Vielen Dank, Herr Kollege. – Sie haben es in anderer Form in die Debatte eingeführt, aber ich bleibe dabei: Einen Vergleich mit Gesetzen aus einer früheren Zeit, in der es keine Demokratie in Deutschland gab, sollten wir in diese Debatte nicht einführen.
(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Lebhafte Zurufe von den PIRATEN – Daniel Schwerd [PIRATEN] mel- det sich zu Wort.)
Ich habe – das war schon Absicht – keinen entsprechenden Vergleich gezogen. Die Wortwahl „Ermächtigung“ haben Sie selbst in Ihrem Gesetz verwendet. Ich habe Sie nur zitiert. Es handelt sich um ein Zitat, aus dem Gesetz, um weiter nichts. – Danke schön.
Herr Kollege, weil es in der Tat einen Unterschied gibt, hat der Präsident auch keine Rüge ausgesprochen.
Wir sind damit am Ende der Wortmeldungen zu Tagesordnungspunkt 2 und kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt Überweisung des Gesetzentwurfs Drucksache 16/126 – Neudruck – an den Ausschuss für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk – federführend – sowie an den Haushalts- und Finanzausschuss. Die Fraktionen haben darüber hinaus vereinbart, den vorgenannten Gesetzentwurf mitberatend an den Rechtsausschuss und den Ausschuss für Kommunalpolitik sowie an den Ausschuss für Klimaschutz, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zu überweisen. Wer dem seine Zustimmung geben kann, den bitte ich um das Handzeichen. – Wer kann der Überweisung nicht zustimmen? – Wer enthält sich? – Damit ist die Überweisung des Gesetzentwurfs einstimmig erfolgt.
Ich eröffne die Beratung und erteile für die Fraktion der Piraten Herrn Abgeordneten Schulz das Wort.
Sehr verehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren, Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir Piraten sind angetreten, um zu ändern. Wir haben einen Slogan, dessen Verwirklichung wir seit Jahren verfolgen. Er heißt: „Klarmachen zum Ändern!“. Das meint Veränderung der politischen Kultur: auf der einen Seite weg von einer Kultur der Bevormundung durch Gesetze hin auf der anderen Seite zu einer solchen der Teilhabe des Bürgers an den politischen Prozessen bzw. an den Entscheidungsprozessen, aber auch an den vorangehenden Meinungsbildungsprozessen.
Änderungen, die wir wünschen und gemeinsam mit den Bürgern verfolgen möchten, orientieren sich in der Regel an der Partizipation an politischen und demokratischen Prozessen. Was steht dem entgegen? Dem steht das entgegen, was wir vielerorts auf der Straße in Gesprächen mit Bürgern sowie auf Versammlungen hören. Wir hören nämlich so Wörter wie „Demokratiedefizit“ und „Politikverdrossenheit“. Das hängt auch ganz maßgeblich damit zusammen, dass die Bürger meinen oder empfinden, dass sie teilweise nicht gehört bzw. teilweise nicht verstanden werden, dass sie insbesondere aber nicht in einem Maße in politische Prozesse eingebunden werden, welches sie – das hört man ebenfalls heraus – gerne hätten.
Ganz besonders ist der Bürger bzw. der Verfassungsbürger in unserem Lande – nicht nur in Nordrhein-Westfalen, sondern in der gesamten Bundesrepublik – davon betroffen, wenn es um die Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenlebens innerhalb der Bereiche geht, wo die Verfassung – insbesondere auch die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen – die Normierungen bildet.
Demgegenüber gibt es auch auf europäischer Ebene vieles, was alles andere darstellt als eine Beteiligung von Bürgern, Mitentscheidung und dergleichen. Wir reden vom Fiskalpakt, vom ESM und vom EFSF. Auf der Straße hören wir nichts anderes als: Die machen doch sowieso, was sie wollen, und wir haben gar nicht mitzureden. – Genau das wollen wir ändern. Wir wollen dahin, dass der Bürger über die Grundlagen unseres Zusammenlebens mitent
Dabei wollen wir weg von dem, was Bürgern Angst macht, was die Grundlagen verändert und wo der Bürger der Auffassung ist: Er kann daran nichts ändern, in Parlamenten wird es entschieden, die Politiker, die zwar von den Bürgern gewählt wurden, entscheiden darüber.
