Lieber Herr Stotko, lieber Herr Körfges und auch Herr Innenminister Jäger, wenn Sie immer wieder darauf abstellen, wir hätten hier zu wenige Beamte, dann stellen Sie auf die Situation ab, dass wir in Nordrhein-Westfalen mehr Polizistinnen und Polizisten ausbilden müssten, um im Jahr 2017 das Loch schließen zu können.
Meine Damen und Herren, die Taten, um die es hier geht, haben also überhaupt nichts damit zu tun, dass wir 2017 zu wenig Beamtinnen und Beamte haben,
sondern das hat damit zu tun, dass Sie von oben her alles schlecht organisieren. Die Beamtinnen und Beamten können für die Situation überhaupt nichts.
Ich bin jedenfalls guter Dinge, dass Sie 2017, wenn das von Ihnen immer wieder zitierte Loch zutage tritt, die Verantwortung nicht mehr tragen werden, meine Damen und Herren. Wir sind gerne bereit, uns dann den Problemen zu stellen – sicherlich mit einer besseren Lösung als Sie sie haben.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In dieser Debatte ging es schon viel um Obst, um Äpfel und Birnen. Mein Eindruck ist: Die CDU hat uns mit dieser Aktuellen Stunde ganz weit auf die innenpolitische Fallobstwiese geführt. Ihre Argumente liegen seit Jahren herum, besser werden sie nicht. Sie sind vielmehr schon seit Jahren faul.
Hier läuft eine Aktuelle Stunde zu einer Statistik, die von wirklich allen, die sich damit auskennen – von Statistikexperten wie von Polizeifachleuten – als „Unstatistik des Monats“ bezeichnet wurde. Sie wird jedes Jahr wieder auseinandergenommen. Jedes Jahr springen Sie von der CDU wieder auf den Zug auf. Das geschieht einfach aus einem einzigen Grund so: Sie haben kein Konzept, keinen Plan und keine Ideen, wie man innere Sicherheit in diesem Land gestalten kann.
Man schaue sich nur an, was wir in diesen Tagen an Bewertungen über die Statistik lesen durften. Den Begriff „Unstatistik des Jahres“ habe ich gerade schon genannt. Es gibt in Bezug auf Fahrraddiebstähle den Vergleich mit Münster; Wuppertal mit ein paar mehr Bergen steht in dem Bereich schon viel besser da. Ich habe auch eine Statistik, die ich immer gerne für Bielefeld, meine Heimatstadt, zitiere. Darin werden nicht mehr die Straftaten pro Einwohner, sondern Straftaten pro Quadratkilometer Stadtfläche gerechnet. Bielefeld ist dann ganz weit vorne. Der Garant für Sicherheit in unserer Stadt ist demnach nicht mehr die Polizei, sondern der Teutoburger Wald. Liebe Kolleginnen und Kollegen, so sind all diese Statistiken doch so oder so zu bewerten; man muss immer vernünftig draufschauen, was dahinter steht.
Eines ist aber – ich glaube, dass das richtigerweise von allen Kolleginnen und Kollegen bemerkt worden ist – klar: Hinter all diesen Zahlen, hinter allen Zahlen aus der Kriminalitätsstatistik stehen auch menschliche Schicksale. Wir als Landesgesetzgeber haben natürlich die Aufgabe, im Sinne der Opfer dieser Taten dafür zu sorgen, dass möglichst viele Taten aufgeklärt werden, dass es für die Arbeit der Polizei in Nordrhein-Westfalen möglichst gute Rahmenbedingungen gibt.
Aber da hilft uns doch gerade Ihr Krakeelen nicht, Herr Biesenbach. Da hilft uns auch gerade Ihre Rhetorik nicht, Herr Sieveke, dass im Prinzip andauernd an jeder Ecke eingebrochen würde. Das ist doch der Sound, mit dem wir für Unsicherheit bei den Menschen sorgen. Diese kurzfristige Effekthascherei ist es doch, die bei der Bevölkerung Ängste schürt. Und das, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist wirklich unredlich: weil alle, die ein bisschen Ahnung von Innenpolitik haben, wissen, wie sensibel dieser Bereich ist und wie sensibel man da eigentlich argumentieren müsste.
