Protocol of the Session on January 26, 2017

Ich darf die Sozialdemokraten mal in Anspruch nehmen: Ihre Kolleginnen und Kollegen haben letzte Woche im Bundeskabinett den neuen Regeln für die Drohnen, der Kennzeichnungspflicht von Drohnen und auch einem Überflugverbot von Drohnen über Industrieanlagen zugestimmt, und zwar ausdrücklich mit dem Hinweis, man wolle Industriespionage verhindern. Auch das mag ein Argument sein, das vielleicht nicht jeden hier, aber vielleicht doch den ein oder anderen, der dafür offen ist, überzeugt, das mit auf den Weg zu nehmen.

Unsere herzliche Einladung: Überlegen Sie noch einmal, ob das richtig ist. Wir glauben, dass es grundfalsch ist, und zwar gar nicht primär aus wirtschaftspolitischen Erwägungen, sondern – das ist mindestens genauso wichtig – aus Erwägungen der inneren Sicherheit. Deswegen haben wir die Debatte angestoßen, und wir führen Sie gerne mit Ihnen. – Vielen Dank.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die zweite antragstellende Fraktion, die der FDP, spricht Herr Kollege Brockes.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich kann den Ausführungen des Kollegen Wüst nur zustimmen. Allein aufgrund der terroristischen Lage und der Problematik, die wir leider in den letzten Monaten erleben mussten, muss man einen solchen Erlass noch einmal hinterfragen.

Hier zeigt sich, Herr Minister, der Unterschied zwischen „gut gemacht“ und „gut gemeint“. Sie wollten mit Sicherheit damit für mehr Transparenz für die Anwohner sorgen. Letzten Endes – wie gerade ausgeführt – sorgt ein solcher Anlass aber für mehr Unsi

cherheit bei den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern, wenn jetzt entsprechende Informationen weltweit veröffentlicht werden.

Ich möchte den Antrag und den Erlass aber auch aus wirtschaftspolitischer Sicht thematisieren. Dies ist wieder ein Beispiel dafür, wie systematisch die Rahmenbedingungen für Unternehmen in NordrheinWestfalen verschlechtert werden. Wir beklagen überall ein fehlendes Wirtschaftswachstum und dass wir diesbezüglich hinterherlaufen. Es sind genau solche Sonderregeln, die in Nordrhein-Westfalen dafür sorgen.

Der Wirtschaftsminister, der leider nicht anwesend ist, beklagt ja in Nordrhein-Westfalen fehlende Investitionen seitens der Wirtschaft. Aber wenn hier ein Unternehmen in dieser Form die Hose runterlassen muss, dann darf es nicht verwundern, wenn man es sich dreimal überlegt, hier entsprechende Investitionsentscheidungen zu treffen.

(Beifall von der CDU – Beifall von Yvonne Ge- bauer [FDP])

Im März 2015 ist dieser Erlass des Umweltministers in Kraft getreten, wonach Antragsunterlagen in immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren, für die eine Verpflichtung zur öffentlichen Bekanntmachung und Auslegung besteht, auch im Internet veröffentlicht werden müssen, und das, obwohl im Bundes-Immissionsschutzgesetz bereits rechtliche Vorgaben bestehen, die sehr detailliert sind.

Warum dieser Alleingang in Nordrhein-Westfalen, obwohl eigentlich kein Regelungsbedarf besteht? Der eigentliche Zweck kann nur sein, dass man die Unternehmen im Land schlechterstellen möchte als in anderen Bundesländern.

Die Veröffentlichung insbesondere umweltbezogener Antragsunterlagen dient vor allem der besseren Information über die Umweltauswirkungen der geplanten Anlagen direkt und indirekt betroffener Anwohner. Das ist auch gut, wird über die Bundesgesetzgebung aber bereits geregelt. Bitte berücksichtigen Sie deshalb die Gefahr, die eben beschrieben wurde, und damit die Schlechterstellung gerade für die Anwohnerinnen und Anwohner.

