Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ein deutscher Verlag bringt mit viel Erfolg eine Taschenbuchreihe mit dem Titel „Unnützes Wissen“ heraus. Gäbe es ein Buch mit dem Titel „Unnütze Anträge“, dann würde man diesen Piratenantrag sicher darin finden.
Schon das Sozialticket der rot-grünen Landesregierung ist unnötig, und daher ist ein Antrag, mit dem auf vier Seiten vorgeschlagen wird, dieses zu verbessern, doppelt unnötig.
Auf die kleinteiligen Verbesserungsvorschläge im Antrag gehe ich deshalb gar nicht erst ein – meine Redezeit würde dafür auch gar nicht ausreichen –, sondern ich möchte Ihnen gerne darstellen, warum wir von der CDU-Fraktion das Sozialticket insgesamt ablehnen.
Einer von vielen Gründen ist, dass das Sozialticket aus sozialpolitischen Gründen zweifelhaft ist; denn ein Großteil der Transferempfänger wird durch das Sozialticket zusätzlich begünstigt. Sie werden denjenigen Menschen gegenüber bevorzugt, deren Einkommen aus Arbeit kaum höher ist. Aus finanzpolitischer Sicht ist das Sozialticket unnötig, weil es der Haushaltskonsolidierung entgegensteht.
Darüber hinaus ist es verkehrspolitisch unverantwortlich, weil wir zusätzliche investive und keine zusätzlichen konsumtiven Ausgaben brauchen.
Die rot-grüne Landesregierung hat allein in den ersten drei Jahren über 10 Milliarden € neue Schulden gemacht. Die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen profitiert allerdings überhaupt nicht davon: weder der Straßenbau noch der ÖPNV. Es gilt aber insbesondere, die Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen zu verbessern.
Um dies zu verdeutlichen, verweise ich auf den Bericht der ÖPNV-Zukunftskommission NRW. Diese Kommission wurde übrigens von der rot-grünen Landesregierung selbst eingesetzt. Sie hat verdeutlicht, wo Gelder im ÖPNV-Bereich hinfließen müssen und dass wir zusätzliche Mittel für den Erhalt der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen benötigen. Alleine für den Erhalt der Infrastruktur der U- und Straßenbahnsysteme in NRW belaufen sich diese gemäß der Kommission auf 1,1 Milliarden € bis 2016 und weitere 2 Milliarden € bis 2025, insgesamt also auf 3,1 Milliarden €. Das ist die Summe, die durch das Sozialticket in etwa zehn Jahren verschlungen wird.
Die Landesregierung sollte sich endlich darum kümmern, dass mehr Geld in den ÖPNV fließt und es weniger sinnlose Ausgaben gibt.
Die Ausgaben für das Sozialticket einzusparen, ist dabei aber nur eine Möglichkeit. Eine weitere Möglichkeit wäre es, die Benachteiligung von NordrheinWestfalen bei der Verteilung von Regionalisierungsmitteln zu beseitigen. Auch das ist im Übrigen eine Forderung der ÖPNV-Zukunftskommission NRW.
NRW erhält vom Bund tatsächlich zu wenig Regionalisierungsmittel für den ÖPNV. Ich kann das einmal deutlich machen: In Nordrhein-Westfalen wohnen etwa 21,2 % der Menschen in Deutschland. Daher stehen dem Land Nordrhein-Westfalen gemäß dem bekannten Königsteiner Schlüssel eigentlich auch 21,2 % der Regionalisierungsmittel zu. Nordrhein-Westfalen erhält aber nur 15,8 % der Bundeszuschüsse. Dieser Verteilungsschlüssel für die S- und Regionalbahnen des Bundes an die Länder ist 1993 festgelegt worden, und auch wenn vonseiten der SPD hier öfter ein gewisses Vergessen eintritt: Es war die SPD-Landesregierung unter Johannes Rau, die diesem Schlüssel damals zugestimmt hat.
Wenn mehr Mittel nach Nordrhein-Westfalen fließen würden, dann könnte sich die Landesregierung endlich auch dem ÖPNV im ländlichen Raum annehmen. Gerade der ländliche Raum ist nämlich auf gute Verkehrsanbindungen dringend angewiesen.
Jetzt sehen wir einmal, wer im ländlichen Raum wohnt. – Die Menschen im ländlichen Raum haben ein Anrecht auf einen flächendeckenden
und bedarfsdeckenden ÖPNV zu bezahlbaren Preisen; denn wir dürfen auch nicht vergessen: 60 % der Menschen in Nordrhein-Westfalen leben außerhalb der Ballungszentren.
Meine Damen und Herren, Sie sehen: Es gibt beim ÖPNV in Nordrhein-Westfalen noch sehr viel zu tun. Änderungen beim Sozialticket gehören aber nicht dazu.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man den vierseitigen Antrag der Piratenfraktion liest und versucht, das Wesentliche zusammenzufassen, dann kommt man zu folgenden vier Punkten:
Ich glaube, diese vier Punkte sind im Ergebnis tatsächlich falsch, und sie widersprechen auch der Systematik des aktuellen ÖPNV-Gesetzes NRW.
Das NRW-System sieht eine Aufgabenträgerschaft der Kommunen, organisiert in Zweckverbänden, vor, welche durch das Land bezuschusst werden. Ein Landessozialticket wäre mit dieser Gesetzgebung nicht konform.
