Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Titel „Gesetz zur Förderung des Mittelstands in Nordrhein-Westfalen“ – ich möchte das Positive aus Sicht unserer Fraktion direkt am Anfang hervorheben – kann einem wirklich gefallen. Jedoch ist mit einem Gesetz, das wortreich und vor allen Dingen auch völlig zu Recht die herausragende Bedeutung des Mittelstands für unser Land betont, noch keinem einzigen Betrieb in Nordrhein-Westfalen geholfen. Ein Gesetz, das den Mittelstand fördern soll, darf nicht nur Mittelstandslyrik, sondern muss auch konkrete und vor allem verbindliche Maßnahmen enthalten,
die aufzeigen, wie die Rahmenbedingungen für die mittelständische Wirtschaft in diesem Land wirklich zu verbessern sind.
Denn sonst hat es nur reinen Deklarationscharakter. Bei allem, was recht ist: Dafür brauchen wir kein Gesetz. Damit müssen wir das Parlament nicht be
schäftigen. Dann können wir uns alle an den Händen halten und sagen, dass wir den Mittelstand liebhaben.
In dem Gesetz sucht man vergeblich nach Lösungen, die einen substanziellen Mehrwert haben. Sie geben es selber zu. Konsequenterweise heißt es im Vorblatt des Gesetzentwurfs: Auswirkungen auf die Unternehmen – keine.
Meine Damen und Herren, wir wissen alle, dass Sie es anders können. In der Schaffung von Gesetzen und Verordnungen, die ganz erhebliche Auswirkungen auf Unternehmen in Nordrhein-Westfalen haben, sind Sie gut. Leider meistens nicht so, wie wir uns das vorstellen. In den letzten beiden Jahren haben Sie mit der Reform des Gemeindewirtschaftsrechts dafür gesorgt, die Konkurrenz der kommunalen Unternehmen gegenüber den mittelständischen Unternehmen in der Privatwirtschaft für die kommunale Seite wesentlich zu erleichtern oder zu erhalten.
Darüber hinaus hat das Tariftreue- und Vergabegesetz die Unternehmen mit Bürokratie überschüttet. Es gab zahlreiche weitere Steuererhöhungen, die die Unternehmen belasten: Erhöhung der Wassersteuer, Erhöhung der fiktiven Hebesätze für Grundsteuer und Gewerbesteuer, Erhöhung der Grunderwerbsteuer, Einführung einer Bettensteuer.
Als diese Maßnahmen auf den Weg gebracht worden sind, hätten wir ein Mittelstandsgesetz gebraucht, ein Gesetz, das die Mittelstandsfeindlichkeit Ihrer Vorhaben auf den Prüfstand gestellt hätte.
Es ist bestimmt kein Zufall, dass zu diesem Zeitpunkt das im Koalitionsvertrag 2010 angekündigte Gesetz noch nicht vorgelegen hat. Herr Minister und liebe Kollegen von der SPD, Sie haben darauf hingewiesen, dass Verbände sich positiv zu diesem Gesetz geäußert haben. Zum einen ist es ja schön, wenn man endlich in irgendeiner Weise gehört wird. Sie vergessen dabei aber auch, dass zum Beispiel die IHK durchaus kritisch mit Ihrem Gesetz umgegangen ist.
Eines ist ganz sicher: Die SPD war mit ihren mittelstandsfeindlichen Gesetzen wesentlich schneller. Sie haben es auch jetzt wieder gezeigt: Die ersten Beschlüsse des Kabinetts in der neuen rot-grünen Legislaturperiode sind ein Rauchverbotsgesetz und ein Klimaschutzgesetz. Indem Sie ausschließen, dass sich das Mittelstandsgesetz schon mit diesen laufenden Vorhaben befasst, indem Sie ausschließen, dass die laufenden Vorhaben davon schon betroffen sind, zeigen Sie doch, wie hoch Sie den Wert dieses Gesetzes selber einschätzen.
