Insoweit wünsche ich uns weiterhin gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit und gute Beratungen beim weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens. – Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich hatte es fast befürchtet, Herr Minister und auch Herr Kollege Körfges, dass Sie heute die große Feier anstimmen, nach dem Motto „das modernste und beste Gesetz – das es ja werden soll –, das wir im Bereich des Verfassungsschutzes haben.“
Was wahr ist, Herr Jäger, werde ich gleich sagen. – Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie zumindest das umfangreichste Gesetz vorlegen. Es erweckt auch den Eindruck, als ob man alles wisse, was der Verfassungsschutz demnächst tun soll und tun darf.
Sie erfüllen auch die Erwartungen, indem Sie sagen: Wir stellen klar, wie wir verlorenes Vertrauen wiederherstellen wollen. – Wenn man sich den Entwurf einmal kritisch ansieht, dann stellt man fest, dass den Verfassern sicherlich Lob gebührt: Lob für eine gute handwerkliche Arbeit, die aber nichts anderes beschreibt, Herr Kollege Körfges, als den gegenwärtigen Sachverhalt.
In dem Entwurf ist die Rede davon, dass die Normenklarheit geregelt werden soll. Der Text hat den Charme des Entwaffnenden. Er beschreibt jedoch nur die gegenwärtige Praxis. Das können wir im Ausschuss noch intensiv besprechen. Alles, was in dem Entwurf steht, beschreibt die gegenwärtige Praxis, die bereits geregelt war. Sie fassen diese
Ob dies wirklich so modern ist – ich weiß nicht; denn es lässt keine Entwicklungsmöglichkeiten offen.
Sie haben diesen Entwurf gerade gefeiert. Jedoch: Man weiß immer genau, welche Mittel der Verfassungsschutz anwenden darf. Damit machen Sie ihn zugleich statisch. An keiner einzigen Stelle gibt es eine Generalklausel, die dem Verfassungsschutz ermöglicht …
(Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD] – Ich weiß. Es entspricht doch – gar nicht einmal bei den Sozialdemokraten – dem tiefen Misstrauen der Grünen, dass es den Verfassungsschutz überhaupt gibt. Ich bin allerdings erstaunt, Herr Jäger, dass man diesen Entwurf in der Art überhaupt zugestan- den hat. Wir wollen einmal sehen, was übrig bleibt. Ich habe gesehen: An einer einzigen Stelle gibt es einen kleinen Fortschritt für die V-Leute, indem Sie diese nämlich straflos stellen, wenn sie verbotenen Organisationen angehören. Auch hier bin ich sehr gespannt, ob es dabei bleibt. Der Kollege Dr. Orth hat bereits die Frage aufge- worfen, ob das PKG in diesem Gesetzentwurf nicht ein bisschen lebensfremd konstruiert ist. Das wer- den wir abwarten. Damit können wir sicherlich le- ben. Die Evaluation, die Sie aufgenommen haben, ist auch modern, grundrechtsschonend und nicht weiter tragisch. (Lachen von der SPD)
Langsam, freuen Sie sich doch nicht zu früh. – Eine andere Schwäche, die Sie gerade versuchen mit schönen Worten zu überdecken, findet sich zum Beispiel in den Bereichen Datenschutz, Datenspeicherung, Datenlöschung. Hier übernehmen Sie nur die Wortlautpassagen aus den Karlsruher Urteilen. Genau darin liegt eine Schwäche.
Wir alle haben uns gefragt: Was lässt Karlsruhe denn noch offen? Was darf der Verfassungsschutz denn? Welche Möglichkeiten gibt es überhaupt? Hier drückt sich der Entwurf darum herum. Herr Körfges, Sie haben gerade so nett gesagt: Da werden wir noch nacharbeiten müssen. – Das sind doch genau die spannenden Fragen. Die lassen Sie jedoch offen.
Der Entwurf enthält ganz viele neue Wörter, die die Wirklichkeit beschreiben – aber auch nicht mehr. Er beschreibt das, was heute in Nordrhein-Westfalen und in den übrigen Bundesländern bereits geschieht. Was den Informationsaustausch anbelangt, beschreiben Sie genau das, was sich die 17 Innenminister gegenseitig zugesagt haben.
Modern ist der Entwurf allenfalls darin, dass wir die ersten sind, die das Ganze als Gesetz niederschreiben. Ob es dem Verfassungsschutz hilft, werden wir erst noch sehen. Wenn Sie sagen: „Wir wollen keine Generalklausel“, dann heißt das, Sie verpflichten den Verfassungsschutz, mit einem Gesetz zu arbeiten, bei dem es erst einmal keine Fortsetzung gibt. Wenn, dann müsste jedes Mittel erneut hier beschlossen und ins Gesetz gepackt werden.
