Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dies ist, wie gesagt, der dritte Gesetzentwurf, der von der letzten Plenarrunde übriggeblieben ist, als der Landtag aufgelöst worden ist. Dazu möchte ich noch einige Takte sagen.
Kollege Börschel hat schon eingeleitet, dass das kommunale Ehrenamt gestärkt werden muss. Wir hatten im Kommunalausschuss zu dem Themenbereich einige Beratungen. Es gibt manchmal auch
Auseinandersetzungen zwischen den Hauptamtlichen und den Ehrenamtlichen in den Räten und Kreistagen. Insofern will ich für meine Fraktion ausdrücklich darauf hinweisen, dass wir den Weg, das kommunale Ehrenamt zu stärken, konsequent weitergehen werden – möglicherweise zulasten des hauptamtlichen Bereichs. Das ist aber ausdrücklich gewünscht.
Ich möchte schildern, wie es in den Kommunen derzeit aussieht. Wir haben kein Überangebot von Leuten, die gerne ehrenamtlich kommunal arbeiten wollen, was mit erheblichem Aufwand und möglicherweise mit beruflichen Risiken verbunden ist. Wenn dann noch dazukommt, dass man sich täglich oder häufig darüber streiten muss, ob man zu der Sitzung gehen kann, ist das problematisch. Bei einer Sitzung mag es noch überschaubar sein, aber nicht bei all den anderen Punkten, die Herr Börschel angesprochen hat: Vorbereitung, Ausarbeitung, Gremien, die sich auf das Mandat beziehen.
Ein weiterer Punkt, bei dem dieses Beratungsverfahren vielleicht gar nicht ausreichen wird – das hat Herr Börschel schon ausdrücklich gesagt –, ist die Frage: Wie kann man die Problematik mit Freiberuflerinnen und Freiberuflern und bei Schichtarbeit regeln? Wir hatten früher einmal das andere Extrem – das will ich auch nicht verhehlen –, dass manche gemeint haben, so ein Kommunalmandat kann dazu geeignet sein, sich etwas von beruflichen Pflichten zu verabschieden, und viele Termine genau auf diese Gremientage gelegt haben. Ich glaube, wir haben mittlerweile – das ist auch der Rechtsprechung geschuldet – zum Teil genau das gegenteilige Bild, dass es zunehmend für Gleitzeitler, aber auch für viele andere schwierig wird, ihre Pflichten wahrzunehmen.
Ich will hinzufügen: Es ist nicht hinzunehmen, dass, weil man Gleitzeit oder verschiedene andere Verpflichtungen hat, quasi alles, was nicht mit dem kommunalen Ehrenamt zu tun hat und nicht originär beruflich ist, in die Nachtzeiten zu verlegen ist, angefangen bei der Kinderbetreuung – da ist es noch am offensichtlichsten –, aber auch bei so profanen Tätigkeiten wie zu Hause aufräumen, waschen und anderes. Es kann nicht verlangt werden, dass dies, weil jemand ehrenamtlich tätig ist, auf seinem Rücken ganz persönlich ausgetragen wird.
Da gilt es, eine Balance zu finden. Der Gesetzentwurf ist da ein erster guter Aufschlag. Aber es wird unsere Aufgabe sein – das hat Herr Börschel schon angekündigt –, an diesem Thema weiterzuarbeiten. Wir werden uns möglicherweise auch in dem einen oder anderen Fall zulasten der sogenannten hauptamtlichen kommunalen Familie entscheiden müssen. Aber ich glaube, die ehrenamtliche kommunale Familie ist das Fundament, die leistungsfähig und entscheidungsfähig bleiben muss.
Vielen Dank, Herr Kollege Mostofizadeh. – Für die dritte antragstellende Fraktion, die FDP, erteile ich dem Kollegen Dr. Stamp das Wort, der heute nicht nur Geburtstag hat, sondern jetzt auch seine Jungfernrede als Abgeordneter des Landtags halten kann.
