Protocol of the Session on July 7, 2016

Herr Alda, der Antrag der FDP versucht letztlich, das Thema mit drei Punkten anzugehen.

Zum Punkt 3 ist schon mehrfach etwas gesagt worden. Die steuerfinanzierte Zuzahlung für die ALG-IIBezieher ist in der Tat zu niedrig. Das ist keine Frage. Wir haben dazu gemeinsam mit Bayern eine Initiative in den Bundesrat eingebracht. Wir haben aber auch da – das habe ich intensiv in der letzten Gesundheitsministerkonferenz vertreten – einen gemeinsamen Beschluss gefasst, dass das an der Stelle wirklich nicht geht.

Es ist klar, dass auch die ganzen Taten der Vergangenheit Ursache dafür sind. Darauf ist eben schon einmal hingewiesen worden. Die Absenkung des Bundeszuschusses durch Daniel Bahr im Jahr 2013 um 2,5 Milliarden € war ein massiver Einschnitt, mit dem die notwendige Steuerfinanzierung zulasten der Beitragszahlerinnen und -zahler verschoben worden ist.

Im Jahr 2014 gab es noch einen weiteren Einschnitt, als der Zuschuss auf 10,5 Milliarden € gesenkt worden ist. Statt bei 14 Milliarden € sind wir also nur noch bei 10,5 Milliarden €. Das heißt, dass der Bund seine steuerfinanzierte Verantwortung an der Stelle nicht übernimmt – weder für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II noch in den anderen Bereichen.

In diesem Punkt sind wir schon lange tätig. Deswegen bedarf es dazu keines Antrags. Ich finde es aber natürlich schön, dass es hier eine breite Unterstützung in diesem Punkt gibt. Dann weiß ich, dass der Landtag da auch hinter mir steht.

Bei den beiden anderen Punkten ist es nicht ganz so einfach, wie es hier dargestellt worden ist.

Der von Ihnen formulierte Punkt 2, dass wir keinen Gesetzen – und wahrscheinlich auch keinen Initiativen – zustimmen sollen, die mit weiteren Ausgabensteigerungen in der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden sind, läge überhaupt nicht im Interesse der Versicherten. Wenn es innovative Fortschritte und weitere Notwendigkeiten gibt, die die Versorgung der Menschen verbessern und optimieren, wäre es doch kontraproduktiv, sie den Menschen zu verwehren, weil das mit einer Beitragssteigerung verbunden wäre. Das ist falsch. Wir müssen hier sehr differenziert und immer im Interesse der Menschen entscheiden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Zum Punkt 3 kann ich nur sagen: Darin steckt ganz viel Irrglaube. Warum? Die Bundesregierung will bei der Finanzierung 1 Milliarde € für die Flüchtlinge und 0,5 Milliarden € für die IT und den Telematikbereich nehmen.

Die 0,5 Milliarden € sind notwendig, um die Telematikinfrastruktur zu finanzieren, die mit dem E-Health

Gesetz beschlossen worden ist. Das ist eine einmalige zusätzliche Finanzierung. Sie ist notwendig und in der Einmaligkeit sinnvoll. Dabei handelt es sich um eine Leistung, die völlig normal aus dem Gesundheitsfonds finanziert werden kann und soll. Das ist an der Stelle also nichts Neues.

Bei der Verwendung der 1 Milliarde € ist das System der Gesundheitsversorgung wiederum nicht so ganz eindimensional und einfach. Herr Alda, für die Bundesregierung steht dahinter, dass die Flüchtlinge nach 15 Monaten neu in die gesetzliche Krankenversicherung kommen. Diese Menschen haben keinen Vorversicherungszeitraum, sondern sie kommen zum ersten Mal in unsere gesetzliche Krankenversicherung. Das heißt, dass die gesundheitliche Vorbelastung, die sie haben könnten, für den Morbi-RSA im Sinne der Kassenleistungen keine Rolle spielt. Wir haben sonst bei jedem Menschen – egal, ob er ALG-II-Bezieher oder über einen anderen Weg krankenversichert ist – die Bewertung der Krankheitslast des Vorjahres, die damit die Finanzierungshöhe für die Krankenkasse ausmacht. Das haben diese Menschen nicht.

Deswegen hat der Bund – so vermuten wir – an der Stelle gesagt: Weil wir diesen Vorversicherungszeitraum nicht haben, wollen wir für diejenigen Menschen, für die der Morbi-RSA nicht greift, eine jeweils einmalige Summe für ein Jahr haben. Denn nach einem Jahr wird auch für diese Menschen der MorbiRSA greifen. – Es ist also keine einfache, eindimensionale Rechnung.

