Protocol of the Session on February 15, 2017

Ich wünsche mir, liebe Kolleginnen und Kollegen, viel mehr, dass die Menschen islamischen Glaubens, die bei der DİTİB aktiv sind, erkennen, dass sie zu Handlangern eines Staates und eines Präsidenten in einem Konflikt gemacht werden, der nicht ihr Konflikt ist. Nordrhein-Westfalen ist ihre Heimat. Unser Bundesland bietet ihnen Demokratie, Meinungs- und Religionsfreiheit, einen funktionierenden Rechtsstaat, Bildung und Aufstiegschancen.

Für sie gilt – genauso wie für alle anderen Menschen in unserem Bundesland auch – das Grundgesetz und nicht das Wort von Herrn Erdogan.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt, liebe Kolleginnen und Kollegen, in NordrheinWestfalen auch – das darf man nicht verkennen, wenn man Kritik an DİTİB äußert – reformorientierte Gemeinden. An diese müssen wir appellieren, sich von DİTİB zu lösen. Es wird deutlich, dass der Dachverband nicht die Kraft dazu hat. Solange wie dieser

Konflikt schon schwelt, hätte sich der Dachverband dazu schon sehr deutlich äußern können. Ich denke, er hat nicht die Kraft dazu. Deswegen müssen wir versuchen, die einzelnen Gemeinden, die es gibt, zu unterstützen.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das wollen Sie ja nicht!)

Ich würde mir wünschen, dass sich diese einzelnen Gemeinden in einer Art Graswurzelbewegung von dem Dachverband lösen, sodass er alleine dasteht, weil wir uns nicht in die Gefahr begeben dürfen, dass wir diejenigen, die wirklich reformorientiert sind, nicht unterstützen. Es gibt Gemeinden, die reformorientiert sind, in denen jüngere, hier geborene Menschen islamischen Glaubens sich engagieren, aktiv sind, die sich von diesen starren Strukturen lösen und an der Stelle wirklich Religion zelebrieren wollen. Sie wollen ihre Gemeinde unterstützen und für die Integration etwas tun. Die müssen wir unterstützen. Den Dachverband – das wird sehr deutlich – können wir in dieser Form nicht mehr unterstützen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Yetim. – Für die CDU-Fraktion spricht Frau Kollegin Güler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einer Erinnerung anfangen. Am 3. Februar 1965 öffnete der Kölner Dom seine Pforten für Hunderte von türkischen Gastarbeitern, damit sie in den nördlichen Seitenschiffen des Doms das Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan feiern konnten. Auf den Steinfelsen des Kölner Doms wurden die Gebetsteppiche ausgerollt, das Haupt gen Mekka geneigt, und die türkischen Gastarbeiter sprachen ihre Gebete. Ein Imam leitete den Gottesdienst im Schatten der christlichen Kreuze und Symbole. Gastarbeiter, die sich keinen Teppich leisten konnten, hatten Zeitungen mitgebracht.

Der 3. Februar 1965 war ein Tag, der Religionsgeschichte gemacht hat, schrieb die „Kölnische Rundschau“ dazu. Das ist heute für uns so weit weg, nicht nur von Jahren her, sondern weil wir uns das heute gar nicht mehr vorstellen können, da es viele Moscheen gibt, die zu unserem Land gehören, die auch die Vielfalt in unserem Land ausmachen. So wurde Anfang der 90er-Jahre die erste Moschee mit Minarett in Marl in Nordrhein-Westfalen von der DİTİB gebaut. Dass wir diese Vielfalt muslimischen Lebens in Nordrhein-Westfalen haben, ist auch ein Verdienst der DİTİB. Dass muss an dieser Stelle noch einmal deutlich gemacht werden.

Die Betreuung der vielen muslimischen Gastarbeiter gerade der ersten Generation beispielsweise hinsichtlich der Fragen der Bestattung oder Seelsorge hat die DİTİB lange Zeit aufgegriffen. Kurz: Wir haben Arbeitskräfte geholt, aber wir haben uns nicht um deren religiösen Bedürfnisse und Belange gekümmert. Das hat der türkische Staat übernommen, und wir waren fein raus. Lange sind wir damit gut gefahren, weil es uns gelegen kam. So war die Arbeitsteilung dreieinhalb Jahrzehnte lang.

Die Situation, in der wir heute stecken, fasst der Islamwissenschaftler Michael Kiefer mit einem Satz relativ gut zusammen:

„Das, was in vielen Dialogzusammenhängen über Jahrzehnte an Vertrauen aufgebaut wurde, ist binnen weniger Wochen in Trümmern gelegt worden.“

Herr Kollege Yetim, Sie sagten gerade, bevor die Vorstöße nicht klar seien, dürfte es keine Vorverurteilung der DİTİB geben. – Ich glaube, der Sachverhalt ist ziemlich eindeutig. Mindestens 13 Imame, die in Nordrhein-Westfalen in Moscheegemeinden des Islamverbands DİTİB tätig waren oder sind, haben auf Weisung der türkischen Religionsbehörde Diyanet angebliche Anhänger der Gülen-Bewegung aus Nordrhein-Westfalen über beteiligte Generalkonsulate an den türkischen Staat gemeldet. Betroffen sind, wie wir heute wissen, 33 bespitzelte Personen und elf Institutionen. Das ist mehr als eindeutig, was die Sachlage betrifft.

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: Das ist so! – Mehrdad Mostofizadeh [GRÜNE]: Warum wurden dann Durchsuchungen gemacht?)