Herr Präsident! Vielen Dank für den herzlichen Empfang. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der vorliegende Gesetzentwurf zur Stärkung des kommunalen Ehrenamtes greift ein wichtiges Anliegen auf. Diejenigen von Ihnen, die selbst kommunale Erfahrung haben, wissen, wie wichtig es ist, dass wir die Vereinbarkeit von ehrenamtlichem Mandant und Beruf stärken.
Tausende von Bürgerinnen und Bürgern engagieren sich ehrenamtlich und mit großem Idealismus in der Kommunalpolitik. Wir haben als FDP-Landtagsfraktion eine starke kommunale Verankerung. Ich weiß, dass es vielen von Ihnen ähnlich geht. Kollege Beu von den Grünen hat wie ich ein Direktmandat in Bonn. Von daher wissen wir auch, was es heißt, die Wahlkreise entsprechend zu pflegen – gerade auch als kleinere Partei. Das sind große Herausforderungen, die unsere Kommunalpolitiker vor Ort haben.
Sitzungen, Ortsbegehungen, Bürgersprechstunden, Hausbesuche, die Vorbereitung der Termine und vieles mehr führen dazu, dass viele Kommunale de facto einen Halbtagsjob – manche sogar mehr – ehrenamtlich ausüben. Von daher ist es notwendig und richtig, dass Mandatsträger wenigstens für die Zeit, in der sich die Zeiten des Mandats mit der beruflichen Arbeitszeit überschneiden, freigestellt werden können. Für Angestellte mit festen Arbeitszeiten ist das klar geregelt. Aber bei der Gleitzeit sieht das anders aus. Die Gleitzeit nimmt zu und wird auch in Zukunft weiter steigen.
Zum einen ist es schlichtweg eine Frage der Gerechtigkeit, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die in ihrem Berufsfeld über ein großes Kontingent an Gleitzeit verfügen, nicht schlechter gestellt werden als die, die einen geregelten Job, einen typischen Nine-to-five-Job, haben. Hier darf es keine Schlechterstellung geben; das ist ungerecht.
Zum Zweiten – das ist vorhin bei einem meiner Vorredner schon angeklungen – ist es auch eine Frage der Qualität unserer Kommunalpolitiker. Das heißt: Welchen Qualitätsanspruch legen wir an die Politik an? Können wir es uns wirklich erlauben, den Vertretern bestimmter Berufsgruppen nicht die Möglichkeit zu geben, ein kommunales Mandat auszuüben?
Wenn mir beispielsweise Ingenieure aus Forschungseinrichtungen sagen, sie würden sich gerne intensiv in der Kommunalpolitik einbringen, aber sie könnten unmöglich die gesamte Zeit nacharbeiten, weil sie umfassende Gleitzeitregelungen haben, und deswegen würden sie auf das Engagement verzichten, dann können wir uns das meiner Meinung nach nicht leisten, weil wir den Sachverstand und die Expertise dieser Arbeitnehmer auch in den Kommunen brauchen.
Das gilt nicht nur für Ingenieure, sondern für viele verschiedene Berufszweige. Aus diesem Grund ist die Einführung einer Zeitgutschrift für Arbeitnehmer mit Gleitzeit in Höhe der Hälfte der für die Mandatswahl eingesetzten Gleitzeit ein vernünftiger Vorschlag. Er schafft mehr Flexibilität und setzt gleichzeitig keine Missbrauchsanreize, auf die mein Vorredner eben hingewiesen hat.
Notwendig ist gleichfalls die Klarstellung, dass die Entsendung von Vertretern in Gremien privater oder öffentlich-rechtlicher Organisationen auf Veranlassung des Rates erfolgt und damit ein Freistellungsanspruch verbunden ist.
Ebenso begrüßen wir den maßvollen und angemessenen Urlaubsanspruch für kommunalpolitische Weiterbildung. Denn das Kümmern vor Ort ist das eine, die Fachlichkeit und das Fachwissen in den Fachausschüssen ist das andere. Hier bedarf es der Möglichkeit der entsprechenden Weiterbildung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der vorliegende Gesetzentwurf entspricht dem gleichnamigen Entwurf aus der vergangenen Legislaturperiode. In der Legislaturperiode davor hat es schon eine Expertenkommission gegeben. Hier sind letztendlich von allen Fraktionen Vorschläge eingeflossen. Es ist eine gute Diskussionsgrundlage, um im Ausschuss weitere Aspekte zu beraten.
