Protocol of the Session on March 21, 2013

(Beifall von der FDP)

Werte Kolleginnen und Kollegen von der SPD und von den Grünen, Sie haben in Ihrem Antrag eine Reihe von Feststellungen getroffen, die nicht in Abrede zu stellen sind. Kein Wunder, Sie haben ja auch einiges aus der Konvention zitiert.

Wenn Sie hier über Chancen und Herausforderungen sprechen, die die Inklusion im Sport mit sich bringt, kann ich nur zustimmen. Wer wollte auch die positiven Effekte, die der gemeinsame Sport von Menschen mit und ohne Handicap bewirkt, ernsthaft bestreiten wollen? Genau diese positiven Effekte müssen wir noch deutlicher herausstellen. Das sollten wir uns gemeinsam auf die Fahne schreiben.

(Beifall von der FDP)

Meine Damen und Herren der Regierungsfraktionen, ich bin auch bei Ihnen, wenn Sie anregen, dass wir die geltenden Normen kritisch hinterfragen und darauf prüfen, ob jetzige Standards mit der Inklusion vereinbar sind. Allerdings wird mir bei Ihrem Verweis auf die Inklusion in der Schule schon etwas mulmig. Ich kann nur hoffen, dass Sie sich im Interesse aller Beteiligten bei der Ausgestaltung der Inklusion im Sport nicht das rot-grüne Vorgehen bei der Inklusion in den Schulen als Vorbild nehmen.

(Beifall von der FDP – Zuruf von Sigrid Beer [GRÜNE])

Ja, Frau Beer. – Werfen wir doch einmal einen Blick in den Forderungskatalog. Sie bleiben bei Ihren Forderungen überwiegend – und wie ich finde gefährlich – im Vagen. Für eine Gestaltungsmehrheit wirken die Forderungen darüber hinaus auch ziemlich uninspiriert.

Erstens. Sie fordern Ihre rot-grüne Landesregierung auf, ihren eigenen Aktionsplan NRW Inklusiv im Sport konsequent umzusetzen. Das ist ja geradezu banal.

Zweitens. Bei der Überarbeitung der Richtlinien zur Sportstättenförderung wollen Sie die Barrierefreiheit stärker gewichten. Soll das jetzt „ein bisschen mehr“ Barrierefreiheit bedeuten?

Hier macht mich übrigens auch der Punkt zu den Bauvorhaben etwas stutzig. Sie schreiben, dass zukünftig keine Bauvorhaben unterstützt werden sollen, in denen eine Reduzierung barrierefreier Angebote geplant ist bzw. in Planung befindliche Projekte überprüft werden sollen.

Zweifellos ist die umfassende Barrierefreiheit eine zentrale Herausforderung für die Gesellschaft. Es ist aber nicht ganz klar, welche genauen praktischen Folgen Ihre dort getroffenen Aussagen noch haben können. Ich denke, dass Sie diesen Punkt im Ausschuss noch näher erläutern müssen.

Drittens. Was verstehen Sie denn unter den angesprochenen Informationsangeboten? Sind das öffentlichkeitswirksame Kampagnen der Landesregierung mit Veranstaltungen im ganzen Land, oder reicht aus Ihrer Sicht auch eine Webseite? Vieles ist noch nicht konkret genug. Da wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir in der weiteren Beratung noch Licht ins Dunkel bringen könnten.

Apropos „Licht ins Dunkel“: Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktionen von SPD und Grünen haben gestern den Haushalt 2013 verabschiedet. Uns Liberale interessiert ganz dringend, welche Mittel Sie eigentlich für die jeweiligen Maßnahmen einplanen. Darüber habe ich in Ihrem Antrag leider nichts gelesen.

(Beifall von der FDP)

Die Inklusion im Sport ist ein wichtiges Thema. Wir finden es gut, dass wir über die bestmögliche Umsetzung intensiv im Ausschuss diskutieren werden. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass man eine Kultur der Inklusion nicht von oben verordnen kann. Sie muss gelebt werden, sie muss in tatkräftigen Schritten verwirklicht werden. Dazu bedarf es eines gemeinsamen Willens zur Veränderung. Dazu bedarf es guter Rahmenbedingungen und guter praktischer Beispiele. Dabei werden wir gerne mithelfen. – Vielen Dank.

(Beifall von der FDP)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Piratenfraktion erteile ich nun Herrn Kollegen Lamla das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Antrag „Inklusion im Sport voranbringen“ ist mit Sicherheit positiv zu bewerten. Auf der einen Seite verdeutlicht er den international hohen Stellenwert der Inklusion im Sport. Auf der anderen Seite wird die Inklusion im Sport auch hier im Landtag NRW mit der gebührenden Aufmerksamkeit behandelt.

Mit Blick auf Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention – Herr Lürbke sprach eben davon – ist es seit März 2009 für alle Mitgliedstaaten verpflich

tend, Inklusion im Sport voranzutreiben. Das gilt somit auch für Deutschland und NRW.

