Zuletzt möchte ich noch auf die Auswirkungen auf die Praktika eingehen. Viele Betriebe bieten explizit nur noch Pflichtpraktika gemäß Studien- oder Prüfungsordnung an. Damit gibt es immer weniger Möglichkeiten, berufliche Erfahrungen zu sammeln.
Die tatsächliche Politik von Rot- und Schwarz-Grün bedeutet hingegen immer mehr Bürokratie und Regulierung, obwohl Frau Nahles zurzeit schreibt, wir müssten den Arbeitsmarkt flexibler gestalten. Vor diesem Hintergrund kann ich meine Rede hier im Prinzip mit der Frage beenden: Ja, was denn nun? – Das werden wir dann im Ausschuss diskutieren. – Ich danke Ihnen.
Vielen Dank, Herr Kollege Alda. Bleiben Sie bitte noch einen Moment vorn; denn Sie haben Frau Kollegin Maaßen mit Ihren Ausführungen inspiriert, eine Kurzintervention anzumelden. Sie bekommt jetzt für 90 Sekunden das Wort, und – Sie kennen die Regeln – dann können Sie anderthalb Minuten lang antworten. – Frau Kollegin Maaßen, bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Alda, Sie haben mich tatsächlich herausgefordert mit Ihrer Bemerkung, dass Sie 25 Minuten bräuchten, um uns Ihr FDP-Konzept zur Integration Langzeitarbeitsloser in den Arbeitsmarkt von Nordrhein-Westfalen zu erläutern. Ich ermögliche Ihnen jetzt mit dieser Intervention anderthalb Minuten.
Sie haben recht damit, dass wir in NRW ein großes Problem mit der Eingliederung langzeitarbeitsloser Menschen haben. Es gibt viele, die gering qualifiziert sind oder denen eine Ausbildung oder Qualifizierung fehlt. Das ist ein besonderes Problem in NordrheinWestfalen. Hinzu kommt ein hoher Anteil Zugewanderter, die zunächst qualifiziert werden müssen. Dem stellen wir uns, aber das ist eine Problemlage, die nicht von heute auf morgen zu bewältigen ist. Daher freue ich mich, dass Sie ebenfalls ein Konzept haben. Ich bitte Sie darum, diese anderthalb Minuten, die Sie zur Verfügung haben …
Nein, ich muss nicht fragen. Das ist eine Zwischenintervention, Herr Kollege. Daher darf ich hier meine Meinung äußern.
Ich frage zusätzlich Herrn Alda jetzt ein zweites Mal, ob er zumindest einige Leitlinien des FDPKonzeptes darlegen kann. – Danke schön.
Danke, Frau Kollegin. Dazu möchte ich sagen, dass Sie lediglich Ihre Meinung gesagt und nicht gefragt haben. Aber das ist alles okay. Ich akzeptiere das, und zwar auch ohne die Zwischenrufe.
Ich hatte hier und auch im Ausschuss bereits einmal gesagt: Mein Gott, lasst doch mal das Misstrauen weg, das wir in alle diese Systemen haben! Wir haben Tausende von Systemen hier in NordrheinWestfalen, mit denen man Langzeitarbeitslose in den Betrieb bringen will. In der Praxis sieht es aber so aus: Dem Arbeitgeber wird gesagt: Nimmst du diese Person, dann bekommst du die und die Förderung. Egal, was in der Zeit dann passiert, ob er nicht mehr zur Arbeit kommt, ob er ein Problem hat, sei es ein Alkoholproblem oder sonst etwas – das wird gar nicht beachtet. Geht es nicht weiter, fällt die Förderung weg.
Da sieht unser Konzept ganz klar vor, dass wir mit Coaches auf den einzelnen Arbeitgeber zugehen und fragen: Wo können wir dir helfen? Wo können wir den Mann oder die Frau hier in deinem Betrieb integrieren?
Wir müssen ganz klar über die Probleme reden. Ich habe dies selbst erlebt: Wenn jemand einmal nicht in meinen Betrieb kam und ich den Sozialarbeiter daraufhin angerufen habe, habe ich folgende Antwort bekommen: Datenschutz! Sie bekommen keine Antwort von uns. – Ich wusste noch nicht einmal, was da los war.
Das gilt im Übrigen nicht nur für Kranke und Behinderte, sondern auch für Strafgefangene, die man wieder in den Job integrieren will. Versuchen Sie einmal, mit einem Bewährungshelfer zu reden, wenn Sie mit dem Betreffenden ein Problem haben! Sie bekommen dann keine Auskunft.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne
und natürlich auch im Livestream! Lieber Uli Alda, was du zum Ende deiner regulären Redezeit gesagt hast: „Ja, was denn?“, hätte eigentlich die Überschrift deiner Rede werden müssen: Ja, was denn? – Keine Lösungen vonseiten der FDP, null!
