Protocol of the Session on December 12, 2012

(Beifall von den PIRATEN)

Verbunden mit einer umfassenden Verbraucherbildung und mündigen informierten Bürgern kann der schwierige Weg zu gesunder und vernünftiger Ernährung gelingen. Davon sind wir fest überzeugt.

Wir selbst wollen für 2013 folgende Schwerpunkte setzen: Bus und Bahn/ÖPNV, Bildung, Hochschulpolitik und freier Zugang zu Wissen, Kommunen und Open Government. Das erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Schließlich muss der Haushaltsplan erst noch beraten werden.

Mobilität ist nicht nur teuer, sie wird immer noch teurer – für sich gesehen und im Vergleich zu den sonstigen Kosten des Lebens. Das heißt, dass die Gefahr besteht, dass ein zunehmender Teil der Menschen in unserem Land von der Mobilität ausgeschlossen wird, schlicht weil sie es sich nicht mehr leisten können. Aber Mobilität in einer modernen Gesellschaft muss ein Grundrecht sein. Nicht mobil zu sein, bedeutet, schnell von den gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen zu sein.

Gesellschaftliche Aktivitäten sind mitnichten nur Freizeitunternehmungen. Ganz im Gegenteil sind Erwerbstätigkeit und Konsum zentral an Mobilität gebunden. Die Zahl der Pendler ist gerade im vernetzten Nordrhein-Westfalen besonders hoch. Es sieht auch nicht so aus, als ob sie absehbar sinken könnte. Das Gegenteil dürfte eher der Fall sein. Auch künftig ist ein großer und wachsender Teil der Menschen in diesem Land auf eine funktionierende Verkehrsinfrastruktur angewiesen.

Investitionen in diese Infrastruktur sind Investitionen auch in die wirtschaftliche Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wer hier spart, spart falsch, weil er langfristig Kosten produziert, die mit Sicherheit weit höher liegen. Deshalb ist auch die Kürzung der Investitionsmittel im ÖPNV im novellierten ÖPNV-Gesetz von 150 Millionen auf 120 Millionen € falsch und kurzsichtig.

(Beifall von den PIRATEN)

Wenn aber CDU und FDP fordern, den Betrag bei 150 Millionen € zu belassen und dafür das Sozialticket, das genau mit dem Fehlbetrag im Haushalt steht, wieder abzuschaffen, dann ist das schlicht zynisch. Wir wollen beides: einen ticketlosen ÖPNV, der zudem zuverlässig und leistungsstark ist, wofür die bestandserhaltenden Investitionen eher noch erhöht werden müssten. Der ÖPNV muss das zentrale Rückgrat einer leistungsfähigen und zeitgemäßen Mobilität sein. Dafür ist Geld im Haushalt vorzusehen, auch wenn es schwerfällt, dieses Geld zu mobilisieren. Wir stehen zu der Aussage, dass ein zukunftsfähiges NRW ohne einen leistungsstarken ÖPNV nicht möglich ist.

Die Kosten des motorisierten Individualverkehrs hingegen werden nicht im Ansatz in den monetären Bilanzen abgebildet. Wenn Minister Groschek die Kosten eines ticketlosen ÖPNV mit 7,5 Milliarden € pro Jahr für die Bundesrepublik Deutschland annimmt und mit dieser überschlägigen Kalkulation ziemlich genau den Wert trifft, den wir selber kommunizieren, dann zeigt das, dass wir es zwar mit einem teuren, aber nicht unbezahlbaren Vorhaben zu tun haben.

Aber diese Zahl ist sowieso alt und muss dringend neu begründet werden. Daher haben wir schon im Haushalt 2012 einen Posten für die Beauftragung eines Gutachtens zur Finanzierung von Bussen und Bahnen in Nordrhein-Westfalen gefordert.

Zum Etat des Ministeriums für Schule und Weiterbildung! An dieser Stelle möchte ich – anders, als das sonst üblich ist – von der Opposition aus die Regierung einmal loben. Wir begrüßen es ausdrücklich, dass die rot-grüne Koalition beabsichtigt, angesichts des doppelten Abiturjahrgangs die Ausgaben für die Hochschulen um 600 Millionen € gegenüber 2012 zu erhöhen. Natürlich darf aber nicht verschwiegen werden, dass dies zur Hälfte die Gelder für das Jahr 2014 sind. Verantwortungsvolle Politik sähe da auch ein wenig anders aus.

