Die heutige Debatte wird aus Ihrer Sicht doch nur deshalb geführt, um davon abzulenken – nächster Punkt des Ehrlichmachens –, dass der zuständige Minister des Inneren in Berlin – es gibt ein Organigramm der Bundesregierung –
es nicht auf die Reihe bekommt, ein vernünftiges Rücknahmeabkommen mit den Herkunftsländern zu vereinbaren.
Die Einstufung als sichere Herkunftsländer löst die Probleme, die wir im Augenblick haben, nicht. Im Gegenteil werden die Probleme anwachsen, weil nämlich die Entscheidungspraxis schneller geworden ist und wir im Augenblick noch ca. 2.000 laufende Verfahren haben.
Es ist absehbar, dass diese Menschen alle keinen Daueraufenthalt bei uns bekommen werden. Dann ist nicht die Frage, ob sie aus einem sicheren Herkunftsland kommen, sondern die Frage, wie sie in ihre Herkunftsländer zurückkommen, entscheidend.
Die nächste Legende: Das, was auf dem Balkan passiert ist, hat ursächlich nichts mit der Einstufung als sichere Herkunftsländer zu tun. Es wäre beinahe ein gespenstischer Vorgang, wenn es so wäre; denn der Rückgang der Anträge und der Rückgang der Zahl der Flüchtlinge aus diesen Ländern hat damit zu tun, dass Bund und Länder in erheblichem Umfang in Informationskampagnen investiert haben und vor Ort aufgeklärt worden ist.
Ich glaube das nicht nur selbst, ich kann es Ihnen auch anhand der Zahlen beweisen, liebe Frau Kollegin. Erst in die Unterlagen gucken und dann Zwischenrufe machen!
Ich darf noch einen weiteren Fakt – apropos „ehrlich machen“ – aufrufen: Die Bundesregierung hat seltsamerweise mit dem Thema gar keine Eile mehr. Was Sie hier suggerieren, ist gar nicht Fakt. Der Punkt ist auf Wunsch der Bundesregierung von der Tagesordnung des Bundesrates abgesetzt worden. Das ist Fakt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich darf darauf hinweisen, dass es andere Bundesländer mit ganz erheblichen Problemen und ganz erheblichen Fragen gibt. Frau Cornelia Willius-Senzer hat im Landtag Rheinland-Pfalz erklärt, das stehe im Augenblick nicht auf der Tagesordnung, weil die Bundesregierung es ja vertagt habe.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, das ist keine von uns, auch wenn es gut von uns hätte sein können. Das hat eine FDP-Kollegin geäußert.
Gestern hat zu meiner großen Freude der heute leider bei dieser wichtigen Debatte nicht anwesende Fraktionsvorsitzende der CDU suggeriert, in Hessen gebe es keine Probleme. Fernsehen kann manchmal bildend sein. Ich habe mir die Hessenschau anguckt und festgestellt, dass exakt da, wo Schwarz-Grün regiert, diesbezüglich ein ganz erheblicher Dissens zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Fraktionsvorsitzenden der grünen Fraktion besteht. Tun Sie doch bitte nicht so, als sei das eine Frage, die sich exklusiv in NRW stellen würde.
Wir haben zwei wichtige Botschaften zu vermitteln: Erstens tragen wir vernünftige Lösungen, die dazu führen, dass Verfahren in Bezug auf Menschen, die sich ohne Aufenthaltsrecht bei uns aufhalten, rechtskräftig abgeschlossen werden, nicht nur mit, sondern wir fordern sie sogar. Zweitens. Fragen, die auf Bundesebene zu stellen sind, beantworten wir dann, wenn sie auf der Tagesordnung stehen.
Außerdem, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen Sie sich schon mehr einfallen lassen als solch einen wieder aufgewärmten Antrag. Getretener Quark wird breit, nicht stark.
Sie müssen sich mehr einfallen lassen, um uns aus dem Gleichgewicht zu bringen. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Kuper, im Zusammenhang mit unserem Entschließungsantrag von einem schlechten Antrag zu sprechen, wenn man selber einen solch einseitigen Wisch hinlegt, finde ich, ehrlich gesagt, bemerkenswert.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir diskutieren dieses Thema nicht zum ersten Mal hier im Landtag, und dass es dazu erneute Anträge der Fraktionen der FDP und der CDU gibt, finde ich angesichts der Tatsache, dass sich an der Sachlage rein gar nichts geändert hat, erstaunlich.