In den gesamten vier Jahren, in denen ich bisher im Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales arbeiten durfte, ist vonseiten der FDP nicht einmal eine Lösung zur Integration von langzeitarbeitslosen Menschen auch nur angesprochen worden – nicht ein einziges Mal. Null!
Sich dann hierhinzustellen und mit Fingern auf andere zu zeigen, ist unredlich; das ist nicht richtig.
Kommen wir zurück zum Antrag von Rot-Grün. Ich möchte dem Kollegen Preuß völlig recht geben: Ein bisschen ist das eine Feierstunde, und dass es überhaupt einen Mindestlohn gibt, ist tatsächlich ein kleiner Grund, um zu feiern.
Man muss aber auch sagen: Rot-Grün hat vorher mit der Einführung des Hartz-IV-Systems eine Menge kaputt gemacht. Die Einführung eines Mindestlohns ist im Grunde eine Selbstverständlichkeit,
die man nicht unbedingt feiern muss, sondern das hätte eigentlich schon seit vielen Jahrzehnten die Regel sein müssen. Außerdem ist der aktuell existierende Mindestlohn nicht ausreichend. Aktuell verhindert er nicht, dass viele Menschen noch aufstocken müssen oder Mietwohnzuschüsse benötigen. All das funktioniert zurzeit noch nicht.
Was wir wirklich brauchen, ist ein Mindestlohn, der Transferleistungen unnötig macht. Den haben wir zurzeit nicht, er wird sich im Bund wahrscheinlich auch nicht durchsetzen lassen. Das finde ich sehr schade; denn das müsste das Ziel sein, das müsste eine Selbstverständlichkeit sein.
Das Selbstverständnis dieser Republik müsste so aussehen: Jemand, der die gesamte Woche lang in Vollzeit arbeitet, muss von seinem Lohn leben können, ohne dass er irgendwo zusätzliches Geld erbetteln muss – egal, ob beim Staat oder bei irgendwem anders. Das geht so nicht.
Hinzu kommt, dass selbst der aktuelle Mindestlohn – der um mindestens 4 € pro Stunde zu niedrig angesetzt ist –noch nicht einmal flächendeckend kontrolliert wird. Ich beziehe mich dabei ausdrücklich nicht auf den WDR-Bericht, sondern auf Statistiken aus dem ersten Halbjahr 2015. Da fanden 25.000 Kontrollen durch die entsprechende Zollabteilung statt.
Der Mindestlohn betrifft aber geschätzte vier bis fünf Millionen Menschen. Die Kontrolldichte in diesem Bereich ist weitaus geringer als bei sonstigen Regelungen. Egal ob beim Verkehr, bei der Gesundheit oder sonst wo – es gibt kaum irgendwo eine geringere Kontrolldichte. Das ist völlig unzureichend, das schafft keine Sicherheit beim Arbeitnehmer. Vielmehr lässt sich der Arbeitnehmer – weil er weiß, dass sowieso nicht kontrolliert wird – wieder auf Stundenlöhne ein, die noch unter dem Mindestlohn liegen. Ich kann Ihnen jederzeit diverse Anstellungsverhältnisse zeigen, bei denen 4 bis 5 € pro Stunde gezahlt werden – immer noch, in 2016, trotz Mindestlohn. Das müssen wir ändern.
Übrigens fanden dann im zweiten Halbjahr 2015 nicht noch einmal 25.000 Kontrollen statt, sondern – auf das ganze Jahr gerechnet – die Kontrollzahl ist insgesamt um 50 % zurückgegangen.
„Diese viel zu geringe Kontrolldichte ist geradezu eine Einladung für betrügerische Betriebe, ihre Beschäftigten illegal im Lohn zu drücken.“
Das ist nicht nur schlecht für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sondern das „ist katastrophal für einen sauberen Wettbewerb in der Branche“. Genau zu dieser katastrophalen Wirkung auf den Wettbewerb würde es kommen, wenn wir weitere Ausnahmen hinzufügten, zum Beispiel eine Ausnahme für Geflüchtete. Schon die Ausnahme für Langzeitarbeitslose gehört nicht da hinein und muss weg.
Schon seit Längerem ist versprochen, dass der Zoll insgesamt 1.600 Stellen mehr bekommt, um Kontrollen durchzuführen. Das ist bisher nicht passiert, und das wird wohl auch nicht passieren. Inzwischen spricht man schon – gering angesetzt – von fast 1 Milliarde € Schaden durch die illegale Beschäftigung und die Nichteinhaltung des Mindestlohnes. Das kann unser Ziel nicht sein. Wir müssen den Mindestlohn anheben. Wir müssen ihn durchsetzen. Die Ausnahmen müssen wegfallen.
Zum Vergleich: Wir haben derzeit einen Mindestlohn in Höhe von 8,50 €. Ich habe mir die Zahlen einmal herausgeschrieben; sie stammen aus dem Jahr 2011. Danach gilt bei einer 38-Stunden-Woche: Pfändungsfreigrenze: 8,62 €...