Protocol of the Session on May 15, 2014

Es kann und darf nicht sein, dass wir als direkter Nachbar der Niederlande, die wir uns bereits lange und intensiv mit diesem Thema beschäftigt haben, nicht beteiligt werden sollen.

Folgerichtig und konsequent ist unsere gemeinsame Forderung in diesem Antrag, der uns heute vorliegt, dass der direkte Austausch mit der niederländischen Regierung zum Schutze unseres Grund- und Trinkwassers gesucht wird. Die Niederlande müssen uns gegenüber ihre Pläne offenlegen.

Ebenso folgerichtig ist auf der Grundlage unserer Erkenntnisse, unserer Gutachten, unserer Beschlüsse sowohl im Landtag als auch im Bundesrat als auch in den vielen Ausschüssen des Bundesrates, dass die Landesregierung eine entsprechende Stellungnahme für das Land Nordrhein-Westfalen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger abgibt.

Richtig ist es auch, dass sich Bundesumweltministerin Hendricks geäußert hat, die das Vorhaben der Niederlande als inakzeptabel beurteilt.

Es wäre meines Erachtens grob fahrlässig, wenn wir nicht jede erdenkliche Möglichkeit nutzen würden, die Vorhaben zum Fracking seitens der Nachbarn aus den Niederlanden zu verhindern.

Sicher ist, dass unsere Erkenntnisse Einfluss nehmen sollen. Neben der notwendigen niederländischen Umweltverträglichkeitsprüfung ist dies unerlässlich. Wir sind sicherlich gerne bereit, all unsere Erkenntnisse, gutachterliche wie auch sonstige, den Kolleginnen und Kollegen in den Niederlanden zur Verfügung zu stellen.

Unser höchstes Gut, das Trinkwasser, gilt es auf allen Ebenen zu schützen. Das gilt auch für die Niederlande, insbesondere wenn Nordrhein-Westfalen und seine Bürgerinnen und Bürger negativ gesundheitsgefährdend betroffen sein können.

Deswegen unsere klare Aufforderung in diesem Antrag. Ich glaube, wir werden eine sehr breite Mehrheit in diesem Hause haben, um das auch der niederländischen Regierung gegenüber zu dokumentieren. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Schmeltzer. – Für die CDU-Fraktion spricht Herr Kollege Hovenjürgen.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass

ich dem Kollegen Schmeltzer zustimme. Heute ist einer dieser seltenen Tag. Ich stimme ihm zu.

Wir haben ein gemeinsames Interesse hier in Nordrhein-Westfalen, dass das, was in den Niederlanden geplant wird, kritisch hinterfragt und noch einmal ernsthaft durchdacht und natürlich auch Rücksicht auf die Nachbarschaft, auf Nordrhein-Westfalen, auf die angrenzenden Kreise, auf die betroffenen Regionen genommen wird. Wir haben Sorge, und wir haben Erkenntnisse, dass diese Sorge berechtigt ist. Umso mehr müssen wir uns gemeinsam einsetzen, dass wir hier zu einer Lösung kommen, die dieser Sorge Rechnung trägt und die Gefährdungen ausschließt, meine Damen und Herren.

(Beifall von der CDU)

Das war gemeinsame Haltung bis hierher. Ich bin allen, die sich in der Region engagieren, die auf die Einspruchsmöglichkeiten gegenüber den Niederlanden hinweisen, dankbar. Auch da sind Internetmöglichkeiten gegeben. Online-Petitionen bzw. Einspruchsmöglichkeiten sind gegeben. Ich appelliere auch an die Bewohnerinnen und Bewohner der Grenzregion, hier die Möglichkeiten zu nutzen und sich in diesen Prozess der Diskussion einzubringen, sich kritisch mit diesem Vorhaben auseinanderzusetzen.

Es gehört jedoch auch zur Wahrheit, dass es über die uns vorliegenden Erkenntnisse hinaus immer noch neue Dinge gibt, die auch uns deutlich machen, dass die Annahmen an Sicherheit durch die Realität widerrufen werden können. Die Situation in Gronau, der Ölaustritt bei der Kaverne, zeigt uns, dass das, was bisher für unabweisbar sicher gehalten wurde, trotzdem problembelastet sein kann. Wir haben in Haltern am See die Gelsenwasser AG als großen Trinkwasserversorger, die mit einem großen Problem von Sprengstoffrückständen der ehemaligen WASAG-Chemie zu kämpfen hat.