Eben ist der Bundesinnenminister angesprochen worden. Er fordert immer Videoüberwachung, egal, ob sie Sinn macht oder nicht. Wenn Sie hier jetzt am liebsten leichte Artillerie fordern würden, dann zeigt das einfach, dass Sie sich völlig aus der Diskussion verabschiedet und kein Interesse an einer seriösen Debatte haben.
Das einzige Sinnvolle, was ich hierzu bislang gelesen habe, war die Forderung nach mehr Personal. Das Personal ist natürlich ein ganz wichtiger Faktor für die Polizeiarbeit.
Gucken wir uns die Zahl der Einstellungsermächtigungen bei der Polizei an. 2006: 500, 2007: 500, 2008: 1.000, 2009: 1.000, 2010: 1.100. Wer hat etwas für die Polizei in Nordrhein-Westfalen getan? Das war Rot-Grün. Wir haben 2011 und 2012 jeweils 1.400 eingestellt. 2013 werden es 1.477 sein. Das sind die Zahlen, die für uns sprechen.
Dass Sie immer versuchen, das als Wahlgeschenke zu diskreditieren, das ist an Absurdität wirklich nicht zu überbieten.
Ein Punkt in der Debatte hat mich eben ganz besonders erregt, Herr Sieveke: dass Sie tatsächlich vom „Gewinsel von der Prävention“ sprechen. Das macht mich wirklich fassungslos; denn wir hatten in diesem Haus seit Langem einen Konsens, wie wichtig Prävention ist.
Gucken Sie mal zurück auf die Legislaturperiode vor 2010! Damals hatten wir eine Enquetekommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für eine effektive Präventionspolitik in Nordrhein-Westfalen. Seinerzeit gab es Konsens, dass man mehr für Prävention tun müsste. Heute stellen Sie sich hierhin und erzählen: Prävention ist Gewinsel, ist Gejammer. Eigentlich braucht man das überhaupt nicht. Wir brauchen endlich mal wieder irgendwen, der hart durchgreift.
Das ist einfach nur noch demaskierend für Sie. Daraus spricht eine konzeptlose, eine ideenlose CDU, die längst nicht mehr die Partei der inneren Sicherheit ist, sondern einfach keine Ahnung mehr hat, was sie im Bereich der inneren Sicherheit tun will.
Neue Aufgaben angehen, Herausforderungen wirksam begegnen und die Prävention stärken – das sind die innenpolitischen Leitlinien von Rot-Grün.
Die Opposition, gerade Schwarz-Gelb, hat sich für eine Arbeitsteilung entschieden, die da heißt: Sie von CDU und FDP skandalisieren, wir als regierungstragende Fraktionen arbeiten. – Ich glaube, die eben genannten Leitlinien sind gute Leitlinien, nach denen wir arbeiten.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch Grüße an die neu hinzugekommenen Bürgerinnen und Bürger auf der Tribüne und im Livestream! Ich möchte jetzt doch noch etwas zu den CDUVorwürfen sagen, Rot-Grün in NRW vernachlässigte die Kriminalitätsbekämpfung. – Das ist ganz schlimmes Wahlkampfgetöse! Werden wir jetzt weiter in jeder Plenarwoche und in allen Innenausschusssitzungen über dieses Thema sprechen? Ich befürchte das. Ich sage Ihnen auch, warum. Die SPD hat die CDU beim Thema „Sicherheit“ rechts überholt, und die CDU sieht ihre Felle davonschwimmen.
