Die massenhaften Angriffe waren widerlich. Sie dürfen sich nicht wiederholen. Die Täter müssen verfolgt und bestraft werden. Das sind wir nicht zuletzt den Opfern schuldig. Im Übrigen ist das auch keine Frage von Herkunft; denn Straftäter sind Straftäter.
Trotzdem müssen die Hintergründe der Taten und die Tätergruppen genau analysiert werden. Daher ist es wichtig, dass die Frage der sexualisierten Gewalt auch ein zentraler Bestandteil der Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses
Liebe Kolleginnen und Kollegen, laut Bericht des Innenministeriums vom 21. Januar 2016 sind allein in Köln 821 Straftaten angezeigt worden. 359 Anzeigen davon erfolgten wegen Vergehen gegen die sexuelle Selbstbestimmung. Die große Anzahl der Anzeigen zeigt ein bisher unvorstellbares Ausmaß. Auch in anderen Städten – ich habe es gerade erwähnt – ist es zu Übergriffen gekommen.
Offensichtlich ist das öffentliche Interesse maßgeblich dafür gewesen, dass Frauen endlich den Mut gefasst haben, sexuelle Übergriffe gegen sie auch zur Anzeige zu bringen. Das ist wichtig; denn es ist wichtig, dass Frauen diesen Mut haben und auch das Vertrauen haben, dass Übergriffe, die gegen sie gerichtet passieren, auch ernst genommen werden.
Die bundesweiten Ereignisse in und nach der Neujahrsnacht haben sexualisierte Gewalt ins Licht der Öffentlichkeit gerückt. Das ist wichtig; denn üblicherweise ist sexualisierte Gewalt leider eine Straftat mit einem sehr großen Dunkelfeld.
Die meisten Taten kommen nicht einmal zur Anzeige – aus Angst, aus Scham, aus dem Gefühl heraus, dass man eventuell nicht ernst genommen wird oder dass man gar noch selbst beschuldigt wird:
„Sie hat es doch auch gewollt“ oder „Was sieht sie denn so aus?“ und „Sie ist doch selber schuld“, oder weil die Frauen – und das finde ich das Schlimmste – selber das Gefühl haben, es sei nicht schwerwiegend genug oder es sei noch nicht einmal strafwürdig, und das, obwohl sie darunter oftmals für den Rest ihres Lebens nachhaltig leiden.
Doch steht fest: Sexualisierte Gewalt ist und darf kein Kavaliersdelikt sein. Leider ist es auch kein neues Phänomen. Die aktuell aufgeheizte Debatte darf nicht den Blick darauf verstellen, dass sexualisierte Gewalt in Deutschland ein alltägliches Phänomen ist, das keine Schicht und keine Herkunft kennt.
In den meisten Fällen ist es eine Tat im sozialen Nahfeld. Jede vierte Frau in Deutschland wird im Laufe ihres Lebens Opfer sexualisierter physischer und/oder psychischer Gewalt, und zwar, weil sie eine Frau ist.
Die Polizeiliche Kriminalstatistik in NordrheinWestfalen weist für das Jahr 2014 10.138 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung aus sowie allein 1.814 Vergewaltigungen und Fälle besonders schwerer sexueller Nötigung. 96,5 % der Opfer einer Vergewaltigung sind Frauen. Drei Viertel kannten den Tatverdächtigen zumindest flüchtig.
Diese Zahlen beschreiben nur das sogenannte Hellfeld. Eine aktuell veröffentlichte Dunkelfeldstudie des LKA Niedersachsen macht in erschreckendem Ausmaß deutlich, wie klein der Anteil der tatsächlich angezeigten Straftaten ist; denn laut dieser Studie werden nur knapp 6 % aller Sexualstraftaten angezeigt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Polizei ist in der Silvesternacht nicht in der Lage gewesen, die betroffenen Frauen vor sexuellen Übergriffen zu schützen. Diese Vorfälle haben der Debatte über die Verschärfung des Sexualstrafrechts zu Recht eine neue Dynamik verliehen; denn die aktuelle Gesetzgebung ist nicht in der Lage, Frauen ausnahmslos vor sexualisierter Gewalt zu schützen.
Frauen, die in dieser Nacht angegrapscht wurden, können sich nicht auf den Schutz des Rechtsstaates verlassen; denn Grapschen ist bislang kein Straftatbestand. Das deutsche Recht suggeriert durch diese Schutzlücke, ein bisschen Grapschen sei schon okay. Es unterstützt damit eine sexistische Kultur in dieser Gesellschaft.
