Protocol of the Session on August 28, 2008

An der Stelle rühren Sie sich aber nicht. Sie kämpfen um die eine Position: Wir sind gegen die vollständige Auktionierung – gegen alle anderen. Das beinhaltet ja auch der Antrag.

Die baden-württembergische Landesregierung hat dankenswerter in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage eines Kollegen von mir geschrieben, sie sei gegen eine länderspezifische Verteilung. Sie würde von dem profitieren, was NRW zahlt, und sogar überproportional daraus Mittel erhalten. Die Bayern sehen das ähnlich.

Was Sie an der Stelle versäumen, ist eine strategische Aufstellung, die Nordrhein-Westfalen nützt. In eine Verhandlung mit der Position hinzugehen, man sei gegen die Auktionierung, und hinterher zu sagen, wenn ihr sie aber durchgesetzt haben, wollen wir etwas mehr haben, ist eine sehr, sehr schlechte Verhandlungsstrategie.

Also, eine ganz eindeutige Aussage: Strategisch stellen Sie unser Land schlecht auf!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Vielmehr müssten Sie fordern: Von dem, was der Bund einnimmt, muss ein Teil entsprechend dem Aufkommen wieder in die Länder zurückfließen. Dann hätten Sie additive Mittel, um Gebäudesanierungsprogramme und andere Dinge zu bedienen. Das tun Sie nicht. Das ist der erste Punkt.

Der zweite Punkt: Sie machen das Gleiche bei den erneuerbaren Energien. Die erneuerbaren sind nicht mehr additive Spinnerei von einigen Grünen und einigen Landwirten. Vielmehr sind die erneuerbaren Energien Ziel der Bundesregierung. Zu 30 % soll der Strom in elf Jahren aus den erneuerbaren Energien kommen. Der Ausbau wird bundesweit wiederum über eine Umlage – über das EEG – finanziert. Jeder von uns zahlt auf eine Kilowattstunde 0,5 Cent für diesen Ausbau. Auch da liefern wir aus Nordrhein-Westfalen das Geld ab in andere Bundesländer.

Wir waren letzte Woche mit dem Wirtschaftsausschuss in Niedersachsen und in Sachsen. Wir haben bei Enercon in Niedersachsen gehört, dass 11.000 Leute für Enercon in der Windindustrie arbeiten. Wir bezahlen nicht nur die Windräder, die da stehen, sondern auch den dortigen industriellen Aufbau.

Danach waren wir in Sachsen. Jedes Jahr wird die Produktion der Solarfabriken verdoppelt. Die sind auf vier Jahre mit ihrer Produktion ausverkauft und erhalten entsprechend viele Aufträge.

Das heißt: Beim Emissionshandel finanziert Nordrhein-Westfalen eine industrielle Aufbauhilfe Nord, Ost und Süd. Und bei den erneuerbaren Energien machen wir das gleiche. Auf Heller und Pfennig kann man es ganz genau belegen. Wir zahlen immer überproportional. Aufgrund der ideologischen Blockaden und einer schlechten strategischen Ausrichtung bekommen wir nicht das wieder, was wir eigentlich dringend brauchten.

Herr Priggen, es gibt eine Zwischenfrage von Herrn Weisbrich. Wollen Sie die zulassen?

Bitte, Herr Weisbrich.

Kollege Priggen, können Sie mir sagen, wie viel 140 Terra

wattstunden Strom aus Kernenergie kosten und, wenn wir die nicht mehr hätten, was die gleiche Menge Strom aus erneuerbaren Energien kostet? Wenn Sie es nicht genau beziffern können, dann sagen Sie doch mal, um wie viel der Strom aus erneuerbaren Energien teurer sein wird und wer das bezahlt.

Ich weiß das jetzt nicht genau. Die Kilowattstunde Strom aus Kernenergie kostet um die 3 oder 4 Cent. Strom aus Windenergie kostet um die 8 Cent. Das sind die Zahlen, die ich kenne. Das Ausmultiplizieren können wir uns jetzt schenken.

(Christian Weisbrich [CDU]: Fotovoltaik?)

Fotovoltaik liegt nach meinem Kenntnisstand bei 40 bis 44 Cent die Kilowattstunde. Die Kostendegression liegt allerdings zurzeit pro Jahr bei minus 12 % – also ein hervorragendes Verhältnis! Im Übrigen – um es einmal klar zu sagen, Kollege Weisbrich –: Das Gesetz über Erneuerbare Energien ist gerade von Ihrer Bundesvorsitzenden Frau Dr. Merkel, unserer Bundeskanzlerin, und den Kollegen von der SPD im Bund beschlossen und verlängert worden. Wir haben das mitgetragen, weil es im Prinzip eine gute Ausrichtung ist.

