Protocol of the Session on December 17, 2015

Herr Kollege Kern, schauen Sie doch mal nach Oberhausen oder nach Dortmund, wo wir Langzeitarbeitslose im Rahmen der Flüchtlingshilfe in Arbeit bringen. Dort geht es nicht um das bürgerschaftliche Engagement, sondern um Hilfe. Gleichzeitig vermitteln wir die Langzeitarbeitslosen in Arbeit. Das ist der Weg, den Sie eigentlich wollen, den Sie aber nicht ansprechen.

Die Landesregierung setzt sich intensiv dafür ein, dass auch der Bund seiner Verantwortung gerecht wird und ausreichende Mittel zur Verfügung stellt. Dies gilt für eine auskömmliche und verlässliche Finanzierung der Jobcenter ebenso wie für die Flexibilisierung der Instrumente, die den individuellen Bedürfnissen der Menschen gerecht werden. Es ist folgerichtig, dass das Kabinett des Bundes frisch entschieden hat, den Haushalt von Andrea Nahles bei den Jobcentern und bei den Arbeitsagenturen personell aufzustocken.

Meine Bitte an Sie ist: Arbeiten Sie doch gemeinsam mit uns daran, dass unsere Forderungen nach ausreichenden Mitteln und nach einem PassivAktiv-Transfer endlich erfüllt werden, damit die Integration von Langzeitarbeitslosen in den Arbeitsmarkt auch funktioniert! Diese Forderung, Herr Kollege Kern, müssten Sie dann allerdings an Bundesfinanzminister Schäuble richten, nicht an die Landesregierung. Dort wäre sie dann richtig verortet. – Herzlichen Dank.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Minister. – Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung. Die antragstellende CDU-Fraktion hat direkte Abstimmung beantragt. Von daher kommen wir zur Abstimmung über den Inhalt des Antrags Drucksache 16/10421. Ich darf fragen, wer diesem Antrag seine Zustimmung geben möchte. Den darf ich um das Handzeichen bitten. – Das ist die CDU-Fraktion. Wer stimmt dagegen? – Das sind SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Piratenfraktion. Wer enthält sich der Stimme? – Das sind die Abgeordneten der FDP-Fraktion. Damit stelle ich fest, dass der Antrag Drucksache 16/10421 abgelehnt worden ist.

Ich rufe auf:

3 Schutzsuchende mit Bleibeanspruch zügig in

den Arbeitsmarkt integrieren – gesetzliche Zugangshindernisse abschaffen – auf neue Zugangshürden verzichten

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/10424

In Verbindung mit:

Soziale Marktwirtschaft als Integrationsmotor – Schutzsuchende durch Ausbildung und Arbeit an unsere Wirtschafts- und Werteordnung heranführen!

Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/10425

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende CDU-Fraktion Herrn Kollegen Wüst das Wort. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Herr Minister

Schmeltzer hat eben mehrfach beim CDU-Bundesparteitag Anleihe genommen. Man kann den Eindruck haben, es wäre ihm darum gegangen, ein Muster dafür in die Hand zu bekommen, wie man zum Jahresende einen anständigen Parteitag macht. Das scheint nötig zu sein.

(Beifall von der CDU)

Ich kann das nur gutheißen. Weil ich ein großer Fan der Volksparteien bin, bin ich dafür, dass beide Volksparteien erfolgreich sind, die eine am liebsten etwas mehr als die andere. Aber Lesen bildet, Herr Schmeltzer.

Wir haben in diesem Jahr 300.000 Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen aufgenommen, Schutzsu

chende aus aller Herren Länder. Die Kommunen sind vielfach im Krisenmodus. Beamte und Tarifbeschäftigte auf allen Ebenen arbeiten mehr, als man

von ihnen erwarten könnte. Das ehrenamtliche Engagement vieler Menschen ist beeindruckend, berührend und gelegentlich sogar beschämend. Es werden Sprachkurse gegeben, Begegnungen organisiert, es wird Nachhilfe veranlasst und vieles mehr.

