Protocol of the Session on July 11, 2013

Herr Minister Jäger, darf ich kurz unterbrechen? – Der Kollege Herrmann möchte Ihnen eine Zwischenfrage stellen.

Auch damit habe ich fast fest gerechnet.

Ich interpretiere das als Ja.

Ja.

Herr Herrmann, bitte schön.

Vielen Dank, Herr Minister, dass Sie die Frage zulassen. – Ich muss jetzt natürlich fragen: Wie Sie die Funktion und den Sinn der ZIS-Berichte darstellen, kann man nachvollziehen, dass das eine Arbeitsgrundlage für die Polizei ist. Da gerade Sie die Zahlen, die darin genannt werden, für Ihre Argumentation nutzen, um Maßnahmen zu rechtfertigen usw., wird aber doch viel mehr damit gemacht, als darin nur einen Erfahrungsbericht für den nächsten Einsatz zu sehen.

Nein, Herr Herrmann, das habe ich gerade nicht darzustellen versucht. Die ZIS ist eine Servicestelle für die Polizeibehörden. Der ZIS-Jahresbericht stellt dar, wie die Einsatzverläufe bundesweit stattgefunden haben und welche Entwicklung das rein quantitativ, ohne wissenschaftliche Analysen vorzunehmen, genommen hat. Das zu zitieren, um auf bestimmte Entwicklungen quantitativer Art aufmerksam zu machen, ist meines Erachtens vonnöten, wenn man einen solchen Bericht vorgelegt bekommt.

Ich würde ganz gern auf etwas Bestimmtes eingehen, Herr Herrmann, was mich ein bisschen erschrocken gemacht hat, nicht nur, was den Text Ihres Antrags, sondern auch, was Ihren Wortbeitrag in der Debatte angeht. Eine Sache muss uns klar sein: Gewalt findet beim Fußball statt. Gewalt ist übrigens kein exklusives Problem des Fußballs; wir finden sie in allen Lebensbereichen wie im häuslichen Umfeld, im öffentlichen Raum, in allen gesellschaftlichen Gruppen.

Was Fußball angeht, beneiden uns ganz viele im europäischen Ausland um unsere Fankultur. Sie ist im Unterschied zu England oder Italien wirklich ein

malig. Aber sie ist auch Anziehungspunkt für Straftäter. Sie missbrauchen die Bühne des Fußballs, um Gewalt auszuleben und um Straftaten zu begehen. Das sind übrigens nicht wenige. Sie suchen die Konfrontation sowohl mit der Polizei als auch mit den Ordnungskräften der Vereine und mit anderen Fans. Sie ziehen auch Dritte in Mitleidenschaft.

Deshalb sind mir zwei Dinge wichtig, Herr Herrmann. Erstens haben wir ein eindeutiges Gewaltproblem im Kontext des Fußballs. Das ist ein Fakt. Das dürfen wir nicht kleinreden oder verniedlichen. Das ist kein Phänomen, das durch statistische Fehleranalysen entstanden ist, sondern es ist sehr real. 30 % der Arbeitszeit unserer 18 Einsatzhundertschaften bei der Polizei gehen für Fußball drauf.

Herr Herrmann, glauben Sie es mir einfach: Ich bin der Erste, der eine Reduktion dieser Einsatzzahlen sehr befürworten würde. Aber sie sind erforderlich, weil sich Straftäter im Kontext des Fußballs tummeln und Straftaten begehen.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Ohne die Präsenz der Polizei würden Spiele in der Tat eskalieren.

(Beifall von Josef Hovenjürgen [CDU])

Im Übrigen, Herr Herrmann, wir sind leider in drei Drei-Monats-Zurückhaltungsfrist für Abgeordnete, was den Besuch von Polizeidienststellen und Polizeieinsätzen angeht. Ich lade Sie herzlich ein, da Sie Expertentum durch den Dialog mit Fangruppierungen aufgebaut haben – das ist übrigens wichtig –, auch einmal die andere Seite zu sehen und Ihr Expertentum zu ergänzen. Ich lade Sie herzlich ein, einem Einsatz beim Spiel Schalke 04 gegen Borussia Dortmund beizuwohnen, um vielleicht auch zu sehen:

(Zuruf von den PIRATEN: Wir waren doch da!)

Es gibt nämlich nicht nur die Fans,

(Michele Marsching [PIRATEN]: Mit der Poli- zei war er da!)

sondern es gibt in der Tat Straftäter in diesem Kontext des Fußballs.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Das ist jetzt dumm gelaufen! Dort war er!)

Die Abgrenzung ist mehr als notwendig.

(Zuruf von Marc Lürbke [FDP] – Weitere Zu- rufe)

Entschuldigen Sie bitte, Herr Lürbke. – Sie wissen, dass eine ganze Reihe von Abgeordneten bereits von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht hat,

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Herr Herrmann auch!)

nicht um das Fußballspiel zu sehen, sondern um den Polizeieinsatz zu besuchen

(Zuruf von den PIRATEN: Ja, ja!)

und Dinge besser beurteilen können, als es möglicherweise vom Rednerpult im Landtag möglich wäre.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Er war da! – Weitere Zurufe)

Wir müssen, wie ich finde, im Zuge von Gewalt und Fußball zwei Dinge tun: einerseits repressiv vorgehen – das tun wir mit unglaublichem Ressourcenaufwand, der eigentlich viel zu hoch und dem Steuerzahler kaum noch zu vermitteln ist – und andererseits präventiv wirken, damit Gewalt im Kontext mit Fußball möglichst gar nicht erst stattfindet.