Lieber Herr Biesenbach, Sie sind richtig sauer, dass Rot-Grün mittlerweile eine schärfere Sicherheitspolitik betreibt als die Union. Da bleibt Ihnen nichts mehr. Sie laden ja schon sozialdemokratische Ordnungsdezernenten zu CDU-Klausurtagungen ein, damit diese Ihnen Nachhilfe in Sachen Sicherheit erteilen – so letztens in Oberhausen bei der dortigen CDU-Fraktion geschehen.
Und Achtung! Herrn Minister Jäger können Sie nun wirklich nichts mehr vorwerfen. Er hat es ja dank gruseliger Märchen und aufgebauschter Warnungen vor Islamisten und Terroristen geschafft, dass zukünftig schon bei Ordnungswidrigkeiten sämtliche Bestandsdaten von Behörden und Nachrichtendiensten abgerufen werden können.
Das bedeutet, dass Telekommunikationsanbieter Adressen, PINs und Passwörter herausgeben müssen. Falschparker werden damit auf eine Stufe mit Terroristen gestellt. Dank Herrn Jägers Einsatz haben wir keine Kontrolle mehr darüber, was mit unseren persönlichen Daten passiert und wer uns im Internet über die Schulter schaut. Das, liebe Kollegen von der CDU, können auch Sie nicht mehr überbieten.
Ich möchte den Rest meiner Redezeit nutzen, um über die Kriminalitätsprävention zu sprechen, dazu kurz auf Ihre Einlassungen, Herr Körfges und Herr Bolte, einzugehen und Lösungswege vorzuschlagen, die wir beschreiten sollten.
Da der Armutsbericht der Bundesregierung, wie wir alle wissen, geschönt wurde, beziehe ich mich lieber auf die Studie des Paritätischen Gesamtverbands. Laut dessen Bericht ist die Armutsgefährdung seit 1990 stetig gestiegen. 15,1 % der Bevölkerung in Deutschland ist armutsgefährdet. Das sind 12,4 Millionen Menschen, jeder Sechste. Das ist ein Negativrekord. Im Bericht heißt es, dass Berlin und das Ruhrgebiet in der mehrjährigen Betrachtung die mit Abstand besorgniserregendsten Regionen in Deutschland darstellten.
Ich sehe hier ein Nord-Süd-Gefälle. Dieses NordSüd-Gefälle muss auch berücksichtigt werden, wenn wir über die Kriminalitätsbekämpfung sprechen. Was wir wirklich brauchen, ist ein Sofortprogramm gegen die wachsende Armut.
In Nordrhein-Westfalen gibt es einige positive Ansätze dazu, die es zu intensivieren gilt. Zum Beispiel steht den Jugendkontaktbeamten der Dortmunder Polizei seit 2011 ein aus Landesmitteln finanzierter Pädagoge zur Verfügung. Hier scheint man langsam zu lernen: Nur wenn die Sozialarbeit mit der Polizeiarbeit integrativ zusammenarbeitet, werden langfristig Straftaten verhindert und nicht nur verfolgt.
Viele Probleme lassen sich gerade nicht durch Repressionen lösen. Denn was die Polizei zu Gesicht bekommt, ist meist nur die Spitze des Eisbergs einer Vielzahl von sozialen Problemen. Diese lassen sich eben nicht mit polizeilichen Mitteln lösen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war zumindest eine laute Debatte. Herr Körfges, von Ihnen kam besonders viel Abscheu und Empörung. Nur: Sie haben nicht zu uns geredet.
Wir haben eine Debatte erlebt, bei der die Kollegen von der FDP und wir den Finger in die Wunde gelegt haben. Und wovon haben Sie gesprochen? Von einer Statistik, die für uns keine Rolle spielte. Wir haben nicht über Ranking gesprochen, wir haben nicht darüber nachgedacht, wie sicher oder unsicher
eine Stadt ist. Wir haben vielmehr gefragt: Was tut diese Landesregierung dagegen, dass die Zahl der Straftaten in Nordrhein-Westfalen fünfmal so hoch steigt wie im Bundesdurchschnitt?