Das alles führt uns vor Augen, dass Chemie im Boden nichts zu suchen hat und diese Chemie auch wassergefährdend sein kann. Es macht deutlich, wie schwierig der Faktor Fracking ist.

Es macht aber auch deutlich, dass wir gemeinsam – Herr Schmeltzer, da ist auch die Sozialdemokratie gefordert – nach Berlin schauen müssen. Heute geht es über die Ticker, dass Sigmar Gabriel, Ihr Wirtschafts- und Energieminister der Großen Koalition, an einem neuen Bereich für die Lösung in Sachen Fracking und Erprobungen arbeitet.

Bitte, gehen Sie mit der gleichen Intensität in Berlin im Interesse Nordrhein-Westfalens vor, so, wie die nordrhein-westfälische CDU dies in der vergangenen Legislaturperiode des Bundestages getan hat. Karl-Josef Laumann selbst ist vor Ort in Berlin gewesen und hat deutlich gemacht, was nordrheinwestfälische Interessen sind. Ich erwarte, dass Sie das auch gegenüber Sigmar Gabriel tun.

(Beifall von der CDU)

Da haben Sie uns – wie Sie wissen – an Ihrer Seite. Auch der Umweltminister, mit dem wir bei Weitem nicht immer übereinstimmen, weiß, dass er sich hier auf uns verlassen kann, weil wir den Trinkwasserschutz an Priorität Nummer eins gesetzt haben. Das ist richtig.

In Ihrem Antrag haben Sie formuliert: „Grundwasser macht jedoch vor Landesgrenzen nicht halt.“ – Auch diese Erkenntnis ist richtig, meine Damen und Herren. Hierüber brauchen wir im Hause nicht zu streiten.

Ich erinnere noch einmal an einen anderen Faktor, den wir hier lange diskutiert haben, nämlich an die Dichtheitsprüfung. Dort haben Sie zum Beispiel Trinkwasserschutzzonen in die Dichtheitsprüfung genommen. Außerhalb haben Sie dies nicht als notwendig angesehen. Wenn Ihre Annahmen richtig wären, dass es durch Fracking Grundwassergefährdung gäbe, müsste Ihre Feststellung, dass Grundwasserschutz bzw. Grundwasser an Landesgrenzen nicht halt macht, auch diesbezüglich Berücksichtigung finden. Dies müsste Ihnen die Möglichkeit geben, noch einmal nachzudenken.

Alles in allem: Ja, heute eine große Einheit hier im Hause. Ja, wir wollen unser Trinkwasser schützen. Ja, wir haben Sorge beim Fracking, berechtigte Sorge. Es gibt aktuelle Beispiele, die diese Sorge als gerechtfertigt ausweisen. Gronau bzw. die ehemalige WARGA-Chemie in Haltern am See habe ich erwähnt.

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam ein starkes Signal in die Niederlande senden, um dem Nachbar deutlich zu machen: Die Sorgen gibt es; nehmt Sie ernst und nehmt Rücksicht auf das, was wir an Erkenntnissen gewonnen haben.

Es macht aber auch deutlich, dass wir uns nicht nur Richtung Niederlande, sondern auch Richtung Berlin kümmern und Sigmar Gabriel sagen müssen: Gegen nordrhein-westfälische Interessen dürfen in Berlin keine Entscheidungen gefällt werden. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Frau Kollegin Brems.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich gehöre zu den jüngeren Mitgliedern dieses Hauses, doch auch ich kann mich aus Kindertagen gut an Zeiten erinnern, zu denen es Kontrollen an den Grenzen zu unseren Nachbarstaaten gab. So auch an der Grenze zu den Niederlanden.

Wasser jedoch, ob es nun an der Oberfläche oder als Grundwasser im Boden strömt, schert sich nicht um Landesgrenzen und macht dort nicht halt. Genau deshalb sind die Überlegungen der niederländischen Regierung, die für das Wasser hochriskante Fracking-Technik anzuwenden, so beunruhigend.

Das Thema „Fracking“ beschäftigt uns hier im Landtag schon mehr als drei Jahre. Die vielfältigen Risiken und Gefahren haben wir hier schon mehrfach miteinander diskutiert. Unser Trink- und Grundwasser ist dabei besonders gefährdet. Wir müssen es um jeden Preis schützen.

