Protocol of the Session on January 29, 2015

Frau Ministerpräsidentin, Sie sprachen von Datensicherheit in Ihrer Rede. Sie wollen die Spitzenforschung in diesem Feld in NRW fördern. Supergeil. Entschuldigen Sie bitte, wenn ich das sage: Wir haben bereits Spitzenuniversitäten in dem Feld. Das Problem ist: Wir nutzen nur deren Forschungsergebnisse nicht,

(Beifall von den PIRATEN)

weil das Land für Datensicherheit zu geizig ist.

In unserer Anhörung 2014 sprach ein IT

Sicherheitsexperte davon, dass er innerhalb von drei Stunden auf jedes Behördennetz zugreifen konnte, in das er eindringen wollte. Er konnte dann leicht auf Meldedaten und sogar auf Daten von Menschen in Zeugenschutzprogrammen zurückgreifen.

Wir, Frau Kraft und Frau Löhrmann, nehmen unsere Grundrechte auch im digitalen Zeitalter sehr, sehr ernst. Da sind wir konservativ. Wir können unseren Grundrechten in der digitalen Welt nur gerecht werden, indem wir sagen: Wir stellen den Schutz der Privatheit an den Anfang einer jeden Überlegung. Privatheitsschutz von Anfang an heißt: Wir füllen „Privacy by Design“ und „Privacy by Default“ mit Leben.

Es kann sein, dass Ihnen die Begriffe nichts sagen. Bitte hören sie genau zu! Wir brauchen dafür Privacy-Impact-Assessments oder auf Deutsch Privatheitsfolgeabschätzungen.

(Beifall von den PIRATEN)

Auf der bisherigen Grundlage können wir doch nicht ernsthaft ein NRW 4.0 aufbauen. Das ist absurd. Unsere Datensicherheit ist desaströs. Wir haben einen Antrag zur Überprüfung und Sicherung unserer Systeme eingebracht. Bei der Anhörung hielten alle anderen Fraktionen – SPD, Grüne, FDP und CDU –

es nicht einmal für notwendig, einen eigenen Sicherheitsexperten einzuladen.

Wir sind bei kommunaler Sicherheit auf unterstem Niveau. Hier können wir uns nicht mit der Konnexität oder der Unabhängigkeit der Kommunen herausreden. Da gibt es Bürgermeister, die sämtliche Daten in einem Server ungeschützt unter ihrem Schreibtisch stehen haben, also so, als würden die Behörden ihre gesamten Aktenbestände offen auf den Fluren stehen lassen. Das geht in einer vernetzten Welt, in der alles und alle miteinander verbunden sind, einfach nicht mehr.

Deshalb, liebe Frau Ministerpräsidentin, reicht es nicht, nur von der Förderung der Datensicherheit in der Forschung zu sprechen. Sie müssen auch das tun, was die Experten Ihnen sagen.

(Beifall von den PIRATEN)

Weiterhin brauchen wir Bildungsangebote auf allen Ebenen. In staatlichen Einrichtungen müssen eigene IT-Sicherheitsbeauftragte die Nutzer für einen sicheren Umgang mit ihren Programmen schulen und sensibilisieren. Und wir müssen Weiterbildungsmaßnahmen für die Anwendung von Datenschutzregeln in Behörden fördern, den Selbstdatenschutz vorantreiben und die Menschen zuhause, in Behörden, im Krankenhaus oder anderswo befähigen, ihre Hardware und Software sicher und angemessen zu verwenden.

Auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens soll 2015 im Zeichen der Landespolitik 4.0 stehen. Aber die Landesregierung hat auch hier den Fortschritt verschlafen. Im Gesundheitsbereich stehen angeblich 50 Millionen € zur Verfügung. Unterm Strich bleiben etwas mehr als 5 Millionen € für den Aufbau der Telematik-Infrastruktur. Das reicht nicht.

Jedoch ist das nicht die entscheidende Frage der Menschen. Die entscheidende Frage ist, ob der technische Fortschritt und die Anwendung im Gesundheitswesen auch die Bürgerrechte achtet.

