Protocol of the Session on December 5, 2014

Ach ja: Atomausstieg – da war ja noch etwas. Das hatten wir gestern schon. Es ging um verlässliche Politik, die immer nur gefordert, nie aber gemacht wird.

Der doppelte Rittberger von Angela Merkel beim Atomausstieg war so eine verlässliche Nummer. Die Two-Faces-Politik von Sigmar Gabriel gehört in die gleiche Kategorie. Die schönsten Beiträge in der Energiepolitik aber lieferten Altmaier und Rösler. Schön nach dem Muster „Good Cop/Bad Cop“ wurde ein politischer Eiertanz zelebriert, der seinesgleichen suchte. Alle drei Leistungen sind oscarreif.

(Beifall von den PIRATEN)

Ein Schritt vor, zwei zurück, und am Ende sind alle anderen schuld. Oder sie sind vielleicht nicht schuld, aber sie müssen halt die Zeche zahlen.

So hat man zuerst dafür gesorgt, dass die OffshoreBranche verunsichert war und hat dann dem Bürger die Kosten für die dortigen Fehlplanungen aufgebürdet. Beim Atomausstieg hat Schwarz-Gelb ohne Not den Salto rückwärts hingelegt und einen gut geplanten Ausstieg mal eben verworfen, nur um ihn ein paar Monate später erneut zu verkünden. Nach Fukushima wurde er kurzerhand beschlossen. Die CDU reklamiert den Ausstieg heute für sich. Ein Trauerspiel. Obendrein ließen die völlig vorhersehbaren Klagen der Betreiber nicht lange auf sich warten. Ergebnis: Am Ende zahlt’s der Steuerzahler.

Oder nehmen wir den Umbau des Wälzungsmechanismus: Da wird der EE-Strom 2010 an den Spotmarkt geschickt, und es ist klar, was passieren wird. Der Börsenpreis wird sinken, was die Kraftwerksbetreiber nicht freut, die Differenzkosten steigen und infolgedessen auch die EEG-Umlage, und die Politik schaut dabei zu, und die teure Energiewende wird geboren.

Statt diesen Problemen entgegenzuwirken, nutzen Teile der Politik das selber, um von der teuren Energiewende zu reden, allen voran die Antienergiewendeseparatisten bei der FDP. Nachdem es dann für fast alle schlecht war, dachte sich am Ende noch der Bundeswirtschaftsminister Gabriel: Halt, einer Gruppe geht es noch zu gut damit, dem Bürger. Da fällt uns doch bestimmt auch noch was ein. – Kurz darauf reden wir über eine Eigenstromsteuer und Ausschreibung für EE-Anlagen. Was darauf folgt, ist klar. Genau: Die Branchen der Erneuerbaren melden Umsatzeinbrüche und Arbeitsplatzverluste.

Genau da stehen wir heute. Die Politik hat nun wirklich jede einzelne Gruppe, die an der Energiewende beteiligt ist oder war, drangsaliert, ruiniert oder zumindest verärgert. In diese Stimmung hinein ruft E.ON: Wir haben genug!

Ich denke mir so: Überraschung! E.ON eröffnet damit eine neue Runde. Wenn die Regierung damit so umgeht, wie sie in den letzten zehn Jahren mit der Energiepolitik umgegangen ist, dann bin ich mir sicher, die Zeche zahlt am Ende der Bürger. Aber ich sage Ihnen was: Genau das darf eben nicht passieren. Der Bürger darf nicht schon wieder der Leidtragende sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Vor allem darf das nicht schon wieder der Energiewende angelastet werden. Ich appelliere da an die FDP, die Schuld nicht erneut den Erneuerbaren zuzuschieben. Denn was immer am Ende mit den fossilen Sparten der EVUs geschehen wird, sie alle haben gewusst, dass dieser Tag kommen wird. Das EEG ist entworfen worden, um diesen Tag zu erleben. Es war und ist der erklärte Wille, die Marktmacht der EVUs und damit die der fossilen Energiegewinnung zu brechen und erneuerbare Energien zu etablieren.

