Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich anfange, lassen Sie mich zu zwei Vorrednern etwas sagen.
Zunächst komme ich zu Herrn Marsching von den Piraten. Er hat die Debatte hier als „nicht wichtig“ bezeichnet und als „schäbig“. Das zeigt mir, dass er überhaupt keine Ahnung von Nordrhein-Westfalen hat. In Nordrhein-Westfalen gibt es ca. 1 Million türkischstämmige Menschen. Wenn dieser Parteitagsbeschluss nicht wichtig ist, gerade für diese Menschen in Nordrhein-Westfalen, die seit vielen Jahrzehnten bei uns leben – dann weiß ich auch nicht, was wichtig sein soll. Das sind auf jeden Fall nicht die Themen, die die Piraten hier auf die Tagesordnung setzen wollen.
Lassen Sie mich zwei, drei Sätze zu Herrn Kuper sagen. Herr Kuper, Sie haben das hier als Inszenierung bezeichnet und gesagt, es sei kein sachliches Thema. Sie haben versucht, die Diskussion, die wir jetzt gerade haben, die extrem ist, uns in die Schuhe zu schieben, weil wir es 2001 nicht geschafft haben, die Doppelstaatsbürgerschaft einzuführen.
Warum haben wir das denn damals nicht geschafft? Sie wissen es ganz genau. Gerade wurde schon die Unterschriftenkampagne gegen die doppelte Staatsbürgerschaft angesprochen. Der Erfinder war Wolfgang Schäuble, der Bundesfinanzminister. Das sagt er ja selbst. Sie sind dann durchs Land gezogen und haben massiv dagegen geworben, haben es zugelassen, dass Menschen an die Stände gekommen sind und gesagt haben: Wo kann ich hier gegen Ausländer unterschreiben? Dadurch ist damals die Mehrheit im Bundesrat gekippt, und dann war es aus mit der doppelten Staatsbürgerschaft, so wie wir uns das vorgestellt haben.
Sie haben das damals versaubeutelt, nicht wir. Damit das an dieser Stelle einmal klar ist! Dieser Parteitagsbeschluss der CDU in Essen ist deswegen so wichtig, weil er natürlich zu einer massiven Verunsicherung von vielen Tausend Menschen in NordrheinWestfalen führt.
Herr Kuper, das will ich Ihnen auch sagen – Sie sagen kein Wort dazu; es wurde gerade schon angesprochen –: Wenn wir uns jetzt einmal die Griechen, Portugiesen, Polen, Ungarn ansehen – alle dürfen den Doppelpass haben, nur die Türken nicht. Deswegen ist doch völlig klar, worauf das abzielt. Sie wollen mit diesem Beschluss – das ist auch deutlich geworden – ganz klar der AfD die Stimmen wegnehmen. Es geht darum, am rechten Rand Stimmen einzusammeln.
Was sind denn die Argumente für die doppelte Staatsbürgerschaft? Neben – natürlich – der Förderung der Integration, dass wir Menschen eben nicht mehr dazu zwingen, eine Identität abzugeben, für die sie nichts können. Das führt natürlich dazu, dass sie bessere Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten haben. Das ist wichtig. Aber ich glaube, noch wichtiger ist, dass wir den Menschen ihre Identität lassen, die sie haben.
Ich kann Ihnen das an meinem eigenen Beispiel erzählen.1993 habe ich zu meiner Mutter gesagt, ich würde gern den deutschen Pass haben. Ich hatte damit echte Schwierigkeiten, weil ich auch meine Eltern nicht verletzen wollte. Ich hatte das Glück, dass ich beide Staatsangehörigkeiten haben durfte, die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen durfte, ohne meine türkische abgeben zu müssen. Das war sehr gut. Doch ich glaube, es wäre mir sehr schwergefallen, die türkische Staatsbürgerschaft abzugeben, weil natürlich auch ich eine Beziehung zu meinen Eltern habe.
Meine Mutter hat damals gesagt: Mach das, damit du hier alle Chancen hast. Wir werden hierbleiben. Aber vergiss unsere Heimat nicht!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit diesem Beschluss – der Innenminister hat das gerade angesprochen – treiben wir die türkischstämmigen Jugendlichen in die Arme von Erdoğan, weil sie natürlich merken, dass sie hier überhaupt nicht akzeptiert werden. Deswegen sind an der Stelle meiner Meinung nach nicht mehr Zweifel, sondern es ist viel mehr Anerkennung notwendig. Dabei helfen Sie nicht.
Jetzt will ich Ihnen einmal belegen, warum ich davon überzeugt bin, dass es das Ziel dieses Parteitagsbeschlusses ist, am rechten Rand Stimmen zu gewinnen aus Angst vor der AfD. Ihr Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günther Krings, von der anderen Rheinseite, aus Mönchengladbach, sagt: Damit, mit diesem Parteitagsbeschluss, können wir am überzeugendsten belegen, dass es für bürgerliche und konservative Positionen der AfD schlicht keinen Bedarf gibt. – Ich meine, das sagt alles.
An der Stelle, Herr Kuper, haben Sie sich komplett entlarvt. Wenn das nämlich der Parlamentarische Staatssekretär so deutlich sagt und es grätscht keiner rein, dann ist es völlig klar. Und eigentlich hätte doch Ihr Parteivorsitzender hier aus Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, reingrätschen müssen. Das hat er nicht. Erschreckend, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist eigentlich nicht dieser Pillepalle-Populismus dieses Parteitagsbeschluss der Jungen Union, sondern die Haltung der NRW-CDU dazu. Die Nicht-Haltung der NRW-CDU ist erschreckend.
