Protocol of the Session on January 29, 2015

Wenn Sie durch diesen Betrieb gehen, in dem nach wie vor eine vierstellige Zahl von Kolleginnen und Kollegen arbeitet, bei der es sich wirklich um gute Arbeit im klassischen Sinne handelt, dann werden Sie feststellen, dass das eine Fabrik ist, in der es quasi kein Papier mehr gibt, in der auch der Vorarbeiter seine Dinge digital erledigt, in der der Handwerker, der am Ende das Gepäcknetz in so einem Waggon anschraubt, die Vorbereitungen für seine entsprechenden Handlungen auf digitalem Weg erledigt.

Das Ganze geht in Kombination mit den Elementen, die „Gute Arbeit“ ausmachen, von denen Norbert Römer hier vorhin gesprochen hat. Das muss unser Anspruch sein: hohe Wettbewerbsfähigkeit, rein in die Digitalisierung, aber eben nicht nutzen nur für

die Steigerung der Effizienzen; das auch, aber auch, um dafür zu sorgen, dass diese industriellen Arbeitsplätze hier erhalten bleiben. Das ist die Herausforderung, an der wir arbeiten!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Dafür gibt es viele gute Beispiele in unserem Land.

„it’s OWL“ ist von der Ministerpräsidentin schon erwähnt worden.

Nehmen Sie den Landmaschinenhersteller CLAAS! Das ist ein absolutes Hightech-Unternehmen. Wenn man eine Umfrage auf der Straße machen würde, würde man wahrscheinlich hören, dass die Trecker bauen. Das hält man dann noch nicht für die Spitze der Bewegung. Das Gegenteil ist aber der Fall, wie Sie wissen. Dort passiert etwas an beiden Enden der Entwicklung, nämlich in der Produktion und bei den Produkten.

Das ist doch das Entscheidende: dass Digitalisierung nicht nur eine Frage ist, wie sich Produktion verändert, sondern genauso eine Frage ist, wie dadurch neue Produkte entwickelt werden und neue Geschäftsmodelle entstehen. Das darf und muss nicht irgendwo in der Welt passieren, sondern das kann hier in Nordrhein-Westfalen passieren. Dafür haben wir die entsprechenden Unternehmen und die entsprechenden qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Nehmen Sie den Gründerpreisträger, den wir im Herbst letzten Jahres ausgezeichnet haben, die Firma betriko aus Kalletal. Das sind junge motivierte Leute, die sich auch in diesem Feld der Landwirtschaft Gedanken gemacht haben: Wie kann man die Tätigkeiten digitalisieren? Wie kann man damit Ressourcen schonen? Wie kann man dort effizienter werden? Das sind hervorragende junge Leute, die wir in unserem Land haben.

Nehmen Sie – weil Sie über die Wissenschaft gesprochen haben – noch einmal das FraunhoferInstitut in Dortmund beim Thema „Logistik 4.0“ als ganz wichtiges Scharnier zu dem, was wir an industrieller Produktion und was wir an neuen Dienstleistungen haben! Weltmarktführer, wohin man sieht!

Sehr geehrter Herr Laschet, wenn es dann darum geht, den Mittelstand zu sensibilisieren, auf die Chancen aufmerksam zu machen und in das Gespräch mit denen hineinzugehen, dann merken Sie sofort, dass diese Skepsis, die gegenüber diesem Thema da ist, die Zurückhaltung, die gegenüber diesem Thema da ist, im Kern eine Ursache hat. Das ist nicht die Geschwindigkeit des Netzes. Das sind nicht andere Dinge, sondern im Kern geht es um eine Frage: Ist das sicher? Haben wir die Elemente, die wir brauchen, um auch den Schutz geistigen Eigentums sicherzustellen?

