Meine Damen und Herren, mit Recht sieht heute bereits das Bürgerliche Gesetzbuch hohe Hürden vor, wenn zum Beispiel einer der Verlobten nicht volljährig ist. Ausnahmen können für Verlobte ab 16 Jahren gemacht werden. Aber auch dann muss ein Familiengericht dies genehmigen. Eine Entscheidung der Eltern reicht dafür nicht aus. Somit sind verschiedene Aspekte zu beachten.
Die Anerkennung von ausländischen Ehen richtet sich auch danach: Sind sie vor Ort rechtmäßig geschlossen worden? Wir können sie nach geltendem Recht nur dann annullieren, wenn sie im krassen Gegensatz zur öffentlichen Ordnung in Deutschland stehen.
Damit möchte ich schließen und sagen, dass zumindest eine Ehe mit einer Person unter 16 Jahren in keinem Fall mit unserer öffentlichen Ordnung zu vereinbaren ist.
Darüber sollten wir diskutieren und Lösungen für das Problem finden, auch im Interesse der Betroffenen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin erstaunlich nah bei der CDU. In der Tat hat die FDP mit diesem Antrag ein wichtiges Thema angesprochen. Es ist teilweise von Herrn Wedel fleißig für Sie recherchiert worden, Frau Schneider, doch der Beschlussteil ist unausgegoren, viel zu schlicht und nicht zu Ende gedacht, was die Rechtsfolgen angeht. Deshalb ist es gut, dass wir uns das noch einmal genauer ansehen.
Ich hoffe, wir sind uns einig in diesem Haus, dass ein guter Platz für Kinder und Jugendliche die Schule, Jugendverbände, Jugendzentren, Jugendhilfeeinrichtungen, Clearingstellen sind und nicht das Standesamt, der Traualtar oder das Ehebett.
Wenn sich Rechte des Kindeswohls und das Persönlichkeitsrecht Einzelner gegenüberstehen, dann muss für uns der Schutz der Mädchen im Vordergrund stehen. Das ist selbstverständlich.
Bei der Umsetzung des Ordre public – Herr Kollege Wolf hat es schon angesprochen, das muss mit unserem deutschen Familienrecht übereinstimmen – müssen wir sensibel vorgehen. Ihre platten Formulierungen im Beschlussteil passen nicht dazu. Denn wir haben jetzt schon eine Praxis, was die minderjährigen Geflüchteten betrifft, mit einem sortierten Clearingverfahren der Jugendämter, mit Jugendhilfeträgern, die Erfahrungen mit der Zielgruppe haben. Die Clearingstelle in Bielefeld hat da sicherlich schon einen besonderen Erfahrungsschatz, aber auch andere sind hinzugekommen. Das ist ein besonderer Wert.
Die Rechtsfolgen hat die FDP überhaupt nicht bedacht. Sollen denn bestehende Ehen aufgehoben werden? Sollen bestehende Ehen suspendiert werden? Sollen sie gar annulliert werden? Was bedeutet das für Rentenansprüche von Ehen, die vor 40 Jahren von Minderjährigen geschlossen wurden? Das ist überhaupt nicht zu Ende gedacht. Was passiert beispielsweise, wenn Minderjährige nicht der Schulpflicht nachkommen, wo sonst die elterliche Sorge greift? Was heißt das im Sorgerecht? Wir wissen, dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht der Eltern nach einer Eheschließung eigentlich erlischt. All das ist nicht fertig, nicht zu Ende gedacht.
sich auf den Weg gemacht hat. Ich möchte den rheinland-pfälzischen FDP-Kollegen, den Justizminister, ermuntern, sich in diese Arbeitsgruppe einzubringen. Dann hoffen wir, dass wir bald Ergebnisse haben. Das werden wir selbstverständlich inhaltlich begleiten, aber bitte nicht so schlicht, wie Sie es hier darstellen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zunächst Susanne Schneider erst einmal herzlichen Dank dafür, dass ihr das Thema hier in den Landtag geholt habt. An der Stelle möchte ich auch anfangen. Ja, es gibt selbstverständlich diese Arbeitsgruppe auf Bund-LänderEbene. Das ist auch okay.
