Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir führen ja heute eine verbundene Debatte zu unserem Antrag und dem Gesetzentwurf der Landesregierung.
Wir bringen unseren Antrag in das Parlament ein, weil wir Sorge hatten, dass die Debatte zwischen Rot und Grün über ein neues Verfassungsschutzgesetz eine Never-ending-Story wird. Schon mehrfach mussten wir die Laufzeiten von verschiedenen Normen des Verfassungsschutzgesetzes verlängern, weil Sie sich nicht einigen konnten. So haben wir gesagt, dass wir jetzt zeigen müssen, wie es weitergehen müsste.
Wir sind froh, dass Sie jetzt diesen Gesetzentwurf vorgelegt haben, allerdings glauben wir, dass Sie in vielen Punkten nicht die richtigen Schwerpunkte setzen. Wenn Sie sich unseren Antrag ansehen, der eine neue Leitlinie für ein neues Verfassungsschutzgesetz sein könnte, dann stellen Sie fest, dass einige Punkte fundamental anders gesehen werden:
Erstens. Wir sind der Ansicht, dass man bei Extremismus nicht differenzieren darf, nicht nach links, nicht nach rechts, nicht nach gewalttätig, gewaltbe
reit, vielleicht gewaltbereit oder nur Schreibtischtäter, sondern – das zeigte auch eben die Debatte über den Salafismus – man muss von Anfang an verfassungsfeindliche Tendenzen auch vom Verfassungsschutz beobachten lassen. Es kann doch nicht sein, dass der Verfassungsschutz erst dann auf den Plan tritt, wenn man bereits aus der Zeitung erfahren hat, dass die Jungs und Mädels gewalttätig sind. Hätte man beim Salafismus früher hingeschaut, dann, glaube ich, wäre die eine oder andere Radikalisierung vermieden worden.
Der zweite Unterschied ist, dass wir glauben, dass die Arbeit des Parlamentarischen Kontrollgremiums, so wie Sie sie sich zukünftig vorstellen, nicht der richtige Weg ist. Sie machen eine Art Pseudoöffentlichkeit, wollen, dass das Kontrollgremium demnächst öffentlich tagt. Wir sagen: Das Kontrollgremium ist dafür da, um die Arbeit des Verfassungsschutzes zu kontrollieren. – Das hat nichts damit zu tun, dass wir politische Auseinandersetzungen führen, sondern wir prüfen, ob nach Recht und Gesetz gehandelt wird. Die politische Auseinandersetzung über die Arbeit des Verfassungsschutzes möchten wir Liberale im Parlament oder in den zuständigen Ausschüssen führen. Wir glauben, dass, wenn man Ihren Weg geht, das Parlamentarische Kontrollgremium entwertet wird, weil nur noch über politische Leitlinien debattiert wird und die eigentliche Arbeit zu kurz kommt.
Auch wir möchten, dass die Arbeit des Kontrollgremiums durch Personal unterstützt wird. Sie haben vorgeschlagen, dass dies durch einen Mitarbeiter der Landtagsverwaltung geschehen soll. Wir sind der Ansicht, dass, da die Abgeordneten unterstützt werden sollen, diese Mitarbeit aus den Fraktionen heraus erfolgen soll. Ich persönlich möchte mir meine Mitarbeiter aussuchen, mit denen zusammen ich dieser Kontrolltätigkeit nachgehe, und nicht von der Landtagsverwaltung eine Person für alle gestellt bekommen.
Wir sind der Auffassung, dass der Landesdatenschutzbeauftragte mit in die Beratungen einbezogen werden sollte. Denn viele Dinge, die im PKG besprochen werden, sind von datenschutzrechtlicher Relevanz. Insofern wünschen wir uns, dass seine Expertise immer mit eingebunden ist.