Was die Konkurrenzsituation angeht, möchte ich noch sagen: Wir haben in der Enquetekommission – und nach mir sprechen noch die Kollegen Frau Dr. Beisheimer und Herr Thiel – unter anderem in einer der Handlungsempfehlungen gefordert, verstärkt dafür zu sorgen, dass Pilotanlagen, also neue technische Entwicklungen, nach Nordrhein-Westfalen kommen. Dafür ist es schädlich, wenn die kompletten Informationen ins Internet gestellt werden und jeder Wettbewerber sehen kann, was hier konkret geplant ist.

Meine Damen und Herren, Herr Minister Remmel, nehmen Sie diesen unnötigen Erlass zurück. Sorgen

Sie dadurch für mehr Sicherheit, und sorgen Sie dafür, dass zumindest ein Investitionshemmnis in Nordrhein-Westfalen wieder zurückgenommen wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Brockes. – Für die SPD erteile ich Herrn Kollegen Thiel das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! NRW ist ein starker Wirtschaftsstandort mit innovativer Technik, führenden Wissenschaftsstandorten und einer effizienten Industrie, die weltweit zur Spitze gehört. Nicht umsonst ist NRW der Innovationsstandort Nummer eins in Europa.

Wir alle wissen nicht erst seit Stuttgart 21, dass Akzeptanz in der Bevölkerung und in der Nachbarschaft der Anlagen ein hohes Gut ist, wenn technische Projekte, große wirtschaftliche Investitionen und unser Industriestandort auf Dauer Erfolg haben wollen. Zur Akzeptanz gehören Transparenz, Dialog und Beteiligung. Das weiß vor allem die Industrie; wir haben hier im Landtag den Akzeptanzbericht des

CHEMPARK-Betreibers CURRENTA gewürdigt.

Die spannende Frage lautet: Wie weit kann oder soll Transparenz gehen? Ich habe kürzlich die Firma Saltigo besucht, ein hochinnovatives Unternehmen der Feinchemie, das Spezialprodukte für den Agrar- und Pharmabereich herstellt. Diese Firma hat die Sorge, dass teuer eingekaufte Planungs- und Gutachterleistungen von Dritten einfach kopiert und nachgebaut werden können, wenn ihre gesamten Genehmigungsunterlagen im Internet veröffentlicht werden.

Die Veröffentlichung sensibler Daten kann aber auch ein extremes Sicherheitsrisiko darstellen, wenn zum Beispiel die genaue Lage von Gefahrstoffen und sogar deren Klassifizierung online gestellt werden. Kritische Anlagenteile sind sicher auch Bestandteil kritischer Infrastruktur. Es gilt, diese zu schützen.

Wir haben es also mit einem Zieldreieck zu tun: Transparenz zur Stärkung von Akzeptanz, Wahrung von Geschäftsgeheimnissen und Sicherung kritischer Infrastruktur sowie Industrieanlagen.

Dem Bundesrat liegt ein Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Abbau verzichtbarer Anordnungen der Schriftform im Verwaltungsrecht des Bundes zur Mitberatung vor. Elektronische Verwaltungsdienste sollen ausgebaut und unnötige Bürokratie abgebaut werden. So weit so gut.

Sicherlich unproblematisch und selbstverständlich ist, dass öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachungen mit dazugehören. Eine berechtigte Frage ist

aber, ob auch immissionsrechtliche Genehmigungsverfahren mit allen komplexen Anlagen, Zeichnungen und Darstellungen mit dazugehören sollen.

Der Bundesrat sagt ja. In § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes soll beim Thema Unterlagen, die zur Einsicht auszulegen sind, ergänzt werden: „und können auch auf einer Internetseite zugänglich gemacht werden.“ Der Bundeswirtschaftsminister lehnt eine entsprechende Veröffentlichung im Internet ab. Im Erlass des Umweltministeriums Nordrhein-Westfalen vom 19. März 2015 heißt es zu § 10 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes, „dass in diesem Fall künftig auch eine Veröffentlichung im Internet erfolgen solle“.