Sie müsste geändert werden, was ja möglich ist. Solange wir aber die grundsätzliche Linie verfolgen, dass die Kommunen bzw. die Regionen vor Ort über ihr ÖPNV-Angebot zu entscheiden und die entsprechenden Regeln zu setzen haben, wird man ein landesweites Gesetz – ein landesweites Ticket würde ein solches voraussetzen – unter Umständen gar nicht wünschen wollen.
Man sollte deshalb Abstand davon nehmen, die Aufgaben der Zweckverbände und der kommunalen Familie zu begrenzen. Das gilt vor allem vor dem Hintergrund der Forderung der Piraten, den Kreis
der Anspruchsberechtigten deutlich zu erweitern; denn diese Möglichkeit haben die Aufgabenträger bereits heute.
Im Allgemeinen ist die Frage nach der Attraktivität des Sozialtickets eine Frage, welche sich die Kommunen zu stellen haben. Das Land stellt die Mittel zur Verfügung. Ob sie etwas machen und was, ist dann Sache der kommunalen Familie.
Ergänzend dazu muss man wissen, dass sowohl der VRR als auch der VRS bereits heute auch für Wohngeldempfänger und Geringverdiener, also über die in den Richtlinien genannten Gruppen hinaus, eine Sozialticketberechtigung anerkennen; und es gibt Kommunen, die den Kreis der Anspruchsberechtigten auch noch darüber hinaus vergrößert haben. Diese Möglichkeit ist in den Richtlinien ausdrücklich vorgesehen und führt zu einer beträchtlichen Erweiterung des Berechtigtenkreises.
Vielen Dank. – Herr Kollege Beu, vielleicht könnten Sie dem Kollegen Moritz vor dem Hintergrund des gerade Gesagten, dass es nämlich Kommunen gibt, die den Anspruchskreis beträchtlich erweitert haben, zum Beispiel Bonn und Köln, wo auch die Geringverdiener mit einem Sozialticket unterstützt werden, noch einmal erklären, warum ein Sozialticket an der Stelle überhaupt sinnvoll ist, weil er ja grundsätzlich sagt, dass das überhaupt nicht nötig sei, weil die Menschen das auch so finanzieren können. Aus irgendeinem Grund müssen beispielsweise Bonn und Köln eine solche Regelung ja eingeführt haben.
Es scheint wohl tatsächlich so zu sein, dass es im Land unterschiedliche Wertungen gibt. Wir haben eben bei dem CDURedebeitrag gehört, dass es ein Thema in der Fläche ist. Aber es ist natürlich nicht nur ein Thema für die Fläche, sondern in allen Kommunen. Es zeigt sich, dass gerade da, wo es noch zusätzliche Leistungen der Kommunen gibt – Herr Kollege Ott hat gerade zwei Kommunen benannt –, die Nachfrage höher ist und dass natürlich die Leute, die dieses Ticket nutzen, es nutzen können und nutzen wollen, im Prinzip auch damit zufrieden sind, dass es angeboten wird.
Am Ende aller Tage – das vermisse ich in dem Piratenantrag insgesamt – lautet die Frage natürlich: Wer ist eigentlich zuständig? Es fehlt der Hinweis darauf, dass der Bund dafür zuständig ist, die Mobi
litätskosten über ausreichende Regelsätze abzubilden. Bereits mit dem heutigen Zuschuss zum Sozialticket finanziert das Land eigentlich eine Aufgabe des Bundes. Das muss nun wirklich gesagt werden: Wir stellen den Kommunen Gelder zur Verfügung; eigentlich ist es aber eine Bundesaufgabe.
Trotzdem wollen wir – die Kollegin der SPD-Fraktion hat bereits darauf hingewiesen – natürlich auch evaluieren, das heißt, die Erfahrungen mit dem jetzigen Sozialticket tatsächlich würdigen, wobei natürlich auch klar ist, dass ein landesweit flächendeckendes Sozialticket eigentlich erst zum 1. Januar 2013 eingeführt wurde. Wir sind jetzt am Anfang des Jahres 2014. Alle Erfahrungen zeigen, dass man mindestens zwei Jahre abwarten muss, um über die erforderlichen Erfahrungswerte zu verfügen. Dem werden wir uns natürlich stellen und sind dann auch gespannt auf die entsprechenden Vorlagen, die wir seitens des Ministeriums bekommen werden.
Wie gesagt, das Sozialticket ist ein richtiges Angebot. Wir stehen zu diesem Angebot. Anscheinend ist das zumindest bei der Fraktion der CDU nicht der Fall. Wir werden es nach wie vor im Rahmen des Haushalts weiter zur Verfügung stellen.
Politik – dies an die Adresse der Piraten – ist auch eine Kunst des Machbaren. Das heißt, alles zu fordern, ohne zu wissen, womit es finanziert werden kann, geht ebenso wenig, wie es im Übrigen eigentlich eine ureigene Aufgabe des Bundes im Rahmen der Festlegung der Regelsätze ist. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen insbesondere der Fraktion der Piraten! Ich will hier zum Antrag „Mobilität für alle“ Stellung nehmen. Ich darf feststellen, dass es sich wohl mehr oder weniger um Antragsrecycling handelt. Dies ist in der vorherigen Wahlperiode schon behandelt worden. Damals war ich noch nicht Mitglied des Landtags, aber wir haben uns im Rat meiner Heimatstadt reichlich damit beschäftigt; darauf werde ich gleich eingehen. Und man merkt eindeutig, dass Sie wohl doch den einen oder anderen Referenten von den Linken übernommen haben.
Ich stimme Ihnen zu, dass Mobilität eine Grundvoraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist. Aber das ist wohl auch schon der größte