Ja, klar. Sie wissen, das dauert Monate. Und – Entschuldigung! – meine Skepsis angesichts der Bereitschaft der Grünen, hier die Mittel einzusetzen, ist richtig groß.
Sie lassen aber auch zwei andere Ecken offen – eine Ecke wäre auch spannend gewesen. Ich weiß, dass wir die Frage der Wohnraumüberwachung sehr kontrovers diskutieren. Nur dadurch, dass Sie sie hier ausschließen, machen Sie für diejenigen, die diszipliniert genug sind, die Wohnungen zu den Plätzen, in denen konspirativ, völlig unkontrolliert, gearbeitet werden kann.
Wir haben bisher immer gefragt: Welche Möglichkeiten müssen da sein, dass es nicht mehr geht? Jetzt machen Sie Wohnräume zu den Ecken, in denen völlig unkontrolliert gesprochen werden kann.
Herr Körfges, es wäre schön – nicht aufregen, nur zuhören!, dann können wir es später machen –, wenn Sie sagen: Wir wollen das mit Mehrheit. Das ist doch okay. Nur müssen wir einmal darüber sprechen. Sie geben ebenfalls keine Antwort auf die Herausforderung, die wir angesichts der nachrichtendienstlichen Mittel haben, auch bei den elektronischen, die die Feinde unseres Staates anwenden können. Sie haben keine Antwort darauf gegeben: Wie schaffen wir es, an Informationen zu kommen, bevor sie kryptiert werden Denn dann sind 70 % des Ausgetauschten heute schon nicht mehr lesbar. Bald werden es 100 % sein.
Zur Netzknotenüberwachung, zu all den Fragen, die uns ermöglichen, Verkehre festzustellen: kein Wort, aber unterboten. Es wird hier nicht zugestanden.
Wir werden – meine Redezeit ist leider zu Ende – im Ausschuss, hoffe ich, Gelegenheit haben, über all diese Themen zu sprechen. Ich bin gespannt, ob wir vielleicht dann mit den Ergebnissen der Anhörungen vielleicht doch noch ein modernes Gesetz daraus machen können.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir wissen, dass die Sicherheitsbehörden im Falle der menschenverachtenden Mord- und Anschlagsserie des NSU eklatant versagt haben. Gerade die Angehörigen der Ermordeten haben ihr Vertrauen in unseren Rechtsstaat verloren, auch weil sie lange Zeit von den Behörden selbst verdächtigt wurden.
Der Verfassungsschutz steht in der Diskussion, die wir über die Neuausrichtung der Sicherheitsbehörden führen, im Fokus, wobei ich auch noch einmal betonen will, dass wir die Debatte nicht nur auf den Verfassungsschutz begrenzen dürfen.
Die katastrophalen Fehler haben unbestreitbar zu einem massiven Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt, befeuert unter anderem noch durch das Schreddern von Akten, das Zurückhalten von Informationen gegenüber den Untersuchungsausschüssen. Deshalb ist es aber unsere Aufgabe, als Politikerinnen und Politiker, als Abgeordnete die Arbeit der Sicherheitsbehörden wirklich zu hinterfragen und zu diskutieren, was sich ändern muss.
Mein Fazit bei dieser Debatte ist, dass wir mehr Kontrolle brauchen, dass wir aber auch mehr Transparenz brauchen, um dieses verloren gegangene Vertrauen wiederzuerlangen.
Die Debatte eben zum Thema Salafismus hat eines gezeigt: Wir brauchen ein Frühwarnsystem, um die gefährlichen, gewaltorientierten Bestrebungen und Personen, die sich klar gegen die freiheitlichdemokratische Grundordnung richten, bereits im Vorfeld zu beobachten und damit auch Straftaten verhindern zu können. Diese Gefahr – das wird Sie nicht wundern – sehe ich derzeit vor allen Dingen im rechtsextremistischen und im islamistischen Bereich. Da geht es mir nicht darum zu sagen, wir machen das linke Auge zu, sondern wir müssen dorthin blicken, wo tatsächlich eine Gefahr für unsere freiheitliche Gesellschaft droht.
Deshalb ist dieser Gesetzentwurf an dieser Stelle auch richtig. Er sagt nämlich, dass die Kapazitäten des Verfassungsschutzes und der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln zukünftig genau auf die Bereiche konzentriert werden müssen, in denen eine Gefahr für unsere demokratische Gesellschaft durch gewaltorientierte Gruppierungen droht.