Der Etat des Ministeriums für Schule und Weiterbildung beträgt erstmals mehr als 15 Milliarden €, eine beeindruckende Summe. Das Schüler-Lehrer-Verhältnis wird wieder etwas günstiger. Es liegt zurzeit bei etwa 15,53. Wir erkennen dies an als einen Schritt in die richtige Richtung. Ob hier noch mehr zu tun ist, muss geprüft werden.

Allerdings ist mitnichten alles rosig. Auch im Bildungsbereich gibt es unangenehme Wahrheiten,

die gesagt werden müssen. Die Landesregierung verweist immer wieder auf sogenannte Demografiegewinne, also auf Minderkosten infolge der

schrumpfenden Schülerschaft. Weniger Schüler brauchen weniger Lehrer. So weit, so gut.

Aber den Demografiegewinnen steht eine gewaltige demografische Hypothek entgegen. Die stärksten Jahrgänge in der Lehrerschaft erreichen das Pensionsalter. Schaut man sich die aktuelle Altersverteilung der Lehrkräfte an den verschiedenen Schulformen an, kann einem leicht schwindelig werden. In den nächsten fünf Jahren werden in manchen Schulformen mehr als 20 % der Lehrer in den wohlverdienten Ruhestand wechseln. Jetzt schon ist die Versorgung der Lehrer der öffentlichen Schulen sowie ihrer Hinterbliebenen mit über 4 Milliarden € das Kapitel im Haushalt mit den höchsten Ausgaben. Gegenüber dem Vorjahr wird hier ein Plus von über 200 Millionen € veranschlagt. Während die Gesamtsumme für den Einzelplan um gerade einmal um 1,3 % steigt, werden bei den Versorgungsleistungen rund 5 % mehr eingeplant.

Wie will die Landesregierung mit dieser Demografiehypothek umgehen? Wie will sie dabei Gestaltungsspielräume für qualitative Verbesserungen in der Bildung erhalten? Wir meinen, in dieser Situation muss als Erstes das unselige Kooperationsverbot abgeschafft werden. Wir werden uns ja noch darüber unterhalten.

Im Haushaltsplan des Ministeriums für Schule und Weiterbildung sehen wir aber auch Posten, bei denen mit zeitgemäßen Lösungen viel Geld gespart werden kann. Für Schulbücher wird pro Schüler mit 36 bis 78 € pro Schuljahr geplant. Bei rund 2,7 Millionen Schülern kommt da einiges zusammen. Die öffentliche Hand übernimmt zwei Drittel der Kosten. Mit Lernmitteln unter freien Lizenzen könnte man ein Gutteil dieser Ausgaben vermeiden. In anderen Ländern wie Polen und Kalifornien gibt es dazu bereits erfolgreich umgesetzte Projekte.

Auf unseren Antrag hin beschäftigt sich jetzt auch unser Landtag mit diesem zukunftsweisenden Thema. Wir wollen, dass Nordrhein-Westfalen beim Einsatz freier Lernmaterialien eine Vorreiterrolle in Deutschland übernimmt.

(Beifall von den PIRATEN)

In anderen Bereichen sehen wir Einsparungen, die wir weder gutheißen noch nachvollziehen können. Im Bereich der Schulentwicklungsprojekte etwa und der Medienberatung wird der Rotstift angesetzt. Es geht dabei um nicht einmal ein Promille des Landesetats. Doch gerade in diesem Bereich wäre das Geld sehr, sehr gut angelegt.

Hier kann mit vergleichsweise wenig monetärem Einsatz sehr viel erreicht werden. Denn die Kommunen allein werden nicht in der Lage sein, mehr Mittel dafür aufzubringen. So nähern wir uns der paradoxen Situation, dass zum Beispiel mit den Medi

enportalen learn:line und EDMOND NRW eine vorbildliche und kosteneffiziente Infrastruktur für die Nutzung und Verbreitung didaktischer Medien aufgebaut wurde. Den Content allerdings gilt es auszubauen. Dabei dürfen wir die Kommunen nicht allein lassen.

Zusammenfassend ist festzuhalten: Aus Demografiegewinnen alleine werden die Herausforderungen im Bildungsbereich nicht bewältigt werden können. Die Landesregierung muss hier Antworten finden, wie mit der Demografiehypothek umgegangen werden kann. Das werden wir einfordern und sie gegebenenfalls dabei unterstützen.

