Protocol of the Session on December 5, 2014

Weitere Festlegungen der Großen Koalition sind ebenso belastend. Ich nenne beispielhaft die Eckpunkte für die unzureichende EEG-Reform mit der weiterhin üppigen Subventionierung der Erneuerbaren ohne ausreichende Marktintegration, die Unsicherheit über das künftige Strommarktmodell oder das fehlende Bekenntnis zum europäischen Binnenmarkt.

Meine Damen und Herren, meine Vorredner haben die Entwicklung bei E.ON anders bewertet; das

steht ihnen sicherlich zu. Äußerst vermessen finde ich allerdings die Forderung der Kollegin Brems, die sie in einer Pressemitteilung am 1. Dezember geäußert hat. Ich zitiere:

„Jetzt muss auch RWE dem Beispiel von E.ON folgen und seine Konzernpolitik für die Zukunft neu ausrichten.“

Frau Kollegin Brems, E.ON hat eine Strukturentscheidung getroffen. RWE hat vor Jahren eine andere Strukturentscheidung getroffen. Auch dort wurden die erneuerbaren Energien in eine eigene Gesellschaft ausgegliedert. Diese bleibt aber im Konzernverbund. Ob man sich nun spezialisieren will – wie E.ON – oder ob man sich als integrierter Konzern – RWE betreibt im Gegensatz zu E.ON auch eigene Tagebauten – entlang der gesamten Wertschöpfungskette aufstellen will, sind Unternehmensentscheidungen,

(Beifall von Dr. Joachim Stamp [FDP])

die die Politik höchstens bewerten und kommentieren kann.

(Beifall von der FDP)

Aber aufzufordern, Unternehmensentscheidungen nach dem Willen der Politik zu richten, Frau Brems, ist Kommandowirtschaft erstens Ranges, und das lehnen wir absolut ab.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Kai Schma- lenbach [PIRATEN])

Und dies gilt erst recht, wenn dies von einer Vertreterin der Solarlobby kommt. Dann hat dies mit Sicherheit ein gewisses Geschmäckle.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren, natürlich stellt sich auch die Frage, was wir mit den Atomaltlasten machen. Gibt es ausreichend Sicherheiten?

Es ist legitim, die Fragen zu stellen, und sie müssen auch beantwortet werden. Aber es gibt auch Grenzen. Unlauter ist beispielsweise die Panikmache, die von der ehemaligen grünen NRW

Umweltministerin Bärbel Höhn ausgeht. Kurz nach der Pressekonferenz von E.ON kommentierte sie gegenüber dpa – ich zitiere –:

„Ich befürchte, dass E.ON eine Badbank für seine sieben Atomkraftwerke schafft, die von den Steuerzahlern gerettet werden muss.“

(Beifall von Kai Schmalenbach [PIRATEN] – Dietmar Schulz [PIRATEN]: So sieht es aus!)

Meine Damen und Herren, ich will festhalten: Unabhängig davon, welche Konzernstruktur gewählt wird, gilt für die Entsorgung von Atomanlagen das Verursacherprinzip, und dieses muss auch weiterhin gelten. Daher wird man auch darüber sprechen müssen, welche Sicherheiten ein Konzernverbund oder – bei Abspaltung – der bisherige Konzern geben muss.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Das hat schon immer gut geklappt!)

Das liegt allerdings in der Zuständigkeit des Bundes, und ich habe hier eher andere Konstellationen, zum Beispiel wie sie bei Vattenfall vorliegen, im Blick. Man sollte nicht vergessen: Bei E.ON gehen sämtliche der bisher gebildeten Atomrücklagen auf die neue Gesellschaft über. Das waren zum Stand 31. Dezember 2013 knapp 17 Milliarden €, und das entspricht dem, was unabhängige Wirtschaftsprüfer für notwendig, aber auch ausreichend halten.

(Dietmar Schulz [PIRATEN]: Wirtschaftsprü- fer? Aha!)

Zusätzlich stehen die Kraftwerke als Sicherheit bereit, und – das sollte man auch nicht vergessen – die Schulden von knapp 21 Milliarden € verbleiben bei E.ON und belasten die neue Gesellschaft daher nicht.

Von einer Badbank zu reden, halte ich daher für bewusste Irreführung. Es ist auch ziemlich widersprüchlich, meine Damen und Herren, die Wasserkraftwerke und Gaskraftwerke zu eine Badbank umzuwidmen. Schließlich sind es doch sonst immer die Grünen, die überall betonen, dass diese zukunftsbezogen sind, und die sich dafür einsetzen, dass diese mit Milliardensubventionen gefördert werden.

Meine Damen und Herren, E.ON hat eine Konzernumstrukturierung beschlossen. Ob es der richtige Weg ist, kann heute niemand wissen. Die Unternehmensentscheidungen haben wir aber zur respektieren.

Besonders erwähnen möchte ich noch, dass es anlässlich dieser Entscheidung keine betriebsbedingten Kündigungen geben wird, sodass ich hoffe, dass diese Entscheidung ohne negative Folgen für Beschäftigte und Steuerzahler bleibt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Herr Minister Remmel, ich möchte Sie gerne ausdrücklich daran erinnern,

(Anhaltender Beifall von der CDU und der FDP)

dass Zwischenrufe von der Regierungsbank sehr grenzwertig gesehen werden und grenzwertig werden, wenn sie dazu dienen, einen Redner persönlich zu verunglimpfen.