Ich stimme allerdings mit Ihnen überein, dass ich diese einmalige Leistung für das Jahr für einen steuerfinanzierten Beitrag halten würde. Da könnte man sehr wohl deutlich ein Signal in Bundesrichtung senden und sagen: Hier muss eigentlich der Steueranteil in den Gesundheitsfonds einfließen.

Letztlich ist es aber nicht so, wie es in Ihrem Antrag dargestellt wird. Deswegen hoffe ich, dass er heute abgelehnt wird.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Ministerin. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragsstellende FDP-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Wir kommen somit zur Abstimmung über den Antrag der FDP-Fraktion Drucksache 16/12355. Wer ist für diesen Antrag? – Das ist die FDP-Fraktion. – Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion. – Enthält sich jemand der Stimme? – Das ist der fraktionslose Kollege Schwerd. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/12355 abgelehnt wurde.

Ich rufe auf:

10 Grundrechtsschädliche Terrorpakete stop

pen – Meinungsfreiheit bewahren – Registrierungspflicht für Prepaid-Mobilfunktelefonkarten streichen

Antrag der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/12340

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Herrmann das Wort. Bitte schön.

Vielen Dank. – Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer im Stream! Bleiben Sie ruhig hier. Jetzt wird es spannend; denn ich spreche darüber, wie mit Bedrohungsszenarien und Angst vor dem Terror als Begründung in Deutschland seit Jahrzehnten Bürgerrechte geschliffen sowie Kontrolle und Überwachung durch Sicherheitsbehörden ausgebaut werden. Aber Angst und Schrecken dürfen nach meiner Überzeugung und nach Überzeugung der Piraten nicht die Leitlinien unserer Gesetzgebung werden.

Meine Damen und Herren, das Gesetz zum besseren Informationsaustausch bei der Bekämpfung des internationalen Terrorismus, welches von der Großen Koalition in einem Verfahren, das man nicht mehr rechtsstaatlich nennen kann, durch das Berliner Parlament gepeitscht wurde, soll morgen im Bundesrat final bestätigt werden.

Mir fehlt hier leider die Zeit, die einzelnen Punkte der geänderten Gesetze zu erläutern. Aber man kann es so zusammenfassen: Abbau von Schutz- und Grundrechten auf allen Ebenen. Es geht um unkontrollierten Datenaustausch mit dem Ausland, um präventiven Einsatz von V-Leuten, um mehr und längere Speicherung von Daten, darum, schon einmal mit der Überwachung anzufangen, bevor ein Richter zugestimmt hat, um die Überwachung von Minderjährigen und um die ausschließlich personalisierte Ausgabe von Prepaid-SIM-Karten. Damit sollen dieses Mal terroristische Bestrebungen bekämpft werden.

Meine Damen und Herren, das Einzige, was damit bekämpft wird, ist unsere offene Gesellschaft und unsere Freiheit.

Bei jeder Gelegenheit bringen Sicherheitsesoteriker neue Vorschläge im Kampf gegen den Terrorismus. Aber ich frage Sie: Welche waren bisher wirksam? Hätten die Antiterrorgesetze der letzten 20 Jahre irgendeinen Effekt gehabt, wäre der Terrorismus jetzt

ausgerottet. Das Gegenteil ist allerdings der Fall. Unsere Grundrechte sind löchrig wie ein Schweizer Käse.

Erinnern Sie sich an das TFTP, das Terrorist Finance Tracking Program? Damit sollten die Finanzströme der Terrorfinanzierer weltweit ausgetrocknet werden. Seit 15 Jahren läuft es schon. Was ist das Ergebnis? Der angebliche Islamische Staat bewegt Milliarden über eine eigene Bank und hat keine Probleme beim Waffenkauf.

Aber in Deutschland hat jetzt das BAföG-Amt Onlinezugriff auf die Konten der Studenten, um deren Berechtigung zu überprüfen. Ohne Terrorangst hätten die Menschen in Deutschland das nicht mitgemacht, und der Protest wäre lauter gewesen.

Meine Damen und Herren, es muss dringend die Notbremse gezogen werden. Die weitere Verschärfung der Registrierungspflicht für SIM-Karten muss gestoppt werden.

(Beifall von den PIRATEN)

Diese Maßnahme ist in keinerlei Weise geeignet, Terroranschläge zu verhindern. Stattdessen richtet sie sich gegen weite Teile der Bevölkerung. Die nächsten Bedarfsträger stehen schon Schlange, um die Bestandsdaten und die Vorratsdaten von Millionen von Bürgern auszuwerten.