Ein Mittelständler aus dem Sauerland hat keine Lust, seine Daten, das, was er sich mit seinen Ingenieurinnen und Ingenieuren ausgedacht hat, in eine Cloud zu geben, bei der er nicht weiß, wo in dieser Welt der eigentliche Server steht, wer darauf Zugriff hat und wer ihm dann dieses geistige Eigentum irgendwann stiehlt mit dem Ergebnis, dass er sich dann wundert, dass das baugleiche Produkt irgendwo anders in der Welt zu einem anderen Preis hergestellt wird.

Deswegen ist das die riesige Chance, die Nordrhein-Westfalen hat: auf der einen Seite die digitale Wirtschaft auch mit den Start-ups – zu den Bedingungen komme ich gleich noch einmal – und auf der anderen Seite das, was wir an gewachsener industrieller Struktur haben.

Dieses zu verheiraten und dann noch zu ergänzen um das Thema „Cybersecurity“, um das Thema „Internetsicherheit“ – auch dafür haben wir beispielsweise in Bochum die entsprechenden Unternehmen, die entsprechenden Forschungseinrichtungen –: Das kann unser Alleinstellungsmerkmal sein, wenn wir das jetzt nicht zerfleddern, sondern ganz klar zu unserem Schwerpunkt machen: „Industrie 4.0“ inklusive Sicherheit. Das ist dann auch für den Mittelstand attraktiv.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt – das ist der zweite Punkt, auf den ich eingehen will – neue Entwicklungen bei den Unternehmen, die unter der Überschrift „Share Economy“ laufen. Uber ist da nur das prominenteste Beispiel. Es gibt viele andere Beispiele, mittlerweile unter anderem die Vermietung bzw. die Überlassung von Wohnungen für Kurzzeitübernachtungen. Früher ging man ins Hotel. Heute gibt es dafür andere Plattformen, die dazu genutzt werden. All das gehört mit in diesen Bereich „Share Economy“.

Das kann große Chancen bieten. Aber Norbert Römer hat völlig zu Recht auch auf etwas anderes hingewiesen. Denn Dinge zu teilen, hat ja so einen romantischen Anstrich. Deswegen klingt das erst einmal alles so schön, mal mitfahren zu dürfen bei einem anderen und nicht das Taxi rufen zu müssen. Das klingt schön und hat einen romantischen Touch.

Aber darauf, womit wir es da im Kern am Ende zu tun haben, weisen glücklicherweise inzwischen viele hin, und zwar nicht nur Wissenschaftler; auch in der Literatur und an vielen anderen Orten finden sich entsprechende Beiträge. Wir haben es diesbezüglich mit einer gesellschaftlichen Entwicklung zu tun, die mir große Sorge bereitet. Das hat nämlich nichts mehr mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Das ist dunkelster Kapitalismus in Reinkultur. Das hat nichts mehr damit zu tun, dass Menschen in eine geordnete Perspektive kommen können, sondern das ist nur noch Selbstausbeutung zugunsten von ganz, ganz wenigen, die dann glauben, sie könnten

mit der Zurverfügungstellung dieser Plattformen die Probleme der Menschheit lösen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das geht so nicht. Deswegen müssen wir uns auch um solche Fragestellungen kümmern. Man muss da nichts kaputtregulieren. Das ist nicht unser Ansatz. Aber man muss eine gesellschaftliche Debatte darüber führen, was eine solche Entwicklung möglicherweise nach sich zieht.

Des Weiteren ist die Kreativwirtschaft und das, was in dem Bereich initiiert wird, angesprochen worden. In der Rede von Herrn Laschet kam das Wort „Content“ ein- oder zweimal vor. Wir haben auf der Bundesebene schon eine Content Allianz. Um das ein bisschen plastischer zu machen: Es geht darum, dass die Designer, die Buchautoren, die Musiker, aber auch diejenigen, die als Verlage oder als Sender an diesen Themen mitarbeiten, natürlich bei der Digitalisierung enorm herausgefordert sind, weil wir alle wissen, dass man sich bestimmte Dinge legal oder illegal besorgen kann. Wenn man sich einen Song herunterlädt, geht das legal, es gibt aber auch andere Wege. Die, die legal sind, sichern den Kreativen ein Einkommen.