Was aber auch okay ist, ist natürlich, dass wir uns hier im Landtag Nordrhein-Westfalen mit diesem Thema beschäftigen können und dass wir im Landtag Nordrhein-Westfalen auch eine Position dazu erarbeiten können. Die muss am Ende des Tages nicht unbedingt davon abweichen, was dann auch die Arbeitsgruppe erarbeitet. Aber vielleicht können wir aus Nordrhein-Westfalen auch einen entscheidenden oder wichtigen Impuls geben.
Dafür reicht der Antrag ja erst einmal so, wie er ist. Ich habe mir ihn selbstverständlich angeguckt, habe mir die einzelnen Beschlussfassungspunkte angeschaut. Da steht in erster Linie erst einmal nichts drin, wo man jetzt aufschreien müsste, dass da irgendetwas Schlimmes drin ist. Kollege Wolf wird mir vermutlich auch recht geben.
Ob da jetzt alle einzelnen Aspekte von juristischer Seite behandelt wurden, das mag dann hier der Rechtsausschuss gerne auch klären. Dem gehöre ich nicht an.
Worum ich mich hauptsächlich in dieser Thematik kümmern möchte, ist die Perspektive des Kindes, der Minderjährigen, über die wir hier sprechen. Kollege Hendriks hatte das, glaube ich, zum Abschluss gerade so formuliert „auch im Hinblick auf die Betroffenen“. Ich möchte das explizit verstärken. Wir sollten diese Sache nicht nur betrachten auch im Hinblick aus Sicht der Betroffenen, sondern ganz wesentlich auf die Betroffenen tatsächlich achten. Hier ist relativ selten das Wort Kindeswohl in den bisherigen Wortbeiträgen gefallen.
Ja, das hat jeder irgendwie einmal gesagt, Dagmar Hanses. Das habe ich verstanden. Ich sage nur, die
Gewichtung dessen war mir persönlich etwas zu wenig. Worum geht es hier? Ich lasse jetzt tatsächlich einen weiteren juristischen Part dabei aus.
Worum geht es hier: Wir haben es mit Minderjährigen zu tun, die in ihrer Kultur, in ihrem Land, aus dem sie kommen, verheiratet sind. Aus unterschiedlichen Perspektiven kann man das Ganze noch einmal betrachten, ob es eine Zwangsheirat, eine freiwillige Heirat, was auch immer, ist. Das spielt für uns sicherlich juristisch und auch moralisch eine Rolle. Für das betroffene Kind, für den oder die betroffene Minderjährige spielt das eine untergeordnete Rolle.
Fakt ist, diese Jugendlichen kommen zu uns, sind sowieso schon irgendwie in einer außerordentlich besonderen bedrohlichen Situation und werden dann aus dieser vermeintlich sicheren – ich nenne sie mal – Versorgungssituation herausgenommen. Ich will das nicht anzweifeln. Ich finde es gut und richtig, wie unsere Rechtslage in der Hinsicht in Deutschland ist.
Ich ziehe dieses Kind aus der vermeintlich sicheren Versorgungssituation heraus. Ich meine, dass wir einen großen Schwerpunkt darauf legen müssen: Was macht das mit dem Kind? Was macht das mit dem jungen Mädchen, dem 14-, 15-jährigen Mädchen? Das 14-, 15-jährige Mädchen ist plötzlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtling hier in Deutschland. Sie kommt in Begleitung – das Thema Zwangsheirat lasse ich außen vor –, kommt in Begleitung mit dem Ehepartner zu uns und ist dann plötzlich unbegleiteter minderjähriger Flüchtling, kommt in eine Familie, wird dort betreut, hat dann plötzlich noch eine ganz andere Situation. Die vermeintliche Bezugsperson ist dann an der Stelle nicht mehr greifbar.