Zu diesen beiden Problemlagen, zu der im Bundesrat und zu dem Erlass des Landesumweltministers, gibt es bereits Gespräche der Landesregierung mit der Firma LANXESS. Wir gehen davon aus, dass diese Gespräche zu Lösungen führen werden, die dem Wunsch der Bevölkerung nach Transparenz, aber auch dem berechtigten Anliegen der Firmen nach Schutz ihrer Betriebsgeheimnisse sowie dem Schutz vor Terror ausgewogen gerecht werden; gegebenenfalls können im Einzelfall im Verfahren noch Sachverständige über Details hinzugezogen werden.

Natürlich brauchen wir eine bundeseinheitliche Regelung, schon um für gleiche Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir regen dazu einen runden Tisch an, an dem Unternehmensvertreter und die beteiligten Bundesministerien die Thematik umfassend analysieren und zum Beispiel auch die Risikoanalyse zum Bevölkerungsschutz mit einbeziehen und Lösungen erarbeiten.

Der weiteren Beratung des Themas in den Ausschüssen des Landtages stimmen wir gerne zu. – Vielen Dank.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Thiel. – Als nächste Rednerin spricht für die Fraktion der Grünen Frau Kollegin Dr. Beisheim.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke Ihnen, Herr Wüst, dass Sie entgegen der Ankündigung im Antrag das Thema auf eine sehr sachliche Ebene zurückdiskutiert haben. So kenne ich Sie gar nicht, und ich muss gestehen, Sie haben mich nach all den Jahren wirklich überrascht. Im Grunde genommen ist das aber dem ganzen Verfahren sehr dienlich, weil der Beschluss bzw. der Erlass des Umweltministeriums auf dem Verwaltungsverfahrensgesetz beruht, das 2014 hier im Landtag auch mit den Stimmen der CDU verabschiedet wurde. Dieses war wiederum die Grundlage dafür, um E-Government-Strukturen in der Kommunalverwaltung voranzutreiben.

In diesem Verwaltungsverfahrensgesetz steht bezogen auf die Internetzugänglichkeit – ich darf zitieren –:

„Ist durch Rechtsvorschrift eine öffentliche oder ortsübliche Bekanntmachung angeordnet, soll die Behörde deren Inhalt zusätzlich im Internet veröffentlichen.“

Der Erlass ist also im Grunde genommen keine zusätzliche Belastung oder einzigartig, sondern nur eine Fortführung dessen, was gemeinsam in diesem Haus beschlossen worden ist.

Nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz besteht im Regelfall eine gesetzliche Verpflichtung zur Veröffentlichung von Antragsunterlagen im Internet, sobald eine öffentliche Auslegung fachlich vorgeschrieben ist. Somit werden die Antragsunterlagen, die durch Auslegung veröffentlicht werden, im Internet zur Verfügung stehen. Den bisherigen Prozess der Offenlegung hat die Industrie stets mitgetragen. Es ist wichtig, dass das Drängen auf Transparenz und Zugänglichkeit als Ziel nicht grundsätzlich aus den Augen verloren wird.

Herr Kollege Brockes, in der Enquetekommission zur Zukunft der chemischen Industrie in NRW haben wir darüber diskutiert, wie wir Akzeptanz für die Industrie schaffen, aber auch darüber geredet, dass dies keine Einbahnstraße ist. In den ersten Veröffentlichungen des Verbands der Chemischen Industrie von vor zwei, drei Jahren zu solchen Themen wie „Transparenz“ und „Öffentlichkeitsbeteiligung“ steht eindeutig, dass man die Tendenz vom Shareholder Value zum Stakeholder Value nicht auflösen kann. Auch die Industrie hat ein großes Interesse daran, die Öffentlichkeit zu beteiligen. Das steht außer Frage und wird von niemandem bestritten. Das bedeutet für uns aber nicht – das ist auch richtig, deshalb ist dieser Antrag sicherlich berechtigt –, dass wir das Anliegen der Industrie vor der Folie der aktuellen Lage nicht ernst nehmen.