Das wird aber im nächsten Jahre nicht aufhören, sondern es werden weitere schutzsuchendende Menschen zu uns kommen. Deswegen wird es Zeit, dass wir aus dem Krisenmodus heraus-, vor die Lage kommen und uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir diese Menschen praktisch integrieren.

Wir wissen – viel besser als in anderen Ländern –, dass Integration in Nordrhein-Westfalen immer dann erfolgreich ist, wenn es sich um Integration in den Arbeitsmarkt handelt. Jedenfalls gilt das bei Erwachsenen. Handwerker, Mittelständler und die Industrie sind bereit, Menschen je nach Qualifizierungsprofil in ihre Betriebe zu holen, ihnen sinnvolle Tätigkeiten zu geben, sie als Praktikanten kennenzulernen, auszubilden oder ihnen gleich Jobs zu geben. Wir wissen aber auch, dass ein Großteil – und ich will gar nicht darüber streiten, ob es 80 oder 90 % sind – kaum sofort in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren sein wird.

Deswegen haben wir mit großem Interesse den Gipfel am Montag verfolgt, zu dem sich zwei Minister mit Präsidenten und Gewerkschaftschefs getroffen hatten. Betrachtet man diesen vor der Folie, dass wir seit Wochen über die Flüchtlingskrise wahlweise als größte Herausforderung seit dem Wiederaufbau der Bundesrepublik oder mindestens größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung reden, kann man sich nur wundern, wie gering die Ergebnisse des sogenannten Gipfels ausgefallen sind.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Es war die übliche Plauderei, ähnlich, wie bei „Runder Tisch Breitband“ oder beim Projekt „Bochum Perspektive 2022“. Wenig Konkretes, Lob – angemessenes Lob selbstverständlich –,

(Zuruf von der CDU: Eigenlob!)

Hinweise auf den Bund dazu, was er tun möge, Beschreibung von Programmen von Bund und Land, die es schon gibt, auch ansonsten viel Beschreibendes. Im Ergebnis gab es kaum Presseresonanz. Vor allen Dingen gab es aber keine Unterschriften vonseiten der Beteiligten.

Andere Bundesländer wie Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz oder Bayern haben, unabhängig von der Frage, wer dort regiert, schon vor zwei Monaten konkrete Vereinbarungen beschlossen, unter die verbindliche Unterschriften – im letzten Fall von Horst Seehofer – gesetzt wurden.

(Beifall von der CDU)

Das fehlt hier. Das fehlt inhaltlich und auch, was die Verortung im Kabinett angeht. Zwei ehrenwerte Minister waren vertreten. Alles gut, kein Problem. Aber wenn es die größte Herausforderung mindestens seit der Wiedervereinigung ist, dann muss das Thema Chefsache sein, dann muss sich Frau Kraft darum kümmern, und dann gehört am Ende auch ihre Unterschrift unter konkrete Vereinbarungen.

(Beifall von der CDU)

Und diese müssen sich mit mehr beschäftigen als mit dem, was sie bisher getan haben. Sie müssen sich auch mit den Wünschen und Forderungen der Wirtschaft auseinandersetzen, wenn es darum geht, den großen Worten auch Taten folgen zu lassen.

Schauen Sie sich die Themenvielfalt an, die wir hier vor dem Hintergrund der Flüchtlingsbewegung diskutieren. Die Klimaschützer sagen: Das ist alles wichtig, wir müssen ganz viel ändern, aber die EnEV 2016 muss kommen. Die Arbeitsmarktpolitiker sagen: Wir wollen Flüchtlingen helfen, sie müssen in Betriebe; aber was Mindestlohn, Zeitarbeit und, und, und betrifft, bleiben wir bei unserer Agenda.

Keiner von uns glaubt doch wirklich, dass wir so dieses Problem in den Griff bekommen.

(Torsten Sommer [PIRATEN]: Doch!)

Keiner von uns glaubt das – außer Herr Sommer.

(Zuruf von der CDU: Ja, ja, der glaubt zu viel!)