(Zuruf von den PIRATEN: Schön wär‘s!)

Die, die illegal sind, tun dies nicht.

Deswegen geht es bei den von der Content Allianz aufgeworfenen Fragen zum Beispiel darum, wie das Urheberrecht so angepasst werden kann, dass es für die hier ansässige Kreativwirtschaft wieder eine entsprechende Perspektive bringt?

Ich bin davon überzeugt, dass diese Kreativen in unserem Land so etwas sind wie die Hefe im Teig unserer Wirtschaft.

Deshalb sollten wir, Herr Lindner, gemeinsam überlegen, welche Möglichkeiten es gibt, diejenigen zu unterstützen, die Kapital zur Verfügung stellen. Das haben wir mit unserer Start-up-Initiative mit auf den Weg gebracht, das bringen wir mit dem VentureCenter bei der NRW.BANK auf den Weg.

In Berlin gelten übrigens keine anderen steuerlichen Grundsätze als hier. Wenn Sie über Wowereit und Müller philosophieren, streuen Sie den Leuten Sand in die Augen. Darum geht es überhaupt nicht, sondern darum, ganz klar festzustellen, dass Ihr sogenanntes Hochschulfreiheitsgesetz zu null Verbesserung der Selbstständigenquote oder der Zahl der Gründungsinitiativen in diesem Land geführt hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Null: Das war das Ergebnis, das wir vorgefunden haben.

Mit den konkreten Maßnahmen, die Sie versuchen kleinzureden, helfen wir an den Universitäten, junge Menschen dafür zu mobilisieren und zu begeistern, den Weg in die Selbstständigkeit zu gehen.

Über den vierten Punkt, das Thema „Breitband und Breitbandausbau“, gibt es häufig die intensivsten Diskussionen. Es ist mehrfach dargelegt worden, dass wir unter den Flächenländern auf Platz eins sind. Ich verstehe nicht, egal, wer diese Diskussion führt – stellen Sie sich das mal im Fußball oder in irgendeiner anderen Sportart vor –, warum sich der Tabellenführer an anderen orientieren soll, die hinter ihm liegen?

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Für diese Logik gibt es keinen Grund. Wir schauen auf unser Land und nicht nach Bayern, nach Hessen.

(Armin Laschet [CDU]: Wo?)

Wir gucken – das ist in der Studie, die wir Ende März/Anfang April zur Verfügung haben, so angelegt – en détail in unser Land. Wo sind die weißen Flecken, die bisher nur 2 Mbit zur Verfügung haben? Inzwischen gilt der Ort, der nur 2 Mbit hat, als weißer Fleck. Wo gibt es Lösungsmöglichkeiten?

(Armin Laschet [CDU]: Das ist das Problem!)

Dieses detaillierte Hinsehen wird uns dazu führen – darauf hat die Ministerpräsidentin dankenswerterweise sehr genau hingewiesen –, nach intelligenten Lösungen zu suchen.

Ich will Ihnen eine Information geben, die wohl für die gesamte Debatte über Fördergelder gilt, egal aus welchem Topf Sie die öffentliche Förderung organisieren, ob aus EFRE, ELER oder der Gemeinschaftsaufgabe für regionale Wirtschaftsförderung: Kein einziger Antrag irgendeiner Kommune musste bisher abgelehnt werden. Alle intelligenten Lösungen, die von Kommunalpolitikern in Kürten, in Wermelskirchen, in Hövelhof oder wo auch immer in diesem Land auf den Weg gebracht wurden, konnten durch entsprechende finanzielle Mittel des Landes mitfinanziert werden. Kein einziger Antrag ist abgelehnt worden.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- nisterin Sylvia Löhrmann)