In Nordrhein-Westfalen besteht in der Regel die Möglichkeit, eine Verfassungsänderung mit einer Zweidrittelmehrheit im Parlament zu beschließen. Wenn das nicht möglich ist, besteht fakultativ die Möglichkeit, dass der Bürger daran beteiligt werden kann. Das heißt, er kann darüber entscheiden.
Wir, die Piraten, würden uns freuen, wenn das Parlament insgesamt – wir wissen, dass wir eine Zweidrittelmehrheit innerhalb dieses Parlaments brauchen, um die Verfassung zu ändern –, wenn alle Beteiligten an diesem von uns eingebrachten Gesetzentwurf zur Änderung der Verfassung mitwirken würden, um die Position des Bürgers in unserem Lande hinsichtlich der Entscheidungsmöglichkeiten bezüglich der Grundlagen unseres Zusammenlebens innerhalb der Verfassung gemeinschaftlich zu ändern. Dahin geht unser Wunsch.
Wir wollen Politik mit dem Bürger machen – und das bereits in den Grundlagen. Natürlich haben wir die Möglichkeit der Volksentscheide und der Volksbegehren. Wir haben Quoren und dergleichen mehr. All das ist möglich. Es gibt aber hohe Hürden bei der Beteiligung der Bürger an den politischen Entscheidungen in unserem Land. Das mag vielleicht auf den ersten Blick nicht so aussehen, ist aber de facto so. Der Bürger sagt sich: Warum sollen wir losrennen, wenn wir die Hürden, die dort geschaffen wurden, unter Umständen gar nicht überwinden können?
Das wiederum führt dazu, dass die Bürger sagen: Wir wollen nicht, wir können gar nichts ändern. – Dieses Ändern aber liegt in unserer Hand, indem wir den Bürgern die Mittel an die Hand geben, hinsichtlich der Grundlagen ihres Zusammenlebens in diesem Land darüber mitzuentscheiden, wie die Verfassung in unserem Land aussehen soll und wie Verfassungsänderungen – zum Beispiel in den Bereichen Wahlrecht oder auch Umweltschutz – gestaltet werden können. Der Bürger soll das letzte Wort haben. Er soll als Souverän mit darüber abstimmen können, wie unser Zusammenleben funktioniert. Deswegen lade ich gerne alle hier am politischen Entscheidungsprozess beteiligten Parteien und Fraktionen ein, innerhalb der Ausschusssitzungen an diesem Entwurf mitzuwirken – hin zu der Möglichkeit von mehr Demokratie als Basis des Zusammenlebens in unserem Land. – Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Ich bin sehr zwiegespalten bezogen auf die Beurteilung dessen, was uns da durch die Fraktion der Piraten vorgelegt worden ist, zum einen weil ich den Anspruch, der auch durch die Worte des Vorredners hier deklariert worden ist, inhaltlich nicht so gegen die bisher im Parlament tätigen Fraktionen und Parteien gelten lassen will und zum anderen vor allen Dingen auch nicht mit einer solchen Diktion, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben hier kein Defizit an Demokratie im nordrhein-westfälischen Landtag. Wir haben kein Defizit an Beteiligungskultur, sondern wir sind stolz darauf, dass wir, und zwar über Fraktionsgrenzen hinweg, in den letzten Jahren gemeinsam daran gearbeitet haben, Bürgerinnen und Bürger näher an die politische Willensbildung heranzuführen und sie da überall mitwirken zu lassen, wo das auch nur irgendwo möglich ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, deshalb sind Ihre Belehrungen – ich sage einmal – vollkommen falsch adressiert und zeigen, dass Sie sich mit der Geschichte der Parlamentsentwicklung in NordrheinWestfalen womöglich noch nicht im richtigen Umfang beschäftigt haben.