Ich glaube, dass wir uns darum kümmern müssen, dass wir da wirklich eine ausgezeichnete Struktur brauchen. Ich bin gespannt – ich kenne in Bielefeld die genauen Strukturen nicht, liebe Frau Kampmann. Das schaue ich mir dann gerne an der Stelle auch noch einmal an. Was können wir davon lernen? Welche Möglichkeiten haben wir, dem Kind zu helfen, in dieser besonderen Situation klarzukommen und dann auch perspektivisch – wir haben gestern viel über den Integrationsplan gesprochen – in Deutschland eine entsprechende vernünftige und sinnvolle Basis zu schaffen.
Wichtig ist mir, dass wir nicht nur auf die Perspektive der Kinder und Jugendlichen achten, die zwangsverheiratet zu uns gekommen sind, sondern auch derjenigen, die in ihrem Land freiwillig verheiratet werden.
Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin. – Es gibt natürlich viel mehr zu beachten. Wir haben die ganzen Punkte gestern im Integrationsplan und auch in den ganzen Flüchtlingsdebatten, die wir in den letzten Monaten und Jahren hier hatten, immer wieder erwähnt. Es gibt ganz viele andere Voraussetzungen. Wir haben uns hier einen kleinen Punkt herausgesucht mit den Kinderehen. Ich bin gespannt, wie die weiteren Beratungen in den Ausschüssen verlaufen werden, und hoffe, dass wir vielleicht sogar zu einem gemeinsamen Impuls dann hier aus NordrheinWestfalen Richtung Bund kommen können. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich finde es gut, dass wir uns bei diesem sehr sensiblen Thema, glaube ich, einig sind: Kinder gehören nicht vor den Traualtar, sondern auf die Schulbank. Das ist schon einmal die ganz wichtige Botschaft der Einigkeit bei der grundsätzlichen Aussage.
Der Vorrang des Kindeswohls sowie die Geschlechtergleichbehandlung sind aus meiner Sicht die ganz wichtigen Grundsäulen unserer Gesellschaft, auch meines, aber auch unserer aller Werteverständnisses. Deswegen ist es sehr wichtig, darüber auch hier zu diskutieren.
Es ist auch sehr schön, wenn zwei Menschen die Ehe miteinander eingehen wollen, sich Liebe bis in den Tod versprechen wollen. Aber dieses Versprechen bedarf auch der Erkenntnisfähigkeit der Reichweite einer solchen Entscheidung. Kinder können und brauchen so etwas noch nicht zu erkennen. Deswegen haben sie auch ein Recht auf Kindheit. Es ist unsere staatliche Aufgabe, auch dafür zu sorgen, dass Kinder auch solche Rechte haben.
Frau Schneider, die Landesregierung hat sich sehr früh mit diesem Thema beschäftigt. Frau Kollegin Steffens, Frau Kollegin Kampmann und ich sind sehr schnell aktiv geworden, als wir im Zusammenhang mit dem Flüchtlingszuzug die Zahlen hier in Nordrhein-Westfalen auch gehört haben. Aber ich möchte an dieser Stelle auch deutlich machen: Es ist nicht nur ein Thema von Flüchtlingskindern, die hier zu uns gekommen sind.
Herr Hendriks hat es gesagt: Es gibt solche Regelungen auch in EU-Staaten. In den USA gibt es Staaten, da können Sie auch mit 14 oder 15 Jahren schon heiraten. Wir müssen natürlich auch schauen, wie das internationale Privatrecht, Familienrecht denn insgesamt in Einklang zu bringen ist.
Was heißt das denn in Ihrem Antrag, Frau Schneider, wenn Sie sagen: Wir wollen solche Ehen unter 18 nicht anerkennen. Sind Sie dann sofort nichtig? Welche Konsequenzen ergeben sich daraus? Ich meine jetzt nicht nur in der Frage Verhältnis Anerkennung deutscher Ehen im Ausland, sondern auch bei der Frage: Was bedeutet das denn für die Ehepartner?