Die Einführung der grundsätzlichen Registrierungspflicht von SIM-Karten ist – falls Ihnen das nicht bekannt ist – ein Produkt der sogenannten Otto-Kataloge aus den Jahren 2003 und 2004. Herr Körfges, Sie werden sich wahrscheinlich erinnern. Das ist auch eines der eilig eingeführten Antiterrorpakete der damals rot-grünen Bundesregierung.

Die Klagen der Bürgerrechtler gegen das Gesetz haben lange gedauert. Aber in diesem Jahr liegt das Gesetz endlich dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zur Prüfung vor. Statt aber das Urteil über die Zulässigkeit der Zwangsregistrierung abzuwarten, will man in Berlin eilig eine weitere Verschärfung. Hier wird die Überwachung vor die Freiheit gestellt.

Der freie Zugang zum Internet ist für einen Menschen eine Voraussetzung, um sein Recht auf Informationsfreiheit und sein Recht auf freie Meinungsäußerung auszuüben. Die Rezipientenfreiheit, das Recht, sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu informieren – in Deutschland durch den Art. 5 des Grundgesetzes geschützt und garantiert –, wird zur Farce, wenn man sich für jede Suche nach Informationen vorher namentlich mit dem Personalausweis registrieren muss.

Der Registrierungszwang für SIM-Karten in Kombination mit der Vorratsdatenspeicherung stellt eine vollständige Überwachung von Onlineaktivitäten dar. Was das für das Freiheitsgefühl der Menschen zur

Folge haben kann, hat eine groß angelegte Untersuchung der Universität Berkeley gezeigt. Die Recherchen von Artikeln in Wikipedia zeigen deutliche Veränderungen, nachdem das Ausmaß der Onlineüberwachung durch die Snowden-Enthüllungen bekannt wurde. Eine solche Entwicklung können und dürfen wir hier nicht zulassen.

(Beifall von den PIRATEN)

Eine freie Gesellschaft braucht auch Freiräume. Sonst wird der Kampf gegen den Terror kein Schutz unserer Gesellschaft, sondern ihr Gefängnis.

Vor diesem Hintergrund und auch vor dem Hintergrund der Verantwortung, die der Landtag für die Menschen in Nordrhein-Westfalen hat, möchte ich Sie alle hier bitten, die Landesregierung dazu aufzufordern, morgen im Bundesrat auf die Einberufung des Vermittlungsausschusses hinzuwirken, um dieses Gesetz zu stoppen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall von den PIRATEN)

Danke, Herr Kollege Herrmann. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen van den Berg das Wort.

Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Kollege Herrmann, vielleicht kommen wir noch einmal auf das zurück, was eigentlich Gegenstand der Angelegenheit ist. Sie formulieren in der Sachverhaltsbeschreibung Ihres Antrags, dass – Zitat – „neue Einschränkungen für die informationelle Selbstbestimmung“ erfolgen würden.

Fakt ist aber: Bereits seit 2004 ist in § 111 des TKG gesetzlich vorgeschrieben, dass die Anbieter bzw. die Händler die Daten des Rufnummerninhabers zu erheben haben. Es ist also kein neues Recht, das geschaffen wird, sondern es geht hier um eine Vollzugsverbesserung, die wir herbeiführen.

Ich glaube, es ist für viele, die sich mit der inneren Sicherheit in unserem Land beschäftigen, ein ziemlich unerträglicher Zustand, dass der Gesetzgeber eine Erhebungspflicht einfordert und sich quasi jeder mit der Angabe des Namens Micky Maus da herausstehlen kann. Das kann nicht wahr sein. Es ist nahe liegend, dass diese Lücke gerade von Straftätern aktiv genutzt wird und leidlich ausgenutzt wird.

Herr Herrmann, lassen Sie mich das auch sagen: Ich finde es schon befremdlich, dass Sie – wie ich feststelle, wenn ich mir zum Beispiel die Homepage der Piraten in Baden-Württemberg angucke – quasi ganze Bauanleitungen dafür geben, wie man hier Anonymität herstellen kann. Dort schlagen Sie vor, wie anonyme E-Mail-Adressen zu beschaffen sind,

wie man falsche Postanschriften erfinden und im Internet platzieren kann, wie man IP-Adressen verschleiern kann und Ähnliches. Überlegen Sie sich einmal, ob Sie damit dem Rechtsstaat und einem Verfahren einen guten Dienst erweisen.

(Michele Marsching [PIRATEN]: Ich finde schon! Das ist eine gute Idee!)

Meine Damen und Herren, das Bundesgesetz …