Protocol of the Session on October 17, 2013

Meine Damen und Herren, lassen Sie uns vernünftig und sachlich über die Energiepolitik sprechen, aber hören wir auf, mit Ängsten Politik gegen die betroffenen Bürgerinnen und Bürger zu machen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die Landesregierung spricht in Vertretung von Frau Ministerpräsidentin Kraft Herr Minister Duin.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Piraten hat diese Aktuelle Stunde zur Zukunft des Braunkohlentagebaus Garzweiler II beantragt. Es ist jetzt schon mehrfach darauf Bezug genommen worden, dass sich der Anlass aus Medienberichten der vergangenen Tage ergibt, wonach RWE eine vorzeitige Stilllegung des Tagebaus Garzweiler II bis 2018 prüfe. In diesem Fall würden in der Stadt Erkelenz mehrere Umsiedlungen nicht mehr notwendig sein.

Zudem folgte ein an die Ministerpräsidentin gerichteter offener Brief der Stadt Erkelenz, der nach der Verlässlichkeit der Tagebauförderung und den damit verbundenen Planungen für Umsiedlungen in Erkelenz fragt. Die Stadt Erkelenz teilte weiter mit, ihrerseits bereits alle Arbeiten für weitere Umsiedlungen auszusetzen. Sie von der Fraktion der Piraten fordern nun Gewissheit über die Fortführung des Tagebaus und fragen nach der Zukunft der Braunkohle vor dem Hintergrund eines stetig steigenden Anteils der Erneuerbaren im Rahmen der sogenannten Energiewende.

Meine Damen und Herren, ich will das, was Herr Dr. Hachen und Frau Zentis insbesondere hier zum Ausdruck gebracht haben, bestärken. Wir alle müssen den größten Respekt vor den Menschen haben, die für den Braunkohlentagebau ihre Heimat verlassen und umsiedeln müssen. Wie schwer das ist, wie schwer den Menschen der Abschied von der alten Heimat fällt, wie groß ihr Opfer ist, konnten Sie am vergangenen Sonntag beim letzten Gottesdienst im Immerather Dom in Erkelenz sehen.

Deswegen seien Sie ganz sicher: Den offenen Brief der Stadt Erkelenz, die Sorgen der Menschen und die berechtigten Interessen der Erkelenzer Umsiedlerinnen und Umsiedler werden von der Landesregierung sehr ernst genommen. Aus diesem Grunde sind wir in intensiven Gesprächen mit dem Braunkohlenausschuss bei der Bezirksregierung Köln, der Stadt Erkelenz und dem Unternehmen RWE, um dauerhafte Planungsklarheit zu schaffen.

Wir müssen nicht immer Medienberichte oder auch Presseerklärungen von Unternehmen kommentieren. Aber jeder hat mitbekommen – darauf ist schon Bezug genommen worden –, dass das Unternehmen RWE die Medienberichte, insbesondere ausgelöst von der „Süddeutschen Zeitung“, über ein vorzeitiges Aus bereits zurückgewiesen hat.

Bei den Umsiedlungsentscheidungen in Erkelenz werden wir deshalb den bewährten Verfahrens- und Entscheidungsweg nicht verlassen. Das war bei den ersten Umsiedlungen für Garzweiler II in Erkelenz so, und Sie wissen, dass dies auch vor wenigen Monaten bei der Umsiedlung für den weiteren planmäßigen Abbau im Tagebau Hambach der Fall gewesen ist.

Wir alle wollen eine nachhaltige Stromversorgung mit einem schnellstmöglich steigenden Anteil an erneuerbaren Energien. Gleichzeitig braucht besonders das Industrieland Nordrhein-Westfalen Versorgungssicherheit. Das heißt, auch wenn Wind nicht weht, Sonne nicht scheint, muss Stromversorgung jederzeit sichergestellt sein.

(Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Bis eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien vollumfänglich möglich sein wird, ist eine Ergänzung durch möglichst hocheffiziente und flexible fossile Kraftwerke notwendig.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von der CDU – Beifall von Holger Ellerbrock [FDP])

Dabei ist auch klar, dass die Braunkohle noch länger eine Rolle im Energiemix spielen wird. Das haben wir übrigens für die letzte Umsiedlungsentscheidung – so gehören beide Debatten doch eng miteinander zusammen – für Morschenich im Mai dieses Jahres für den Tagebau Hambach gesagt. Ich zitiere aus dem Genehmigungserlass, so wie es Herr Schmeltzer auch getan hat, um es vor Augen zu führen. Dort heißt es:

„Aufgrund Ihrer Bedeutung für die Versorgungssicherheit und zur Preisstabilität bleibt die Braunkohle in Nordrhein-Westfalen trotz der von ihr ausgehenden Umweltbelastungen auch für den hier betrachteten Zeitraum ein wesentlicher Bestandteil des Energiemixes und damit erforderlich.“

Klar ist aber auch – und so ist auch das in der Koalition eindeutig verabredete Ziel –, dass Effizienzsteigerungen bei RWE auch dazu führen müssen, die Kohleförderung entsprechend der Effizienzgewinne schrittweise zu senken und die absoluten jährlichen CO2-Emissionen im rheinischen Revier kontinuierlich zu reduzieren.

Meine Damen und Herren, vor diesem Hintergrund werden wir – ich habe es gerade schon angedeutet – auch weiterhin an der bewährten Praxis im Umsiedlungsgeschehen festhalten. Für Erkelenz bedeutet das:

Erstens. Das gesetzlich vorgesehene Braunkohlenplanverfahren zur Umsiedlung der nächsten Erkelenzer Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Ober- und Unterwestrich sowie Berverath wurde noch nicht begonnen. Die in den vergangenen Jahren schon geleisteten Arbeiten der Stadt Erkelenz und der Bezirksregierung Köln bereiten dieses Verfahren erst vor.

Zweitens. Wenn der Braunkohlenausschuss als Sach- und Verfahrensherr über das Verfahren im Jahr 2014 über das gesetzliche Erarbeitungsverfahren für die nächste Erkelenzer Umsiedlung entscheidet, wird das Land im Zuge dieses Planungsverfahrens dann zu den energiepolitischen und

energiewirtschaftlichen Erfordernissen des Braunkohlenabbaus und der Notwendigkeit von Umsiedlungen sowie der Grundannahmen Stellung nehmen.

Drittens. Eine abschließende Entscheidung über die Umsiedlung kann rechtlich erst mit der Genehmigung des vom Braunkohlenausschuss aufgestellten Braunkohlenplans getroffen werden. Dies wäre voraussichtlich erst Mitte Mai 2015 der Fall.

Meine Damen und Herren, die Berichterstattung der „Süddeutschen Zeitung“ mit dem einhergehenden Dementi von RWE kann und darf dieses sehr transparente und juristisch eindeutige Verfahren eben nicht je nach Windrichtung beeinflussen. Durch genau dieses Verfahren werden die Voraussetzungen für verlässliche Politik geschaffen, auch und gerade für die betroffenen Menschen im Revier. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Minister Duin. – Für die CDU-Fraktion spricht der Kollege Kufen. Herr Kollege Kufen, Ihnen wird wahrscheinlich die Technik gleich anzeigen, dass Sie gar keine Redezeit mehr hätten.

(Beifall von der SPD)

Sie haben natürlich acht Minuten. Ich werde mir erlauben, nach sieben ein kleines Signal zu geben, damit Sie sich orientieren können, wie weit Sie mit dem Redezeitkontingent sind. – Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Herr Kollege Schmeltzer freut sich auch über das Signal, wenn sich meine Redezeit dem Ende neigt. So habe ich gerade den Beitrag verstanden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich fand an dem Wortbeitrag des Kollegen Hachen sehr beeindruckend, wie er die Situation vor Ort beschrieben hat, was in den Menschen vorgeht, aber auch wie sich die Menschen auf die neue Situation eingerichtet haben. Deshalb lassen Sie mich ganz zu Beginn für die CDU-Fraktion völlig unzweideutig feststellen: Spekulationen über ein vorzeitiges Aus beim Tagebau Garzweiler II sind unverantwortlich.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das gilt sowohl für Unternehmen als auch für öffentliche Meinungsmache in den Medien, als auch für die Politik. An dieser Stelle steht nämlich Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit ganz oben an. Darauf haben die Bürgerinnen und Bürger gerade in der betroffenen Region einen Anspruch, und diesbezüglich haben sie eine klare Erwartung. Diese formulieren Sie eben nicht nur an irgendein Unternehmen oder im Zusammenhang mit irgendeiner Zeitungs

meldung, ob sie jetzt stimmt oder nicht, sondern, Herr Minister, diese Erwartung wird an Sie und an uns alle hier adressiert. Deshalb ist es auch ein politisches Thema und nicht nur eine Frage, wie wir es rechtlich bewerten.

