Protocol of the Session on July 8, 2016

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Laschet. – Für die SPD-Fraktion spricht Herr Kollege Hübner.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Und wenn dann das europäische Haus brennt, dann machen sich die Populisten vom Acker.“

Mit dieser Feststellung trifft unsere Generalsekretärin Katarina Barley den Punkt.

Nachdem Rechtspopulisten und Europafeinde Großbritannien monatelang mit schrillen Tönen und schiefen Argumenten geblendet haben, wollen sie nun ihr Leben zurück. Sie verlassen die politische Bühne, stehlen sich aus der Verantwortung und lassen die britischen Bürgerinnen und Bürger im Stich. Die Vernunft hat dabei nicht gesiegt.

David Cameron wusste den fatalen Weltbildern eines Boris Johnson oder Nigel Farage nichts entgegen zu setzen. Er hat immer wieder vor den wirtschaftlichen Folgen eines Brexit gewarnt – ohne Erfolg.

Auch wenn die Briten am Morgen nach dem Votum langsam verstehen, welchen Schaden sie mit ihrer Irrfahrt angerichtet haben: Wir hier in NordrheinWestfalen, in den Ländern Europas, in Europa müssen daraus die Lehre ziehen, dass Europa nicht als Wirtschaftsunternehmen überzeugen kann.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Der Vollbluteuropäer Jacques Delors hat einmal gesagt:

„Niemand verliebt sich in den Binnenmarkt. Europa muss mehr sein als ein freier Markt, damit sich seine Bewohner des europäischen Grundgedankens und seines Friedensauftrags annehmen können.“

Damit ist der Handlungsauftrag nach dem Brexit-Votum klar: Europa braucht mehr Herz und mehr Solidarität gegen die Hetze und gegen rechten Populismus.

Das muss auch unser Ziel hier und heute in NRW in diesem Landtag sein.

Daher muss ich sagen, Herr Laschet: Das, was Sie hier gerade abgeliefert haben, war relativ durchsichtig. Sie selbst wollen aus dem Brexit der Landesregierung noch einen Strick drehen. Das ist überhaupt nicht in Ordnung.

(Beifall von der SPD – Widerspruch von der CDU)

Wenn Sie vor einigen Wochen in Ihrer fatalen Sputnik-Rede noch meinten, Nordrhein-Westfalen sei gar nicht so sehr vom wirtschaftlichen Einfluss der BRICS-Staaten betroffen, heute aber, gerade eben, hier argumentieren, der Brexit betreffe NRW wie kein anderes Land, dann merkt man, dass Sie sich die Welt so machen, wie Sie sie gerade brauchen.

(Armin Laschet [CDU]: Wissen Sie eigentlich, was BRICS-Staaten sind? – Weitere Zurufe von der CDU)

Liebe Kolleginnen und Kollege, lassen Sie mich das klarstellen.

(Zurufe von der CDU)

Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie das verstanden. – Der Brexit hat Auswirkungen auf NordrheinWestfalen. Das Nein der Briten zur EU ist speziell für unser Bundesland eine große Herausforderung – um das von vornherein klarzustellen.

Es wird Auswirkungen auf Wirtschaftsbeziehungen, Finanzmärkte, sogar auf persönliche und soziale Beziehungen haben. Allein RWE erwirtschaftet 20 % seines Umsatzes in Großbritannien. Die „FAZ“ sah den nordrhein-westfälischen Energieriesen deshalb in einem Artikel vom 6. Juli 2016 bereits vor dem Aus. Auch wenn ich diesen Fatalismus für falsch halte, zeigt er doch, wie verunsichert viele sind.

Unsere erste Aufgabe sollte daher sein, so schnell wie möglich für klare Verhältnisse zu sorgen. Ein Hinauszögern des Austrittsantrags verlängert nur die Phase der Unsicherheit. Sie haben gerade mit Bezug auf Art. 50 der Europäischen Verträge gesagt, das dauere zwei oder drei Jahre. Nein, nach Antragsstellung dauert es zwei Jahre. Das ist völlig klar.

Wir wollen aber auch einen guten Weg finden, unter neuen Bedingungen alte Beziehungen zu pflegen. Da bin ich ganz bei unserer Ministerpräsidentin. Ja, wir haben weiterhin ein sehr großes Interesse an stabilen Handelsbeziehungen zwischen NordrheinWestfalen und Großbritannien. Wir heißen auch jedes Unternehmen willkommen, das in NRW hier im Herzen Europas einen Platz sucht.