Sie sollten das einmal intern klären: Entweder entscheiden Sie sich jetzt wie Ihre Bundesvorsitzende, dass der Kurs richtig ist – über Details kann man immer reden –, oder alles ist Unfug. Aber die Große Koalition in Berlin geht den beschriebenen Weg, während Sie das größte Land der Bundesrepublik immer konträr dazu aufstellen und die Prozesse an uns vorbeilaufen lassen. Das ist doch das, was ärgert.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir haben es doch diese Woche noch gesehen, als wir im Norden und und Osten der Republik waren. In Niedersachsen haben sie die ideologischen Blockaden, die bei uns diskutiert werden, nicht.

Noch einmal eine dringliche Bitte: Bei Kyrill ist in unseren Waldregionen so viel kaputtgegangen ist, dass im Sauer- und im Siegerland die Waldbauern keine Chance haben, die nächsten 20 bis 40 Jahre auf den Flächen Geld zu verdienen, weil ihnen die Bäume durch den Orkan weggefegt worden sind. Anstatt das zuzugeben und zu sagen, ihr könnt ein Stück weit über Pachteinnahmen aus Windenergie verdienen – was in allen anderen Bundesländern an den Standorten gemacht wird, wo die kahlen Flächen sind und es Jahrzehnte dauert, bis die Bäume wieder hochgewachsen sind –,blockieren Sie diese Möglich

keit mit aus meiner Sicht nicht nachvollziehbaren Gründen.

In Norddeutschland bedanken sie sich. Da gibt keine solche Kasperdiskussion. Da freuen sie sich.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir waren doch zusammen bei Enercon und waren beeindruckt über den hohen Standard an technischer Innovation. Ich sage es noch einmal: 11.000 Arbeitsplätze, Nr. 1 in Deutschland, Nr. 4 weltweit, Exportanteil 60 % – wachsend –, eine auf zwei Jahre hinaus ausverkaufte Produktion – entsprechend sind die Lieferzeiten –: Das ist Industrie vom allerfeinsten. Es kann keine gute Strategie für Nordrhein-Westfalen sein, wenn der Anteil der erneuerbaren Energien in elf Jahren 30 % der Stromerzeugung ausmachen soll, diesen Bereich systematisch aus dem Land herauszudrücken und einfach woanders entstehen zu lassen.

Sie wissen, dass ich Ihre Entscheidung, die Subventionierung des Bergbaus zu beenden, teile und auch für richtig halte, aber in den Feldern Emissionshandel, wo neue Bereiche notwendig werden, stellen Sie die Weichen strategisch falsch. Das ist bedauerlich, weil es dem Lande schadet. – Danke schön.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Danke schön, Herr Priggen. – Für die Landesregierung spricht nun Frau Ministerin Thoben.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Priggen, es ist nicht so, dass Ihren Anträgen, Kleinen Anfragen und Aktuellen Stunden nicht auch die eine oder andere Wiederholung anzumerken ist. Ich will das Zitat, das Sie zu Beginn gebracht haben, nicht wiederholen, aber die Ähnlichkeit ist schon auffallend.

Energiepolitik ist eine Aufgabe, die, was den Rechtsrahmen angeht, bundesweit geregelt sein will. Es macht wenig Sinn, das länderspezifisch zu machen. Es war immer Konsens in Deutschland – deshalb auch übrigens die Verteilung der vorhandenen Kraftwerksstrukturen –, dass man da, wo bestimmte Rohstoffe sind, und da, wo keine Rohstoffe, andere Kraftwerke baut. Deshalb ist unsere Einlassung zum Beispiel zum Weiterbetrieb der Kernkraftwerke nicht etwas, was sich gegen die Interessen unseres Landes wendet.

Was Herr Leuchtenberg und Sie nie vortragen, wenn Sie sich für die Windenergie so schrecklich begeistern, ist die Information, dass man bei uns im Inland selbst bei optimaler Aufstellung eines Windrads in einer Höhe, die der des Kölner Doms entspricht, 2.000 Stunden Laufzeit im Jahr, offshore 4.000 Stunden …

(Svenja Schulze [SPD]: Das stimmt nicht! Sachkenntnis würde da helfen!)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Eiskirch?

Bitte schön.