Zeitgemäße Lösungen bergen auch Einsparpotenziale. Diese werden wir aufzeigen.

Schaut man sich die Finanzierung der nordrheinwestfälischen Hochschulen an, so ist es erfreulich, dass erneut ein Rekordeinzelplan vorgelegt wird. Dass die Mittel aus dem Hochschulpakt II, die vorgezogen wurden, uns in den nächsten Jahren eventuell auf die Füße fallen werden, müssen wir in den Haushaltsberatungen sicherlich prüfen. Hier muss die Landesregierung auch berechtigte Kritik ertragen.

Dass allerdings der Bund in der Bildungsfinanzierung wieder ins sprichwörtliche Boot genommen werden muss, steht für uns fest. Sie haben ja auch morgen die Gelegenheit, die Forderung nach Aufhebung des Kooperationsverbots zwischen Bund und Ländern zu bekräftigen. Wir finden, das sollte im Interesse aller Fraktionen sein.

Wer staatliche Bildungsangebote nicht gebührenfrei anbietet und Zugang zu Bildung immer noch vom sozialen Status abhängig sein lässt, der versündigt sich an ganzen Generationen.

(Beifall von den PIRATEN)

Bei aller Freude über die vielen Mittel, die an die hiesigen Hochschulen fließen: Wie die Mittel verausgabt werden, ist in großem Umfang unbekannt. Die Hochschulen haben auch gemäß aktueller Gesetzgebung keine Auskunftspflicht dem größten Finanzier gegenüber. Bei der Vorstellung der Eckpunkte zum neuen Hochschulgesetz hat sich Frau Wissenschaftsministerin Schulze für mehr Transparenz ausgesprochen. Das ist löblich, aber wir sind gespannt.

Was allerdings zu einer großen Intransparenz führt, sind die Globalhaushalte der Universitäten. Da wird ein Sack Geld an die Hochschule gebracht, und ab dann verliert sich die Spur hinter den Mauern derselben. – Das kann und darf nicht sein. Das hat nichts mehr mit modernem Management und verantwortlichem Regieren zu tun.

(Beifall von den PIRATEN)

Das Land trägt die Verantwortung für die Hochschulen und muss zumindest verlässliche Rahmen für

sie setzen. Es fehlt gänzlich die Infragestellung der sogenannten leistungsorientierten Mittelvergabe aus der Grundfinanzierung heraus. Würden die Mittel on top zu 100 % Grundfinanzierung bereitgestellt, wäre der Wettbewerbslogik unter den Hochschulen immer noch Rechnung getragen.

(Vorsitz: Vizepräsident Oliver Keymis)

Die allgemeine Daseinsvorsorge ist eine zentrale Stelle der Haushaltspolitik des Landes, aber vor allem der Kommunen. Die Bürger leiden unter dem Sparzwang jener Kommunen, die nun am Stärkungspakt teilnehmen, um ihre Haushalte zu konsolidieren.

Aber was heißt „konsolidieren“? – Investitionen in die Zukunft abbauen? Grundsteuer B erhöhen und das Wohnen so teuer wie nie zuvor machen? Unsere Sicht der Probleme beim Wohnraum wurde bereits differenziert ausgeführt.

Das Entgegenkommen von Minister Jäger in Bezug auf die Veröffentlichung von Bilanzdaten der Kommunen kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Bürger momentan keinen Überblick über die wirkliche finanzielle Lage der Kommunen erhalten geschweige denn durch Vergleiche feststellen kann, ob in der eigenen Kommune Geld verschwendet wird.

(Beifall von den PIRATEN)

Wir Piraten wollen eine Lösung für die Kommunen, die wieder Handlungsspielraum zur Ausgestaltung der kommunalen Selbstverwaltung schafft. Alle Stellungnahmen der kommunalen Spitzenverbände sprechen eine deutliche Sprache, aber noch viel einhelliger geht die Begründung der Forderung aus einem Gutachten hervor, das die Landesregierung selbst in Auftrag gegeben hat. Die Professoren Junkernheinrich und Lenk haben das sehr eindrucksvoll zu Papier gebracht. Da spielt es auch keine Rolle, wer welche Daten falsch geliefert oder eventuell falsch berechnet hat.

