Protocol of the Session on July 4, 2014

(Zuruf von Rainer Schmeltzer [SPD])

Insofern wird der Energieminister jetzt auch „Butter bei die Fische“ packen müssen, wie man im Ruhrgebiet sagt. Auf diese Debatte freue ich mich. Das ist viel wichtiger als Rückzugsgefechte über das, was beschlossen wurde. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kufen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Liebe Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, als ich diesen Antrag für die Aktuelle Stunde gesehen habe, da habe ich mich kurz gefragt: Wenn die FDP doch gegen das EEG ist, warum hat sie dann in der letzten Woche im Bundestag nicht dagegen gestimmt? Dann ist es mir wieder eingefallen. Deshalb ist der Anlass dieser Debatte natürlich wieder klar. Sie sind ja gar nicht mehr im Bundestag und müssen daher die parlamentarische Debatte auf das nächstgrößte Parlament verlagern. Gut, erneut und immer wieder. Dann tun wir das an dieser Stelle.

(Beifall von den GRÜNEN – Zuruf von Diet- mar Brockes [FDP])

Herr Brockes, bleiben Sie erst einmal ganz ruhig. An einer Stelle muss ich Ihnen zustimmen: Das Eiltempo, mit dem das EEG durch den Bundestag gepeitscht wurde, hat leider zu einer Schlampigkeit geführt. Ich finde es, ehrlich gesagt, peinlich, dass innerhalb weniger Tage erste Korrekturen notwendig sind. Das zeigt nicht gerade, dass hier ordentlich und sauber gearbeitet wurde.

Damit hören dann schon die Gemeinsamkeiten auf. Denn ich finde, die FDP ist auch bei diesem Thema auf einem Auge blind. Sie sprechen von Investitionssicherheit und Arbeitsplatzsicherheit – ja, richtig. Aber für Sie sind das nur Investitionen und Arbeitsplätze in der konventionellen Energiewirtschaft. Ihnen scheinen beispielsweise 26.000 Arbeitsplätze in der Branche der erneuerbaren Energien in Nordrhein-Westfalen vollkommen egal zu sein.

(Beifall von den PIRATEN)

Zur Investitionssicherheit gehören für uns Grüne eben nicht nur wie bei der FDP eine Branche, sondern auch Investitionssicherheit für Bürgerinnen und Bürger, für Genossenschaften und auch für die Branche der erneuerbaren Energien.

Die erneuerbaren Energien haben in der heutigen Debatte, finde ich, bisher eine viel zu kleine Rolle gespielt. Herr Kufen, Sie haben eben Kritik daran geübt, das EEG hätte bisher dem Klima nicht geholfen. Dann sagen Sie im nächsten Satz direkt: Der Deckel der erneuerbaren Energien ist richtig – Sie haben es Ausbaupfad genannt. Genau das ist das

Problem. Ein Deckel für erneuerbare Energien sichert Marktanteile gerade für Kohlekraftwerke und hilft deswegen natürlich nicht dem Klima. Deswegen ist diese Stelle auch deutlich zu kritisieren.

Wenn Sie dann auf der anderen Seite kritisieren, dass das EEG dem Klima nicht geholfen habe, dann haben Sie da einfach zwei Sachen vollkommen durcheinander gebracht. Sie kritisieren hier Sachverhalte an komischer Stelle.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich finde, dass bei dem jetzigen Erneuerbare-Energien-Gesetz an vielen Stellen die Investitionssicherheit zu kurz kommt. Und weil die erneuerbaren Energien bisher eine so geringe Rolle in der Debatte gespielt haben, möchte ich hier einige Beispiele bringen.

Ganz genau hingeschaut, wird nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz jetzt der Einspeisevorrang faktisch ausgehebelt. Dazu ist eine Formulierung enthalten, bei der wir nicht genau wissen: Was wird das für Auswirkungen in den nächsten Jahren auf den Markt haben? Denn Erneuerbare-EnergienAnlagen sollen dann keine Vergütung mehr bekommen, wenn über sechs Stunden negative Preise herrschen. Das klingt vielleicht auf den ersten Blick logisch, ist aber, ehrlich gesagt, für mich nicht nachvollziehbar.

Denn eigentlich sind an negativen Börsenpreisen beim Strom Kraftwerke schuld, die nicht regelbar sind oder kaum regelbar sind, erneuerbare Energien, die nicht auf die Vorhersagen, die wir dazu haben, reagieren: wann die Sonne scheint oder wann der Wind weht.

