Protocol of the Session on January 29, 2014

Die informationelle Selbstbestimmung ist auch nicht alleine von der NSA bedroht. Es ist sogar ein Kennzeichen freier Gesellschaften, dass wir hier so offen darüber diskutieren können und entsprechend informiert werden. Es handelt sich um ein Problem weit über die geheimdienstlichen Aktivitäten eines befreundeten Landes hinaus. Hier geht es um die massenhafte Erfassung von Informationen und die Erstellung von Persönlichkeitsprofilen von Nutzern von Daten und Verbindungen, die zumeist unter einem wirtschaftlichen Gesichtspunkt erfasst und benutzt werden.

Ohne Frage ist der leichtfertige Umgang mit den Daten aufseiten der Nutzer ein besonders dringliches Problem. Welchen Zugriff auf seine Daten akzeptiert man nicht bereits, wenn man ein harmloses Spiel auf sein Smartphone lädt?! Der Spruch „EBook ist reading you“ benennt ebenfalls ein Problem. Es überrascht mich immer wieder, dass Menschen, Grunddaten wie ihre Adresse unbedingt schützen wollen und insofern sehr empfindlich sind, gleichzeitig aber bereit sind, dem Internet persönlichste Dinge anzuvertrauen und dort mit sehr sensiblen Daten offen umgehen.

Hoffentlich trägt die momentane Diskussion dazu bei, dass es eine größere Sensibilität im Umgang mit personenbezogenen Daten gibt. Die Privatsphäre ist ein hohes Gut.

Dass wir dem Antrag der Piraten heute trotzdem nicht einfach zustimmen, hat seinen Grund in einigen Formulierungen, die als Übertreibungen doch schwierig sind und die wir – bei aller Zustimmung – auch nicht anerkennen. So heißt es in der Resolution, das existenzielle Menschenrecht der Unverletzlichkeit des Individuums sei null und nichtig. Das geht dann doch ein bisschen weit. So arg ist es dann doch wieder nicht – so schlimm es auch ist.

Die Landesregierung aufzufordern, den Aufruf der Schriftsteller anzuerkennen, ist etwas schwach. Unser Entschließungsantrag ist anders formuliert. Wir teilen erstens die Besorgnisse um die Gefährdung der Privatsphäre, wie sie nicht nur, aber auch im Aufruf der Schriftsteller zum Ausdruck kommen. Wir möchten zweitens, dass sich die Landesregierung für eine verbindliche Konvention zu den digitalen Rechten auf europäischer Ebene einsetzt.

Das halten wir für den richtigen Weg. Ob sich die Landesregierung allerdings überhaupt noch an Beschlüsse hält, wäre eine andere Frage, die ich hier jetzt leider nicht behandeln kann.

Wir bitten Sie um Zustimmung zu unserem Entschließungsantrag. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Bolte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! E-Mail-Konten, das TorNetzwerk, unsere Klicks auf Facebook und YouTube, inzwischen sogar die Angry Birds – nichts scheint derzeit mehr sicher zu sein vor der Ausspähung durch Geheimdienste wie NSA, GCHQ und wie sie alle heißen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ein Mensch, der immer und überall Überwachung und Beobachtung fürchten muss, ist nicht frei. Das ist für mich die wichtigste Botschaft aus dem vorliegenden Aufruf. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir Grüne den Aufruf „Writers Against Mass Surveillance“, den wir – das wissen sicherlich einige von Ihnen – auch in den Deutschen Bundestag eingebracht haben.

Seit Dezember 2013 protestieren Hunderte Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus 83 Ländern, darunter fünf Literaturnobelpreisträger, mit einem internationalen Aufruf gegen die systematische Überwachung durch verschiedene Geheimdienste. Die Schriftsteller rufen dazu auf, die Demokratie in der digitalen Welt im gleichen Maße wie in der analogen Welt zu verteidigen. Damit haben sie recht, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Es wird in dieser Debatte immer wieder betont, dass die Pflichten aus der Offlinewelt, wie wir sie kennen, in der Onlinewelt genauso gelten müssen. Das ist sicherlich nicht falsch. Aber es geht doch erst dann auf, wenn wir uns auch klar zur Geltung aller Rechte, insbesondere der Grund- und Freiheitsrechte, on- wie offline bekennen.

