Protocol of the Session on December 12, 2012

den. Leider ist es kurzfristig nicht möglich, entsprechende Experten einzustellen; sie müssen ja erst ausgebildet werden. Die Ausbildung dauert normalerweise Jahre.

Daher fordern wir, dass nicht zulasten der Zukunft an der Ausbildung neuer Finanzbeamter gespart wird, sondern sie im Gegenteil zur Sicherung der finanziellen Basis des Staates ausgebaut wird. Wir als Piraten stehen für den Rechtsstaat. Das bedeutet auch, dass Steuergesetze durchgesetzt werden.

Das durch die Piratenfraktion in Nordrhein-Westfalen geforderte Transparenzgesetz leistet einen entscheidenden Beitrag zur Bereitstellung und Nutzung von Informationen für alle Bürgerinnen und Bürger des Landes. Unsere beiden Anträge „NRW braucht ein Transparenzgesetz!“ und „Gelebtes Open Government: Öffentliche Debatte zum Landeshaushalt!“ sind ein erster Schritt in Richtung einer umfassenden Strategie des Open Governments.

Die Piratenfraktion beabsichtigt, weitere Initiativen auf den Weg zu bringen, die zu einer Erneuerung der demokratischen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse führen sollen. Auf diesem Weg soll die repräsentative Demokratie durch systematische Verfahren der direkten Demokratie ergänzt werden. Dabei ist es unser Ziel, die Anwendung basisdemokratischer Prinzipien bei allen Beteiligungs- und Entscheidungsprozessen auf der lokalen und regionalen bzw. Landesebene in überschaubarer Form sicherzustellen.

Wenn Partizipation eine gesellschaftliche Wirkung entfalten soll, sind qualifiziertes Personal, Sachmittel und Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Umsetzung solch komplexer Verfahren und die Mobilisierung der Bürgerinnen und Bürger macht nur Sinn, wenn eine wirkungsvolle Beteiligung prozessrelevant ist und an den zentralen Fragen der Haushaltspolitik ansetzt. Die Haushalte auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene sind die wichtigsten Instrumente für die politischen Richtungsentscheidungen.

(Beifall von den PIRATEN)

Die Open-Government-Strategie führt zu einer Stärkung der Zivilgesellschaft und erstreckt sich in ihren Beteiligungs- und Kommunikationsstrukturen auf alle Politikfelder, um auf diese Weise eine Verbesserung der öffentlichen Leistungen und der Lebensqualität zu erreichen. Gleichzeitig werden Lobbyismus und Korruption zurückgedrängt.

Es geht hier keineswegs nur um Informationsveranstaltungen oder konsultative Maßnahmen. Wir als Piratenfraktion stehen für mitbestimmende und eigenständige Bürgerbeteiligung. Die öffentlichen Finanzressourcen als zentraler Gestaltungsansatz stehen dabei im Mittelpunkt der Betrachtungen. Der Open-Government-Anspruch ist nur einlösbar durch eine ganzheitliche Beteiligung an allen Entscheidungsprozessen, die die Verteilung, Aufbringung

und Verwendung der finanziellen Ressourcen betreffen.

(Beifall von den PIRATEN)

Gegenstand der Beteiligung sind zum Beispiel die Investitionspolitik, der öffentliche Nahverkehr, infrastrukturelle Maßnahmen sowie die inhaltliche Ausrichtung der Wohn-, Bildungs- und Umweltpolitik. Die Bürgerinnen und Bürger sollen deshalb an der Erarbeitung, Entscheidung und Kontrolle der Haushalte in den Gemeinden, Städten und Landkreisen sowie auf Landesebene beteiligt werden.

Es soll schrittweise eine demokratische Einflussnahme ermöglicht werden, die sowohl die Ausgaben- als auch die Einnahmeseite der Haushaltspolitik einschließt. Das geht nicht von heute auf morgen; das ist uns klar.

(Beifall von den PIRATEN)

Auf unserer Homepage www.piratenfraktion-nrw.de kann ab sofort jeder Bürger direkt seine Fragen zu einzelnen Haushaltsposten stellen.

