Protocol of the Session on November 5, 2014

(Beifall von der CDU, der FDP und den PIRATEN)

Die Redezeit.

Derselbe Chefredakteur sagt weiter:

„Jeder kann irren. Aber wer der Öffentlichkeit Sand in die Augen streut, riskiert ihr Vertrauen.“

Frau Ministerpräsidentin, Sie sagen: Das ist der beste Innenminister, den ich habe, und ich halte an ihm fest.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Sie hat doch nur einen!)

Damit sind Sie in der Verantwortung, uns zu erklären, wie Sie in Zukunft die innere Sicherheit in Nordrhein-Westfalen sicherstellen wollen. Wir erwarten, dass Sie vor den Landtag treten und zu dieser wichtigen Frage eine Regierungserklärung abgeben und sich nicht weiter wegducken und diesen Innenminister in dieser Form decken.

(Anhaltender lebhafter Beifall von der CDU – Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Laschet. – Für die FDP-Fraktion hat Herr Kollege Dr. Orth das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit „Immer wieder Jäger“ könnte man diesen Tagesordnungspunkt auch überschreiben. Immer wieder ist es der Verantwortungsbereich des Innenministers, der uns Anlass gibt, sich damit zu beschäftigen.

Deutschland und die Welt schauen auf NordrheinWestfalen, aber die Bilder sind leider keine Werbebotschaften, Herr Minister. Ich war mit einer deutsch-chinesischen Delegation in China. Ich kam in dem Moment zurück, als noch aufgeräumt wurde. Ich war in der Nacht, als es passiert ist, im Flugzeug. Als ich am Kölner Hauptbahnhof umgestiegen bin, wusste ich eigentlich von nichts. Es hat aber keine drei Minuten gedauert, da war ich im Bilde,

was passiert war. Die schlimmen Ereignisse waren das Gesprächsthema am Bahnhof und im Bahnhof. Die Menschen waren noch am nächsten Morgen verunsichert,

(Beifall von Dietmar Brockes [FDP])

und das in einem Land, meine Damen und Herren, in dem vier Millionen Menschen mit Migrationshintergrund leben, in dem wir alle die NSU-Morde leider beklagen mussten und nicht verhindern konnten, in dem wir Übergriffe durch Sicherheitsmitarbeiter in Asylbewerberheimen feststellen mussten. Und dann stellen Sie sich hierhin, Herr Minister, und sagen, das polizeiliche Konzept habe funktioniert. Meine Damen und Herren, das ist eigentlich nur erbärmlich.

(Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Setzen Sie sich doch mit der Realität auseinander! Sie vertonen öffentlich, Neonazis auf die Springerstiefel treten zu wollen. In Köln, meine Damen und Herren, wurden Polizeibeamte, Reisende, Anwohner, Mitarbeiter der Unternehmen und Journalisten getreten. Das ist die Realität in Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es haben nicht irgendwelche Fußballfans – insofern wird die Bezeichnung „Hooligan“ missbraucht – demonstriert. Vielmehr waren es Leute wie SS-Siggi aus Dortmund, Heimatschutz-Mitglieder, Rocker und ähnliche. Aber auch zu Rockern pflegen Sie ja die Nähe, Herr Minister. Letztens wurden Sie mit Rockern in Duisburg fotografiert; das konnten wir in der „Bild“-Zeitung sehen. Ich glaube, Sie wissen nicht immer, wo Sie die richtigen Freunde und Feinde haben.

(Stefan Zimkeit [SPD]: Schlechte Rede!)

Man muss sich auch einmal vor Augen halten, was in der Woche vor der Veranstaltung in Köln passiert ist. Es gab eine Innenausschusssitzung, in der das Ganze thematisiert wurde. Es wurde darüber gesprochen, was am Wochenende in Köln passiert. Und was war? Es hieß: Wir haben alles im Griff.

Sie haben dann auch am Montagmorgen nach den Geschehnissen – das wurde hier schon erwähnt – gesagt: Wir hatten alles im Griff. – Tatsächlich sind Sie aber von 700 Teilnehmern ausgegangen. Es waren aber 4.000. Herr Minister, warum wussten Sie nicht, dass viel mehr kommen würden? Bitte erklären Sie uns die Diskrepanz zwischen dem, was wir alle bei „Westpol“ sehen konnten – Sie sind von 700 Teilnehmern ausgegangen –, und den tatsächlich erschienenen 4.000 Demonstranten oder besser gesagt Schlägerinnen und Schlägern, meine Damen und Herren.

Ich glaube, Sie haben die Realität nicht wirklich ernstgenommen. Sie betreiben Schönfärberei in all

Ihren Politikbereichen. Sie relativieren die Einbruchsserien. Sei relativieren einfach alles. Und auch hier relativieren Sie einmal mehr die Lage. Leider holt Sie die Wirklichkeit ein. Ihre Schönfärberei lassen wir Ihnen auch nicht mehr durchgehen. Selbst Ihre eigenen, Ihnen doch nahe stehenden Herren von der GdP – beispielsweise Herr Plickert – sagen: So ein Einsatz mit so vielen Beamten kann doch nicht erfolgreich verlaufen sein!