(Beifall von den PIRATEN)

Und, Herr Laschet, erlauben Sie mir die Bemerkung: Im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung im wahrsten Sinne des Wortes mit Sicherheit kein Wohlfühlthema. Der Ausbau der Telematik-Infrastruktur kann nur in Zusammenarbeit mit Gesundheitsexperten, IT-Spezialisten, Medizinern, Datenschützern und Ethikern gelingen.

Dazu benötigen wir allerdings eine Struktur, die diesen Themenkomplex permanent auch bearbeitet. Nur die Bündelung der Ressourcen in einem Ministerium kann hier eine Lösung sein.

In Zukunft stehen exorbitant hohe Mengen an Daten zur Verfügung. Ich spreche von standardisierten Entlassungsbriefen, zum Beispiel nach einer Krankenhausbehandlung, oder von elektronischen Medikationsplänen oder von ausführlichen online verfüg

baren Versichertenstandards. Wissen Sie, Sie machen sich Sorgen um Hacker und bauen hier ein Paradies für jeden, der Daten abfischen möchte. Es wird eine große Herausforderung sein, die Chancen der modernen IT-Technologien in der täglichen Versorgung sicher zu nutzen. Die 5 Millionen € der Landesregierung sind an dieser Stelle eher mini statt mega.

Frau Kraft, als kleinste Oppositionspartei haben wir Ihnen nur die dringendsten Themenfelder aufgezeigt, auf denen die Landespolitik brachliegt. Wir wären heute etwas softer gewesen, hätten Sie nicht in den letzten zweieinhalb Jahren all unsere Anträge in den diversen Ausschüssen hier im Parlament einfach vom Tisch gefegt. Ein paar kleine Stellen mehr für den Datenschutzbeauftragten? – Nein.

Wir brauchen Ideen für das Land und die Menschen, die hier leben, damit wir nicht eine weitere Revolution in Wirtschaft und Gesellschaft verschlafen. Frau Ministerpräsidentin, wir brauchen eine digitale Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land.

(Beifall von den PIRATEN)

Sehr, sehr geiler Dorsch übrigens, sehr geil! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Paul. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Duin.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Ministerpräsidentin hat heute in ihrer Regierungserklärung eines klargemacht: Wir betreten kein Neuland, sondern wir arbeiten sehr detailliert an den tatsächlich entscheidenden Punkten quer über die jeweiligen Zuständigkeiten in den einzelnen Ressorts daran, dass wir das Ziel, NRW 4.0 zu realisieren, auch wirklich erreichen können. Ganz herzlichen Dank dafür, dass das so deutlich gemacht worden ist.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Und was macht die Opposition? Sie müssen sich schon einig werden. Ich beziehe das jetzt nicht auf die drei Fraktionen, sondern auf die einzelnen Wortbeiträge; denn das ist manchmal nicht ganz klar geworden: Wir wollen ganz viel Transparenz, aber nicht den gläsernen Bürger.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Richtig!)

Herr Laschet sagt, das sei alles viel zu viel Kleinklein, und stellt dann Anträge zu Laternenmasten. Also, bleiben Sie bitte einmal bei sich, wenn Sie irgendwie noch kongruent argumentieren wollen!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dietmar Schulz [PIRATEN]: Transparenz der Politik und nicht der Menschen! Das müssen Sie begreifen!)

Immerhin hat der Kollege Laschet auf Twitter hingewiesen. Wir haben dann natürlich auf Twitter weiterverfolgt, was so gesagt worden ist. Ich komme darauf nachher noch einmal zurück. Aber der User JanMie – wer immer sich real dahinter verbirgt – schrieb:

Eines haben wir aus der Rede von Armin Laschet gelernt: Laschet liest „taz“, trägt Krawatte in Piratenorange und sammelt PAYBACK-Punkte. Immerhin, das haben wir heute von Ihnen zu diesem Thema Neues gelernt. Da hat JanMie durchaus recht.

(Beifall von der SPD – Armin Laschet [CDU]: Der Pressesprecher der Grünen ist das, da- mit Sie es wissen!)

Das ist egal. – Genauso haben wir gelernt, dass auch Dr. Paul seine Rede hier im Landtag von Totholz abliest und auch nicht ganz so modern ist, wie man vielleicht an mancher Stelle meinen sollte.