Unter den ausspionierten Personen sind fünf Lehrer, die an Schulen in Nordrhein-Westfalen unterrichten. Das ist ein nicht hinnehmbarer und absolut inakzeptabler Vorgang!

(Beifall von der CDU und Ulrich Alda [FDP] – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Gegen Spionage – nichts anderes ist das – auf deutschem Boden müssen wir uns wehren. Wir dürfen sie von niemandem dulden.

(Beifall von der CDU und Karlheinz Busen [FDP])

Wir müssen ebenfalls einen Generalverdacht gegen Muslime vermeiden. Muslime sind hierbei Täter und Opfer zugleich. Es gilt, das all denen zu sagen, die jetzt mit Schaum vor dem Mund unterwegs sind.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Natürlich dürfen wir auch nicht alle DİTİB-Imame über einen Kamm scheren.

(Britta Altenkamp [SPD]: Ach so!)

Denn diejenigen, die spioniert haben, gibt es auf der einen Seite. Aber es gibt auch auf der anderen Seite diejenigen, die als mutmaßliche Gülen-Anhänger entlassen worden sind und nun vor NRWArbeitsgerichten gegen ihre Kündigung vorgehen. Es bleibt also wichtig, genau hinzuschauen und pauschale Urteile zu unterlassen.

Dieser Vorgang macht eigentlich deutlich, dass wir es – das müssen wir uns alle eingestehen – leider verschlafen haben, in den letzten Jahrzehnten dafür Sorge zu tragen, dass die Imame, die in den Moscheegemeinden in Nordrhein-Westfalen predigen, unabhängig sind, nicht von anderen Staaten geschickt werden, hier sozialisiert werden und vor allem der deutschen Sprache mächtig sind.

(Vereinzelt Beifall von der CDU)

Das haben wir versäumt. Das müssen wir nachholen. Denn wir brauchen Imame, die in Deutschland aufgewachsen und ausgebildet worden sind, die Deutsch sprechen, die Deutschland kennen und die sich zu Deutschland bekennen – und keine Imame, die de facto Beamte des türkischen Staates sind.

(Beifall von der CDU)

Wenn wir heute auch in Richtung Landesregierung die Forderungen stellen, die DİTİB müsse unabhängig sein, ist diese Forderung erst einmal richtig. Allerdings muss sich die Landesregierung auch die Frage gefallen lassen: Was haben Sie bisher getan, damit die DİTİB unabhängig wird?

(Dr. Joachim Stamp [FDP]: So ist das!)

Wenn Herr Schmeltzer sagt, er fordere, dass die DİTİB binnen weniger Wochen neue Strukturen schaffe, dass es keine Imame mehr aus dem Ausland gebe und dass sie nicht mehr vom Ausland finanziert würden, müssen Sie sich die Frage gefallen lassen: Was haben Sie bisher dafür getan, wenn Sie von der DİTİB verlangen, dass sie das binnen weniger Wochen hinbekommt?

(Beifall von der CDU und der FDP – Armin La- schet [CDU]: Nichts! Nichts!)

Das wird nicht möglich sein. Deshalb bringt es uns hier nicht weiter, utopische Forderungen an die DİTİB mit Fristen – „binnen weniger Wochen“ – zu stellen. Diese umzusetzen, wird nicht möglich sein.

Was möglich ist – das sage ich in Richtung der Schulministerin – und was diese Landesregierung in Person der Schulministerin vermissen lässt, ist, dass sie sich schützend vor ihre Beamten stellt.

(Vereinzelt Beifall von der CDU und der FDP)

Frau Löhrmann, ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe eher das Gefühl, dass Sie sich schützend vor die DİTİB stellen bzw. lange gestellt haben, damit das eine oder andere nicht ans Tageslicht kommt, statt sich schützend vor Ihre Lehrer zu stellen.

(Widerspruch von Ministerin Sylvia Löhrmann)

Abschließend – gern dazu Weiteres in der zweiten Runde –:

(Britta Altenkamp [SPD]: Nein, nein!)

Mich hat ein Lehrer angeschrieben, der bespitzelt worden ist.

Die Redezeit, Frau Güler.

Ich bin sofort fertig, Frau Präsidentin. – Dieser Lehrer hat ganz konkrete Fragen an die Landesregierung gestellt: Wann hat das Innenministerium gewusst, dass ich ausspioniert werde? Wann hat das Schulministerium gewusst, dass ich ausspioniert werde? Warum hat es bis Mitte Januar 2017 gedauert, bis ich informiert wurde?

Diese Antworten sind Sie Ihren Beamten schuldig. Es darf nicht sein – das sage ich noch einmal –, dass man sich schützend vor eine Organisation stellt, …

Frau Güler!

… die Spionage betrieben hat, und dass man sich nicht schützend vor die eigenen Beamten stellt. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Frau Güler. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Mostofizadeh.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Frau Güler, ich finde es unerträglich, wie Sie hier die Schulministerin und die Landesregierung zu Tätern machen wollen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Wi- derspruch von der CDU und der FDP)

Ich sage Ihnen ganz deutlich: Sie verhöhnen diejenigen, die davon betroffen sind. Ich sage Ihnen ganz deutlich – ich weiß vor dem Hintergrund meiner persönlichen Geschichte, worüber wir sprechen –: Bespitzelung von Menschen in Deutschland oder das Nachfassen und Ausspionieren werden wir nicht nur nicht dulden, sondern wir werden dem auch mit aller Konsequenz nachgehen.