Was sagen Sie denn Herrn Plickert? Wie wollen Sie ihm weismachen, dass das alles toll war? Oder was sagen Sie dem Kölner Oberbürgermeister, ebenfalls Ihr Parteifreund? Was sagen Sie dem grünen Landesvorsitzenden Sven Lehmann? Was sagen Sie der Fraktionsvorsitzenden der Grünen im Stadtrat? – Alle sagen: Dass kann doch nicht sein, was hier alles passiert ist.

Meine Damen und Herren, das war einer der schwärzesten Tage für die Innenpolitik in NordrheinWestfalen. Es war eine große Ansammlung von rechtem Gesindel. Ich würde mir wünschen, dass der Innenminister hier deutlich kleinmütiger vor die Kameras tritt, dass er Lösungen anbietet, dass er sagt, wie so etwas in Zukunft verhindert wird. Ansonsten ist das Ganze ein Offenbarungseid für den Rechtsstaat.

Herr Minister, wenn die Verantwortung so schwer auf Ihren Schultern lastet, sollten Sie auch einmal darüber nachdenken, ob Sie sich nicht selbst von dieser Verantwortung erlösen. Das können Sie in einer Demokratie jeden Tag. Es gibt keine Mindestverweildauer im Ministerium, wenn es Ihnen einfach zu viel wird.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Wenn wir hier ins Detail gehen wollten, dann könnten wir noch darüber sprechen, warum die Reiterstaffel nicht eingesetzt wurde, warum nicht Hunde eingesetzt wurden, warum nicht die Personalien festgestellt wurden, warum viel weniger Polizistinnen und Polizisten als bei einem ganz normalen Fußballspiel im Einsatz waren. All diese Fragen sollten Sie sich stellen. Aber am besten wäre es, Herr Minister, wenn Sie zunächst einmal auf den ersten Punkt eingingen: Wenn die Verantwortung für Sie zu schwer ist, dann befreien Sie sich doch von ihr! – Herzlichen Dank.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Danke, Herr

Dr. Orth. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Yetim.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal will ich den Polizeibeamtinnen und -beamten herzlich danken, die in Köln bei ihrem Einsatz für NordrheinWestfalen von den Gewalttätern verletzt wurden.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und den PIRATEN)

Ich will ihnen ganz herzlich dafür danken, dass sie sich diesem Mob entgegengestellt haben und Schlimmeres verhindert haben. Ich sage „Schlimmeres“, weil wir alle – und ich glaube, davon nehme ich keinen aus – von diesen Gewaltexzessen überrascht wurden. Der eine oder andere weiß es zwar besser, aber ich glaube, die Mehrzahl der Bürgerinnen und Bürger wurde von dem, was dort passiert ist, überrascht: eine Zusammenrottung von Hooligans, Nazis und anderen, die ihre Fremdenfeindlichkeit, ihre Islamfeindlichkeit und ihren Hass auf unsere Gesellschaft ausleben wollten.

Sie sind zusammengekommen, um ihre rechte Gesinnung gegen Migrantinnen und Migranten, gegen den Islam, gegen eine angebliche Überfremdung auszudrücken – und das durch Gewalt. Oder sie sind einfach nur gekommen, um zu prügeln; aus dem gesamten Bundesgebiet und sogar aus Nachbarstaaten sind Menschen gekommen, um sich zu prügeln.

Anstatt über diese neue Dimension von Gewalt, von Hass auf unsere Gesellschaft zu sprechen, diskutieren wir hier Anträge der Opposition, die so etwas von durchsichtig sind, dass ich es an der Stelle mittlerweile wirklich leid bin.

(Beifall von der SPD – Zurufe von der CDU: Oh! Unglaublich!)

Sie versuchen, die Regierung anzugreifen. Sie versuchen, den Innenminister anzugreifen. Das spiegelt sich in diesen Anträgen ziemlich deutlich wider, Herr Kollege Laschet.

(Widerspruch von der CDU)

Anstatt einmal darüber zu reden, warum sich junge Menschen diesem Hass und dieser Gewalt anschließen, diskutieren wir über Anträge, die es nicht wert sind.

(Zurufe von der CDU: Wie bitte? Unglaublich! Das bestimmen nicht Sie!)

Die Frage ist doch: Wie schaffen wir es, diesen Nazis und Hooligans den Boden zu entziehen?

(Zurufe)

Darüber sollten wir uns unterhalten

(Armin Laschet [CDU]: Macht es doch!)

und nicht versuchen, hier so durchsichtige Anträge zu diskutieren.

Ich will auf die Anträge noch näher eingehen. Die Piraten sprechen in ihrem Antrag von einem gescheiterten Einsatz, weil es keine Manndeckung gab.

(Daniel Düngel [PIRATEN]: Weil der großar- tig war, Herr Kollege Yetim!)

Hätten wir vielleicht 4.000 Polizistinnen und Polizisten einsetzen sollen? Ich glaube, wenn wir geahnt hätten, was da auf uns zukommt,

(Josef Hovenjürgen [CDU]: Sie haben doch alles gewusst!)

wäre das wahrscheinlich auch ganz anders aufgezogen worden.