(Christof Rasche [FDP]: Organisierte Nach- richten!)

Meine Damen und Herren, zum Kern und zum Ernst der Sache. Es geht um Digitalisierung. Es geht – wie mehrfach schon gesagt worden ist – um digitale Revolution. Es geht um diese digitale Revolution im Rahmen der Globalisierung. Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung; denn es lauert eine Gefahr – Herr Römer hat darauf auch schon ausführlich hingewiesen –:

Wenn wir die Weichen nicht richtig stellen, kann es eine Entwicklung geben, dass wir künftig nicht mehr wie bislang Ausrüster der Welt sind, sondern Maschinen in China gebaut werden, Software in den USA entwickelt wird und unsere Rolle dabei nicht mehr auffindbar ist. Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen.

Sehr geehrter Herr Laschet, Sie versuchen ja, in der Außendarstellung immer auch den Eindruck zu erwecken, Sie würden sich insbesondere um Themen der Wirtschaft kümmern. Sie haben hier heute gesagt: Wir brauchen den Mittelstand für dieses Thema nicht zu sensibilisieren. Entschuldigen Sie die Härte auch im Ausdruck. Sie haben das wörtlich hier gesagt: Wir brauchen den Mittelstand für dieses Thema nicht zu sensibilisieren.

(Hendrik Wüst [CDU]: Ach Gott!)

Mehr Ahnungslosigkeit habe ich bei diesem Thema selten vernommen. Das ist komplett an der Realität vorbei.

(Beifall von der SPD)

Das ist komplett an der Realität vorbei. Die DZStudie ist schon erwähnt worden. 70 % der kleinen und mittelständischen Unternehmen mit weniger als 5 Millionen € Umsatz sagen, das Thema „Digitalisierung“ habe für sie keine Relevanz. Die Hälfte dieser Unternehmen sagt: Maximal 5 % unseres Umsatzes wollen wir in dieses Thema an Zukunftsinvestitionen tätigen.

Genau aus diesem Grund kommt nicht nur die Landesregierung, sondern zum Beispiel die IHK Köln – viele andere folgen diesem Beispiel jetzt – zu der Erkenntnis, dass man die Bemühungen zur Aufklärung und zur Sensibilisierung unserer Hidden Champions, unserer starken Familienbetriebe, unseres Mittelstands im Land intensivieren muss. Da sagen Sie, das sei alles schon erledigt; die wissen alle schon Bescheid. Das Gegenteil ist der Fall. Deswegen müssen wir unsere Anstrengungen entsprechend erhöhen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Manche glauben nämlich wie Sie, dass man dann, wenn man bei Facebook und bei Twitter ist, die Herausforderungen der Digitalisierung schon abgearbeitet hätte. Das ist doch viel zu kurzsichtig und zeigt, dass man davon nicht wirklich etwas verstanden hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von der CDU: Aber Sie sind ja noch nicht einmal dabei!)

Wir haben Superbeispiele. Die würde ich mir an Ihrer Stelle alle angucken. Das Waggonwerk von Siemens in Krefeld ist so ein Beispiel. Es ist kein leichter Markt – wir werden ja selbst in einigen Wochen mit solchen Fragestellungen hier im Land noch einmal zu tun haben –, wenn man sich international behaupten muss. Wenn man zum Beispiel die Hochgeschwindigkeitszüge baut, die in der Türkei auf die Schiene gesetzt werden – diese werden auch in Deutschland gebaut und auf die Schiene gesetzt, aber wenn man einen internationalen Markt hat –, dann muss man seine Wettbewerbsfähigkeit schon sehr genau unter Beweis stellen.

Wenn Sie durch diesen Betrieb gehen, in dem nach wie vor eine vierstellige Zahl von Kolleginnen und Kollegen arbeitet, bei der es sich wirklich um gute Arbeit im klassischen Sinne handelt, dann werden Sie feststellen, dass das eine Fabrik ist, in der es quasi kein Papier mehr gibt, in der auch der Vorarbeiter seine Dinge digital erledigt, in der der Handwerker, der am Ende das Gepäcknetz in so einem Waggon anschraubt, die Vorbereitungen für seine entsprechenden Handlungen auf digitalem Weg erledigt.