(Beifall von der CDU)

Daher lassen Sie mich einmal die rechtliche Bewertung sehen, aber bei der politischen Bewertung etwas ganz klarmachen. Ich habe sehr aufmerksam verfolgt, was Kollegin Zentis vorgetragen hat, will aber deutlich machen, dass das etwas anderes ist als das, was Herr Kollege Hachen ausgeführt hat.

Eines ist deutlich: Die Grünen haben einen Beschluss über einen schrittweisen Kohleausstieg und streben bis 2030 den kompletten Umstieg auf die erneuerbare Stromversorgung an. Das heißt, es muss frei sein von Kohle. Kohle ist nach Atom und Erdöl die nächste Ressource, die aus unserem Energiemix verschwinden muss. – So die Beschlussfassung von Bündnis 90/Die Grünen.

(Zuruf von den PIRATEN: Bravo!)

Ich weiß allerdings nicht, ob es aufgrund dieser Beschlusslage angetan ist, Frau Kollegin Zentis, sich in die erste Reihe zu stellen und über Sozialpläne bei RWE zu spekulieren, ob sie nun gut sind oder nicht. Ich glaube, dass Sie bei Ihrer Beschlussfassung vielleicht auch mehr die betroffene Region und die Arbeitsplätze bei RWE hätten im Blick haben müssen, als nur über den Ausstieg aus der Kohle zu spekulieren.

(Beifall von der CDU und der FDP – Zuruf von Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE])

Lassen Sie uns ganz klar machen: Das Spekulieren ist unanständig. Es geht um Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit. Da müssen wir entsprechend einstehen. Herr Minister, ich hätte mir heute von Ihnen, vor allem, da Sie nicht als Wirtschaftsminister, sondern in Vertretung der Ministerpräsidentin sprechen durften, politisch eine deutlichere Klarheit gewünscht.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Insofern kann ich heute wieder feststellen: Bei Minister Duin ist immer viel Umsatz, aber kein Gewinn.

(Beifall von der CDU)

Eines ist völlig klar: Angesichts der Sätze, die Sie am 9. Oktober 2013 in der „Rheinischen Post“ formuliert haben, bin ich mir nicht sicher, Herr Minister, ob Sie zu jeder Tages- und Nachtzeit Ihre Regierungskoalition beisammenhalten können. Sie sagten nämlich:

„Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass wir in Deutschland die konventionellen Energieträger, insbesondere die heimische Braunkohle, noch länger brauchen. Sie liefern einen unverzichtbaren Backup für die Energiewende.“

(Beifall von der CDU)

Das ist völlig klar. Insofern ist deutlich, dass beim Thema Energie, ob beim Thema Datteln, beim Klimaschutzgesetz, bei Kohle, bei der Rolle der energieintensiven Industrien, in dieser Landesregierung die Körpersprache nicht stimmt. Sie laufen nicht synchron,

(Zuruf von Minister Ralf Jäger)

weil Sie sich offensichtlich sehr stark an Formulierungen im Koalitionsvertrag klammern, weil das ist, was am Ende nicht mit Leben im politischen Handeln gefüllt werden konnte. Insofern geht es um die nachhaltige Perspektive für das rheinische Revier. Da nur den Pressesprecher verlautbaren zu lassen, ja, das geht jetzt alles seinen Gang, 2014, 2015 haben wir dann Klarheit, ist nicht das, was die Menschen in der Region hören wollen, völlig klar.

(Beifall von der CDU)

Das geht einher mit der Performance, mit der diese Landesregierung auch in Karlsruhe bei den Verhandlungen aufgetreten ist. Das konnten wir in den „Aachener Nachrichten“ nachlesen. Da spricht dann der SPD-Staatssekretär aus dem Wirtschaftsministerium von der Bedeutung der Braunkohle als heimischer Energieträger, der hervorgehoben werden muss, und der Kollege Knitsch aus dem Remmel-, aus dem Klimaschutzministerium sagt, dass die Braunkohle zukünftig keine Rolle mehr spielen wird. Das ist genau der Widerspruch in Ihrem Handeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das ist genau das, was die Menschen vor Ort jetzt am wenigsten brauchen können. Insofern lassen Sie uns gemeinsam deutlich machen, dass wir eine Perspektive für das rheinische Revier brauchen, dass wir für Verlässlichkeit und Glaubwürdigkeit einstehen, dass wir auch auf Vertragstreue beim Unternehmen RWE drängen werden.