(Vorsitz: Vizepräsident Eckhard Uhlenberg)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Schriftstellerinnen und Schriftsteller – eben wurde infrage gestellt, ob wir dafür eigentlich zuständig sind – richten sich natürlich an die Vereinten Nationen. Sie richten sich an Regierungen, sie richten sich an Konzerne. Aber auch wir als Parlament tun gut daran, uns mit ihnen zu solidarisieren und den Aufruf anzuerkennen.

Der Appell der Schriftstellerinnen und Schriftsteller, diese Rechte zu verteidigen, geht aber auch an die Bürgerinnen und Bürger. Freiheitsrechte erwachsen auch daraus – darin stimmen wir überein –, dass sie angenommen, dass sie gelebt werden. Wenn wir mit öffentlichen Stellen unseren Beitrag dazu leisten können, indem wir zum Beispiel Fähigkeiten im Bereich der Medien- oder Datenschutzkompetenz fördern, damit es möglich wird, diese Freiheitsrechte im digitalen Zeitalter zu nutzen, dann leisten wir diesen Beitrag gern, weil es uns wichtig ist, dass wir auch im digitalen Zeitalter informierte und mündige Bürger haben.

Herr Kollege Sternberg, bei aller Harmonie, die wir in dieser Debatte gerade ausstrahlen, muss ich Sie ein Stück weit korrigieren: Auch wer Daten preisgibt, auch wer private Daten, wer private Bilder, Erlebnisse, Ansichten öffentlich preisgibt, auch der verdient einen staatlichen Schutzrahmen. Es ist mir wichtig, das zu betonen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, auch wenn wir mit unserem gemeinsamen Änderungsantrag einige Präzisierungen vorgenommen haben: Der Gedanke der Schriftstellerinnen und Schriftsteller ist richtig und sinnvoll, dass eine Verständigung auf internationaler Ebene herbeigeführt wird. Das wollen wir unterstützen. Das wollen wir vorantreiben. Da finde ich es doch interessant, dass jetzt plötzlich die CDU mit der Forderung nach einer internationalen Konvention der digitalen Rechte auftaucht. „Wow!“ habe ich gedacht, die CDU. Sie haben auf Bundesebene monatelang an der Chimäre namens No-SpyAbkommen herumgedoktert. Sie haben dieses NoSpy-Abkommen vor die Wand gesetzt. Sie haben auf der europäischen Ebene die letzten Jahre im Wesentlichen damit zugebracht, die europäische Datenschutzreform entweder zu verwässern oder zu verzögern.

Vor diesem Hintergrund wird in Ihrem Entschließungsantrag klar: Sie produzieren heute schöne Überschriften, nette Luftblasen. Aber das hat doch keine Substanz. Von daher kann ich nur sagen: Wenn Sie eine Idee haben, was in einer solchen Konvention stehen könnte, wenn Sie eine Idee für eine übergreifende Charta der digitalen Rechte haben, dann können wir gerne darüber reden. Es ist sicherlich ein ganz spannender Prozess, was genau am Ende darin stehen soll.

Aber das, was heute kommt, sind, wie gesagt, nicht mehr als Überschriften. Wenn Sie Substanz vorlegen möchten, dann können Sie das gerne tun. Aber das, was Sie heute als Entschließungsantrag vorgelegt haben, das sollten Sie am besten zurückziehen. Das wäre die sauberste Lösung.

(Beifall von den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich würde gerne schließen mit einem Zitat des eben schon angesprochenen Ilija Trojanow.

(Zuruf von Karlheinz Busen [FDP])

Herr Busen, nur weil Sie sich nicht mit der digitalen Welt auseinandersetzen möchten, müssen Sie hier keine so unflätigen Zwischenrufe machen.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das versprochene Zitat von Ilija Trojanow lautet:

„Es ist selbstverständlich, dass wir jene Freiheitsrechte, die wir in einem jahrhundertelangen Kampf in der analogen Welt erfochten haben, jetzt auf die digitale Welt übertragen. Das ist ei

gentlich banal. Die spannende Frage ist, warum das nicht generell akzeptiert und umgesetzt wird.“

Herzlichen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Bolte. – Für die FDP-Fraktion spricht der Kollege Dr. Wolf.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Namhafte Schriftsteller haben ein nobles und wichtiges Anliegen formuliert. Die Brisanz ist uns allen durch tägliche Berichterstattung klar: Uferloses Absaugen von Daten durch geheimdienstliche Ausspäh- und Überwachungsprogramme – PRISM, Tempora, NSA sind in aller Munde.