(Marc Herter [SPD]: Werden die auch beant- wortet? – Zuruf von Hans-Willi Körfges [SPD])

Abwarten! Ich bin noch nicht fertig, Herr Körfges. – Wir werden diese Fragen sammeln und an die Landesregierung weitergeben.

(Beifall von den PIRATEN – Zurufe von der SPD)

Ein ähnliches Angebot hat übrigens in SchleswigHolstein dazu geführt, dass sich innerhalb von zwei Wochen mehrere Hundert Bürger bei den Piraten gemeldet haben. Das ist ein Anfang; aber immerhin! Das Interesse in der Bevölkerung scheint also da zu sein. Wir wollen hier wirklich Zeichen setzen und Bürgernähe nicht nur als Phrase in unsere Reden einbauen, sondern aktiv auf die Bevölkerung des Landes zugehen und sie anregen, sich am politischen Prozess aktiv zu beteiligen. – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Anhaltender Beifall von den PIRATEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Paul. – Nun spricht für die Landesregierung die Ministerpräsidentin unseres Landes, Hannelore Kraft. Bitte schön.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten eine lange Debatte über die Einbringung des Haushalts 2013. Ich habe mir erlaubt, mir an einigen Stellen Notizen zu machen, um auf den einen oder anderen Punkt noch einmal eingehen zu können.

Ich würde gerne mit Ihnen beginnen, Herr Dr. Paul. Sie haben in vielen Teilen eine Analyse geliefert. Aus meiner ganz persönlichen Perspektive haben Sie an manchen Stellen auch die richtigen Fragen

gestellt. Sie haben Ihre Grundlage deutlich gemacht. Ich habe mir den Satz notiert: „Die Moral und Ethik der Märkte beginnt bei uns selbst...“ Sie haben sozusagen einen Parcours-Ritt durch die einzelnen Haushaltspositionen unternommen.

Mich würde – insbesondere nach dem letzten Beitrag – einmal Ihr Selbstverständnis als Fraktion in diesem Landtag interessieren. Das meine ich ganz ernst. Ich finde es gut, dass Sie die Bürgerinnen und Bürger dazu ermuntern, Fragen zu stellen. Mein Verständnis als Abgeordnete in diesem Landtag ist aber, dass ich zumindest einen Teil dieser Fragen auch selbst beantworten kann

(Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Sie wissen, dass wir das tun!)

und als Abgeordneter nicht nur Postbote spiele.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich habe schon in vielen Rollen hier am Rednerpult gestanden. Mein Verständnis als Abgeordnete war es auch immer, dass ich mit daran arbeite, eigene Ideen und Vorschläge zu entwickeln, dass ich also nicht nur Fragen stelle und nicht nur analysiere, sondern auch eigene Lösungsvorschläge einbringe. Davon gab es bei Ihnen in meinen Augen, ehrlich gesagt, ein bisschen zu wenig.

Was die von Ihnen vorgenommenen Analysen angeht, muss man auch noch einige Dinge geraderücken. Ich nehme nur ein paar Punkte heraus.

Sie haben auf der einen Seite das Verschuldungsproblem angesprochen und auf der anderen Seite gesagt, wir würden an vielen Stellen zu wenig Geld ausgeben.

Außerdem haben Sie zum Beispiel erklärt, bei PCB fehle der Landesregierung der Mut zum Handeln. – Ich habe nicht keinen Mut zum Handeln. Sie haben aber in diesem Zusammenhang zum einen über Schulen und Kitas geredet, und die sind in der Verantwortung der Kommunen – und wenn dort jemand gehandelt hat, dann war es diese Landesregierung, um die Kommunen wieder handlungsfähig zu machen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Was andere öffentliche Gebäude angeht, fehlt an manchen Stellen schlicht und einfach das Geld. Es geht nur Schritt für Schritt. Auch wir können zugegebenermaßen nicht hexen.

(Zuruf von den PIRATEN: Wann fangen Sie an?)