Man kann noch darüber diskutieren, wie man mit den Angestellten umgeht, die weder über feste Arbeitszeiten noch über einen definierten Gleitzeitrahmen verfügen. Das wäre ein Punkt, der sicherlich der Erörterung wert wäre.
Auch die Vorschläge der kommunalpolitischen Vereinigungen KPV, SGK, VLK und GAR, die allesamt den Gesetzentwurf im Grundsatz geprüft haben, sollten ebenfalls in Ruhe erörtert werden. Es ist positiv, dass die vielen unterschiedlichen politischen Vereinigungen den Entwurf unterstützen. Deswegen sollten wir das auch entsprechend ernst nehmen.
Die FDP wird dieses Gesetzgebungsverfahren weiterhin intensiv begleiten. Wir sind uns, denke ich, im Ziel alle einig. Wir wollen jedem Berufstätigen, unabhängig davon, wie seine Arbeitszeit im Berufsleben organisiert ist, die Möglichkeit geben, sich eh
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Stamp. Noch einmal herzlichen Glückwunsch zu Ihrer Jungfernrede! Die leichte Überziehung der Redezeit betrachten wir als Geburtstagsbonus. – Für die CDU-Fraktion spricht nun Herr Kollege Voussem. Bitte schön.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Nordrhein-Westfalen engagieren sich über 20.000 Ehrenamtler in Räten, Kreistagen, Bezirksvertretungen und Ortsverbänden für das Funktionieren der Demokratie im Kleinen. Das Ehrenamt ist damit das Rückgrat der kommunalen Selbstverwaltung und ist es auch wert, heute noch einmal einen besonderen Stellenwert eingeräumt zu bekommen.
Das Leitbild des Freizeitpolitikers allerdings begegnet angesichts des stetigen Zeitaufwands sowie komplexer werdender Themen und Kontrollaufgaben heutzutage vielerorts wachsenden Schwierigkeiten. Ratsmitglieder leisten für ihr Mandat oft 20 Wochenstunden und mehr. Zwar finden die meisten Sitzungen abends statt, doch die veränderte Arbeitswelt mit Gleitzeit und flexiblen Dienstplänen verlangt nach einer Gesetzesreform.
Nach der derzeit geltenden Regelung können sich Ratsmitglieder nur während der normalen Arbeitszeit freistellen lassen. Wer gleitet, muss die ehrenamtlichen Stunden der Ratsarbeit meist später nachholen, auch weil die Gemeinde keinen Verdienstausfall zahlt. Das wird nicht nur als ungerecht und unzeitgemäß empfunden, sondern es schreckt auch Kandidatinnen und Kandidaten für den Rat ab. Nicht von ungefähr klagen inzwischen 89 % der Mandatsträger über Probleme und Nachteile am Arbeitsplatz.
Ohne das ehrenamtliche Engagement aber funktioniert die Kommune nicht. Räte müssen auch in Zukunft ein Spiegelbild unserer Gesellschaft sein. Daher ist es zunächst einmal gut, dass sich der Landtag auch in der 16. Wahlperiode schnell wieder mit dem Thema „Stärkung des Ehrenamtes“ beschäftigt und die SPD auch in der neuen Wahlperiode eine Arbeitsgruppe einrichten will, die sich des Themas annehmen soll.
Ich möchte daher heute nur auf einige wenige, für uns jedoch wichtige Punkte des vorliegenden Gesetzentwurfs eingehen.