Ich selbst komme aus einer Region mit den meisten Trinkwasserbrunnen Deutschlands. Niemand kann sagen, welche Wege das Wasser unterirdisch wirklich zurücklegt. Das sind Gründe, weswegen es nicht reicht, beispielsweise ein Verbot nur in Wasserschutzgebieten auszusprechen, wie es die heute bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung vorsehen. Die Bundesregierung muss gesetzlich festschreiben, dass Fracking nicht verantwortbar ist, also das, was wir heute hier beschließen. Wenn wir nicht handeln, werden wir viel mehr als Plastikpartikel in unseren Organismus bringen, wie im Moment in Wasser und Bier zu beobachten ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, es ist erfreulich, dass es anscheinend in diesem Haus bei der Sorge um die Beschaffenheit unseres Lebensmittels Nummer eins eine solch breite Zustimmung gibt. Ich freue mich, dass sich neben der CDU auch die Kolleginnen und Kollegen von der FDP unserem Eilantrag angeschlossen haben. Ich muss gestehen, ich war ein bisschen überrascht. Anfang Mai war in der „FAZ“ noch zu lesen, dass sich Ihr Fraktionsvorsitzender Christian Lindner – jetzt gerade nicht anwesend – für frackingfreundlichere Gesetze in

Deutschland ausspricht, dass er sich beim Thema „Schiefergas“ Optionen offenhalten und experimentieren möchte.

Schön, dass die FDP hier inzwischen eine etwas kritischere Haltung einnimmt. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Position in der FDP verfestigt und nicht etwa nach der Stichwahl um das Bürgermeisteramt in Brüggen, nur wenige Kilometer von der holländischen Grenze entfernt gelegen,

(Beifall von Sigrid Beer [GRÜNE])

zu der Herrn Lindners Kollege Brockes antreten wird, wieder auflöst.

(Zuruf von Christof Rasche [FDP])

Nein, mit der Zustimmung zu unserem Eilantrag bringt man keine technikfeindliche Gesinnung zum Ausdruck, wie sie Herr Lindner unterstellt. Technikfeindlichkeit zeigt sich dann, wenn man am Tropf der fossilen Energieträger hängenbleibt, wenn man sich Ersatzdrogen mit starken Nebenwirkungen sucht, statt die erneuerbaren Energien nach vorn zu bringen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wenn wir die Landesregierung auffordern, sich mit unseren holländischen Freunden auszutauschen und unsere Besorgnis darzulegen, wenn NordrheinWestfalen eine Stellungnahme bei der Strategischen Umweltprüfung der Strukturvision Schiefergas abgibt und wenn wir uns gegen den Einsatz von Fracking wenden, ob vor Ort oder bei unseren Nachbarn, dann sind wir nicht technikfeindlich. Wir zeigen damit Verantwortung für das Wasser, für unser wichtigstes Lebensmittel.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir wollen die Auswirkungen und Risiken einer Technologie kennen, bevor sie eingesetzt wird. Wir wollen vermeiden, hinterher die Fehler der Vergangenheit mit Milliarden öffentlicher Gelder ausbügeln zu müssen. Es sollte für uns alle das Vorsorgeprinzip gelten. Wir sollten nicht erst dann aktiv werden, wenn die Chemie bereits in den Brunnen gefallen ist.

(Beifall von den GRÜNEN)

Wir sollten Lehren aus den Erfahrungen mit unüberlegtem Einsatz anderer Hochrisikotechnologien ziehen.

Es gibt ja Energiepolitiker, die sich vom Fracking Unabhängigkeit vom Ausland versprechen und die Ukraine-Krise als Anlass benutzen, Fracking auch bei uns salonfähig zu machen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Ich sage Herrn Oettinger hier klipp und klar: Fracking in Deutschland macht uns nicht unabhängig von russischem Erdgas. Fracking verlängert die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern. Das Einzige, was uns dauerhaft die Unabhängigkeit sichert, sind Energieeinsparung, Energieeffizienz und der vollständige Umstieg auf erneuerbare Energien.

(Beifall von den GRÜNEN und Kai Schma- lenbach [PIRATEN])

Ein Experimentieren mit der Hochrisikotechnologie Fracking, ob nun in den Niederlanden oder in Deutschland, wollen wir mit allen parlamentarischen Mitteln verhindern. Das bringt unser Eilantrag deutlich zum Ausdruck.

Sehr geehrte Damen und Herren, offene Grenzen sind großartig.