Wir haben schon mit den Konjunkturpaketen I und II angefangen. Auch dafür haben wir die Verantwortung getragen. Wir haben Gutes damit umgesetzt. Das darf man an dieser Stelle auch einmal erwähnen, damit es hier nicht immer verloren geht.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Dr. Paul, Sie haben zu dem sogenannten Demografie-Gutachten Stellung genommen. – Mein Verständnis ist, dass eine Landesregierung Gutachten in Auftrag gibt, um sich beraten zu lassen. Ich erwarte von Gutachtern nicht, dass sie uns unsere Politik aufschreiben. Das ist dann eine Frage der politischen Bewertung. Diese Aufgabe übernehmen wir.

An dieser Stelle sagen wir vor dem Hintergrund der Herausforderungen, vor denen wir stehen, und vor dem Hintergrund unserer Politik der Vorbeugung sehr deutlich, dass wir bis 2015 alle Stellen im Schulsystem belassen und die Demografierendite nicht aus dem System ziehen. Das ist eine glasklare Politik der Prioritätensetzung.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Eine eindeutige Prioritätensetzung kann ich bei Ihnen übrigens nicht erkennen. Ich warte auf die Vorschläge, die zu diesem Haushaltsentwurf aus Ihrer Fraktion kommen werden. Darauf bin ich sehr gespannt.

Sie haben dann – das haben die anderen Kollegen auch getan – zum Thema „globale Minderausgaben/globale Mehreinnahmen“ Stellung bezogen. Dabei handelt es sich um ein Instrument, das die Bundesregierung nutzt und das alle Regierungen vor uns benutzt haben. Es ist kein wirklich neues Instrument.

Weil immer der Eindruck entsteht, eine globale Minderausgabe sei dann einfach weg, sage ich dazu: Natürlich wird die globale Minderausgabe in den Einzelplänen umgesetzt und konkretisiert. Das ist ein sinnvoller Schritt. Wir werden Ihnen nicht die Antwort schuldig bleiben, an welchen Stellen wir kürzen.

Ich wäre diesem Parlament aber sehr verbunden, wenn man nicht nur gegen jede noch so kleine Kürzung – ob im Kulturbereich, bei den Straßen, wo auch immer –, aufbegehren, sondern auch einmal sagen würde, woher denn das Geld kommen soll, um das alles zu finanzieren. Das wäre einmal eine sinnvolle Ansage.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Dr. Joachim Paul [PIRATEN]: Das werden Sie sehen!)

Damit bin ich bei Herrn Laumann. Herr Laumann, zur Schuldenbremse hat der Finanzminister das gesagt, was erforderlich ist. Sie versuchen immer wieder, den Eindruck zu erwecken, wir wollten die Schuldenbremse nicht einhalten. – Das ist falsch. Unsere mittelfristige Finanzplanung weist auch eindeutig den Weg.

Das hindert uns aber nicht daran, auch weiterhin vehement darauf zu bestehen, dass eine gute Finanzpolitik für die Zukunft unserer Kinder aus einem Dreiklang bestehen muss, nämlich nicht nur einzusparen, sondern auch in Vorbeugung, Kinder und

Kommunen zu investieren – das ist eine gute Politik – sowie die Einnahmen zu erhöhen. Das ist der Dreiklang, den wir brauchen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Herr Laumann, meine herzliche Bitte an Sie ist, doch die Trickserei sein zu lassen. Wenn Sie hier wie am Anfang Ihres Vortrags Zahlenreihen aufbauen, dann bleiben Sie bitte entweder bei den Planzahlen, oder nehmen Sie die Ist-Zahlen. Aber eine Mischung von Plan- und Ist-Zahlen ist unseriös. Wir haben es hier im Hause nicht nötig, uns mit unseriösen Zahlen zu beschäftigen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Werter Kollege Laumann, Sie haben auf das verwiesen, was die anderen Bundesländer tun. Auch der Kollege Lindner hat das getan. – Ich muss das ein bisschen ins rechte Licht rücken: NordrheinWestfalen hat in den Jahren 2011 und 2012 folgende Pro-Kopf-Ausgaben getätigt: 3.139 € beziehungsweise 3.287 € pro Einwohner. Damit geben wir weniger Geld aus als der Durchschnitt aller Länder.