Ich will an der Stelle darauf verweisen, dass wir in der letzten Wahlperiode, und zwar über Fraktionsgrenzen hinweg, die Möglichkeiten im Bereich der Kommunen verändert und verbessert haben, unmittelbar politische Willensbildung über Bürgerbegehren und Bürgerentscheide zu betreiben. Wir haben nicht nur die Hürden herabgesenkt. Wir haben auch die Kataloge verändert. Wir haben, und zwar unabhängig vom Wahltermin, verbindlich auf der Agenda gehabt, auch die plebiszitären Elemente im Bereich der Landesverfassung zu verbessern und die Mitwirkungsrechte der Bürgerinnen und Bürger zu stärken, meine Damen und Herren.
Dazu laden wir Sie dann im Rahmen einer gemeinsamen Beschäftigung des Parlamentes herzlich ein, weil wir glauben und davon überzeugt sind, dass die plebiszitären Elemente im Bereich unserer parlamentarischen Demokratie eine notwendige und sinnvolle Ergänzung sind, die es gilt, gemeinsam zu stärken.
Nur das nutzt dann nichts und niemandem, wenn man hingeht und sich dann als neue Kraft in diesem Parlament über all das erhaben fühlt, was ganz offensichtlich seit vielen Jahren Gegenstand gemein
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sind zutiefst davon überzeugt, dass es auch von hohem Interesse ist, die Bürgerinnen und Bürger an verfassungsrechtlichen Entscheidungen zu beteiligen. Ich darf Ihnen da jetzt einmal einen kleinen Rückblick in die Verfassungsgeschichte des Landes NordrheinWestfalen gewähren.
Wir sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, stolz darauf, dass wir als Landesgesetzgeber eine Landesverfassung haben, die seinerzeit, und zwar am 18. Juni 1950, durch die Bevölkerung des Landes Nordrhein-Westfalen unmittelbar bestätigt worden ist. Das hat in Nordrhein-Westfalen eine lange und gute Tradition, genau wie die plebiszitären Elemente in der Landesverfassung, die auch von Beginn an da verankert sind. Darum geht es jetzt, das zu verbessern.
Deshalb wollen wir nicht solitär an dieser Stelle über einen einzelnen Fall, nämlich die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Frage, wie Verfassung geändert wird, mit Ihnen diskutieren, sondern alle anderen Fälle in diesem Bereich auch gemeinsam in einer Kommission aufrufen und über Fraktionsgrenzen hinweg bearbeiten.
Lassen Sie mich an der Stelle dann noch einen wichtigen Hinweis geben. Bei aller Notwendigkeit – und das wird hier getragen –, die Hürden für unmittelbare Demokratie auch im Bereich der Landesverfassung herabzusenken, stehen wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten – ich denke, auch viele andere in diesem Hohen Haus – für das Prinzip der repräsentativen parlamentarischen Demokratie.
Deshalb wollen wir uns gleichzeitig an dieser Stelle auch mit allen, die an der Stelle Handlungsbedarf sehen, über die Rechte des Parlamentes zum Beispiel im Verhältnis zu Regierungen unterhalten und sind da auch für einen offenen Austausch im Rahmen einer Kommission sehr dankbar.
Ich glaube, das kommt auch bezogen auf die aktuellen Diskussionen zum Verfassungsrecht in Berlin im Augenblick sehr deutlich zum Tragen, welche Meinung Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben. Thomas Oppermann hat für unsere Fraktion und für die Sozialdemokratie insgesamt bezogen auf die von Ihnen angesprochene EURelevanz von Verfassungen ganz deutlich eingefordert, dass wir auch an der Stelle die Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland insgesamt mitentscheiden lassen.
Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen – lassen Sie mich das noch einmal sagen –, haben wir Ihre Belehrungen an der Stelle nicht nötig, sind aber dankbar dafür, dass wir einen interessanten weiteren Punkt für die Beratungen im Rahmen einer Kommission zur Änderung unserer Verfassung gefunden haben. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Körfges. – Die CDU-Fraktion hat Herrn Biesenbach als nächsten Redner hier oben angemeldet. Bitte schön, Herr Biesenbach.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben heute einen Antrag der Piraten bekommen, der seinem Inhalt nach unser parlamentarisches System umdrehen will. Weg von der Kultur der Bevormundung, meine ich, seien wir schon lange. Aber dass Gesetze notwendig sind, halten wir auch weiterhin für richtig.