Wir müssen heute mehr denn je zeigen: Dieses Bundesland ist europäisch. – Und das ist ein attraktiver Wirtschaftsfaktor.

Deshalb lasse ich mir auch nicht von Ihnen, Herr Laschet, dieses Bundesland schlechtreden. Genau das haben Sie gerade wieder versucht.

(Zurufe von der CDU)

NRW ist stark, und es ist stark, weil wir im Herzen Europas liegen.

Aber was für ein Signal senden Sie denn hier? Was für ein Signal ist es, wenn das wirtschaftspolitische Konzept der CDU weiterhin lautet: „Wir machen Panik; wir reden unser Bundesland schlecht“?

(Zuruf von der CDU: Oh Gott! – Weitere Zurufe von der CDU)

Mit rund 650 Milliarden € sind wir nach wie vor das mit Abstand wirtschaftsstärkste Bundesland. Wir sind Rekordhalter unter den Bundesländern bei ausländischen Direktinvestitionen, Herr Laschet.

Mit den industriepolitischen Leitlinien des Wirtschaftsministers haben wir die richtigen Impulse für die Weiterentwicklung unseres Standortes gesetzt.

Wir investieren umfassend in den weiteren Breitbandausbau und in die Verkehrsinfrastruktur. Das ist langfristig orientierte Strukturpolitik.

Im Gegensatz zur CDU, die in der Beantragung der Aktuellen Stunde ausschließlich auf die wirtschaftlichen Verbindungen der EU setzt, lenken wir den Fokus auch auf das entscheidende Bindeglied der EU: auf die Menschen.

Seit 153 Jahren setzt sich die Sozialdemokratie für ein vereinigtes und befriedetes Europa ein. Im Heidelberger Programm von 1925 heißt es – ich darf einmal daraus zitieren –: Die SPD

„tritt ein für die aus wirtschaftlichen Ursachen zwingend gewordene Schaffung der europäischen Wirtschaftseinheit, für die Bildung der Vereinigten Staaten von Europa, um damit zur Interessensolidarität der Völker aller Kontinente zu gelangen.“

Wer das liest, merkt: Wir haben viel zu lange nur auf die Wirtschaft geschaut. Wir brauchen einen Neustart für ein soziales und gerechteres Europa.

(Vereinzelt Beifall von der SPD)

Wenn Arbeitnehmer und kleine und mittelständische Unternehmen jeden Monat ihre Steuern zahlen, während unsoziale Spekulanten Milliardenbeträge in Steueroasen parken, entsteht eine eklatante Gerechtigkeitslücke. Es fällt mir schwer, das zu vermitteln, wenn wir gleichzeitig mit Milliardenbeiträgen Banken retten und das den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erklären müssen.

(Zurufe von der CDU)

Eine starke EU muss die Menschen und deren Schutz in den Mittelpunkt stellen. Dazu gehört es beispielsweise, die beschämend hohe Jugendarbeitslosigkeit wirksam zu bekämpfen. Das sind nur zwei Beispiele aus unserem Plan für ein neues Europa. Die Sozialdemokratie wird weiter für ein Europa einstehen, das die Gerechtigkeitsfrage beantworten kann.

Wenn ich jetzt aber zur Kenntnis nehme, dass Wolfgang Schäuble auf Renationalisierung setzt und Sie dem nicht ein einziges Mal deutlich widersprochen haben,

(Armin Laschet [CDU]: Das tut er doch gar nicht! Das hat er doch gar nicht gesagt! – Wei- tere Zurufe von der CDU)

beunruhigt mich das umso mehr. Ich bedauere auch, dass Sie das gerade eben nicht getan haben; denn wir wissen beide, Herr Laschet, dass die Rückkehr zum Nationalismus keine Lösung ist.

(Zurufe von der CDU)

Deshalb stehe ich heute auch nicht vor Ihnen, weil ich mein Leben zurückhaben will, sondern weil ich

unser Europa nach vorne bringen möchte. Wir brauchen ein Europa der Bürgerinnen und Bürger. Damit sollten wir jetzt anfangen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Hübner. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht Herr Kollege Engstfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch mein Bänderriss wird mich nicht davon abhalten, heute im Plenum zu Ihnen zu sprechen.

Herr Laschet, der letzte Teil Ihrer Rede war gut. Da haben wir auch applaudiert. Da sind wir bei Ihnen.

(Zuruf von Armin Laschet [CDU])