Es passiert nichts. Ansonsten springt Herr Laschet immer wie Kai aus der Kiste auf jedes Thema. An dieser Stelle beim Parteitag – Herr Stamp hat gerade darauf hingewiesen – nicht ein Wort, nichts, Ruhe. Sie haben es gelesen, es gab viele Presseanfragen an den Parteivorsitzenden der CDU. Er hat sich dazu nicht geäußert. Heute kann er nicht hier sein. Aber das ist mir eigentlich auch egal. Herr Stamp, ich gebe Ihnen recht. Jeder hat seine Termine, und wenn er den Termin vorher schon hatte, ist das völlig in Ordnung.
Aber man kann auch einmal eine Presseanfrage beantworten. Man kann eines tun, nämlich das, was die Nordrhein-Westfalen eigentlich gewohnt sind.
Die Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen wollen eine Haltung haben, auch wenn es noch so schwierig ist, diese Haltung durchzusetzen oder zu seiner Haltung zu stehen. Ich kann verstehen, dass die CDU im Moment Probleme mit den Rechten hat. Aber trotzdem ist es notwendig, eine Haltung zu haben, auch wenn man einen konservativen Kreis in der eigenen Partei hat. Und diese Haltung hat er nicht gezeigt, nämlich Respekt vor den Menschen in Nordrhein-Westfalen, Haltung vor den Menschen in Nordrhein-Westfalen. Das hat er nicht gezeigt, und das ist für mich erschreckend. – Herzlichen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal kurz sprechen, weil ich zwei Dinge klarstellen will, die Minister Jäger hier ausgeführt hat.
In einer solchen Debatte hier über einen Parteitagsbeschluss der CDU die Formulierung „Konjunkturprogramm für Extremismus“ zu wählen, finde ich unangemessen.
Im Übrigen möchte ich noch sagen, dass Sie mich eben völlig falsch zitiert haben. Sie haben behauptet, ich hätte gesagt, es sei ein Skandal, dass Sie eine Meinungsverschiedenheit mit Frau Düker hätten. Das ist nicht der Skandal. Der Skandal ist, dass Sie über ein so sensibles Thema wie die Rückführung nach Afghanistan den Koalitionspartner nicht informieren, sodass sich die stellvertretende Ministerpräsidentin öffentlich über Sie beschwert. Und das gehört hier in diesem Haus thematisiert!
Das sind doch keine Zustände; das ist doch kein Umgang. – Ich kann mir vorstellen, dass es mit den Grünen manchmal schwierig ist.
Bei den Integrationsplangesprächen haben wir erlebt, dass uns Frau Beer die ganze Zeit hinter die Fichte führen wollte,
sodass wir dann gesagt haben: Nein, das machen wir nicht mit. – Deswegen sage ich mit Gruß an die Journalisten der Landespressekonferenz: Auch wenn es hier und heute viel Beifall von dieser Seite gegeben hat – für eine Ampelkoalition stehen wir trotzdem nicht zur Verfügung. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zum Thema der Aktuellen Stunde komme, möchte ich die
Gelegenheit nutzen – da es auch mehrfach angesprochen wurde –, einige Sätze zu meinem gestrigen Rücktritt als flüchtlingspolitischer Sprecherin meiner Fraktion zu sagen.
Ehrlich gesagt überrascht mich dieses große Echo; denn am Ende war es eine ganz persönliche Entscheidung. Herr Stamp, klar sei es Ihnen zugestanden, dass Sie daraus ein bisschen politischen Profit schlagen wollen.
Seit 16 Jahren gehöre ich jetzt dem Landtag an, und davor war ich zehn Jahre lang kommunalpolitisch aktiv. Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Das sind solche Momente, in denen sich auch nach ganz vielen Jahren Berufspolitikertum das Gewissen meldet und sagt: Stopp! Hier ist eine rote Linie überschritten, wo du persönlich nicht mehr mitgehen kannst. – Nicht mehr und nicht weniger war das.
Warum habe ich das gemacht? Die bisherige Praxis in Nordrhein-Westfalen haben wir Grünen immer mitgetragen. Diese sah für Afghanistan keinen generellen Abschiebestopp vor, und deswegen hätten wir Ihren Antrag auch sehr wahrscheinlich abgelehnt, Kollegen von den Piraten. Stattdessen wurde in Einzelfällen – etwa bei schweren Gefährdern oder Straftätern mit terroristischem Hintergrund, die wirklich eine Gefährdung für Land und Leute darstellen – geschaut, dass es möglich sein muss, diese abzuschieben, aber eben nach individueller Einzelfallprüfung. Das waren auch sehr, sehr wenige Fälle. Wir hatten in diesem Jahr 2016 drei und im letzten Jahr gar keinen.
Von dieser Praxis wurde aus meiner Sicht mit dem Sammelcharter abgewichen. Worum ging es da gestern? – Ich glaube, es ging dem Bundesinnenminister darum, ein Exempel zu statuieren, ohne Rücksicht – und das ist der Vorwurf, den ich ihm mache – auf die Menschen, die er in eine ungewisse Zukunft führt. Nach wie vor ist die Menschenrechtslage in Afghanistan nicht so, dass ich es für verantwortbar behalte, dorthin Sammelabschiebungen vorzunehmen.