Für eine effektive und sachgerechte Ausübung des kommunalpolitischen Mandats ist Fort- und Weiterbildung zwingend erforderlich. Daher ist ein speziel
ler kommunalpolitischer Fortbildungs- und Urlaubsanspruch sehr zu begrüßen, insbesondere weil eine Mehrfachgewährung bei Doppelmandatsträgern
Die Ausweitung der Freistellungsregeln auch für die Entsendung von kommunalen Mandatsträgern in Organe und Gremien von juristischen Personen und Vereinigungen des privaten und öffentlichen Rechts ist grundsätzlich ebenfalls zu begrüßen. Zu hinterfragen ist diese Regelung allerdings vor dem Hintergrund, dass die Kommune verdienstausfallpflichtig dafür ist, wenn ein Mandatsträger für eine Drittorganisation freigestellt wird. Warum sollte nicht die Drittorganisation diesen Verdienstausfall selbst tragen?
Im Rahmen der bereits mehrfach angesprochenen Expertenanhörung zu diesem Gesetzentwurf in der letzten Wahlperiode wurde insbesondere von der Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände der Eingriff in arbeitsrechtliche Vertragsbeziehungen problematisiert, der eine Rechtfertigung regelmäßig nur dann erfährt, wenn das Interesse des Allgemeinwohls dies zwingend erfordert.
Die verfassungsrechtlich notwendige Rechtfertigung dieser Regelung ist in der Neuausrichtung dann nicht unproblematisch, wenn nicht nur der Schutz des Ehrenamtes vor konkreten Kollisionen erreicht wird, sondern auch abstrakt-pauschale Gleitzeitanteile angerechnet werden. Vor Konflikten in der Belegschaft wurde in diesem Zusammenhang bereits ebenfalls gewarnt.
Außerdem wurde bemängelt, dass es viele weitere Arbeitsverhältnisse zum Beispiel in Schichtarbeit gibt, die von dieser Regelung nicht profitieren, aber dieselben Schwierigkeiten haben, wenn ein Ehrenamt ausgeübt werden soll.
Kritisch anzumerken ist schlussendlich auch, dass der vorliegende Gesetzentwurf keine Verbesserung für die Situation Selbstständiger bietet.
Ob das Vorhaben seinem Anspruch gerecht wird, das hehre Bild des ehrenamtlich tätigen kommunalen Mandatsträgers einerseits mit den tatsächlichen Anforderungen an einen kommunalen Mandatsträger heutiger Prägung unter Berücksichtigung insbesondere beruflicher Aspekte in Einklang zu bringen, wird sich im Verlaufe der weiteren Beratungen noch zeigen müssen.
Insgesamt bleibt positiv, dass ein Gesetzentwurf und damit die Thematik wieder auf dem Tisch liegen. Der vorliegende Gesetzentwurf regelt gesetzliche Rahmenbedingungen und kann insoweit nur ein erster Schritt sein. Weitere müssen folgen. Diese haben Sie, Kollege Börschel, bereits angekündigt.
Für heute werden wir uns als CDU-Fraktion der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Kommunalpolitik selbstverständlich an
schließen und uns bei den weiteren Gesprächen konstruktiv einbringen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Voussem. – Für die Piratenfraktion erteile ich jetzt zu ihrer Jungfernrede der Kollegin Pieper das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Schön, dass wir uns einig sind, dass der vorliegende Gesetzentwurf sehr wichtig ist. Er ist sogar elementar. Hier geht es um die Beteiligung der Menschen in NRW an demokratischen Prozessen. Und das ist ein Piraten-Kernthema.
Ich habe mich in den letzten Tagen mit vielen Ehrenamtlern unterhalten. Sie haben immer häufiger Probleme, den Beruf, die Familie und auch noch das Ehrenamt unter einen Hut zu bekommen. Die Aufgaben werden immer komplexer, ohne dass eine angemessene Aufwandsentschädigung für viele Aufgaben und Tätigkeiten gezahlt wird. Deswegen wird es immer schwieriger, engagierten Nachwuchs zu finden. Wir brauchen aber über 20.000 Menschen in den kommunalen Gremien.
Die kommunalen Aufgaben erfordern außerdem ein zunehmendes Maß an Fortbildungsbereitschaft. Man kann nicht erwarten, dass diese Fortbildungen ausschließlich in der Freizeit stattfinden. Der Gesetzentwurf sieht hier acht Tage in fünf Jahren vor. Das sind nicht einmal zwei Tage im Jahr. Das wird auf lange Sicht nicht ausreichen.