Protocol of the Session on July 8, 2016

(Zuruf Serap Güler [CDU])

Das entscheidet der Landtag selber, Frau Güler; in der Tat. Deswegen habe ich auch nur Zweifel geäußert und nicht gesagt, dass ich irgendetwas ablehne, Frau Güler.

Allerdings hat das Ganze ein Gutes. Das Gute ist, dass in den Debatten der Fraktionen im Hinblick und im Hinlaufen auf diese heutige Geschäftsordnungsdebatte deutlich geworden ist, dass wir uns im Grundsatz und im Inhalt einig sind: zunächst Aufnahme in die entsprechenden Sprachförderklassen und danach Integration in den allgemeinbildenden Unterricht.

(Beifall von der SPD – Zuruf von den PIRATEN: Zur Geschäftsordnung, Herr Kol- lege!)

Das ist deutlich geworden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, deshalb brauchen wir diese Debatte zu diesem Zeitpunkt nicht. Meine Fraktion und ich freuen sich, …

(Zurufe von der CDU und den PIRATEN)

… diese Debatte mit Ihnen im Rahmen des Integrationsantrags führen zu können. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)

Danke, Herr Kollege Herter. – Gibt es weitere Wünsche, im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte das Wort zu ergreifen? – Das ist nicht der Fall.

Dann will ich noch einmal klarstellen, worüber wir jetzt abstimmen, nämlich über den Antrag von CDU und FDP auf Ergänzung der Tagesordnung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 um den Antrag von CDU und FDP Drucksache 16/12446 – darüber wurde eben debattiert – als neuen TOP 1. – Wer diesem Änderungsantrag zustimmen möchte, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Das sind CDU, FDP und die Piraten. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD und Bündnis 90/Die Grünen.

(Unruhe)

Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Dann schaue ich einmal rechts und einmal links und stelle fest, dass der Änderungsantrag bezüglich der heutigen Tagesordnung mit dem festgestellten Abstimmungsergebnis abgelehnt wurde und wir damit in die Abarbeitung der vorliegenden Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1 Wie schätzt die Landesregierung die Auswir

kungen des „Brexit“ auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Nordrhein-Westfalen und dem Vereinigten Königreich ein und welche politischen Maßnahmen gedenkt sie zu ergreifen?

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/12418

In Verbindung mit:

Mögliche Auswirkungen des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union auf Nordrhein-Westfalen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/12419

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 4. Juli 2016 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Auch die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen haben mit Schreiben vom 4. Juli dieses Jahres gemäß demselben Paragrafen unserer Geschäftsordnung eine Aussprache zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik beantragt.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat vonseiten der CDU-Fraktion ihr Fraktionsvorsitzender, Herr Kollege Laschet, das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Entscheidung Großbritanniens, die Europäische Union zu verlassen, ist ein Einschnitt für den europäischen Einigungsprozess. Er wird in den deutschen Bundesländern, in der Bundesregierung, im Deutschen Bundestag und bei vielen Menschen vor Ort, die sich Sorgen machen, diskutiert. Das ist eine der größten Krisen in der Geschichte der Europäischen Union in den letzten Jahren. Deshalb ist es gut, dass wir heute auch über die Auswirkungen für Nordrhein-Westfalen sprechen.

Die Ministerpräsidentin und ihre Stellvertreterin sind heute im Bundesrat und können hier nicht anwesend sein. Ich muss die Landesregierung dennoch fragen: Haben Sie es nicht für erforderlich und geboten gehalten, zu den Fragen der Briten und Deutschen im Land, den Fragen der Wirtschaft und den Fragen der Arbeitnehmer in Bezug auf diese Auswirkungen eine Regierungserklärung der Ministerpräsidentin abzugeben?

Sie haben am Mittwoch über das Hafenkonzept unterrichtet, das schon im April dieses Jahres vorlag. Damit haben Sie eine Chance vertan, in dieser Krisensituation zu den Menschen in unserem Land zu sprechen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Das ist falsch gelaufen. So etwas geschieht immer häufiger. Es macht einen ja fast traurig.

Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, hält eine Regierungserklärung. Er hält einen Appell und einen Weckruf an alle europäischen Demokraten, mit neuer Leidenschaft für die europäische Idee einzutreten. Er schildert die Konsequenzen für sein Land Baden-Württemberg.

Wie viel mehr müsste denn die Ministerpräsidentin des Landes Nordrhein-Westfalen, das im kommenden August sein 70-jähriges Landesjubiläum feiert und viel enger mit Großbritannien verbunden ist als Baden-Württemberg, zu diesem Thema sprechen?

(Beifall von der CDU)

Immer ist Herr Kretschmann Ihnen einen Meter voraus.