Bauen Sie also keinen Pappkameraden auf, als ob das Geld nicht reichen würde! Es geht vielmehr darum, über die Finanzierung aus Steuergeld hinaus gute Lösungen zu finden. Die Frau Ministerpräsidentin hat dies am Beispiel Wettringen deutlich gemacht. Man könnte andere hinzufügen wie Hamminkeln, wo Bürgerinnen und Bürger sich zusammengeschlossen haben, um das Problem zu lösen. Tatsache ist, dass nicht jeder Bürgermeister um das weiß, was andere vielleicht schon praktiziert haben. Der runde Tisch und das Papier, das wir, wie gerade erwähnt, in ein paar Wochen vorlegen werden, dienen dazu, diese Best-Practice-Beispiele zugänglich zu machen und intelligente Lösungen Realität werden zu lassen.

Herr Lindner hat ebenfalls eine Reihe von Punkten angesprochen. Wir kannten die meisten schon, weil man, wie sich das für Staatsbürger gehört, so ein Dreikönigstreffen verfolgt und mitbekommt, welche Rede Sie da halten. Man kennt auch Ihre Reden hier. In der analogen Zeit hätte man gesagt: „Ihre Platte hat einen Sprung“, weil sich alles wiederholt: Pepita, Stiefelknechte, die Garage in Castrop. Lassen Sie sich mal was Neues einfallen! Wir kennen diese Punkte alle rauf und runter. Das ist alt.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen von Christian Lindner [FDP])

Aber einen sehr wichtigen Punkt haben Sie erwähnt: Wie ist das gerade für Gründerinnen und Gründer mit der Bürokratie? Wie steht es mit der Belastung der Unternehmen?

Vielleicht haben Sie es nicht ganz so aufmerksam verfolgt – ich habe noch gar keine Kritik gehört –, aber wir haben in der letzten Woche nach einer intensiven Diskussion mit dem Vorsitzenden des Normenkontrollrates Dr. Ludewig etwas auf den Weg gebracht, mit dem wir wiederum an der Spitze der Bewegung stehen.

In ganz Deutschland gilt hinsichtlich der Auswertung von Bürokratiekosten das, was auf der Bundesebene gemacht wird: etwa das Standardkostenmodell; Sie kennen diese Diskussionen gut genug. Bisher wird das, was tatsächlich an Aufwand in den Unternehmen anfällt, der sogenannte Erfüllungsaufwand, auf der Länderebene – dort sitzen oft die entsprechenden Behörden, die Bundesrecht plus Landesrecht umsetzen -nicht berechnet. Es gibt – das hat Dr. Ludewig ausdrücklich unterstrichen – bisher nur ein einziges Bundesland, das sich an dieses Thema heranwagt, um den Erfüllungsaufwand für die Unternehmen zu messen, um danach die politischen Entscheidungen klüger treffen zu können: Nordrhein-Westfalen. Es macht ernst mit dem Thema „Erfassung von Bürokratiekosten und Abbau von Bürokratie“!

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- ruf von Ralph Bombis [FDP])

Das wird ja, wie Sie wissen, schrittweise erweitert. Das gilt beim Normenkontrollrat wie auch bei der Clearingstelle. Die haben diese Schrittfolge genauso eingehalten.

Manches können wir aber nicht alleine. Vieles von dem, was Sie zu Recht an Beschwernissen beschrieben haben, liegt nicht allein in unserer Hand. Deshalb sind wir voll und ganz an der Seite von Bundeswirtschaftsminister Gabriel, der vor wenigen Wochen einen Katalog von Maßnahmen vorgelegt und unter anderem vorgeschlagen hat, Gründerinnen und Gründer für ein paar Jahre – zwei oder drei – gänzlich von bestimmten Pflichten zu befreien. Genau das wollen wir real werden lassen. Das ist in der Großen Koalition in Berlin so auf den Weg gebracht worden und hat unsere ausdrückliche Un

terstützung. Da müssen wir nicht als Land irgendetwas frickeln, sondern wir unterstützen die Bundesregierung bei diesen Vorhaben, Gründerinnen und Gründer von Bürokratie zu entlasten.