Die Verteilungskämpfe zwischen den Kommunen nähmen zudem ab. Damit würden wir dem im Ländervergleich höchsten Grad der Kommunalisierung Rechnung tragen und eine Konnexität gewährleisten, die es unseren Kommunen endlich wieder ermöglicht, ihr verfassungsmäßiges Recht auf kommunale Selbstverwaltung frei auszugestalten.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine höhere Besteuerung derjenigen, die sich finanziell keine großen Sorgen machen müssen, ist nicht nur vertretbar, sondern auch aus Gerechtigkeitsgründen geboten. Für uns als Piratenfraktion geht es deshalb auch darum, die Ungleichheit in unserem Land aktiv zu bekämpfen. Das hätte vor allem steuerrechtliche Konsequenzen, denn über das Steuersystem wurde die Ungleichheit am gröbsten verschärft.

Veränderungen müssen bei der Wiedereinführung der Vermögensteuer ansetzen, einer deutlich höheren Erbschaftsteuer, und natürlich muss endlich eine Finanztransaktionssteuer eingeführt werden. Konjunkturell wären diese Veränderungen bei der Besteuerung in keinem Fall schädlich. Auch der Spitzensteuersatz sollte wieder etwas angehoben werden.

Die Finanz- und Wirtschaftspolitik in Deutschland ist, ganz generell gesprochen, nicht auf der Höhe der Zeit. Sie läuft den Krisenentwicklungen hoffnungslos hinterher. Die ethische Grundposition der deutschen Wirtschaftspolitik ist: Man muss hart zu den Menschen sein. Wirtschaftlich vernünftig ist, wer hart zu den Leuten ist.

Das ist eine Herangehensweise, die unserem, dem Piraten-Verständnis von Politik völlig zuwiderläuft. Wir sind ganz ausdrücklich dafür, dass man finanzpolitisch vernünftig agiert. Es geht nicht darum, dass der Staat möglichst viel Geld aus dem Fenster wirft. Wir wären im Gegenteil wesentlich härter, was Steuersenkungen anbelangt, als es die Wirtschaftspolitik der letzten zehn, 15 Jahre war. Wir sind auch gegen unspezifische Ausgabenprogramme.

Die Piratenfraktion ist vor allem dafür, dass die Wirtschaftspolitik endlich eines erkennt: Das Wirtschaftssystem ist aus sich heraus instabil. Es bedarf eines gemeinwohlorientierten politischen Gegenparts, um das System insgesamt stabil halten zu können. Wenn dieser Gegenpart nicht in hinreichender Stärke da ist, dann bleibt es bei den krisenhaften Entwicklungen, wie wir sie heute in Europa und in Nordrhein-Westfalen vorfinden.

Zur Vermögensteuer gab es letzte Woche eine Anhörung von Sachverständigen im Haushalts- und Finanzausschuss. Sie hat uns gezeigt, dass es entgegen der vorgefertigten Meinung mancher hier im Parlament vertretenen Parteien mit relativ geringem Aufwand möglich ist, sie zu erheben.

Herr Lehmann, Vorsitzender der Deutschen SteuerGewerkschaft, sagte: In Nordrhein-Westfalen wären zur Erhebung der Vermögensteuer 600 neue Finanzbeamte notwendig. – Das entspricht Ausgaben von weniger als 30 Millionen €. Dem stehen Einnahmen für Nordrhein-Westfalen in Höhe von 3 bis 4 Milliarden € gegenüber, wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung Berlin errechnet hat. Damit betragen die Verwaltungskosten etwa 1 % des Steueraufkommens. Auch das DIW bestätigt diese Zahlen. Sie sind damit um Größenordnungen kleiner, als von der Industrie- und Handelskammer behauptet, die ohne Beleg von 40 % Verwaltungskosten ausgeht.

Nach Auskunft der Deutschen Steuer-Gewerkschaft in NRW können Mehreinnahmen für Stadt, Land und Bund in Milliardenhöhe erzielt werden, wenn entsprechende Stellen bei den Finanzämtern, insbesondere zu Betriebsprüfungen, geschaffen wür

den. Leider ist es kurzfristig nicht möglich, entsprechende Experten einzustellen; sie müssen ja erst ausgebildet werden. Die Ausbildung dauert normalerweise Jahre.