Das sei für das Protokoll vermerkt. Also, Herr Sommer, wenn Sie der Einzige sind, der mir hier widerspricht, hört sich das für mich nicht mehrheitsfähig an.

Wir brauchen Änderungen bei der Zeitarbeit, aber nicht in die eine Richtung, sondern bestenfalls in die andere. Deswegen war es gut, dass die Bundeskanzlerin ihre Ministerin Nahles auf „Halten“ gestellt hat. Wir brauchen eine Aussetzung der Vorrangprüfung. Die Sozialminister aller Länder haben dem schon vor Wochen zugestimmt – außer NordrheinWestfalen. Wir halten das für falsch. Darüber hinaus brauchen wir einen einfacheren Zugang – sozusagen von unten – in den Arbeitsmarkt, der für die vielen Schutzsuchenden in Deutschland einigermaßen schwierig ist, wenn sie schlecht qualifiziert sind. Wir reden hier nicht von einem Zahnarzt aus Aleppo – von dem müssen wir hier nicht reden –, sondern von den vielen schlecht Qualifizierten.

Vor dem Hintergrund aber zu sagen: „Du muss erst zwölf Monate lang arbeitslos sein, damit du im Sinne des deutschen Rechts formal Langzeitarbeitsloser bist, und dann gilt für dich die Ausnahme vom Mindestlohn für eine Praktikumsstelle, sodass du mal ein halbes Jahr in einen Betrieb hineinschnuppern kannst“, ist, glaube ich, nicht richtig. Damit

werden wir dieser großen Herausforderung nicht angemessen gerecht.

Deswegen fordern wir, gering qualifizierte Schutzsuchende von Anfang an analog der Regeln für Langzeitarbeitslose zu behandeln, damit so schnell wie möglich eine erfolgreiche Arbeitsmarktintegration stattfinden kann. Ich würde mich freuen, wenn wir alle in unseren Fachbereichen über den einen oder anderen Schatten springen würden, damit wir bei dieser Herausforderung erfolgreich sind und die Integration zu einem Erfolg nicht nur für die Gesellschaft, sondern auch für Wirtschaft und Arbeitsmarkt in Nordrhein-Westfalen machen.

Ich würde mir wünschen, dass Sie – gerne basierend auf Ihrer bisherigen Gipfelerklärung – weiter Ihre Hausarbeiten machen, die Ministerpräsidentin vor den Karren spannen und zu konkreten Verabredungen mit der Wirtschaft und den Gewerkschaften in Nordrhein-Westfalen kommen. Das sind meine Wünsche, und Ihnen wünsche ich ein frohes Fest. – Danke schön.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Wüst. – Für die SPD-Fraktion erteile ich Herrn Kollegen Bischoff das Wort.

Danke. – Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Also, Herr Wüst hat wenigstens schon mal zur Kenntnis genommen, dass es einen Gipfel gegeben hat. Herr Kern hatte das noch nicht zur Kenntnis genommen. Insofern sind wir mindestens eine halbe Stunde weiter als beim Punkt vorher; denn da hatte er, wie gesagt, noch gar nicht gemerkt, dass es am Montag einen Gipfel gab.

Für die Zuschauerinnen und Zuschauer: Ich sage das deswegen, weil in einem der Anträge der CDU die wichtigste Forderung lautet, dass ein Gipfel stattfinden möge. Das fordert die CDU. Herr Wüst hat gerade aber nicht erklärt, dass diese Forderung überflüssig geworden ist.

(Hendrik Schmitz [CDU]: Dann machen Sie das mal! Erklären Sie uns das!)

Er hat auch in keinster Weise versucht, sich am Inhalt des Gipfels abzuarbeiten und darzustellen, was im Antrag der CDU längst erledigt ist. Das hat er alles nicht gemacht. Aber er fordert weiterhin, dass ein Gipfel stattfindet, hat aber festgestellt, dass der am Montag stattgefunden hat.

Sie von der CDU waren nicht da. Das muss man auch sagen.