Nun stehen Sie auch dazu und gehen Sie endlich den nächsten Schritt. Machen Sie endlich jedem Beteiligten klar, dass die Uhr der Dinosaurierkraftwerke abläuft. Trauen Sie sich endlich, das Wort zu benutzen, das fällig ist. Wie heißt es? – Richtig: Kohleausstiegsgesetz.

(Beifall von den PIRATEN)

Trauen Sie sich endlich, darüber mit den EVUs zu verhandeln. Das ist überfällig. Schaffen Sie den Rahmen mit den EVUs, in dem die Erneuerbaren und die Fossilen für einen begrenzten Zeitraum koexistieren können. Machen Sie vor allen Dingen RWE klar, dass wir schon vor 2030 keine Braunkohleverstromung mehr benötigen werden. Sorgen Sie dafür, dass sich der Strompreis stabilisiert und die EEG-Umlage sinkt, indem Sie ältere Kohlekraftwerke stilllegen. Sorgen Sie dafür, dass der Schwarzbau Datteln 4 nicht ans Netz geht. Denken Sie darüber nach, die Erneuerbaren vielleicht nicht mehr nur am Spotmarkt zu handeln.

(Beifall von den PIRATEN)

Helfen Sie Gabriel, der endlich – da muss ich ihn vorsichtig loben – den Schritt gehen will, den Emissionshandel zu korrigieren. Vor allem aber: Sorgen Sie dafür, dass das am Ende nicht wieder wie bei den Banken läuft, frei nach dem Motto: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmalenbach. – Jetzt hat Herr Kollege Schmeltzer von der SPD-Fraktion das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Mir ist bei den Ausführungen der beantragenden Fraktionen aufgefallen, dass die Piraten einen Antrag zur Aktuellen Stunde sehr wohl zum Thema E.ON gestellt hat, reden aber nicht darüber, die andere Fraktion stellt einen Antrag für eine Aktuelle Stunde, den ich persönlich gar nicht zugelassen hätte, weil es sich in erster Linie um eine DIW-Studie handelt, redet aber über E.ON. Man muss einmal sehen, wie die beiden Fraktionen das demnächst hinbekommen.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, der Aufsichtsrat des Unternehmens E.ON hat am vergangenen Sonntag einen fundamentalen Strategiewechsel für das Unternehmen beschlossen. Es ist übrigens der dritte Strategiewechsel des Unternehmens innerhalb weniger Jahre.

Ende des letzten Jahrzehnts expandierte E.ON nach Europa. Nach hartem Kampf kaufte E.ON Anfang 2010 unter dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Wulf Bernotat Anteile an Energieunternehmen in Spanien und in Italien.

Nach 2010 expandierte der E.ON-Konzern auch außerhalb Europas. Symbol dafür ist die Gründung eines Joint Ventures zum Bau von Kraftwerken in Brasilien.

Diese Woche nun gibt das Unternehmen bekannt, die Unternehmensbeteiligung in Spanien ist verkauft, Italien wird folgen, die brasilianische Tochter verschwindet in einer neu zu gründenden Gesellschaft, in der Altes, Herr Kufen, Klassisches gebündelt wird.

Die beiden letzten Strategiewechsel wurden im Landtag nicht diskutiert. Im Übrigen ist auch keiner meiner Vorredner auch nur ansatzweise darauf eingegangen, wie E.ON sich in den letzten Jahren verhalten hat. Das ist diesmal anders. CDU und Piraten haben jeweils eine Aktuelle Stunde beantragt mit unterschiedlichen Intentionen, wie ich gerade sagte. Die Piraten beantragten eine zu E.ON, die CDU hintergründig zu den Versäumnissen in der Zeit von 2005 bis 2010. In der Tat, Herr Kufen, da fehlte der Schrittmacher, denn da hatten Sie fünf Jahre Herz

flimmern, weil nichts mehr bei den regenerativen Energien geschah.

