Sie stellen einen Antrag, wollen nicht darüber debattieren, wollen eine Schaufensterdebatte führen, damit Sie sich bei den Gamern auf der gamescom lieb Kind machen können,
und fordern dann uns dazu auf, den Antrag doch gleich selber zu stellen, wenn wir denn so gerne debattieren wollten. – So viele parlamentarische Spitzfindigkeiten muss man erst einmal bringen, Herr Kollege Lamla.
Ich hätte durchaus noch drei weitere Punkte, die ich Ihnen für den nächsten Antrag, den Sie vielleicht dann zur Überweisung stellen, mit auf den Weg geben möchte, damit wir miteinander noch weiter reden können:
Dritter Punkt. Wir brauchen mehr valide Daten. Die Debatte bewegt sich auf der rein motorischen Ebene
doch zwischen „anspruchsvolle körperliche Tätigkeit“ – wie die einen und auch Sie sagen; dafür spricht durchaus etwas –, während auf der anderen Seite diejenigen stehen, die sagen, dass die Kids, die heute vor dem Computer sitzen, morgen die Übergewichtigen mit Diabetesproblemen sind. – Diese Debattenlage haben wir. Ich finde, wir brauchen mehr valide Daten, wir brauchen mehr Forschung zu diesem Bereich.
Vierter Punkt. Wenn wir davon ausgehen, dass eSport eine Jugendkultur ist, was heißt das dann für die Jugendarbeit in den Vereinen und Teams? Gibt es diese Jugendarbeit schon, oder gehen auch Sie in diesem Punkt davon aus, dass man erst einmal die Gemeinnützigkeit feststellen müsste, und dann würden sich diese Strukturen schon von selber ergeben? – Auch darüber würde ich gerne noch eingehender debattieren.
Der letzte Punkt ist die Frage, welche Rolle wirtschaftliche Akteure in der Organisation des eSports spielen. Denn die Abgabenordnung schreibt ja im § 52 Abs. 1 fest, dass eine Körperschaft dann gemeinnützige Zwecke verfolgt – ich zitiere –:
„wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern.“
Diese Frage der Selbstlosigkeit stellt sich im Zusammenhang mit wirtschaftlichen Unternehmen aus meiner Sicht durchaus. Auch das gilt es zu klären.
Insofern appelliere ich noch einmal an Sie: Lassen Sie uns die offenen Fragen gemeinsam diskutieren, und zwar auf Basis Ihres Antrags; denn Sie können uns doch nicht sagen, wenn wir gerne diskutieren würden, sollten wir den Antrag selber stellen. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich hier nur um politische Spielchen handelt, damit Sie bei der gamescom etwas in der Hand haben. Dem werden wir so nicht folgen können. Das ist schade und auch nicht im Sinne der Gamerinnen und Gamer. – Danke schön.
Vielen Dank, Frau Paul. – Frau Kollegin Paul, bitte bleiben Sie noch einen Moment am Redepult. Es gab den Wunsch, Ihnen noch eine weitere Zwischenfrage zu stellen.
Vielen Dank, Herr Präsident. Vielen Dank, Frau Paul, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie sprachen gerade davon, Grund für die Ablehnung des Antrags sei, dass Sie sich eine Debatte wünschen. Habe ich mir das dann so vorzustellen wie die Debatte über unseren Antrag zum bedingungslosen Grundeinkommen, wo unter anderem Sie eine Sachverständigenanhörung abgelehnt haben und dann die Debatte im Haushalts- und Finanzausschuss abgebrochen haben?
Ich stelle mir das so vor, wie wir das nach parlamentarischer Kultur machen. Sie überweisen diesen Antrag an die zuständigen Ausschüsse. Ich würde mir wünschen, dass das nicht nur der Ausschuss für Kultur und Medien ist, sondern auch der jedenfalls für die Anerkennung als Sportart zuständige Sportausschuss. Dann können wir gerne eine gemeinsame Sachverständigenanhörung durchführen. Auf dieser Basis werden wir dann sehen, wie weiter mit dem Thema zu verfahren ist. So verfahren wir hier im Haus. Das sollte auch Ihnen bekannt sein.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD – Mi- chele Marsching [PIRATEN]: Manchmal! Manchmal machen wir das auch nicht so!)