Derzeit ist es so, dass das Parlamentarische Kontrollgremium nicht öffentlich tagt. Das heißt im Klartext, dass Herr Körfges, Herr Kruse, Herr Orth und ich und die weiteren Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums Ihnen nicht sagen dürfen, wann wir tagen, wie lange wir tagen, wo wir uns tref
fen, welche inhaltlichen Schwerpunkte wir setzen und so weiter und so fort. Diese Geheimniskrämerei trägt aus meiner Sicht nicht wirklich zur Vertrauensbildung bei, sondern verschärft im Gegenteil das Misstrauen gegenüber dem Verfassungsschutz.
Natürlich werden wir auch in Zukunft die Öffentlichkeit dann ausschließen müssen, wenn Geheimhaltungsgründe das erfordern. Dennoch glaube ich, dass wir mit den Mitteln dieses neuen Gesetzes, wonach wir die Sitzungen des Parlamentarischen Kontrollgremiums öffentlich durchführen können, einen wichtigen Schritt gehen, und zwar einen Schritt hin zu mehr Transparenz, um Vertrauen wiederzugewinnen, aber auch zu mehr Kontrolle, denn Öffentlichkeit schafft auch Kontrolle.
Herr Biesenbach, Sie haben gerade gesagt, dieses Gesetz sei schön sortiert, es schaffe Klarheit. Das ist gut. Ich finde aber, diese Klarheit an sich hat auch einen Wert. Denn diese Klarheit bedeutet Transparenz. Natürlich haben wir hier keine Generalklausel eingebaut, denn gerade beim Verfassungsschutz bewegen wir uns in einem Bereich, der weit ins Vorfeld rückt. Wir bewegen uns in einem Bereich, in dem es noch keine Straftaten gibt. Es ist ein sehr sensibler Bereich für einen demokratischen Rechtsstaat.
Dass wir hier keine Generalklausel haben, sondern sehr genau überlegen, welche Befugnisse wir dem Verfassungsschutz geben wollen, welche nachrichtendienstlichen Mittel wir ihm zur Verfügung stellen wollen, das halte ich für eine Selbstverständlichkeit. Es ist auch selbstverständlich, dass diese klar definiert sein und immer wieder diskutiert werden müssen.
Gerade im Bereich des Einsatzes von V-Leuten werden wir gesetzliches Neuland betreten und damit aus meiner Sicht eine Vorreiterrolle insgesamt auch für andere Bundesländer einnehmen. Gerade der Einsatz von V-Leuten ist eine sehr sensible Maßnahme. Der demokratische Rechtsstaat bewegt sich immer auf einem sehr schmalen Grat, wenn er sich der Maßnahme des Einsatzes von V-Leuten bedient. Denn der Staat arbeitet mit Verfassungsfeinden zusammen und bezahlt sie für Informationen, die zum Schutze unserer freiheitlich
demokratischen Grundordnung beitragen sollen. Aber es sind Verfassungsfeinde, von denen wir die Informationen bekommen.
Nichtsdestotrotz halte ich diese Informationen für zu relevant, als dass wir auf sie verzichten können. Aber umso wichtiger ist es, dass wir hier eindeutige Kontrollmechanismen und klare Kriterien zur Verhältnismäßigkeit beim Einsatz von V-Leuten schaffen.
Die gesetzlichen Regelungen haben neben der Klarheit und der Verbindlichkeit auch noch einen weiteren Vorteil. Bisher sind Regelungen in Geheimakten
festgehalten worden. Das heißt, dass die Öffentlichkeit, aber dass auch die Abgeordneten, also Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, im Prinzip nicht wirklich darüber diskutieren können, welchen Freiraum wir dem Verfassungsschutz beim Einsatz von V-Leuten genehmigen wollen.
Das jetzt öffentlich zu machen und eine öffentliche Auseinandersetzung darüber zu führen, was wir eigentlich wollen und welche Kriterien wir anlegen wollen, wenn wir uns der V-Leute bedienen, halte ich für einen sehr wichtigen Schritt in Richtung Transparenz und um verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen zu können.
Ich sage noch einmal: Geheimniskrämerei trägt nicht zum Vertrauen bei, sondern schafft eher Legendenbildung. Das kann aus meiner Sicht nicht in unserem Interesse sein, sondern wir müssen hierbei für Transparenz sorgen, damit das Vertrauen in die Arbeit des Verfassungsschutzes – denn es gibt diese verfassungsfeindlichen Bestrebungen – wieder gestärkt wird.