Frauen müssen aber durch das Recht in ihrer sexuellen Selbstbestimmung geschützt werden, ausnahmslos und voraussetzungslos. Nein heißt Nein. Das muss endlich auch in unserem Strafrecht gelten.
Die jetzt von Bundesjustizminister Maas vorgelegte Reform ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ich finde es beschämend, dass es erst Hunderte Opfer in der Silvesternacht geben musste, bis die Union ihre Blockadehaltung zu diesem Thema aufgegeben hat.
Ich appelliere aber jetzt trotzdem sehr deutlich an die Bundesregierung: Es ist Zeit! Sexuelle Selbstbestimmung ist nicht relativierbar. Sie ist auch nicht verhandelbar. Es gilt, sie jetzt endlich voraussetzungslos und ausnahmslos zu schützen. Deswegen muss sich im Strafrecht niederschlagen: Nein heißt Nein. – Nicht mehr und nicht weniger erwarten wir jetzt vom Bundesgesetzgeber.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es gäbe noch viel zu diesem Thema zu sagen. Sexismus ist der Nährboden für sexualisierte Gewalt. Dieser Sexismus ist ganz sicher nicht aus Nordafrika in unsere Gesellschaft eingewandert.
Wir Frauen verwahren uns gegen die Instrumentalisierung unserer sexuellen Selbstbestimmung und generell unserer Selbstbestimmung. Wir wollen auch nicht von irgendwelchen marodierenden Männerhorden und Bürgerwehren beschützt werden. Wir wollen eine offene und ehrliche Debatte über den alltäglichen Sexismus in unserer Gesellschaft. Wir fordern ein Sexualstrafrecht, das unsere sexuelle Selbstbestimmung schützt – ausnahmslos.
Sehr geehrter Herr Präsident! Im Nachgang zur gerade geführten Debatte zum Untersuchungsausschuss passen diese Anträge heute ganz gut zu der Fragestellung, wie es weitergeht. Wie gehen wir in Zukunft insbesondere mit Fragen der Prävention um, kriminalpräventiv, aber auch in anderen Punkten, und – das ist für die CDU ein besonderer Schwerpunkt – wie gehen wir repressiv mit den Tätern um, um mögliche Folgetaten zu vermeiden?
Sie wissen: Frauen sind angreifbarer und verwundbarer. Das wissen Frauen aus der langen Geschichte der Menschheit heraus. Nichtsdestotrotz hat die Silvesternacht hervorgebracht, dass wir uns in der Bundesrepublik Deutschland und in NordrheinWestfalen doch wieder intensiver damit beschäftigen müssen, wie wir sexualisierte Gewalt in Zukunft verhindern und in bestimmte Gruppen hinein sehr deutlich machen, was eben nicht geht.
Deshalb, Frau Paul: Das Bundeskabinett wird sich heute mit einer Verschärfung des Sexualstrafrechts befassen. Sie haben, denke ich, dem Entschließungsantrag der CDU entnommen, dass wir dies sehr befürworten und gleich sogar die Landesregierung dazu auffordern – wie Sie auch –, sich für eine Verschärfung des Sexualstrafrechts einzusetzen.
In einem anderen Antrag, der Ihnen ja vorliegt, steht noch „gegebenenfalls“. Insofern ist die CDU in Nordrhein-Westfalen klar aufgestellt.
Die Frage für uns ist im Besonderen: Wie können wir in der Zukunft vermeiden, dass Frauen zu Opfern werden? Wir haben uns im Frauenausschuss vielfach mit Fragestellungen der Bekämpfung von häuslicher Gewalt sowie von Gewalt gegen weibliche Menschen mit Behinderung und mit dem Thema „Cyberkriminalität und Frauen“ beschäftigt. Aber das Phänomen in der Silvesternacht war Gewalt gegen Frauen im öffentlichen Raum. Das ist eine Besonderheit, auch in der Massivität, die wir hier landesweit und auch bundessweit erlebt haben.
Deswegen haben wir Ihnen mehrere Vorschläge unterbreitet, wie sich die CDU vorstellen kann, bei diesem Thema weiter voranzugehen. Dieser Antrag wird mit überwiesen. Wir freuen uns, dass es hier zu einer breiten Debatte kommen wird.