Frau Hanses hatte ein sehr schönes Beispiel genannt. Ich möchte das noch einmal verdeutlichen. Was ist denn, wenn Sie eine Ehe zwischen Minderjährigen geschlossen haben und die Ehepartner sind heute 50 und 54 Jahre alt und leben seit Jahrzehnten zusammen?
Nach Ihren Vorstellungen wäre diese Ehe rückwirkend nichtig und aufgehoben. Welche Folgen hat das denn im Zusammenhang mit Erbansprüchen, mit Unterhaltsansprüchen? Muss der Finanzminister die Steuerbescheide wegen der gemeinsamen Veranlagung rückwirkend aufheben? Das haben Sie alles nicht durchdacht. Deswegen ist es sehr vernünftig, einen Konsens hinzubekommen.
Das kann man aber leider, so gerne wir das schnell machen wollen, nicht aus dem Ärmel schütteln. Wir haben deshalb auf der Justizministerkonferenz im Frühjahr dieses Jahres angeregt, dass sich die Justizministerinnen und Justizminister dieses Themas annehmen. Ich habe das dort eingebracht, habe sofort große Zustimmung anderer Länder bekommen. Insbesondere der Kollege aus Bayern hat ähnliche Problemlagen geschildert. Kollege Bausback aus Bayern und ich haben gemeinsam beschlossen, eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe einzurichten, um die schwierigen Folgefragen mit abschätzen zu können. Diese Arbeitsgruppe hat jetzt getagt. Die Arbeitsgruppe hat sich vorgenommen, bis zum Ende des Jahres auch unter Beteiligung des Bundesministers einen Gesetzentwurf vorzulegen.
Die Grundausrichtung unserer Überlegungen in der Arbeitsgruppe ist es, zu sagen, wir wollen auch für im Ausland geschlossene Ehen im Wesentlichen die deutschen Rechtsvorschriften Anwendung finden lassen, nämlich grundsätzlich Ehe erst ab dem 18. Lebensjahr, in begrenzten Ausnahmesituationen auch ab dem 16. Lebensjahr. Diese Ausnahmen sind in Deutschland zulässig. Ich finde, wenn wir sie in Deutschland für zulässig erachten, dann müssen wir sie auch für im Ausland geschlossene Ehen für zulässig erachten. Ich kann Ihnen allerdings sagen: In Deutschland ist die Zahl der Ausnahmegenehmigungen durch die Gerichte erfreulich gering. Im Jahre 2014 hat es lediglich 69 Eheschließungen mit einem minderjährigen Ehepartner in Deutschland gegeben. Sie sehen also, wie restriktiv man damit umgeht.
Ich glaube, das Ganze kann man nicht so schnell, wie wir das möchten, regeln. Wichtig ist – das ist ganz entscheidend –, dass wir uns um die tatsächlichen Probleme der minderjährigen Flüchtlinge, die
jetzt zu uns gekommen sind, kümmern. Da gibt es – das ist gerade schon angedeutet worden – eine ganze Menge Hilfsangebote. Unsere Vormundschaftsgerichte, die sich jeden einzelnen Fall anschauen, gehen sehr sensibel mit diesem Bereich um und schauen, wie man im Augenblick solche Fälle regelt. Deswegen lassen Sie uns schauen, wie wir eine tatsächliche Hilfe für die überwiegenden Mädchen erreichen können, aber mit Gründlichkeit dann auch das Gesetzgebungsverfahren in Angriff nehmen. – Vielen Dank.
Wir kommen zur Abstimmung. Der Ältestenrat empfiehlt die Überweisung des Antrags Drucksache 16/12848 an den Rechtsausschuss. Der bekommt die Federführung. Die Mitberatung geht an den Ausschuss für Frauen, Gleichstellung und Emanzipation sowie an den Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend und an den Integrationsausschuss. Die abschließende Abstimmung soll im federführenden Ausschuss in öffentlicher Sitzung erfolgen. Möchte das jemand nicht tun oder sich enthalten? – Beides nicht der Fall. Dann haben wir so überwiesen.