Protocol of the Session on January 26, 2017

Aus meiner Sicht – das will ich hier auch noch einmal deutlich sagen – ist die Bundesregierung in der Pflicht, dies als Aufgabe wahrzunehmen und mit den Herkunftsländern zu klären. Vielleicht müsste Merkel das Ganze mal zur Chefinnensache machen, wenn die zuständigen Minister der CDU es nicht hinbekommen, diese Verhandlungen zu führen.

Wir brauchen insofern keine Problemlösungen, was sichere Herkunftsstaaten angeht. Was wir brauchen,

sind solche Verhandlungen und keine Scheindebatten, die von den wirklichen Problemen ablenken!

(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin Schäffer. – Für die Piratenfraktion erteile ich Herrn Kollegen Marsching das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Wir haben wieder einmal Anträge von CDU und FDP vorliegen, die hier das Abendland retten wollen. Sie machen sich dafür stark, dass die Maghrebstaaten sichere Herkunftsländer werden sollen, wie wir gerade gehört haben. Große Überraschung, Applaus, Applaus: Wir haben Wahlkampf, Law and Order rückt in den Vordergrund. Wer hätte das gedacht?

(Zurufe von der FDP)

Ja, auf den Zwischenruf, das alles diene nur der inneren Sicherheit, das sei gar kein Wahlkampf, habe ich quasi gewartet. Natürlich ist das alles total ernst gemeint.

Wie gut die Kooperation mit den nordafrikanischen Ländern funktioniert, haben wir gesehen, als versucht wurde, den Berliner Attentäter, dessen Namen ich hier extra nicht nenne, abzuschieben. Wenn das bei derart klaren Fällen schon nicht funktioniert, dann funktioniert das natürlich auch bei allen anderen Fällen! Das leuchtet ein – nicht!

Das Konstrukt mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist ein stumpfes Schwert. Wir können fast schon glücklich sein, dass Sie hier nur mit stumpfen Schwertern fuchteln; das macht es einfacher, etwas dagegenzuhalten. Herr Lürbke hat es vorhin gesagt, und ich finde, es ist entlarvend, wenn er davon spricht, dass der Antrag, sofern er angenommen würde, ein „Symbol mit Signalwirkung“ sei. Da kann man sich ja fast freuen, wenn wir es nicht mit noch anderen Anträgen zu tun haben.

Ich halte Sie nicht für dumm, denn dann würde ich es mir zu einfach machen. Sie wissen sehr wohl, dass die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten überhaupt keine wirkliche Verbesserung darstellen würde. Bei allem, was Sie hier tun, stellt sich die Frage, warum Sie das machen. Ich denke, die Antwort ist so bösartig, wie sie unmoralisch ist: Sie wollen Stimmen fangen, und zwar die Stimmen am rechten Rand.

(Zurufe von der CDU: Oh! Oh!)

Dafür sind Sie bereit, Bürger aus drei Staaten …

(Zurufe: Quatsch! So ein Unsinn!)

… generell zum Sicherheitsrisiko zu erklären.

Es ist Ihnen schlicht egal, …

(Zurufe von der CDU)

Die Sachargumente muss ich nicht wiederholen.

(Werner Jostmeier [CDU]: Sie haben ja keine!)

Ich sage Ihnen lieber, warum Sie meiner Meinung nach diesen Antrag stellen. Es ist Ihnen schlicht egal, wenn Marokkaner, Algerier, Tunesier unter Generalverdacht gestellt werden. Es ist Ihnen egal – das haben Sie hier gestern sogar noch einmal verteidigt –, wenn die Menschen in Köln zu Silvester nur wegen ihres Aussehens eingekesselt werden.

(Werner Jostmeier [CDU]: Unerhört! – Weitere Zurufe von der CDU)

Unerhört, ja, ja. – Wir hatten diese Diskussion gestern hier; genau das haben Sie gestern hier gemacht: Sie haben gesagt, das sei alles Quatsch, und so, wie es gelaufen sei, wäre es völlig in Ordnung gewesen. Das waren Ihre Worte.

(Zuruf von der CDU: Ist es auch!)

Es ist Ihnen übrigens auch egal, wenn Begriffe wie „Maghrebviertel“ oder „No-Go-Areas“ für die Bereiche definiert werden, in denen diese Menschen leben. Dort herrscht ja vermeintlich Gefahr, wogegen man unbedingt etwas tun muss. Es ist Ihnen auch völlig egal, dass es inzwischen nachweislich mehr Übergriffe auf diese Menschen gibt, auch auf diejenigen, die hier einfach nur friedfertig ihr Leben leben wollen.

Aber nicht nur das – ich glaube sogar, dass Sie durch das fortwährende Stellen solcher Anträge und dadurch, dass Sie immer und immer wieder dieselben Forderungen erheben, solche Angriffe und die Egal-Einstellung legitimieren.

(Beifall von den PIRATEN)

Sie opfern den Ruf der Menschen aus den Maghrebstaaten auf dem Altar der Wählerstimmen. Sie können wiederholt sagen, das sei kein Wahlkampf – die Tatsache, dass Sie wiederholt so vorgehen, ist schon ein klares Zeichen.