Frau Ministerin Thoben, es ist richtig, dass der Ausschuss eine Reise unternommen hat, aber auch Ihr Ministerium war daran beteiligt. Ist Ihnen schon berichtet worden, dass wir von der Firma Enercon einen für jeden Landkreis in Nordrhein-Westfalen aufgestellten Bericht darüber mitbekommen haben, in welchen Gebieten bei welchen Höhen wie viele Volllastjahresstunden gefahren werden können?

(Ministerin Christa Thoben: Nein, das habe ich mir noch nicht angesehen!)

Es ist richtig, dass wir offshore bei höherem Risiko zwischen 3.500 und 4.000 Stunden fahren können. Aber mittlerweile können wir bei den heute üblichen Höhen an fast allen Standorten in Nordrhein-Westfalen 3.000 bis 3.500 Volllaststunden fahren. Das ist fast das Doppelte der Zahl, die Sie gerade genannt haben. Dahinter verbirgt sich ein enormes Potenzial für den Ausbau der Windenergie in Nordrhein-Westfalen.

Herr Eiskirch, selbst wenn wir Ihre etwas modernere Größenordnung zugrunde legen, müssen Sie dennoch einsehen, dass es bei einem Kernkraftwerk 7.500 Laststunden sind. Das heißt, Sie haben die Frage, wie Sie die Grundlastversorgung organisieren wollen, schon noch zu beantworten. Erste Anmerkung.

Die zweite: Ich bin sehr einverstanden damit, dass wir uns die erneuerbaren Energien, wo sie sich eignen, nicht nur aus industriepolitischen, sondern auch aus praktischen Gründen zu eigen machen und uns auch auf Dauer einen Beitrag zur Energieversorgung versprechen, der deutlich höher sein kann als der heutige. Aber richtig ist doch auch – ich will Ihnen einmal ein praktisches Bei

spiel nennen –, dass wir im Rahmen der derzeitigen EEG-Förderung die 3 % Bruttostromerzeugung durch Fotovoltaik mit mehr als einem Drittel der Einspeisevergütung – mit über 1 Milliarde € – fördern.

Ich will Ihnen dazu ein praktisches Beispiel nennen. In Bochum zeigte ein renommiertes Unternehmen der Heizungs- und Klimatechnik bei der Eröffnung eines Energieoptimierungszentrums seine Fotovoltaikanlage auf dem Dach. Die Tochter des Hauses erklärte begeistert, der Strom sei viel zu teuer, um ihn selber zu nutzen. Sie würden ihn an die Stadtwerke Bochum verkaufen und von den Stadtwerken Bochum den preiswerten Normalstrom beziehen. Dem Chef war es etwas unangenehm, dass das in Gegenwart des Geschäftsführers der Stadtwerke so vorgetragen wurde. Aber das sind Sachverhalte, die so tatsächlich vorkommen.

Deshalb muss man sich mit der Frage befassen, was man durch diese hohen Einspeisevergütungen industriepolitisch und technologisch befördert. Einen Beitrag zur Versorgung kann ich mir jedenfalls preiswerter vorstellen.

(Svenja Schulze [SPD]: Am besten ein A- tomkraftwerk bauen, oder was?)

Frau Schulze und Herr Priggen, die Debatte, auf die ich jetzt zu sprechen komme, haben wir noch nicht geführt. Wenn man parallel zum EEG den Zertifikatehandel aufbaut, stellt sich die Frage, ob sich diese beiden Dinge konterkarieren oder verstärken und ob sie überhaupt zusammenpassen. Wir werden dazu ein Gutachten in Auftrag geben.

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Priggen?

Bitte schön.

Vielen Dank, Frau Ministerin. Sie selber haben das ambitionierte Ziel einer Gebäudesanierungsrate in Höhe von 3 % pro Jahr. Das brauchen wir auch mindestens.

(Ministerin Christa Thoben: Ja!)

Sie erreichen im Moment 0,5 % und brauchen eigentlich viel Geld. Wenn wir dieses Ziel erreichen wollen, ist meine Frage, wo das Geld dafür herkommen soll, wenn nicht aus dem Emissionshandel? Im Haushalt ist doch kein Geld dafür vorhanden; das akzeptiere ich ja.

Herr Priggen, die Sanierung wird nicht nur aus KfW-Mitteln finanziert. Diese sind aber die einzigen, die wir statistisch erfassen. Was die Menschen genau machen, wenn sie an ihrem Haus etwas verändern, wird statistisch nicht erfasst. Heute Nachmittag gibt es dazu noch einen separaten Tagesordnungspunkt. Dann werden wir diese Frage vertieft diskutieren, und dann werde ich Ihnen die Einzelheiten vortragen, soweit wir sie überhaupt erkennen können.