Sehr geehrter Herr Minister Duin, wenn das Gesetz mehr sein soll als ein kleines Trostpflaster für die von Rot-Grün geschlagenen Wunden im Mittelstand, muss es nicht nur Wirkung auf zukünftige Gesetze entfalten, die ich im Übrigen noch sehr infrage stelle, sondern vor allen Dingen auch auf laufende Gesetzesvorhaben und normalerweise auf schon verabschiedete Gesetze, um wirklich sinnvoll zu sein. Dazu sollte auch noch eine Clearingstelle, wenn sie denn wirksam sein soll, befragt werden. Denn ansonsten wird diese Clearingstelle – wenn sie denn kommt, das Gesetz sieht eine optionale Einrichtung vor; aber ich vertraue mal auf Ihr Wort – ein zahnloser Tiger bleiben.
Herr Minister, Sie hatten als neuer Wirtschaftsminister die undankbare Aufgabe, ein Gesetz Ihres Vorgängers einbringen zu müssen, der – ich will es vorsichtig sagen – in Kreisen der Wirtschaft durchaus umstritten war. Sie konnten dem Gesetz wahrscheinlich keinen eigenen Stempel mehr aufdrücken. Im Vorblatt steht sogar noch das frühere Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnen und Verkehr. Insofern gestehe ich Ihnen das zu.
Wenn Sie uns wirklich zeigen wollen, Herr Minister, wie ernst Sie es mit Ihrer Politik für die Wirtschaft, für den Mittelstand, für das Handwerk meinen, dann zeigen Sie uns, dass Sie die vielen Vorschusslorbeeren, die man Ihnen hat zuteilwerden lassen, wenigstens teilweise verdient haben!
Sorgen Sie dafür, dass sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für den Mittelstand wirklich verbessern – zum Beispiel mit einem Mittelstandsgesetz, das seinen Namen wirklich verdient und nicht bloße Deklaration ist! Dann werden Sie von uns als FDP-Fraktion Unterstützung bekommen.
Sie haben an uns appelliert, dass wir uns an diesem Punkt nicht verweigern, weil es andere gibt, die das befürworten. Reden Sie einmal konkret mit den Unternehmen darüber, wie sie gelitten haben und wie sie unter diesen bürokratischen Ideen noch leiden, die hier vorgebracht werden. Es geht nicht darum, hier einen Spaltpilz zu treiben.
Es geht darum, das Richtige für den Mittelstand in diesem Land zu tun. Ansonsten werden Sie eine Chance verpassen. Dann sollten Sie den Titel des Gesetzes „Gesetz zur Förderung des Mittelstands“ auch direkt ändern in „Gesetz zur Ruhigstellung des Mittelstandes“ und als Untertitel „Auswirkungen auf die Unternehmen: keine“. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Herr Minister Duin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Verfassung des Landes Nordrhein-Westfalen verpflichtet uns in Art. 28, Klein- und Mittelbetriebe in Landwirtschaft, Handwerk, Handel und Gewerbe sowie die freien Berufe zu fördern.
Gerade in Nordrhein-Westfalen sind wir auf eine aktive, lebendige und gesunde mittelständische Wirtschaft angewiesen. Inhabergeführte Unternehmen, kleine Selbstständige, Einzelunternehmer und Freiberufler stellen die Stütze und das Fundament der Wirtschaft unseres Bundeslandes dar. Die Förderung dieses Bereiches ist sinnvoller und effektiver, als es alle Subventionen an Großbetriebe jemals sein könnten.
Daher kann man nur jede Initiative begrüßen, die der Stärkung und Förderung dieses Wirtschaftsbereiches dient. Leider finden wir im vorliegenden Gesetzentwurf sehr wenige konkrete Maßnahmen. Überwiegend besteht er aus Bekräftigungen bereits bestehender Gesetze, Kann- und Soll-Sätzen.
Aber die Maßnahmen, die konkret beschrieben werden, haben es in sich. In § 6 möchte die Landesregierung eine so genannte Clearingstelle Mittelstand einrichten, die jedes Gesetz und jede Verordnung auf Mittelstandsverträglichkeit prüft. Diese Stelle möchte sie mit Vertretern aus sozialpolitischen Verbänden, Kammern, Dachorganisationen gewerblicher Wirtschaft und der freien Berufe besetzen und bei einer der Selbstverwaltungseinrichtungen der Wirtschaft ansiedeln.