Aber das wird nicht funktionieren, genauso wenig, wie das Konzept mit den „sicheren Herkunftsstaaten“ funktionieren und dabei helfen wird, dass sich Menschen hier wieder sicherer fühlen. Ebenso wenig werden Sie die rechten Stimmen vom Original abgraben. Alles, was Sie tun, ist, dass Sie noch mehr Angst und Unsicherheit verbreiten. Damit feuern Sie meiner Meinung nach nur den Fremdenhass an.

Willkommen in Deutschland des Jahres 2017! Wir Piraten werden solchen Mist natürlich ablehnen. – Vielen Dank.

(Beifall von den PIRATEN)

Soweit Herr Kollege Marsching. – Für die Landesregierung erteile ich Herrn Minister Jäger das Wort.

Herzlichen Dank. – Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben im letzten Jahr hier im Plenum über dieses Thema nicht nur einmal, sondern mehrfach diskutiert. Ich persönlich habe damit überhaupt kein Problem, darüber immer und immer wieder mit Ihnen zu diskutieren; ich habe aber ein Problem damit, wie Sie hier immer wieder mit der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten umgehen, nämlich als eine Lösung dafür, ausreisepflichtige Menschen schneller in die Maghrebstaaten abschieben zu können. Diese Rechnung – sichere Herkunftsländer gleich mehr Abschiebung gleich mehr Sicherheit – geht nicht auf. Das ist eine völlig falsche Erwartungshaltung, die Sie hier einnehmen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Es gibt einen dicken Bremsklotz im System,

(Zuruf von der CDU: Das sind Sie!)

der Abschiebungen in die Maghrebstaaten extrem langwierig bis unmöglich macht, nämlich die unzureichende Mitwirkung der betreffenden Staaten. Was bringt denn eigentlich die Einstufung als sicherer Herkunftsstaat? – Ja, schnellere Rechtsschutzverfahren. Es bleibt aber bei der Einzelfallprüfung. Es bleibt dabei, dass mehr als 90 % dieser Asylanträge abgelehnt werden.

Jede Beschleunigung von Asylverfahren, die im Inland erzielt wird, geht aber ins Leere, wenn wir die Menschen nicht zügig abgeschoben bekommen, wenn sich Staaten weigern, bei der Beschaffung von Passersatzpapieren mitzuwirken. Auch wenn inzwischen bei Einzelstaaten wie beispielsweise Marokko Verbesserungen in diesem Verfahren eingetreten sind, die sichtbar sind, gibt es beim Thema „Zusammenarbeit zwischen den Herkunftsländern und den deutschen Behörden“ noch ganz viele Baustellen.

Solange das der Fall ist, Herr Lürbke, geht von einer Einstufung als sicherer Staat eben keine Signalwirkung aus. Vielmehr muss die Bundesregierung ihre Verhandlungen mit den Maghrebstaaten intensivieren, um eine zügige und unbürokratische Rückführung ihrer Staatsangehörigen zu ermöglichen. Die bisherigen Rücknahmeabkommen sind dafür völlig untauglich.

Meine Damen und Herren, der Bundesrat hat dieses Thema aktuell gar nicht auf der Tagesordnung, übrigens auf Wunsch der Bundesregierung. Es gibt also eigentlich gar keinen Grund, diesen Antrag zu stellen – außer taktische Gründe.

(Beifall von der SPD und Michele Marsching [PIRATEN] – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Herr Kuper, das ist jetzt der dritte Antrag aus Ihren Reihen zu diesem Thema, und immer haben Sie die Anträge zur direkten Abstimmung gestellt. Das zeigt, dass Sie an einer inhaltlichen Auseinandersetzung zu diesem Thema eigentlich gar nicht interessiert sind. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD, den GRÜNEN und Mi- chele Marsching [PIRATEN])

Danke, Herr Minister Jäger. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Deshalb schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Wir haben drei direkte Abstimmungen vorzunehmen, erstens über den Antrag der CDU-Fraktion Drucksache 16/13945. Die CDU-Fraktion hat gemäß § 44 unserer Geschäftsordnung eine namentliche Abstimmung über ihren Antrag Drucksache 16/13945 beantragt. Nach Absatz 2 dieses Paragrafen unserer Geschäftsordnung erfolgt die namentliche Abstimmung, wie wir alle wissen, durch Aufruf der Namen der Abgeordneten. Die Abstimmenden haben bei Namensaufruf mit Ja oder Nein zu antworten oder zu erklären, dass sie sich der Stimme enthalten. Ich bitte die Schriftführer, mit dem Namensaufruf zu beginnen. Sie alle bitte ich, ruhig zu sein und laut und deutlich zu antworten, damit die Schriftführer Ihre Antwort richtig protokollieren können. Die Abstimmung ist eröffnet.

(Der Namensaufruf erfolgt. [Abstimmungsliste siehe Anlage])

Meine Damen und Herren, ich denke, jetzt haben wir alle potenziellen Stimmen eingesammelt. Gibt es irgendjemanden, der sein Votum noch nicht hat abgeben können? – Das ist offenbar nicht der Fall.

Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführer, die Auszählung vorzunehmen.

An Sie habe ich die Bitte, im Saal zu verbleiben. Die Auszählung geht bekanntlich sehr zügig. Direkt im Anschluss daran haben wir zwei weitere direkte Abstimmungen vorzunehmen.

Ich darf die Schriftführer bitten, die Auszählung vorzunehmen.

(Die Auszählung erfolgt.)

Meine Kolleginnen und Kollegen! Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung liegt vor, und ich gebe es Ihnen selbstverständlich sofort bekannt.