(Thomas Kufen [CDU]: Aha!)

Ihr Zwischenruf war in dieser Weise im Minimum zu verstehen. Ich bitte Sie, dies zukünftig zu unterlassen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat Frau Kollegin Brems jetzt das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ein bisschen anders anfangen. Ich bin der Meinung, die Hauptursache, die die großen Energieriesen in Finanznöte gebracht haben, ist nicht die Energiewende, die sie verschlafen haben, sondern die verpasste Digitalisierung. Warum? Na ja, große Strukturen, große Unternehmen unterliegen einem gewissen Risiko, an Altbewährtem zu lange festzuhalten, sich nicht auf neue Entwicklungen einzulassen und vielleicht auch etwas zu träge zu sein.

Die Physik kennt dieses Prinzip übrigens auch. Dort heißt es Trägheitsgesetz. Ein Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder der gleichförmigen Bewegung, solange die Summe aller auf ihn einwirkenden Kräfte null ist.

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Ich bin begeis- tert!)

Mit anderen Worten: Eine Änderung des Bewegungszustands ist immer erst über die Ausübung einer Kraft von außen möglich.

(Lukas Lamla [PIRATEN]: Fünfte Klasse!)

Die Energieversorger auf der ganzen Welt stehen schon Jahre Kräften von außen gegenüber. Diese haben sie verändert. Sie stehen vor Herausforderungen.

Das sind zum Beispiel Verbraucherinnen und Verbraucher, welche immer mehr zugeschnittene Lösungen verlangen. Denn was wir als Kundinnen und Kunden eigentlich brauchen, ist eine warme, beleuchtete Wohnung, ein laufender PC, ein kalter Kühlschrank fürs Bier, aber nicht so sehr das Produkt „Strom“ oder das Produkt „Gas“. Das heißt, darin liegen die zukünftigen Ausrichtungen von Unternehmen.

Eine weitere Herausforderung: Die Erzeugung liegt nicht mehr nur noch in der Hand weniger großer Unternehmen. Denn aufgrund der erneuerbaren Energien und einer Entwicklung zu kleineren flexibleren fossilen Anlagen sind immer mehr Stromerzeuger am Markt unterwegs. Diese Entwicklung sehen wir auf der ganzen Welt und nicht ausschließlich in Deutschland.

Um Deutschland herum hat es als Antwort darauf schon intelligente Vernetzungen von Erzeugung und Verbrauch gegeben und Einzug gehalten. In Italien, Skandinavien, den Benelux-Staaten, den USA und im vielen weiteren Ländern kommen nicht nur intelligente Zähler zum Einsatz, sondern intelligente Verbrauchssteuerungen, eine Lastspitzenabsenkung und auf Verbraucherinnen und Verbraucher zugeschnittene Lösungen sind dort gang und gäbe.

Und was ist in Deutschland? In Deutschland haben wir gleichzeitig immer noch bis zu hundert Jahre alte Zähler in unserem Keller und unsere Energieversorger setzen auf alte Kraftwerkstechnik, sie lassen sogar verlautbaren, dass es ohne die alte konventionelle Technik niemals gehen wird.

Ich sage Ihnen dazu: Auch vermeintliche Experten können sich irren. 1995 sagte Bill Gates: Das Internet ist nur ein Hype. – Das als Vergleich.

Noch Ende der 80er-Jahre redeten die großen Energieversorger der Bundesregierung und irgendwie auch uns allen ein, technisch sei es nicht möglich, mehr als 4 % ,erneuerbare Energien im deutschen Strommix zu haben. Sie sind eines Besseren belehrt worden. Den gleichen Leuten sollen wir nun heute glauben, eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien sei technisch nicht möglich? Ich finde, eine solche Einstellung ist technikfeindlich. Wir Grünen glauben an die neuen Technologien und setzen uns für sie ein.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf: Bravo!)

Nun, einer der vier großen Energieversorger schickt sich jetzt an zu beweisen, dass er den Dreh noch bekommt. E.ON will sich auf die Zukunftsbranchen konzentrieren, und das sind die von mir eben genannten: die erneuerbaren Energien und Kundenlösungen, eine Digitalisierung. Das Signal, das davon ausgeht, finde ich zunächst positiv, stellte doch Vorstandsvorsitzender Teyssen bei der Pressekonferenz am Montag fest: Die neuen Bereiche sind die, die schneller wachsen.

Und Wachstum, Herr Brockes, ist eigentlich bisher etwas gewesen, was die FDP gut fand. Dass Sie jetzt an dieser Stelle die größte Skepsis haben, finde ich schon erstaunlich. Mit diesen Wachstumsbereichen möchte die bekannte Marke E.ON nun verbunden werden.

Herr Kufen, auch Ihnen möchte ich noch sagen: Natürlich ist es eine wirtschaftliche Entscheidung von E.ON. Erneuerbare sind die Zukunft. Das hat E.ON verstanden, nur leider Ihre Bundesregierung immer noch nicht.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zu dem Thema, ich würde hier Vorschriften machen: Ich würde es persönlich den anderen Großunternehmen für ihre eigenes Überleben und auch den davon betroffenen Menschen, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, wünschen, sie würden sich ähnlich zukunftsfähig ausrichten und weitergehende Zukunftsentscheidungen treffen.