Bezüglich des Datenschutzes hat Ihr Gesetzentwurf große Schwächen. Es wird immer noch nicht geregelt, wie wir mit den Daten umgehen, dass sie tatsächlich auch einmal gelöscht werden, dass tatsächlich benachrichtigt wird und dass nicht irgendwo Sachakten geführt werden, mit denen nach 30 Jahren rekonstruiert werden kann, ob ich vielleicht irgendwann einmal neben einer Laterne gestanden habe. Ich bin der Meinung, es muss eine effektive Löschung von Daten geben, auch auf die Gefahr hin, dass wir irgendwann nicht mehr auf die Daten zurückgreifen können. Der Verfassungs
schutz ist kein rechtshistorisches Institut, sondern der Verfassungsschutz muss aktuelle Entwicklungen aufgreifen und die Verfassung schützen.
Weil noch ganz viele Punkte eine Rolle spielen, die aber in so kurzer Zeit nicht abgearbeitet werden können, werden wir sicher hierüber im Ausschuss noch diskutieren. Wir Liberale werden eine Anhörung zum Gesetzentwurf und zu unseren Vorstellungen in den entsprechenden Gremien beantragen, damit klargestellt wird, was geht und was nicht geht, welche Ihrer Vorstellungen gut sind und welche nicht. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Tat handelt es sich um eine verknüpfte Debatte. Deshalb will ich, Herr Dr. Orth, zunächst auf Ihren Antrag eingehen.
Ich bin der Meinung, dass Sie in einem völlig falschen Zug sitzen. Der Landesbeauftragte für Datenschutz hat nach Gesetz eine ganz bestimmte Funktion, die mit der Kontrolle des Verfassungsschutzes überhaupt nichts zu tun hat. Den noch als Bürgeranwalt zu bezeichnen, ist insofern – ich sage es diplomatisch – niedlich, als sich doch die Frage stellt, wer denn der bessere Bürgeranwalt sein sollte, wenn nicht die freigewählten Abgeordneten dieses Hauses.
Übrigens: Wir haben den Vorschlag gemacht, dass Sie mit eigenen Mitarbeitern im Parlamentarischen Kontrollgremium unterstützt werden, weil ich beide Seiten kennengelernt habe, und zwar zum einen als Mitglied des Landtags und zum anderen als derjenige, der für die Sicherheitsbehörden im PKG vertreten ist. Aber Sie sollten immer daran denken, dass Sie nicht als Fraktionsmitglied der FDP im PKG sitzen, sondern dort zur Person gewählt sind.
Deshalb sollte die Anbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht in den Fraktionen erfolgen. Sie sollten natürlich durch das Parlament gestellt werden.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, das von uns vorgelegte Gesetz hat viele Facetten. Es gibt eine rote Linie für den Verfassungsschutz in diesem Gesetz, die lautet: Transparenz, Klarheit, Kontrolle,
Wir wollen mit diesem Verfassungsschutzgesetz klar machen, dass der Verfassungsschutz in der Mitte unserer Gesellschaft verankert ist. Er dient dem Schutz unserer Demokratie. Aber dieses Gesetz soll auch klarmachen, dass wir dringend – notwendigerweise nach der Entdeckung der NSUZelle – Vertrauen für den Verfassungsschutz bei den Bürgerinnen und Bürgern zurückgewinnen wollen und, wie ich glaube, auch zurückgewinnen werden. Der Verfassungsschutz schützt die Werte unserer Demokratie. Das zu formulieren, ist in diesem Gesetzentwurf gelungen.
Bei begrenzter Redezeit kann ich leider nicht auf alle Details eingehen, die wichtig sind. Lassen Sie mich aber einige wenige ansprechen. Es gibt kein Verfassungsschutzgesetz in Deutschland, das eine so umfassende Kontrolle des Verfassungsschutzes durch das Parlament vorsieht wie dieser Gesetzentwurf. Ich glaube, es muss klar sein: Nur ein Verfassungsschutz, der umfassend kontrolliert wird, kann im Gegenzug Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern erwarten.
Darüber hinaus ist in diesem Gesetzentwurf klar geregelt, wie mit menschlichen Quellen, die wir dringend brauchen, umzugehen ist. Von einem Verfassungsschutz, dem man dieses Instrument nicht zubilligt, kann man nicht erwarten, dass er seinem Verfassungsauftrag, was die Aufklärung und die Information angeht, nachkommen kann.