(Beifall von der CDU)

Wir haben in den letzten Jahrzehnten Tausende britische Soldaten bei uns in Nordrhein-Westfalen gehabt. Die Britische Rheinarmee war legendär. Britische Soldaten waren in Bielefeld, in Gütersloh, in Herford, in Lübbecke, in Paderborn, in Sennelager, in Dülmen, in Elmpt, in Haltern, in Wulfen und an vielen Orten in unserem Land. Viele von ihnen sind hiergeblieben.

Reden Sie einmal mit den Einwohnermeldeämtern. Viele dieser 30.000 britischen Staatsbürger fragen dort nach: Können wir nicht die doppelte Staatsbürgerschaft beantragen? Wir wollen demnächst keine Ausländer sein, die nicht mehr hier arbeiten dürfen, weil wir aus einem Drittland kommen.

Das sind Fragen, die viele Menschen bewegen. Darauf muss man Antworten geben.

Die Wissenschaftler an den Hochschulen sagen uns, dass sich Tausende von Studenten im Rahmen des ERASMUS-Programms nach Großbritannien begeben haben. Viele britische ERASMUS-Studenten sind derzeit in Nordrhein-Westfalen. Was wird nach dem Austritt aus ihnen? Ein Studium dauert meistens vier oder fünf Jahre. Der Austritt wird in maximal zwei bis drei Jahren beendet sein. Was passiert eigentlich mit den Studenten?

Die wirtschaftliche Dimension ist ebenfalls in den Blick zu nehmen. Für 14 Milliarden € werden Waren aus Nordrhein-Westfalen nach Großbritannien exportiert. Die Chemieindustrie, die Automobilindustrie, die Pharmaindustrie und der Maschinenbau leben durch den Austausch im europäischen Binnenmarkt. Große Unternehmen wie thyssenkrupp überlegen derzeit: Was heißt das für unsere Investitionsentscheidungen? Was heißt das für die Arbeitsplätze im Ruhrgebiet?

Alles das sind Themen, die die Menschen verunsichern. Deshalb ist es wichtig, dass die Landesregierung Ansprechpartner für alle diese Unternehmen und die Menschen ist.

(Beifall von der CDU)

Nun hat der Wirtschaftsminister zuerst gesagt, das habe eigentlich überhaupt keine Auswirkungen. Das hat er noch einmal revidiert, nachdem er sich die Zahlen näher angeschaut hatte, und gesagt, es gebe doch Wirtschaftsbeziehungen zu Großbritannien.

Dann hat er auf eine Frage von WDR-Online erklärt: Wir werden uns für die neuen Unternehmen hübsch machen, die aus Großbritannien sicherlich zu uns kommen werden. – Lieber Herr Duin, eine solche Flapsigkeit ist da nicht angemessen.

(Beifall von der CDU – Vereinzelt Beifall von der FDP)

Sie können sich gerne hübsch machen. Bei null Wirtschaftswachstum in Nordrhein-Westfalen haben wir aber das Problem, dass Investitionen nicht zu uns kommen. Deshalb müssen wir jetzt in den Wettbewerb mit anderen deutschen Ländern eintreten, damit wir attraktiv sind. Die Investitionen kommen nicht von selbst.

(Beifall von der CDU)

Wir müssen die Gelegenheit nutzen und für die europäische Idee werben. Das muss Nordrhein-Westfalen mehr als jedes andere Bundesland.

Die britischen politischen Eliten haben mit der europäischen Einigungsidee ihr Zockerspiel betrieben. Aber die europäische Idee ist nicht der Bullingdon Club der Universität Oxford, wo Herr Johnson und Herr Cameron ihre Spielchen machen. Sie haben diese Spielchen zulasten des britischen Volkes betrieben, und die Labour Party hat leider nur halbherzig dagegen angekämpft.

Eine ganze politische Klasse hat in Großbritannien versagt. Nun ist sie entsetzt darüber, was dieser Populismus angerichtet hat.

Deshalb müssten wir in diesem Parlament, weil nordrhein-westfälische Abgeordnete aller Fraktionen immer europäischer waren als Abgeordnete in manchen anderen Teilen Deutschlands, jetzt gemeinschaftlich an der Spitze stehen und diese Leidenschaft, von der Ministerpräsident Kretschmann gesprochen hat, auch in unsere Bürgerschaft hineintragen.

Wir müssten den Populisten widersprechen. Wir müssten der AfD und all denen widersprechen, die mit diesem Thema in den nächsten Monaten Wahlkampf machen werden, und sagen: Wir kämpfen für dieses Europa. Wir in Nordrhein-Westfalen wollen, dass die europäische Einigung weitergeht. – Das muss die Botschaft dieses Landtags in dieser Woche sein.

(Beifall von der CDU und der FDP – Vereinzelt Beifall von den GRÜNEN)