Was ist nun an der neuen Strategie von E.ON anders? – Die neue Strategie bezieht sich ausdrücklich auf die Energiewende in Deutschland, und sie bezieht sich auf die durch diese Energiewende ausgelöste Dynamik der Marktveränderung. Das kann man nur begrüßen. E.ON flüchtet nicht vor der Energiewende. E.ON nimmt eine strategisch offensive Position zur Energiewende ein und handelt auch entsprechend. Das Unternehmen formuliert eine Strategie, die die Märkte für erneuerbare Energien, für Netze und für das Dienstleistungsgeschäft mit den Kunden als Wachstumsbereiche identifiziert. Der Vorstand hat angekündigt, dass sich das Unternehmen mit 40.000 Beschäftigten auf die Potenziale in diesen Zukunftsmärkten ausrichten wird.

Neben dieser neu ausgerichteten E.ON gründet das Unternehmen eine zweite, eine neue Gesellschaft für die klassischen Energiemärkte mit rund 20.000 Beschäftigten. Diese Gesellschaft bündelt die konventionelle Erzeugung mit 51 GW Erzeugungskapazität in ganz Europa, davon rund ein Drittel in Deutschland, den globalen Energiehandel und die Exploration und Produktion von Erdöl und Erdgas.

Mittelfristig ist die Abgabe des verbleibenden Minderheitsanteils an der neuen Gesellschaft vorgesehen. Die Abspaltung soll im Laufe des Jahres 2016 vollzogen werden. Beachtlich ist: Die Entscheidung zu diesem Strategiewechsel hat der Aufsichtsrat einstimmig mit den Stimmen der Eigner und der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften getroffen.

Was bedeutet das jetzt für Nordrhein-Westfalen? – Erstens. E.ON hat eindeutig klargemacht, dass mit der Abspaltung kein Personalabbau verbunden ist. An den bestehenden Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen wird festgehalten. Das heißt auch, der Beschäftigungssicherungsvertrag, der bis Ende 2018 betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, bleibt gültig. Das sorgt für einen verlässlichen Rahmen.

Zweitens, wichtig für Nordrhein-Westfalen: Der Hauptsitz bleibt im Rhein-Ruhr-Gebiet.

Drittens. Nicht zuletzt gilt es, die energie- und industriepolitische Bedeutung von Nordrhein

Westfalen zu erkennen. Nordrhein-Westfalen wird zukünftig zwei weitere Großunternehmen mit

40.000 bzw. 20.000 Beschäftigten haben, die sich darum bemühen, eine strukturelle Antwort auf den durch die Energiewende ausgelösten Wandel zu finden. Das ist gut, und das ist wichtig; denn neben kleinen und mittelständischen Unternehmen brauchen wir auch große, investitionsstarke Unternehmen, die neue Dynamik auslösen.

Die Veränderungen bei E.ON werden auch die Wahrnehmung und die Rolle Nordrhein-Westfalens in der Energiewende verändern. Eines lässt sich aus der E.ON-Entscheidung aber überhaupt nicht

ablesen, nämlich dass Nordrhein-Westfalen nun – wie die CDU behauptet – energiepolitisch ins Abseits gerät. Nordrhein-Westfalen ist kein Absteigerland, wie die CDU es herbeizureden versucht. Nordrhein-Westfalen ist das Land mit einer besonderen industriellen Struktur. Wir sind ein starker und moderner Industrie- und Energiestandort mit einem zukunftsfähigen Energiemix: erneuerbare Energien, Gas und Kohle, keine Atomkraftwerke. Dieses Land sucht und nutzt seine Chancen und Möglichkeiten. Es jammert nicht und wehklagt nicht.

Bei der Entscheidung, die Chancen schafft, gibt es natürlich auch Risiken. Der Weg, den das Unternehmen E.ON einschlagen will, wird sicherlich lang und steinig werden. Es wird Rückschläge und Schwierigkeiten geben. Das war allen klar. Aber vieles, was in dieser Woche unter Risiken diskutiert wird, gehört dort gar nicht hin. So meinen doch manche, es drohe nun das Aus für fossile Kraftwerke in Deutschland. Das ist Quatsch. Es ist und bleibt bei der Abschaltung alter Atomkraftwerke. Völlig klar, dass bis zur vollständigen Deckung des Strombedarfs durch die Erneuerbaren fossile Kraftwerke nach wie vor benötigt werden.