Wir brauchen die menschlichen Quellen. Aber in diesem Gesetzentwurf ist klar geregelt, was sie dürfen und was sie nicht dürfen, welche Befugnisse der Verfassungsschutz hat und welche er eben nicht hat. Das gilt insbesondere für den Umgang mit den Vertrauenspersonen. Es ist klar geregelt: Wer von ihnen erhebliche Straftaten begeht, ist nicht mehr einzusetzen. Die Vertrauensperson darf keinen maßgeblichen Einfluss auf die zu beobachtende Bestrebung haben. Geldzuwendungen dürfen nicht der alleinige Lebensunterhalt sein. Mindestens genauso wichtig ist, dass über eine Verpflichtung zukünftig immer die Leitung des Verfassungsschutzes entscheidet.
Meine Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf nimmt die Diskussionen um den Nationalsozialistischen Untergrund und die Schwächen und Stärken der Sicherheitsbehörden, die dabei offenbart worden sind, auf und setzt sie um. Wir sind mit diesem Gesetzentwurf in einer Vorreiterrolle in Deutschland. Weder der Bund noch die Bundesländer haben einen so modernen Gesetzentwurf für den Verfassungsschutz, was Kontrolle, Führen und Aufgabenstellungen angeht, vorgelegt. Das tun wir in Nordrhein-Westfalen. Wir sind ein Stück weit stolz darauf, dass wir so frühzeitig und so gut auf die Entwicklungen reagiert haben.
Ich glaube, dass das Gesetz, wenn es von Ihnen beschlossen wird, das Vertrauen in den Verfassungsschutz wieder stärken wird. Vor allem hoffe ich auf eine große Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf aus Ihren Reihen. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! Ich bin sehr froh darüber, dass wir heute in verbundener Debatte über den Antrag der FDP und den vorgelegten Entwurf der Regierung für ein Verfassungsschutzänderungsgesetz diskutieren können.
Ich verhehle nicht, dass ich immer ein wenig Schwierigkeiten mit dem Begriff der wehrhaften Demokratie habe, wenn es darum geht, an solchen Stellen wie heute zu begründen, warum wir Organisationen und Institutionen brauchen, die uns dabei helfen, unsere Demokratie zu verteidigen. Das ist gut und richtig so; insoweit kann ich zu dem Begriff stehen. Aber es gehört immer noch eine andere Seite hinzu, nämlich die gelebte Demokratie und die funktionierende demokratische Gesellschaft, die vor verfassungsfeindlichen Bestrebungen insgesamt
Dennoch ist es unabweislich, dass man die Gesellschaft auch durch Einrichtungen, Institutionen und Behörden vor demokratiefeindlichen Bestrebungen schützen muss. Herr Minister Jäger ist schon darauf eingegangen: Das Vertrauen in einen Teil dieser Sicherheitsarchitektur ist nicht zuletzt wegen der grauenhaften Mordserie der NSU und der Erkenntnisse, die bei der Aufarbeitung dieser Mordserie zum Teil zutage getreten sind, erheblich erschüttert worden.
Wir müssen alles dafür tun, dass an dieser Stelle tatsächlich wieder Vertrauen hergestellt wird. Es darf nicht der Eindruck entstehen, dass Verfassungsschutzbehörden ein Eigenleben führen und parlamentarische und öffentliche Kontrolle nicht funktioniert.