Vielen Dank, Frau Kollegin Paul. – Für die FDP-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Dr. Kerbein das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ehrenamtliches Engagement in unseren Sportvereinen leistet einen sehr wichtigen Beitrag für unsere Gesellschaft. Sportvereine leisten wertvolle Jugendarbeit, helfen dabei, Flüchtlinge zu integrieren, tun vieles mehr und verfügen über gewachsene Organisationsstrukturen. Zu Recht werden unsere Vereine steuerlich entlastet, müssen also bei Erfüllung gewisser Kriterien keine Körperschaftsteuer zahlen.
Hier geht es heute darum, dem E-Sport den Weg in die Gemeinnützigkeit zu ebnen – nicht zuletzt, um ihm auch diese steuerlichen Entlastungen zu ermöglichen. Dies ist jedoch nicht ohne Weiteres möglich. Die Kriterien, die ich gerade für die Sportvereine genannt habe, gelten so noch nicht unbedingt für den Bereich des E-Sports. Zudem müssen sich Vereinsstrukturen – das ist schon angesprochen worden – erst noch herausbilden, auch wenn es, was anzuerkennen ist, bereits Profiligen und nun auch internationale Turniere auf diesem Feld gibt. Die Gemeinnützigkeit des Sports erwächst aber nicht allein aus dem Profisport, sondern auch aus der Vereinsarbeit ehrenamtlicher Trainer und Betreuer an der Basis.
Der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses – auch das hat Frau Paul gerade angesprochen – hat im vergangenen Monat ein Gutachten vorgelegt, das im Auftrag der dortigen Piratenfraktion erstellt wurde. Es kommt zu dem Ergebnis, dass die aktuelle Rechtslage eine Anerkennung als gemeinnützig nicht hergibt. Ursächlich dafür ist – so urteilten in den vergangenen Jahren mehrere Gerichte –, dass E-Sport rechtlich nicht als Sport, sondern als Spiel einzustufen ist.
Es ist müßig, an dieser Stelle zu diskutieren, ob sich der Sportbegriff dergestalt erweitern lässt, dass auch der E-Sport darunterfällt. Wir sind uns sicher einig – das hat die Debatte aus meiner Sicht auch gezeigt –, dass hierzu der Rahmen fehlt bzw. der Rahmen hier gesprengt würde.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Piratenfraktion, Sie haben ein durchaus sehr interessantes Thema aufgegriffen. Es wäre sehr schön gewesen, wenn wir das Ganze im Ausschuss noch etwas näher hätten diskutieren und Sachverständige hätten hören können, um dieses doch sehr komplexe Themengebiet zu besprechen. Dazu wird es leider nicht kommen. Sie haben bekanntlich direkte Abstimmung beantragt. Dementsprechend wird sich unsere Fraktion enthalten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Kerbein. – Für die Landesregierung erteile ich Frau Ministerin Kampmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der Piraten fordert die Landesregierung auf – ich zitiere –,
„sich auf allen Ebenen dafür einzusetzen, dass der eSport gesellschaftlich als Sport anerkannt wird und damit auch den Status der Gemeinnützigkeit von § 52 Abs. 2 Nr. 21 der Abgabenordnung (AO) erhält.“
Der Kollege Vogt hat es eben schon gesagt: Diese Forderung von Ihnen, liebe Piraten, ist nicht neu; denn bereits im Jahr 2004 wurde der Deutsche eSport-Verband gegründet – mit dem damaligen Ziel, die Anerkennung des eSports als Sportart durch die Aufnahme in den damaligen Deutschen Sportbund zu erhalten. Die Aktivitäten dieses Verbandes versandeten allerdings, und er ist seit 2011 inaktiv. Auch das gehört heute zur Wahrheit dazu.
zum Beispiel Tischtennis. – Vielleicht haben Sie schon gesehen, dass unten im Haus Tischtennisplatten aufgebaut sind. Mit dem Staatssekretär habe ich eben schon eine Runde gespielt. Ich fordere Sie gleich einfach einmal heraus. Dann können wir ja sehen, wie sich Ihre Augen- und Handkoordination entwickeln wird. Ich sage Ihnen: Der eSport wird nichts dagegen sein. – Ich bin sehr gespannt.