Wir haben Ihnen schon am 20. Januar dieses Jahres – Frau Kieninger, Sie werden sich erinnern – vorgeschlagen, dass wir uns im Frauenausschuss mit der Umsetzung der Istanbul-Erklärung auseinandersetzen, auch wenn sie noch nicht durch den Deutschen Bundestag ratifiziert ist, und vorab schauen, was wir denn daraus sinnvollerweise auf Nordrhein-Westfalen übertragen können.
Wir brauchen aber dringend – und dazu fordern wir auf – die Fortschreibung des Landesaktionsplans zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, der ja nun in den vergangenen Jahren sehr intensiv beraten und vorbereitet wurde. Die Ankündigung vom Herbst letzten Jahres war, dass man in diesem Jahr in der Lage sein wird, ihn vorzubereiten. Deshalb bin ich sehr gespannt, Frau Ministerin, ob Sie uns gleich einen Vorschlag bzw. einen Zeitplan unterbreiten können.
Wir haben aber auch einen konkreten Punkt aufgenommen, der in Ihrem Antrag, in dem Antrag von SPD und Grünen, nicht enthalten ist. Er betrifft die Frage: Wie gehen wir mit Angsträumen, insbesondere in Bahnhöfen und im Umfeld von Bahnhöfen, um?
Eine Erkenntnis und Folge der Silvesternacht muss doch sein, dass die Landesregierung jetzt zusammen mit den Behörden des Bundes, aber auch der betroffenen Städte und Gemeinden sehr dezidiert in
die Analyse geht und versucht, die Frage, wie wir Angsträume an Bahnhöfen vermeiden können, zu beantworten. Was müssen wir umsetzen, welche Mittel müssen wir einstellen, um wieder zu einem erhöhten Sicherheitsgefühl in Einrichtungen des schienengebundenen Personennahverkehrs zu
Wir haben ferner sehr deutlich in unseren Antrag geschrieben, dass wir uns Kampagnen oder Programme in Zusammenarbeit mit dem Landesintegrationsrat und der LAG kommunaler Frauenbüros in Nordrhein-Westfalen vorstellen können, weil es – das möchte ich betonen – bestimmte ethnische Gruppen gibt, in denen unverändert sehr traditierte Rollenbilder vorhanden sind, die dem Grunde nach mit der Gleichberechtigung und der Gleichstellung von Frau und Mann in der Bundesrepublik Deutschland schwer vereinbar sind.
Wir wollen mit dem Landesintegrationsrat darüber sprechen, welche Möglichkeiten es gibt, hier intensiver dafür zu werben, dass Frauen und Männer in der Bundesrepublik gleichgestellt sind, und deutlich machen, dass man bestimmte Handlungen und mögliche Ehrverletzungen, die in diesem Zusammenhang immer wieder zitiert werden, hier nicht zulässt und es auch nicht akzeptiert, wenn das in bestimmten Gruppen gelebt wird.
Summa summarum: Wir haben jetzt eine breite Antragslage aller Fraktionen vorliegen, die es sich zu diskutieren lohnt. Es wäre wirklich schön, wenn wir am Ende zu einem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen in dieser Angelegenheit kommen könnten, um ein breites Signal aus diesem Parlament in die Bürgerschaft zu senden. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Kölner Silvesterereignisse haben nicht nur mich und meine FDPFraktion, sondern unsere gesamte Gesellschaft erschüttert. Hunderte von Frauen wurden bestohlen, begrapscht, erniedrigt und auch vergewaltigt – Frauen, die einfach nur mit Freundinnen Spaß haben und in das neue Jahr hinein feiern wollten.
Ein ganzes Land schwankt zwischen Schock und Entrüstung, zwischen der Suche nach den Schuldigen und der Suche nach Antworten – Antworten auf Fragen, von denen wir alle glaubten, sie seien längst geklärt. Zur Klärung dieser Fragen kann ich persönlich nicht viel beitragen.
kann fragen, wie es diesen Frauen geht, wie sie sich fühlen. Ich kann den Frauen, die bereits Anzeige erstattet hatten, die den Mut hatten, diese schrecklichen Erlebnisse öffentlich zu machen, aber auch den Frauen, die das nicht können, deren Verletzungen zu tief und deren Scham zu groß ist, deren Leid aber nicht vergessen werden darf, zuhören.