Insoweit bin ich froh darüber, dass es in wesentlichen Punkten übereinstimmende Ansätze in Ihrem Antrag, unseren Vorstellungen und dem Gesetzentwurf gibt. Herr Dr. Orth, Sie haben sich gerade darum bemüht, auch Gegensätze herauszuarbeiten, aber im Wesentlichen sind wir uns im Klaren darüber, dass es darum geht, verlorenes Vertrauen wiederherzustellen, Kontrolle wirksam auszuüben und darüber hinaus mehr Sicherheit für die Allgemeinheit zu vermitteln. Das betrifft das, was wir als Kontrolleure zu tun haben, nämlich mehr Sicherheit
Lassen Sie mich an der Stelle zum Beispiel auf die Art und Weise eingehen, wie das Parlamentarische Kontrollgremium arbeitet. Wir haben überhaupt keinen Streit darüber, dass die politische Auseinandersetzung nicht in ein Kontrollgremium gehört. Wir stimmen völlig darin überein, dass wir über Grundsätze der Bekämpfung des Extremismus im Innenausschuss debattieren müssen. Aber Kontrolle und Öffentlichkeit haben insbesondere vor dem Hintergrund des Vertrauensverlustes, von dem ich gesprochen habe, sehr intensiv miteinander zu tun. Es kann nicht darum gehen, jeden Punkt, den das Parlamentarische Kontrollgremium zu beurteilen hat, im Lichte der Öffentlichkeit zu spiegeln. Das würde sich schon von der Materie her verbieten und die Arbeit des Verfassungsschutzes an einigen Stellen ad absurdum führen.
Meine Damen und Herren, wenn es um Transparenz, Akzeptanz und um die Darstellung von Entwicklungen im Bereich verfassungsfeindlicher Bestrebungen geht, können wir uns durchaus vorstellen, dass es mehr als Sinn macht, die Öffentlichkeit an teilweise öffentlichen Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums teilhaben zu lassen. Meine politische Arbeit hat mich gelehrt, dass keine Kontrolle so wirksam ist wie die Kontrolle, die in der Öffentlichkeit und unter Begleitung der Medien stattfindet.
Wir begrüßen auch ganz ausdrücklich, dass jetzt die Mittel des Verfassungsschutzes abschließend aufgezählt sind. Das ist ein Quantensprung, wenn es darum geht, rechtsstaatliches Handeln abzusichern. Der Verfassungsschutz darf all das machen, was im Gesetz im Einzelnen geregelt ist, und er darf nichts machen, was im Gesetz nicht geregelt ist. Ich glaube, hier werden sehr vernünftige Maßstäbe zum Gegenstand des Handelns unserer Verfassungsbehörde. Bei den V-Leuten zum Beispiel kann man sehr deutlich erkennen – und das ist besonders wichtig –, wo ihr Einsatz beginnt, wer ihn organisiert, wie er kontrolliert wird und welche Einschränkungen vorgenommen werden sollen.
Ich möchte dann auch zum Abschluss kommen, darf aber noch darauf hinweisen, dass sich im Gesetzentwurf all das wiederfindet, was die höchstrichterliche Rechtsprechung – zum Beispiel im Kernbereich – von uns verlangt. Ich darf allerdings auch darauf hinweisen, dass es sicherlich noch eine Reihe von Ergänzungen geben wird.
Ich freue mich darüber, dass wir einig darin sind, diesen gesamten Gesetzgebungsvorgang noch einmal in einer Sachverständigenanhörung zu spiegeln. Das ist selbstverständlich. Wir sind sicherlich gut beraten, wenn wir Experten zu Rate ziehen. Ich denke aber auch, dass wir uns an dieser Stelle sehen lassen können.
Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich noch ein großes Dankeschön loswerden, zunächst beim Haus, beim Ministerium. Ich glaube, wir schreiben ein Stück Geschichte, was unsere Sicherheitsorgane in der Bundesrepublik Deutschland angeht. Denn dieser Gesetzentwurf hat keinen Vorläufer; das ist das Modernste und Beste, was es an Verfassungsschutzgesetzgebung im Augenblick in Deutschland gibt.
Darüber hinaus will ich sehr deutlich machen, dass ich mich auch bei unserer Landesbehörde, bei unserem Verfassungsschutz, ganz ausdrücklich für die Offenheit im Umgang mit dem Parlamentarischen Kontrollgremium und mit der Öffentlichkeit bedanke. Denn ein Teil der Arbeit ist – das finde ich gut und richtig so – nach außen im Bereich der Prävention zu verankern.
Insoweit wünsche ich uns weiterhin gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und gute Beratungen beim weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. – Danke.