Die Bedenken gegenüber der Veröffentlichung betriebsinterner oder auch sicherheitsrelevanter Daten im Internet möchten wir daher sehr gerne im Ausschuss diskutieren. Wichtig für uns ist aber, dabei zu differenzieren, welche Informationen der Öffentlichkeit in ihrem Bestreben nach Informationen dienlich sind und welche eine Gefährdung des Betriebs oder auch der Bevölkerung mit sich bringen könnten.

Ich will es kurz machen. Wir werden sicherlich gemeinsam eine Lösung finden. Ich bin also zurzeit voller Hoffnung und freue mich auf die Beratungen im Ausschuss. – Herzlichen Dank.

(Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Dr. Beisheim. – Für die Piratenfraktion spricht jetzt Herr Kollege Rohwedder.

Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Die Thematik des hier vorliegenden Antrags wurde bereits in der Sitzung des Landesbeirats für Immissionsschutz am 6. Dezember letzten Jahres erörtert. Der von CDU und FDP vorgelegte Antrag greift das auf, geht aber von verkehrten Voraussetzungen aus und kann deshalb keinen vernünftigen Lösungsansatz bringen.

Anders als von CDU und FDP dargestellt, ist die Veröffentlichung immissionsschutzrechtlicher Unterlagen im Internet unkritisch. Diese Unterlagen lagen ja auch bisher öffentlich einsehbar aus, und alle Interessierten konnten sie auswerten. Die zusätzliche Veröffentlichung macht die Einsicht lediglich leichter. Qualitativ ändert sich nichts. Alle behaupteten Nachteile hätten ja auch bisher gelten müssen.

Es heißt im Antrag, der Landtag möge feststellen, dass nicht geschwärzte Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse mithilfe des Erlasses weltweit abgerufen werden können. – Mithilfe des Erlasses, nicht mithilfe von netzwerkfähigen Geräten! Ein Erlass ist kein netzwerkfähiges Gerät. Eigentlich ist alles Neuland für CDU und FDP. Allein dieser Satz macht den Antrag nicht zustimmungsfähig. Tatsächlich wurde auch bisher darauf geachtet, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse nicht mit auszulegen. Das ändert sich, wie gesagt, nicht.

Es geht Ihnen in Wirklichkeit darum, zu verhindern, dass interessierten Bürgern sowie Natur- und Umweltschutzverbänden der Zugang erleichtert wird. Die sollen weiterhin unnötige Mühen auf sich nehmen müssen. Sie sollten schon so ehrlich sein und das in Ihren Antrag schreiben. Dann würde auch klar werden, dass Sie sich nicht nur gegen Selbstverständlichkeiten, gegen nationales Recht, sondern auch gegen internationales Recht, gegen die Aarhus-Konvention stellen.

In Ihren Klagegesängen geht es um Deindustrialisierung, Terrorgefahr, Industriespionage und geistiges Eigentum. Letzteres ist ein ideologischer Kampfbegriff, der bei uns gerne von Urheberrechtsextremisten missbraucht wird. Das Konzept des geistigen Eigentums ist eine wörtliche Übersetzung für das englische Intellectual Property, das in Deutschland nicht gilt. Hier haben wir ein Immaterialgüterrecht, das zu Kaisers Zeiten eingeführt wurde. Damals hat man sehr genau überlegt, genauer als Sie heute, und bewusst das Intellectual-Property-Konzept als juristische Schule nicht übernommen.

Wenn Sie gegen Industriespionage sind, dann fragen Sie doch mal bei NSA, CIA und allen anderen Geheimdiensten weltweit, was die davon halten. Die haben Zugriff auf die kompletten Daten, zum Teil auch deshalb, weil die Firmen sie in die Clouds auslagern. Die lachen sich über Ihre Argumentation schlapp. Die

haben auch auf die Daten Zugriff, die nicht nur immissionsschutzrechtlich veröffentlicht werden müssen. Und wir lachen uns auch schlapp. Denken Sie an 2013: Gute Freunde hört man doch nicht ab. – Was haben wir gelacht!

(Beifall von den PIRATEN)