Man muss auch sagen, dass der Gesetzentwurf der Bundesregierung weder dazu geeignet ist, die Zahl der Asylbewerberinnen und Asylbewerber aus den Maghrebstaaten zu reduzieren, noch dazu – und das wird häufig unterstellt –, die Rückführung abgelehnter Asylbewerberinnen und Asylbewerber zu beschleunigen.
Was man zu diesem Gesetzentwurf und zu dem Verfahren sagen muss: Aus unserer Sicht ist es aus verfassungs- und unionsrechtlichen Gründen höchst bedenklich. Das ist übrigens nicht nur die Meinung und die Position, wie sie bei uns Grünen gilt, sondern das ist auch das Ergebnis einer Anhörung im Deutschen Bundestag, bei der alle Sachverständigen genau diese verfassungsrechtlichen Bedenken geltend gemacht haben. Ich habe ein Zitat herausgesucht, das meiner Meinung nach exemplarisch für viele Positionen ist, die dort im Ausschuss dargestellt wurden. Rechtsanwalt Dr. Reinhard Marx hat in der Anhörung am 21. April 2016 im Deutschen Bundestag gesagt:
„Schließlich stößt das Verfahren, das der Gesetzgeber gewählt hat, auf schwerwiegende verfassungs- und unionsrechtliche Bedenken. Im Gesetzentwurf wird keiner der Berichte des Menschenrechtszentrums der Vereinten Nationen und von internationalen nichtstaatlichen Menschenrechtsorganisationen berücksichtigt, obwohl hierzu nach Unionsrecht eine Verpflichtung besteht und in diesen Berichten eine durchgehende und weit verbreite Praxis von Verletzungen der Menschenrechte in vielfältiger Weise aufgezeigt wird.“
Ich frage mich, Herr Kuper: Warum führt man eigentlich solche Anhörungen im Deutschen Bundestag durch, wenn man die Ergebnisse schlichtweg ignoriert und von vornherein nicht darauf hört, weil sie einem nicht passen?
(Beifall von den GRÜNEN – Michele Mar- sching [PIRATEN]: Das ist der Punkt hier! Wa- rum macht man das hier? So ist das!)
Herr Lürbke, ich möchte noch einmal auf das Thema „Abschreckungseffekt“ zu sprechen kommen. Sie hatten das zu einem großen Thema gemacht: Die Flüchtlinge würden abgeschreckt, wenn man die Maghrebstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklären würde. Des Weiteren nenne ich noch das Thema „Balkan“; auch dieses Beispiel hatten Sie genannt.
Ja, Anfang des Jahres 2015 waren die Zahlen von Zuwanderern aus dem Kosovo und aus Albanien sehr hoch. Im Februar 2015 lag die Zahl der Personen aus dem Kosovo bei knapp 7.000. Das war der Höchststand; danach gingen die Zahlen zurück. Und noch vor der Einstufung – das ist jetzt wichtig, Herr Lürbke – als sichere Herkunftsländer mit Stand Oktober 2015 waren es ungefähr 620 Personen pro Monat. Das heißt, die Reduzierung der Personenzahl von knapp 7.000 auf 620 pro Monat ist Laufe des Jahres 2015 erfolgt, und zwar ganz ohne die Einstufung als sichere Herkunftsländer.
Dazu muss man einfach sagen: Die Behauptung, die Sie hier aufstellen, ist laut der Zahlen nachweislich – wirklich nachweislich – faktisch falsch, und da müssen Sie sich als FDP auch mal ehrlich machen. Schauen Sie sich doch die Zahlen und die Realität an!
Wenn man sich jetzt die Zahlen aus dem Maghreb ansieht, muss man auch hier sagen, dass wir momentan eine fallende Linie verzeichnen. Im Jahr 2015 waren es hier in Nordrhein-Westfalen noch 6.444 Zugänge aus Marokko; im Jahr 2016 sank die Zahl auf 2.400 Zugänge. Es gibt also auch hier einen Rückgang.
Man muss aber bitte auch zur Kenntnis nehmen, dass die Rückführung dieser Personen nicht an der Einstufung als sichere Herkunftsstaaten scheitert, sondern an der fehlenden Kooperation der Herkunftsländer. Das ist das Problem, und da hilft auch Ihre Einstufung als sichere Herkunftsstaaten rein gar nichts. Es ist eben Fakt, dass es an den Herkunftsländern selber liegt.
Aus meiner Sicht – das will ich hier auch noch einmal deutlich sagen – ist die Bundesregierung in der Pflicht, dies als Aufgabe wahrzunehmen und mit den Herkunftsländern zu klären. Vielleicht müsste Merkel das Ganze mal zur Chefinnensache machen, wenn die zuständigen Minister der CDU es nicht hinbekommen, diese Verhandlungen zu führen.