Gesetze mit Wirtschaftsrelevanz sollen bereits während der Entwicklung noch vor der Kabinettsbefassung durch dieses Gremium geschleust werden. Damit erlauben Sie einer Gruppe von Lobbyvertretern und Verbänden den Zugriff auf Gesetze unseres Landes in einem Stadium, in dem sie sonst noch niemand zu Gesicht bekommen hat – ein Schelm, der Böses dabei denkt!
Verstehen Sie mich nicht falsch: Auch ich bin dafür, Gesetze und Verordnungen zu durchleuchten, zu vereinfachen und auf ihre Auswirkungen zu prüfen. Aber warum muss das durch eine Gruppe von Lobbyverbänden hinter verschlossenen Türen geschehen? Sind Sie so sicher, dass die von Ihnen gewählten Verbände die Interessen von Klein- und Mittelbetrieben effektiv vertreten?
Besteht nicht die Gefahr, dass die Verbände besonders die Interessen der großen Mitglieder vertreten werden, die den höchsten Mitgliedsbeitrag ent
Wie wäre es denn demgegenüber, das mit der Bürgerbeteiligung zu machen, von der Sie so viel sprechen? Denn auch Einzelunternehmer, Inhaber und Freiberufler sind Menschen, die über Sachverstand verfügen. Trauen Sie diesen Menschen nicht zu, Gesetze auf Mittelstandsverträglichkeit zu prüfen und Ihre Einwendungen selbst vorzubringen?
Wo wir gerade dabei sind: Wie ist es denn um die Umweltverträglichkeit, um die Nachhaltigkeit, die soziale Gerechtigkeit, den gesunden Menschenverstand Ihrer Gesetze bestellt? Wie wollen Sie denn diese Gesetze vergleichbar mit den anderen Rechtsinteressen prüfen lassen? Wir regen an, dass Sie eine Clearingstelle „Bürger“ einrichten –
auch Einzelunternehmer, Selbstständige, Freiberufler sind Bürger –, bei der die Möglichkeit besteht, offen über die von Ihnen idealerweise transparent entwickelten Gesetze zu diskutieren und sie auf Bürgerverträglichkeit zu überprüfen.
Ein weiterer Punkt in Ihrem Gesetzentwurf bereitet mir Kopfschmerzen. Das ist § 16. Sie wollen betriebliche Interessenvertretungen verpflichten, Verantwortung für Wachstum und Innovation in Unternehmen zu übernehmen. Ich sehe ganz klar die Gefahr der Schwächung von Arbeitnehmervertretungen. Denn mit dem Hinweis auf Innovation und Wachstum kann man quasi jede einzelne Forderung der Arbeitnehmer ablehnen.
Darüber hinaus lese ich hier plötzlich etwas von Wachstum, während im Rest des Gesetzes erfreulicherweise meist von Nachhaltigkeit die Rede ist. Wollen wir denn wirklich den neoliberalen Traum ewigen Wachstums weiter träumen? Jeder, der sich ein klein wenig mit Exponentialfunktionen auskennt, weiß – das ist sonnenklar –, dass es andauerndes Wachstum nicht geben kann.
Wirtschaftliches Handeln kann nicht auf ewiges Wachstum angewiesen sein. Tun Sie uns allen den Gefallen, auch an diesem Punkt von Nachhaltigkeit zu reden – einem Ziel, dem wir uns im Sinne unserer Nachfahren und Kinder verpflichten wollen!
So leid es mir tut – „einen“ habe ich noch –: Auch dieses Gesetz enthält wieder eine Ermächtigung. Ich sehe, dass Sie innerlich aufstöhnen. Aber die Wortwahl stammt nicht von mir. Sie haben sich die Ermächtigung ins Gesetz geschrieben, und zwar in § 6 Abs. 6: Die Abgeordneten dieses Hauses sollen die Regierung zum Erlass einer Rechtsverordnung ermächtigen, in der sie alle näheren Einzelheiten zur Durchführung des angesprochenen Clearingver
fahrens einfach freihändig selbst bestimmen kann. Tut mir leid: Transparenz in der Demokratie sieht anders aus. – Danke schön.