Sehr verehrte Damen und Herren, jetzt setzen sich die Piraten offensichtlich in einer konzertierten Aktion in den gesamten Landesparlamenten – das klang gerade schon an – dafür ein, dass der eSport im Sinne der Abgabenordnung anerkannt wird, nachdem ein entsprechender Antrag bereits am 10. Mai 2016 im Berliner Abgeordnetenhaus eingebracht wurde.
Es ist ein wesentliches Prinzip des Verhältnisses von Sport und Staat – auch das ist eben schon angeklungen –, dass der Sport seine inneren Angelegenheiten autonom regelt. Darauf ist der Kollege Stein bereits eingegangen. Ein staatliches Eingreifen muss deshalb zunächst immer daran gemessen werden, ob damit in die Autonomie des organisierten Sports eingegriffen wird. Sollte der Sport dadurch bei seiner Ausübung der Kernkompetenzen gestört werden, ist ein Eingriff schlichtweg unzulässig.
Aber was ist eigentlich Sport, meine sehr verehrten Damen und Herren? – Im klassischen Sinne ist Sport eine Wettkampfform, die im Zusammenhang mit körperlichen Aktivitäten steht.
Dem eSport fehlt es an der für den Sport typischen körperlichen Ertüchtigung und den direkten eigenmotorischen Aktionen.
Als Sport werden außerdem Aktivitäten angesehen, die in der realen Welt auch passieren. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Jahr 2005 dazu einmal ausgeführt, dass der Sport – ich zitiere – „auf die Erhaltung der Gesundheit und Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ ziele, während beim Spielen „eher Zeitvertreib, Entspannung und Zerstreuung im Vordergrund“ stünden.
Trotzdem – und das begrüße ich ganz ausdrücklich – hat sich auch der organisierte Sport bereits mit dem Thema „eSport“ und mit seinen Potenzialen – denn auch die sind vorhanden – im Sport beschäftigt. Das wird er auch weiterhin tun.
So wird zum Beispiel der Landessportbund Nordrhein-Westfalen – ich denke, das wissen Sie – im September dazu ein Expertenhearing veranstalten.
Frau Ministerin, würden Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Schulz von der Piratenfraktion zulassen?
Vielen Dank, Frau Ministerin, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie hatten gerade in Bezug auf die Anerkennung sportlicher Leistungen auch die körperlichen Anstrengungen genannt. Wären Sie in der Lage, mir zu erklären, wie Sie den Unterschied zwischen Schachsport und eSport herstellen?
Das mache ich gerne. Ich komme in meiner weiteren Rede noch darauf. Wenn Sie mich weiter ausführen lassen, werden Sie es gleich erfahren.
Erst einmal mache ich aber mit den sportlichen Aktionen und dem, was der organisierte Sport macht, weiter. Der DOSB hat in seiner Aufnahmeordnung festgeschrieben, dass Sportorganisationen neben der notwendigen eigenen sportbestimmenden motorischen Aktivität unter anderem auch folgende Voraussetzungen für eine Mitgliedschaft erfüllen müssen:
Das ist zum einen die Ausübung der eigenmotorischen Aktivitäten, die Selbstzweck der Betätigung sein muss. Zum anderen muss die Sportart die Einhaltung ethischer Werte wie Fair Play, Chancengleichheit, Unverletzlichkeit der Person und Partnerschaft durch Regeln und/oder ein System von Wettkampf- und Klasseneinteilungen gewährleisten. Dies sei nicht gegeben.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für eine, wie im Antrag gefordert, steuerrechtliche Bewertung ist eine Eignung zur körperlichen Ertüchtigung – das sagte ich gerade schon – von zentraler Bedeutung. Lediglich durch eine Änderung der Abgabenordnung könnte der eSport – wie Schach, Herr Schulz – als gesetzlich anerkannte Fiktion in die Abgabenordnung aufgenommen werden. Ich bewerte das erst einmal nicht. Ich sage nur, wie es im Moment festgeschrieben steht.