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Sie darauf hinweisen, dass das Thema „Behindertensport“ bereits seit 30 Jahren auf Ebene der Sportministerkonferenz bearbeitet und diskutiert wird. Während der letzten 30 Jahre standen dabei Themen wie die Entwicklung und Finanzierung des Behindertensports, die Förderung des Leistungssports und die Barrierefreiheit im Sport auf der Tagesordnung.

2003, also bereits vor zehn Jahren, hat die Sportministerkonferenz den Beschluss gefasst, den barrierefreien Ausbau der Sportstätteninfrastruktur zu empfehlen. Vor diesem Hintergrund ist es umso erstaunlicher, dass in der zehnseitigen Richtlinie zur Sportstättenförderung in Nordrhein-Westfalen auf die barrierefreie Zugänglichkeit und Nutzbarkeit lediglich mit dem Begriff „behindertengerecht“ verwiesen wird.

In Ihrem Antrag schreiben Sie von einer stärken Gewichtung der barrierefreien Zugänglichkeit. Allerdings sollten Sie darauf zu sprechen kommen, dass die Grundsätze der Inklusion in der bisherigen Richtlinie ausgespart wurden und es jetzt darum geht, eine verpflichtende Verankerung bzw. Formulierung in die Richtlinie aufzunehmen, die der Inklusion in vollem Umfang Rechnung trägt.

Meine Damen und Herren, trotzdem war NRW bisher nicht untätig. Im Gegenteil: Im November 2004 zum Beispiel – lange vor unserer Zeit – wurde im Sportausschuss das Thema „Behindertensport“ umfassend behandelt. Festgestellt wurde, dass Behindertensport – insbesondere seine Förderung – sportartenspezifisch zu betrachten sei. Der Behinderten-Sportverband wies darauf hin, dass es in jeder Sportart wesentliche Unterschiede im Hinblick auf Entwicklung, Organisation und Flächendeckung gebe. So sei der Begriff „Barrierefreiheit“ in einer Sportart wie Rollstuhl-Basketball anders zu definieren als zum Beispiel im Bereich des Blindensports.

Das ist ein Punkt, den wir in diesem Zusammenhang nicht unkommentiert lassen können, ist die folgende, eher nichtssagende Forderung: Der Landtag fordert die Landesregierung auf, das Leistungssportprogramm 2012 auch im Sinne der Inklusion umzusetzen.

Nun, was soll das konkret heißen „im Sinne der Inklusion umzusetzen“? Dazu sollte man vielleicht wissen, dass das Leistungssportprogramm 2012 vom Innenministerium und vom Landessportbund konzipiert wurde. Wer fehlt? – Richtig, der Behinderten-Sportverband! Der Behinderten-Sportverband war also bei der Erstellung des Leistungssportprogramms nicht beteiligt. Daher ist es kaum verwunderlich, dass die Begriffe „Inklusion“, „Barrierefreiheit“ und „Zugänglichkeit“ nicht mit einer Silbe erwähnt werden. Hingegen wird in der Präambel des Leistungssportprogramms eine begriffliche Abgren

zung des Behindertensports zum Leistungssport vorgenommen. Die Entscheidung, ob eben das im Sinne der Inklusion ist, überlasse ich einmal Ihnen.

Ich muss noch etwas loswerden: Frau Kraft lobte damals in ihrer Regierungserklärung die Paralympischen Spiele und die Olympischen Spiele als Musterbeispiele der Inklusion. Nun, entweder hat sie das Konzept der Inklusion nicht richtig verstanden,

(Beifall von den PIRATEN, der CDU und der FDP)

oder sie verdrängt, dass die Athleten eben nicht gemeinsam auftreten, nicht gemeinsam im Fokus der Öffentlichkeit stehen und nicht gemeinsam die Lorbeeren für ihre harte Arbeit ernten können.

Natürlich ist es in einem gerechten Wettkampf nicht möglich, dass sich ein 100-Meter-Sprinter mit einem Rollstuhlfahrer sportlich misst. Dennoch wäre es denkbar, dass sich zunächst die 100-Meter-Sprinter duellieren und direkt im Anschluss die Rollstuhlfahrer.

Wir werden jetzt und hier die Olympischen und die Paralympischen Spiele nicht ändern können. Aber wir können zumindest Impulse setzen. Das Thema „Behindertenleistungssport“ wie es im Antrag mit dem lapidaren und nichtssagenden Hinweis „im Sinne der Inklusion“ umgesetzt werden soll, hilft einem nicht wirklich weiter. Ich denke, darin sind wir uns alle einig.

Wir werden uns im Ausschuss mit den einzelnen Forderungen des gut gemeinten und durchaus sinnvollen Antrags auseinandersetzen und stimmen natürlich der Überweisung in den Ausschuss zu. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Schäfer.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Es ist deutlich geworden: Natürlich wollen wir alle eine inklusive Gesellschaft. Das setzt voraus, dass man alle Lebensbereiche in den Blick nimmt. An dieser Stelle kommt dem Sport eine ganz zentrale Bedeutung zu. Ich begrüße, dass die Fraktionen von SPD und Grünen das mit diesem Antrag noch einmal deutlich unterstreichen.