Andere wollen jetzt die Diskussion über die Rückstellung für den Atomausstieg führen. Tatsächlich gehört der Rückbau der AKWs und die Endlagerung des Atommülls zu den großen Herausforderungen der Energiepolitik. Manche sind jetzt auch schon wieder dabei, anderen Energieunternehmen zu empfehlen, was diese zu tun oder zu lassen hätten.

(Beifall von Thomas Kufen [CDU] – Dietmar Brockes [FDP]: Ihr Koalitionspartner!)

Ich kann nur dazu raten, die jeweils besondere Position und Situation der Unternehmen in der Dynamik der Energiewende wahrzunehmen und die Entscheidung den verantwortlichen Unternehmen und den dafür zuständigen Gremien zu überlassen.

E.ON hat eine mutige Entscheidung getroffen. Diese Entscheidung ist auch ein Beweis des Vertrauens des Unternehmens in die Energiewende und in den Standort Nordrhein-Westfalen. Sie belegt die Fähigkeit, auch mutige Entscheidungen einvernehmlich und im Dialog zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern zu führen. Es beginnt schon bald eine Übergangsphase, in deren Verlauf etliche Klärungen vorzunehmen sind, auch uns, der Politik, gegenüber in diversen Gesprächen.

Es ist gut, dass das Unternehmen seinen Beschäftigten kontinuierliche Beratung und Abstimmung während der Übergangsphase sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene zugesichert hat. Die SPD-Fraktion unterstützt dies und steht den Partnern, allen Partnern, jederzeit zum Dialog zur Verfügung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Brockes das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Als ich die Nachricht von der Aufspaltung E.ONs vernahm, ging es mir wahrscheinlich wie so vielen anderen: Ich habe sie mit einer gewissen Sorge vernommen. Der Branchenprimus gibt auf, kehrt der Marktwirtschaft den Rücken und begibt sich vollends in die Subventionswirtschaft und damit in den Einflussbereich der Politik. Künftig richten sich Konzernbilanzen nach EEGVergütungssätzen und durchregulierten Netzentgelten.

(Minister Johannes Remmel: Jammerlappen! Das hört sich nach Jammerlappen an!)

Um Marktwirtschaft und Wettbewerb, Herr Minister Remmel, sollen sich andere kümmern.

(Minister Johannes Remmel: Jammerlap- pen! – Dr. Joachim Stamp [FDP]: Herr Minis- ter, Sie dürfen gleich auch noch mal!)

Am Subventionstropf lässt es sich auch ganz gut leben. Wenn man dazu noch berücksichtigt, dass diese Entscheidung bereits vor einem Jahr vorbereitet wurde, dann ist klar, dass die Politik der Großen Koalition nicht unschuldig an dieser Entscheidung ist.

Ich rufe noch einmal die energiepolitischen Festlegungen im Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD in Erinnerung. Dazu gehört die Abkehr von der europäischen Energie- und Klimapolitik hin zu einem nationalen Alleingang, der eine Belastungsprobe für Wirtschaft und Verbraucher ist. Inzwischen ist es sogar so weit, dass deutsche Kohlekraftwerke stillgelegt werden müssen, damit Kohlekraftwerke im europäischen Ausland länger am Leben erhalten werden. Hauptsache, auf dem Papier werden die Ziele erreicht.

Hierbei, Herr Kollege Schmeltzer und auch Herr Minister Duin, macht es überhaupt keinen Unterschied, ob die Politik quasi selbst den Ausschalter drückt und Zwangsabschaltungen befiehlt oder ob – so sehen es ja die Pläne von Herrn Gabriel vor – die Politik den Unternehmen die Pistole auf die Brust setzt und die Unternehmen dann selbst den nötigen Schalter drücken.

Weitere Festlegungen der Großen Koalition sind ebenso belastend. Ich nenne beispielhaft die Eckpunkte für die unzureichende EEG-Reform mit der weiterhin üppigen Subventionierung der Erneuerbaren ohne ausreichende Marktintegration, die Unsicherheit über das künftige Strommarktmodell oder das fehlende Bekenntnis zum europäischen Binnenmarkt.