bei Anwälten, bei Geistlichen oder auch bei uns Parlamentariern, und so viele weitere Freiheitsrechte – und das, wo sich der angebliche Nutzen überhaupt gar nicht belegen lässt?

Die Parlamentarische Versammlung des Europarates in Straßburg hat am Montag in einem 35seitigen Bericht festgestellt: Bürger sollen nur überwacht werden, wenn ein Gerichtsbeschluss und ein begründeter Verdacht vorliegen. – So ist das nämlich.

Bundesjustizminister Heiko Maas lehnte die Vorratsdatenspeicherung ebenso ab. Ich kann ihn so zitieren: Eine solche Speicherung verstößt gegen die Grundrechte. – So ist das also.

Der Präsident des Bundesverbandes IT-Mittelstand sagte: Die Vorratsdatenspeicherung ist kein probates Mittel, um die IT-Sicherheit zu verbessern. – Aha! So ist das nämlich.

Last but not least: Die EU-Kommission selbst hat mitgeteilt, keine eigenen Pläne zur Einführung einer Vorratsdatenspeicherung mehr zu verfolgen. – So ist das nämlich.

Die Redezeit.

Ich bin sofort fertig.