Herr Minister Jäger, darf ich noch einmal unterbrechen? – Es gibt noch eine Zwischenfrage vom Kollegen Marsching. Würden Sie die auch zulassen?

Ja, selbstverständlich.

Bitte sehr.

Vielen Dank, Herr Minister. – Es tut mir leid. Ich kann das so nicht stehenlassen. Ist Ihnen bewusst, dass Herr Herrmann genau dieses Fußballspiel zusammen mit der Polizei besucht hat, um sich die andere Seite anzuschauen? Ich glaube, Sie haben da ein sehr schlechtes Beispiel gewählt.

(Beifall von den PIRATEN)

Herr Marsching, das ist mir nicht bekannt. Das erklärt aber erst recht nicht seine Haltung im Zusammenhang mit Gewalt und Fußballspielen, dass die Polizei sozusagen durch permanente Grundrechtsverletzungen für Gewalt am Rande des Fußballs verantwortlich sei. Herr Herrmann hat offensichtlich ein Spiel zu wenig gesehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, mir ist wichtig, Folgendes deutlich zu machen: Als Landesinnenminister glaube ich, dass wir im Dialog mit den beiden Verbänden DFL und DFB in den letzten zwölf Monaten viel erreicht haben. Insbesondere nehmen die beiden Verbände deutlich mehr Geld in die Hände, um zusätzliche Fanprojekte zu finanzieren, mehr Prävention im Zusammenhang mit Fußball zu realisieren und Projekte aufzulegen, die deeskalierend in die Fankultur hineinwirken, aber zugleich die Trennungslinie zwischen Fans und Straf

tätern deutlicher skizzieren. Ich glaube, wir sind da auf einem guten Weg.

Aber ich sage auch, es gibt gute Beispiele, wie den 1. FC Köln, dem es gelungen ist, durch den Dialog mit den Fangruppen, mit der Polizei und mit dem Verein friedlichere Spiele zu organisieren. Aber das haben noch längst nicht alle Vereine geleistet. Da ist noch viel Luft nach oben. Wir werden daran arbeiten, dass das noch besser wird. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Herzlichen Dank, Herr Minister Jäger. Würden Sie kurz bei uns hier vorne bleiben? Es gibt nämlich zwischenzeitlich eine Kurzintervention, die, nicht überraschend, Kollege Herrmann angemeldet hat.

(Minister Ralf Jäger: Wer auch sonst?)

Herr Herrmann hat maximal 90 Sekunden Zeit.

Herr Marsching hat es vorweggenommen: Ich war nicht bei dem Spiel im letzten September, sondern ich war in diesem Jahr bei einem Spiel. Es war trotz dieser DerbyKonstellation ein sehr friedliches Spiel.

Ich habe mir sehr wohl die Arbeit der Polizei angeschaut, die ich im Übrigen sehr schätze – nicht dass da ein falscher Eindruck entsteht. Wir haben bei der Begehung auch Dinge festgestellt, die im letzten Jahr wohl falsch gelaufen sind, auch in der Organisation der Fanbetreuung und bei der Polizei. Das hat zu den Ausschreitungen durchaus mit beigetragen.

Keine Frage, es gibt Fans, und es gibt Gewalt im Fußball – Sie haben es gesagt, und ich habe es in meiner Rede auch erwähnt –, leider wie überall in der Gesellschaft.

Es gibt einen Faktor, dessen genaue Bezeichnung ich hier gerade nicht habe. Es geht darum, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass man Opfer einer Gewalttat wird. In den Anhörungen wurde ganz deutlich, dass das Risiko, eine Verletzung davonzutragen, bei Fußballspielen 1:19.000 beträgt. Schaut man sich das an, was von der allgemeinen Polizeistatistik erfasst wird, stellt man fest, dass die Wahrscheinlichkeit dort 350-mal höher ist. Das heißt, im normalen Leben – im Verkehr beispielsweise – geht es wesentlich gefährlicher zu als bei Fußballspielen.

Herr Kollege Herrmann, die 90 Sekunden sind um. Wir haben vereinbart, dass wir relativ strikt damit umgehen. Der Innenminister hat jetzt auch noch einmal 90 Sekunden Zeit, um zu antworten beziehungsweise zu reagieren.

Herzlichen Dank, Herr Herrmann. Jetzt wird mir klar, dass Sie zusätzliche Fußballspiele besuchen müssen. Die Tatsache, dass bei Fußballspielen ein relativ geringes Risiko besteht, Opfer einer Straftat zu werden – darauf bezieht sich ihre Logik –, ist doch das Resultat einer massiven Polizeipräsenz während der Spiele.

Wenn Schalke gegen Dortmund spielt, sind 900 Beamtinnen und Beamte im Einsatz. Deshalb gibt es dort keine große Zahl von Verletzten. Das sollten Sie sich vielleicht noch einmal vor Ort anschauen. Sie sollten vielleicht auch die Arbeit der Polizei anders bewerten und zu anderen Schlüssen kommen.

Wir wollen in Deutschland friedliche Spiele haben. Wir haben eine wunderbare Fankultur. Wir haben die besten Arenen und eine hohe Emotionalität in den Stadien. Aber wir müssen eine klare Trennungslinie zu den Straftätern ziehen. Dass da nicht mehr passiert, dafür verdienen die Polizeibeamtinnen und -beamten unseren Respekt, die jedes Wochenende im Einsatz sind und dafür sorgen, dass Sie zu friedlichen Spielen gehen können.