Dann haben wir zu viel Überkapazität im Netz. Das große Problem besteht also darin, dass die großen Kraftwerke – gerade die Braunkohlekraftwerke und die Atomkraftwerke – nicht regelbar sind. Das sorgt für negative Preise. Dass dafür dann die Betreiber der Erneuerbare-Energien-Anlagen bestraft werden, ist für mich nicht nachvollziehbar. Das ist eine faktische Aushebelung des Einspeisevorrangs, der überhaupt erst die erneuerbaren Energien in Deutschland groß gemacht hat.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir haben hier schon viel über das Thema „Eigenstrom“ gehört. Ich möchte an dieser Stelle noch ergänzen: Auch hier gibt es ein Problem für die erneuerbaren Energien und ganz speziell für den Solarstrom. Solaranlagenbetreiber sind auch von der Regelung betroffen, in Zukunft nicht mehr von der Zahlung der EEG-Umlage befreit zu sein. Die ganz kleinen Häuslebauer sind davon befreit. Wo aber hat in den letzten Jahren eine große Entwicklung im Photovoltaikbereich stattgefunden? Beispielsweise bei Landwirten und bei Supermärkten. All diese sind jetzt auf einmal nicht mehr befreit. Das ist auch an dieser Stelle ein Aspekt der Investitionssicherheit. Auch da ist die Frage zu stellen: Wie geht es da ab 2017 weiter? Dazu ist meine Bitte, nicht nur auf die

konventionelle Energietechnik zu schauen, sondern eben auch die Erneuerbaren im Blick zu haben.

Zu guter Letzt komme ich zum Thema der Ausschreibungsverfahren. Hierauf ist Herr Kufen eben schon eingegangen und hat gesagt, dass wir mehr Wettbewerb bekommen. Jetzt ist aber die Frage: Wie soll das Ganze funktionieren? Es steht im Gesetz, dass es ein Pilotprojekt geben soll. Damit könnte ich mich noch einverstanden erklären. Man weiß nicht, wie das Pilotprojekt ausgehen wird. Weiter wird nicht gesagt, dass es eine unabhängige Auswertung geben soll. Trotzdem soll die Ausschreibung laut Gesetz auf jeden Fall eingeführt werden. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Bisher gibt es in allen Ländern, in denen solche Ausschreibungsverfahren eingeführt wurden, eben nicht günstigere Preise für erneuerbare Energien. All das, was damit erreicht werden soll, wurde bisher in keinem anderen Land erreicht. Wie wir das hinkriegen sollen, ist also vollkommen unklar. Die nächste Zeit wird das zeigen.

Ich finde, an der Stelle besteht das Problem darin, dass es eine erhebliche Unsicherheit für Bürgerprojekte gibt; denn gerade kleine Projekte bzw. kleine Stadtwerke werden mit diesem Verfahren vollkommen überfordert sein, wenn man es nicht sehr, sehr einfach gestaltet.

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es stehen noch viele Aufgaben im Hinblick auf den erfolgreichen Ausbau der erneuerbaren Energien an. Wir müssen ein irgendwie verändertes Marktdesign haben. Herr Kufen hat eben gesagt, dass wir das endlich brauchen. Wir Grüne sagen das schon seit einiger Zeit. Vermutlich haben wir unterschiedliche Auffassungen, wie genau das aussehen soll. Dass aber nun endlich auch andere bereit sind, darüber zu reden, zeigt, dass wir da immer auf der richtigen Fährte gewesen sind.

Liebe Damen und Herren, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Ich wünsche Ihnen, liebe FDP, dass Ihre Blindheit auf dem Erneuerbare-EnergienAuge langsam geheilt werden kann. Vielleicht gelingt das ja über die Sommerpause. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Brems. – Für die Fraktion der Piraten spricht Herr Kollege Schmalenbach.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier und zu Hause! Vorab: Frau Brems, ich hätte es ganz gut gefunden, wenn Sie mir Ihre Rede einen Tag vorher gegeben hätten. Dann hätte ich die Parts, die sich überdecken, aus

meiner Rede herausstreichen können. So muss ich es jetzt trotzdem bringen.

(Zurufe: Nein! – Weiterer Zuruf: Wir haben um 18 Uhr Anstoß!)

Okay, ich komme zum Thema „Große Koalition beschließt EEG-Reform mit verheerenden Folgen für den Industriestandort NRW – Rot-grüne Landesregierung schaut bisher tatenlos zu“. So heißt der Antrag der FDP. Ich finde, schon die Überschrift ist falsch. Gemessen daran, auf was sich die Argumentation gegen die Energiewende meist beschränkt – nämlich „not in my backyard“ –, wäre die korrekte Überschrift für den FDP-Antrag eher: „Energiewende not in my Wirtschaftsraum“.

Das Gesamtergebnis dieser Reform ist aus unserer Sicht schlecht. Es ist vorwiegend nicht schlecht für die Industrie, sondern für die Energiewende. Das gilt es zu beklagen – nicht, dass die Industrie marginal an den Kosten beteiligt werden soll. Es soll einen „atmenden Deckel“ nun auch für Windenergieprojekte geben. „Atmender Deckel“ klingt toll. Was aber bedeutet das? Es bedeutet, dass die Windenergieprojekte zukünftig Probleme bei der Finanzierung bekommen werden. Denn wer sagt den Interessenten denn, ob sich ihr Projekt am Ende refinanziert?

Viel wichtiger ist aber die Frage, wie er es dem Kreditinstitut belegen soll, das die Finanzierung übernehmen soll. Bei einer Planungszeit von zwei Jahren und – bedingt durch den „atmenden Deckel“ – möglicherweise sinkenden Bezügen wird es schwer, die ohnehin nicht so rosige Rendite bei Windrädern so darzustellen, dass die Interessenten die Gelder bekommen, um ein Windrad zu bauen.