Im Zusammenhang mit dem Spitzensport sind mehrfach schon die Paralympics 2012 in London erwähnt worden. Ich möchte noch einmal ausdrücklich betonen, dass wir aus Nordrhein-Westfalen ausgesprochen gut vertreten waren und wirklich Spitzenleistungen erreicht haben. Aber besonders beeindruckt haben uns die Freude und die Begeisterung, die uns wirklich mitgerissen haben.

Um noch einmal auf die Ministerpräsidentin einzugehen und das Bild, das sie zeichnen wollte: Die Menschen gehören in die Mitte der Gesellschaft. Das ist in London so besonders deutlich geworden. Das haben im Übrigen alle Athletinnen und Athleten so empfunden. Sprechen Sie mit allen Beteiligten darüber. Dann können Sie das spüren.

(Beifall von Martin-Sebastian Abel [GRÜNE])

Aber auch im Breitensport und nicht nur im Spitzensport sind die Entwicklungen beeindruckend. Bei uns in Nordrhein-Westfalen leistet der BehindertenSportverband seit vielen Jahren und Jahrzehnten hervorragende Arbeit. Er zählt inzwischen mehr als 1.500 Vereinen mit mehr als 200.000 Menschen zu seinen Mitgliedern. In diesen Sportvereinen werden natürlich auch die Grundlagen für den Spitzensport gelegt. Vor allem bieten Sportvereine eigentlich allen Menschen – egal ob mit oder ohne Behinderung – eine wunderbare Heimat.

Ich freue mich, dass der Antrag von SPD und Grünen das Thema „Inklusion“ in seiner ganzen Vielschichtigkeit aufgreift und die wichtigsten Handlungserfordernisse benennt. Bei den Fragen, die im Antrag angesprochen werden, sind wir mit dem Landessportbund und dem Behinderten

Sportverband schon einige Schritte vorangekommen, die ich noch mal ansprechen möchte.

Frau Paul hat die Tagung am 24. Oktober 2012 erwähnt, die wir gemeinsam mit dem Landessportbund und dem Deutschen Behindertensportverband durchgeführt haben. Da ging es um Kernfragen von Sport und Inklusion. – Frau Milz, es ging in der Tat auch darum: Wie kann das gemeinsame Sporttreiben von Menschen mit und ohne Behinderung in den Vereinen organisiert werden? Was passiert in der Ausbildung von Trainern und Trainerinnen, Übungsleiterinnen und Übungsleitern? Was bedeutet das gemeinsame Sporttreiben für den Sportstättenbau? Diese drei Fragen standen dort im Mittelpunkt. Der Landessportbund und der BehindertenSportverband NRW haben sich gerade in diesen Bereichen auf eine ganz enge Zusammenarbeit verständigt.

(Vorsitz: Vizepräsident Daniel Düngel)

Als Land haben wir gemeinsam mit dem Landessportbund und dem Behinderten-Sportverband ein Projekt auf den Weg gebracht, das unter anderem die Fragen der Vereinsentwicklung praxisnah und modellhaft untersucht. Die Ergebnisse wollen wir dann allen Sportvereinen in unserem Land zur Verfügung stellen. Deswegen wird das Vorhaben wissenschaftlich begleitet.

Ein weiteres Projekt mit dem Landschaftsverband Rheinland wird in diesem Jahr starten. Es heißt „Sportvereine öffnen die Türen für Kinder mit Handicaps“. Dabei geht es um die Kooperation von Förderschulen und Sportvereinen. Auch hier ist eine

wissenschaftliche Begleitung angedacht, die die Ergebnisse sichern soll.

Die noch gültigen Sportstättenförderrichtlinien, die jetzt auslaufen, werden wir den neuen Anforderungen anpassen und unter Inklusionsgesichtspunkten weiterentwickeln.

Dass das nötig ist, hat mir meine eigene Heimatstadt gezeigt, als es um die Sanierung des Hallenbades ging, die mit Mitteln aus dem Konjunkturpaket II durchgeführt werden sollte. Dabei war nicht mal ein behindertengerechter Zugang geplant. Das hat man dann geheilt, ein Fahrstuhl wurde eingebaut. An so etwas wird auf kommunaler Ebene oftmals nicht gedacht.

Ich habe Ihnen einige Beispiele genannt. Wir wollen den organisierten Sport auf allen Ebenen unterstützen, freuen uns aber darauf, die Inklusion im Sport weiter voranzutreiben. In dieser Debatte sind viele Aspekte beleuchtet worden, die darauf schließen lassen, dass im Sportausschuss mit Sicherheit anregend über diesen Bereich diskutiert wird. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und Reiner Priggen [GRÜNE])