Es geht längst nicht mehr darum, was Herr Prof. Dr. Dr. Sternberg zu Recht angesprochen hat, dass man sich um Terrorabwehr kümmern muss. Darüber sind wir uns, denke ich, alle einig. Aber es geht eben auch darum, dass im Rahmen der Wirtschaftsspionage abgefischt wird, dass Menschen und ihre Absichten ausspioniert werden, Bewegungsprofile aufgestellt werden. Wir wissen, dass es längst nicht mehr nur gewisse Teile sind, die in den Fokus einer Überwachung geraten, sondern prinzipiell kann jeder Objekt dieser Überwachungsmaschinerie werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mich berührt es eben nicht nur, wenn das Handy der Kanzlerin abgehört wird, sondern mir geht es um jeden Bürger in diesem Staate. Da müssen wir als Liberale, da sollten wir auch insgesamt als Parlament unsere Stimme erheben.

(Beifall von der FDP)

Vor diesem Hintergrund ist der Antrag, der heute gestellt worden ist, zu begrüßen. Ich denke, es ist deutlich geworden, dass bislang, insbesondere von der amerikanischen Seite, keine Remedur zu erwarten ist. Wir haben eine umfassende Reform der geheimdienstlichen Aktivitäten gefordert. Das Einzige, was bei der mit Spannung erwarteten Rede von Herrn Präsident Obama herausgekommen ist – ich zitiere –, ist:

„Die Macht der neuen Technologien bedeutet, dass es weniger und weniger technische Grenzen unserer Fähigkeiten gibt. Das ergibt eine besondere Verpflichtung für uns, um uns harte Fragen zu stellen, was wir tun sollten.“

Meine Damen und Herren, das ist kein Ansatz zur Begrenzung oder Kontrolle der Spähaktivitäten. Das ist, weiß Gott, jetzt keine Ansage für ein internationales Abkommen auf entsprechenden Datenschutz.

Wir haben uns als Freie Demokraten sehr deutlich dafür eingesetzt, dass man diese Fragen auch mit dem Transatlantic Free Trade Agreement, also dem Transatlantischen Freihandelsabkommen, kombinieren sollte. Wir wissen, dass das schwierig ist. Aber für uns als Freie Demokraten ist Freiheit eben nicht von Verantwortung zu trennen. Und die Verantwortung bezieht sich auf den Datenschutz. Das muss zusammengehören.

Volkswirtschaftliche Nutzenmehrung durch freien Handel plus Datenschutz, das ist die Devise, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall von der FDP)

Während wir hier debattieren, laufen die Überwachungsprogramme weiter. Zigtausende weiterer Verbindungsdaten werden abgespeichert.

Deswegen muss gehandelt werden, auch über die EU. Insofern ist der Ansatz der CDU nicht völlig falsch. Allerdings muss auch ich bemängeln, dass ein Institut hier in die Waagschale geworfen wird – die Konvention –, während wir auf der anderen Seite mit der Datenschutzgrundverordnung schon sehr weit fortgeschritten sind und nur durch die Bremsaktion in der Bundesregierung nicht vorankommen.

Richtig ist, dass wir in Europa etwas tun müssen. Wenn wir schon eine Datenschutzgrundverordnung im Entwurf haben, dann lassen wir doch die berechtigten Anliegen, die durch die Schriftsteller aufgebracht worden sind, mit hineinschreiben und das Ganze auch umsetzen.

Wir brauchen – das ist sicherlich richtig – europäische Datenverarbeitung, europäische Cloud-Server, europäische Verschlüsselungsstandards und vielleicht auch europäische soziale Netzwerke.

Meine Damen und Herren, das alles wird nicht leicht; das weiß ich. Aber wir müssen uns klarmachen: Auch wenn es keine hundertprozentige Sicherheit gibt, müssen wir sehr viel Sicherheit beim Datenschutz produzieren. Wir sollten nicht auf ein UN-Abkommen warten. Die EU ist ein starker Player im internationalen Wettbewerb. Mit 500 Millionen Einwohnern und fast 30 % des BIP in der Welt sind wir ein starker Partner. Wir sollten unsere Stimme für den Datenschutz gemeinsam erheben. Wir stimmen dem Antrag in der hier geänderten Form zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Wolf. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung für Frau Ministerin Dr. Schwall-Düren Herr Minister Schneider.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Ziel des Antrags der Piraten, demokra