Das Ergebnis wird sein, dass die Finanzierung von Windenergieprojekten denen vorbehalten bleibt, die es sich auch erlauben könnten, ein paar Jahre auf Rendite zu verzichten. Das trifft sicher nicht auf die kleinen Projekte engagierter Bürger zu. Hier wird der Markt also massiv an die Unternehmen übergeben. Als ob das noch nicht genug ist, packt die Bundesregierung noch ein Ausschreibungsmodell ab 500 kW hinzu – also eine weitere Hürde für engagierte Bürger.

Eine Studie der IZES kommt gar zu dem Ergebnis, dass die Ausschreibungen weder zu sinkenden Kosten führen werden noch dazu, dass die Energiewende vorangetrieben wird. Die Autoren der Studie gehen noch weiter. Sie sagen zum Beispiel, dass kleine und mittelgroße Anbieter mit großer Wahrscheinlichkeit keine Chance zur Marktteilnahme haben. Auch aus dieser Änderung spricht also die tiefe Sehnsucht, die Energiewende nicht dem Bürger zu überlassen. Mit aller Macht soll das Stromoligopol am Leben erhalten werden.

Ich nenne noch ein Beispiel: Die 10-kW-Grenze für PV-Anlagen beim Eigenstromverbrauch liegt viel zu niedrig. Auch damit werden gerade die Zusammen

schlüsse zu kleineren Bürgerenergieprojekten aufs Korn genommen. Der Entwurf ruft uns auch da entgegen: „Der deutschen Industrie gewidmet“.

Ich sage Ihnen einmal, wie das alles auf mich wirkt: Die Politik hier und in Berlin strampelt sich ab, das sinkende Schiff der Energieerzeuger über Wasser zu halten. Immer wieder werden dazu Arbeitsplätze instrumentalisiert. Immer wieder ist die Rede von wegfallenden Arbeitsplätzen. Niemand aber stellt sich den Realitäten; denn auf lange Sicht werden diese Arbeitsplätze wegfallen.

Wir wollen doch die Energiewende und weg von den fossilen Energieträgern. Oder etwa nicht? Wenn wir die Energiewende wollen, werden wir damit umgehen müssen, dass diese Arbeitsplätze wegfallen werden. Statt sich permanent hinzustellen und zu sagen: „Um Himmels willen, das geht nicht, wir brauchen die Arbeitsplätze“, sollten Sie endlich den Schritt wagen, sich dem anstehenden Strukturwandel zu stellen und ihn konstruktiv zu begleiten.

(Beifall von den PIRATEN)

Sorgen Sie jetzt dafür, dass hier in NRW neue Arbeitsplätze in den Zukunftsbranchen der Energiegewinnung entstehen. Schauen Sie, wie lange wir die fossilen Energieträger realistisch gesehen noch brauchen, und begleiten Sie den Ausstieg daraus. Das dürfen Sie dann von mir aus auch „Masterplan“ nennen. Denn das wäre in der Tat mal einer.

Ich vermute ja, dass Ihnen die Beteiligungen der Kommunen bei RWE weit mehr Sorgen machen als die Arbeitsplätze, die Sie hier immer wieder nach vorne schieben. Aber auch dabei wäre es falsch, das Schiff über Wasser halten zu wollen, weil Sie nämlich kostbare Zeit verschwenden.

Ich sage Ihnen, wie das aussieht: Das Schiff sinkt und Sie schnallen permanent Heliumballons an die Reling, um es vom Sinken abzuhalten, anstatt die Passagiere, nämlich die Kommunen und die Arbeitsplätze, von Bord zu holen. Bis Sie realisiert haben, dass es zu spät ist, können Sie nur noch zuschauen, wie es versinkt.

Wir möchten nicht, dass es so kommt. Daher noch einmal der Appell: Beginnen Sie jetzt, den Ausstieg aus den fossilen Energieträgern zu planen! Tun Sie alles, um die wegfallenden Arbeitsplätze mit den Zukunftsbranchen der Erneuerbaren zu kompensieren! Schauen Sie nicht zu, wie das Schiff versinkt! Und vor allem: Stehen Sie endlich zu einer Energiewende in Bürgerhand,

(Beifall von den PIRATEN)

weg von Konzerngewinnen hin zu kommunaler Wertschöpfung mit sauberer Energie! – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Landesregierung spricht Herr Minister Remmel.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich seit fast 19 Jahren hier im Landtag reden darf. Man geht ja landläufig davon aus, dass man mit zunehmendem Alter etwas ruhiger wird. Aber ich muss sagen: Wenn ich so auf meine innere emotionale Temperierung schaue, dann funktioniert das noch ganz gut bei mir.

Ich kann mich selten an einen Antrag zu einer Aktuellen Stunde erinnern oder an einen Antrag im Plenum, der im Prinzip so aufregend ist wie dieser Antrag heute.

Dass die FDP verantwortungsscheu ist, das wusste ich schon immer. Aber dass sie durch und durch verantwortungslose Gesellen sind, das haben Sie heute mit diesem Antrag dokumentiert.